Sittenwidrigkeit eines Time-Sharing-Kaufvertrags mit Auslandsberührung - Spanien
Gericht
LG Detmold
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
29. 09. 1994
Aktenzeichen
9 O 57/94
Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ, wonach für Klagen aus dinglichem Recht oder aus Miete/Pacht die Gerichte am Belegenheitsort der unbeweglichen Sache ausschließlich zuständig sind, kommt nicht zur Anwendung, wenn im Inland aus einem Wechsel geklagt wird, den die spanische Ausstellerin und Time-Sharing-Rechtverkäuferin zum Zwecke des inländischen Einzugs an den deutschen Kläger indossiert hat.
§ 138 BGB gehört zu den Bestimmungen des deutschen Rechts, die i. S. von Art. 34 EGBGB den Sachverhalt ohne Rücksicht auf das (hier spanische) Vertragsstatut zwingend regeln.
Es ist trotz spanischen Vertragstatus nach deutschem Recht sittenwidrig, wenn deutsche Staatsangehörige unter Ausnutzung ihrer Unerfahrenheit im spanischen Recht zur Unterzeichnung eines unvollkommenen und unerfüllbaren Kaufvertrag zur Unterzeichnung überredet werden. Das ist in der Regel der Fall, wenn die Time-Sharing-Rechtverkäuferin entgegen ihrer Ankündigung, eine dinglich gesicherte Rechtsposition verschaffen zu wollen, diese Ankündigung nicht erfüllen kann.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. ist Inhaber eines von den Bekl. akzeptierten Wechsels über 14000 DM, den die S. L. aus S. in Teneriffa ausgestellt hat. Die S. L. hat den Kl. beauftragt, den Wechsel für sie in der Bundesrepublik einzuziehen; dazu hat sie den Wechsel an ihn indossiert. Im Wechselverfahren hat der Kl. daraufhin am 17. 3. 1994 ein Anerkenntnis-Vorbehalts-Urteil erwirkt, in dem die Bekl. verurteilt wurden, als Gesamtschuldner zu den Kl. 14000 DM nebst Zinsen zzgl. 46,66 DM Wechselvergütung und 55,20 DM Protestkosten zu zahlen. Im Nachverfahren streiten die Parteien darüber, ob die Gesellschaft L-S. L. um die Wechselforderung ungerechtfertigt bereichert ist. Unstreitig ist, dass der Kl. sich eine solche Einwendung gem. Art. 17 WG entgegenhalten lassen müsste. Der Wechselhingabe liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Gesellschaft L-S. L. ist nach dem Vortrag des Kl. Eigentümerin verschiedener Appartements in der Ferienanlage Club A in Fuerteventura (Canarische Inseln), u. a. des Appartements Nr. 237. Die Bekl. machten mit ihrer Tochter im Frühjahr 1993 Urlaub auf Fuerteventura. Am 21. 4. 1993 wurden sie auf dem Weg zum Einkauf von zwei jungen Damen angesprochen, die sie zur Teilnahme an einer Tombolaveranstaltung in einem nahe gelegenen Hotel einluden. Die Bekl. nahmen die Einladung an; ihre Tochter zog ein Los, auf das der erste Preis, nämlich eine Woche Ferienaufenthalt in einer Appartementanlage auf Fuerteventura, fiel. Bei Aufnahme der Formalien über den gewonnenen Ferienaufenthalt wurden die Bekl. darauf angesprochen, ob sie nicht Teilzeiteigentum an einem Appartement in der Ferienanlage Club A erwerben wollten mit dem Recht, dieses Appartement in einer bestimmten Woche des Jahres ausschließlich und ausschließend zu benutzen. Nach einem längeren Gespräch ließen sich die Bekl. überreden, ein Formular zu unterzeichnen. Das Formular ist überschrieben mit „Verkauf mittels Notarvertrag“. Darin heißt es: „Die Käufer sind interessiert an einem Teilzeitkauf in Form von Wochen in der Ferienanlage Club A." Als Kaufobjekt wurde die 24. Jahreswoche für das Appartement Nr. 237 eingetragen. Der Kaufpreis wurde mit 19500 DM angegeben.
