Abtretung der Ermächtigung des Grundstückskäufers zur Mietvertragskündigung vor Grundbucheintrag
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
10. 12. 1997
Aktenzeichen
XII ZR 119/96
Der Verkäufer eines Grundstücks kann den Käufer (jedenfalls) ermächtigen, einen bestehenden Mietvertrag im eigenen Namen zu kündigen, schon bevor der Käufer mit der Eintragung im Grundbuch in den Mietvertrag eintritt.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die W-GmbH war Eigentümerin eines gewerblichen Grundstücks, zu dem eine Halle gehört. Durch Mietvertrag vom 8.1./1.3 . 1990 vermietete sie die Halle mit dem dazugehörigen Hofgelände an den Bekl. zum Betriebe einer Kfz-Reparaturwerkstatt. Durch notariellen Vertrag vom 6.10. 1994 verkaufte sie das Grundstück an die Kl. Die Kl. ist aber bisher nicht als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 29.11. 1994 trat die W-GmbH der Kl. auf deren Wunsch hin das Recht ab, die Mietverträge „gegenüber den Mietern von Gewerbeobjekten“ zu kündigen. Mit Schreiben ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 6.12. 1994 kündigte die Kl. daraufhin das Mietverhältnis mit dem Bekl. unter Einhaltung der in dem Mietvertrag vereinbarten Frist zum 31.3. 1995 und forderte ihn auf, das Mietobjekt zu diesem Termin zu räumen. Dem Kündigungsschreiben beigefügt war eine Fotokopie des Schreibens an die Kl. vom 29.11. 1994. Da der Bekl. auf das Kündigungsschreiben nicht reagierte und das Anwesen nicht räumte, erhob die Kl. mit Schriftsatz vom 8.6. 1995 Räumungsklage. Der Bekl. ist der Meinung, die von der Kl. ausgesprochene Kündigung sei unwirksam, weil das Recht, die Kündigung zu erklären, vom Vermieter nicht isoliert abgetreten werden könne.
Das LG hat den Bekl. zur Räumung und zur Herausgabe an die Kl. verurteilt. Die Berufung des Bekl. blieb erfolglos. Die Revision des Bekl. hatte keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Der Bekl. ist zu Recht verurteilt worden, nach Beendigung des Mietverhältnisses das Mietobjekt zu räumen und herauszugeben (§ 556 I BGB). Das Mietverhältnis ist durch die mit Schreiben vom 6.12. 1994 ausgesprochene Kündigung zum 31.3. 1995 beendet worden. Das BerGer. geht jedenfalls im Ergebnis zu Recht davon aus, dass diese Kündigung wirksam war.
1. Hierzu führt das BerGer. aus, die Kl. sei zwar noch nicht nach § 571 BGB als Vermieterin in den bestehenden Mietvertrag eingetreten, weil sie noch nicht in Abwicklung des abgeschlossenen Kaufvertrags als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen worden sei. Vermieterin sei vielmehr noch die W-GmbH. Das Recht, den Mietvertrag zu kündigen, stehe deshalb an sich ebenfalls noch der W-GmbH