Gleichzeitig mit der Unterzeichnung stellten die Bekl. vier Euroschecks über insgesamt 100000 Peseten aus und unterzeichneten einen Swiftauftrag über 4052 DM, zahlbar in Bad S. am 16. 11. 1993. Was in der Folgezeit passierte, ist streitig. Die Bekl. sollen versucht haben, den Teilzeitkauf zu widerrufen. Unstreitig haben sie am 23. 4. 1993 den Notar aufgesucht. Sie wollen ihn ersucht haben, den Widerruf des Teilzeitkaufs zu beurkunden. Der Notar hat aber lediglich eine Kopie des Personalausweises des Bekl. zu 1 gefertigt und die Übereinstimmung der Kopie mit dem Original bescheinigt. Ob die Bekl. an diesem Tag auch eine Vollmacht für Frau H zum Kauf der 24. Kalenderwoche des Appartements Nr. 237 im Club A unterzeichnet haben, ist streitig.
Bereits mit Schreiben vom 4. 6. 1993 forderte die Gesellschaft L-S. L. die Zahlung des Restkaufpreises aus dem Teilzeitkauf bis zum 18. 6. 1993. Die Bekl. nahmen daraufhin anwaltliche Hilfe in Anspruch und erklärten mit Schreiben vom 17. 6. 1993 unter Bezugnahme auf das Haustürgeschäftewiderrufsgesetz den Widerruf des Teilzeitkaufvertrages für das Appartement Nr. 237. Danach hat die Gesellschaft L-S. L. den von den Bekl. akzeptierten Wechsel an den Kl. indossiert. Dieser hat nach Nichteinlösung des Wechsels am 18. 11. 1993 im Dezember 1993 das Wechsel-Mahnverfahren eingeleitet. Der Kl. bestreitet, dass die Bekl. unmittelbar im Anschluss an die Unterzeichnung des Teilzeitkaufes versucht hätten, den Vertrag zu widerrufen. Dagegen spreche schon, dass sie die hingegebenen Euroschecks nicht hätten sperren lassen. Zwar sei richtig, dass der Notar F die Pässe der Bekl. beglaubigt habe; die Bekl. hätten aber gleichzeitig eine Vollmacht zur Durchführung des Teilzeitkaufes erteilt. Bei Unterzeichnung der spanischen Vollmacht hätten die Bekl. eine deutsche Übersetzung davon erhalten; diese sei jedoch nicht gegengezeichnet worden. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Teilzeitkaufes bestünden nicht. Der Erwerb einer dinglich gesicherten Rechtsposition werde nicht nur suggeriert, sondern werde erfolgen. Das Objekt sei schulden- und lastenfrei. Die Bekl. würden selbstverständlich noch im Grundbuch eingetragen. Da in § 11 des Kaufvertrages die Geltung spanischen Rechts vereinbart sei, hätten die Bekl. kein Widerrufsrecht nach dem Haustürgeschäftewiderrufgsesetz. Die Anwendbarkeit des Haustürgeschäftewiderrufsgesetzes ergebe sich weder nach Art. 29 EGBGB noch nach Art. 34 EGBGB.
Den Antrag des Kl., das Anerkenntnis-Vorbehalts-Urteil für vorbehaltlos zu erklären, hat das LG Detmold zurückgewiesen und die Klage unter Urteilsaufhebung abgewiesen.
Auszüge aus den Gründen:
I. Die Klage ist zulässig, insb. ist das LG Detmold gem. Art. 2 EuGVÜ international zur Entscheidung zuständig. Ein Fall ausschließlicher Zuständigkeit gem. Art. 16 EuGVÜ liegt nicht vor, weil Klagegegenstand die Wechselforderung und nicht ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache ist.
II. Im Ergebnis ist die Klage unbegründet. Zwar ist der Kl. unstreitig formell und materiell berechtigter Wechselinhaber. Die Voraussetzungen für einen Rückgriff mangels Zahlung gem. Art. 43, 48 WG gegen die Bekl. als Wechselakzeptanten liegen unstreitig vor. Die Bekl. können dem Kl. aber gem. Art. 17 WG entgegenhalten, dass die Gesellschaft L-S. L. als Wechselaussteller auf ihre Kosten um die Wechselverbindlichkeit bereichert sei, was gem. § 821 BGB der Durchsetzung der Wechselverbindlichkeit entgegenstehe. Das Wechselvorbehaltsurteil war deshalb aufzuheben, die Klage abzuweisen.
1. Nach den vorgelegten Unterlagen ist zwischen den Parteien ein wirksamer Kaufvertrag noch gar nicht abgeschlossen worden. Nach dem Wortlaut der von den Bekl. unterzeichneten Urkunde sollte der Verkauf nämlich mittels Notarvertrag folgen; da ein solcher Notarvertrag bisher nicht vorliegt, ist auch noch keine Zahlungsverpflichtung der Bekl. begründet.
Zwar ist auf die Vertragsbeziehungen der Parteien entgegen der Auffassung der Bekl. gem. Art. 28 III EGBGB spanisches Recht anwendbar, auch nach spanischem Recht aber ist die traditionelle kontinentale Auslegungstheorie maßgeblich, die auf den objektiven Erklärungswert einer Urkunde abstellt (vgl. LG Hamburg, NJW-RR 1989, 695).
Die von den Bekl. unterzeichnete Urkunde vom 21. 4. 1993 ist in sich widersprüchlich. Darin heißt es einerseits in hervorgehobenem Schrägdruck, die Käufer seien an einem Teilzeitkauf zu nachfolgenden Bedingungen interessiert, andererseits wird im letzten Abschnitt der Urkunde - in kleiner Schrift - ausgeführt, dass die Käuferseite durch die geleistete Unterschrift unwiderruflich den Bedingungen des Vertrages verpflichtet sei. Der durch die Druckgestaltung hervorgerufene Eindruck, es handele sich nur um eine Interessenbekundung, wird noch durch die Überschrift des Formulars verstärkt, wonach ein Verkauf erst „mittels Notarvertrag" erfolgen sollte. Ergibt eine Auslegung kein klares Ergebnis, so gilt die für den Partner des Formularverwenders günstigere Version. Das heißt: Allein durch die Unterzeichnung des Verkaufsformulars ist zwischen den Parteien noch kein Vertrag zustande gekommen. Eine Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung wäre vielmehr nur entstanden, wenn der in Aussicht genommene notarielle Vertrag tatsächlich abgeschlossen worden wäre.
Der Kl. hat zwar vorgetragen, die Bekl. hätten eine notarielle Vollmacht zur Durchführung des Kaufvertrages unterzeichnet, was grundsätzlich den Abschluss eines notariellen Kaufvertrages ersetzt hätte, es lässt sich aber nicht feststellen, dass die Bekl. eine solche Vollmacht tatsächlich erteilt haben. Beruft sich - wie hier - jemand auf die Einrede der Bereicherung, so ist er zwar grundsätzlich beweisbelastet, aber nur hinsichtlich eines vom Gegner schlüssig vorgetragenen Rechtsgrundes. An einer solch schlüssigen Darlegung eines Rechtsgrunds für das Behalten des Wechsels fehlt es hier:
Angesichts der in sich schlüssigen Darstellung der Bekl., eine Vollmacht nicht unterzeichnet zu haben, hat die Kammer dem Kl. aufgegeben, eine Kopie der unterzeichneten Original-Vollmachtsurkunde vorzulegen. Diese Auflage hat der Kl. nicht erfüllt mit der Begründung, spanische Notare fertigten von ihren Originalurkunden keine Kopien. Die anstelle einer Kopie vorgelegte Ausfertigung belegt aber schon für sich, dass der Notar keine von den Bekl. unterzeichnete Originalurkunde vorliegen hat. Vielmehr ergibt sich aus der vorgelegten Übersetzung folgendes: An der Stelle, wo im Original der Notar seine Unterschrift gesetzt hat, taucht in der Ausfertigung der Vermerk auf: „Unterschrieben: F“. Ein solcher Vermerk über den auf die Originalurkunde gesetzten Namenszug fehlt an der Stelle, wo nach dem Text der Urkunde die Bekl. unterschrieben haben müssten. Auf diese Ungereimtheit haben die Bekl. aufmerksam gemacht. Der Kl. hat diese Ungereimtheit bis zum Terminstag nicht aufgeklärt. Deshalb geht die Kammer davon aus, dass in der Originalurkunde die Unterschrift der Bekl. fehlt. Angesichts dieses unzureichend substantiierten Vortrags zu der angeblichen Vollmachtserteilung hatte die Kammer keinen Anlass, die zur Unterschriftsleistung benannten Zeugen zu vernehmen.
2. Die Klage kann aber auch dann keinen Erfolg haben, wenn man zugunsten des Kl. unterstellt, dass die Bekl. die fragliche Vollmacht zur Durchführung des Teilzeitkaufvertrages doch unterzeichnet haben. Dann wäre der Vertrag nämlich gem. § 138 BGB nichtig:
a) § 138 BGB gehört zu den Bestimmungen des deutschen Rechts, die i. S. von Art. 34 EGBGB ohne Rücksicht auf das Vertragsstatut den Sachverhalt zwingend regeln. International zwingend in diesem Sinn sind Normen, die aus staatspolitischen, wirtschaftspolitischen oder sozialpolitischen Gründen erlassen worden sind (vgl. Ermann/Hohloch, BGB, 9. Aufl., Art. 34 EGBGB Rdnr. 12). § 138 BGB soll Missbräuche der Privatautonomie ausschließen, dient also sowohl wirtschafts- wie sozialpolitischen Zwecken.
b) Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand hat die Kammer davon auszugehen, dass die Bekl. durch den Verkauf die in den Bedingungen versprochene grundbuchlich gesicherte Rechtsposition nicht erworben haben und nicht erwerben können. Nach Darstellung des Kl. gibt es ein spanisches Gesetz, das den Teilzeitbesitz regelt. Er ist aufgefordert worden, dieses Gesetz vorzulegen, damit das Gericht prüfen könne, ob danach eine grundbuchlich gesicherte Rechtsposition besteht. Dieser Auflage ist der Kl. nicht nachgekommen.
Nach der Rechtsprechung des BGH haben die Parteien das Gericht bei der Ermittlung ausländischen Rechts nach ihren Kräften zu unterstützen (NJW 1976, 1581 (1583)). Zwar hat das Gericht auch ausländisches Recht grundsätzlich von Amts wegen zu erforschen, dennoch darf das Gericht jedenfalls dann von der Nichtexistenz einer behaupteten Rechtsposition ausgehen, wenn eine Partei die ihr zumutbare Beschaffung eines angeblich existierenden Gesetzestextes unterlässt.
Konnte die Wechselausstellerin den Bekl. eine dinglich gesicherte Rechtsposition nicht verschaffen, so hat sie weniger geleistet als versprochen. Was das nach spanischem Kaufrecht für Rechtsfolgen nach sich zieht, kann dahinstehen. Jedenfalls erscheint es nach deutschem Recht sittenwidrig, deutsche Staatsbürger unter Ausnutzung ihrer Unerfahrenheit im spanischen Recht zur Unterzeichnung eines derart unvollkommen erfüllbaren Kaufvertrages zu überreden.
c) Auch weitere Umstände rechtfertigen nach Auffassung der Kammer, Nichtigkeit des Kaufvertrages gem. § 138 I BGB anzunehmen: Die Rechtsvorgängerin des Kl., die Gesellschaft L-S. L., hat in unlauterer Weise die Urlaubsstimmung der Bekl. zu einem Geschäftsabschluss genutzt, ohne sie im erforderlichen Maß über die Konsequenzen des Vertragsabschlusses aufzuklären. Unstreitig ist das Verkaufsgespräch erst eingeleitet worden, als man die Durchführung einer gewonnenen Urlaubswoche besprach. Dadurch wurde psychologischer Druck erzeugt: Wer gewonnen hat, will den Gewinn sichern und seinerseits nicht kleinlich erscheinen. Unlauter war insb., vollständige Zahlung durch Scheck, Swiftüberweisung und Wechsel zu verlangen, bevor der vorgesehene notarielle Vertrag zustandegekommen und der dingliche Erwerb gesichert war. Schließlich aber fällt auf, dass das Verkaufsformular die Belastungen aus dem Verkauf nicht vollständig nennt. Durch den Erwerb entstand nämlich gleichzeitig die Verpflichtung zur Zahlung von RCT-Mitgliedsbeiträgen. Deren Höhe ist aber im Vertrag nicht angegeben. Weiter ist auch mit keinem Wort erwähnt, wie Konflikte der Teilzeitbesitzer über die Auswahl und die Erhaltung der ihnen gemeinsam gehörenden Wohnungseinrichtung zu regeln seien. Eine Aufklärung über die mit dem Erwerb verbundene Problematik ist also ganz unzureichend erfolgt.
Eine Gesamtschau der bewusst geschaffenen psychologischen Zwangssituation und der Intransparenz der rechtlichen und finanziellen Konsequenzen rechtfertigt den Schluss, dass der abgeschlossene Kaufvertrag gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.
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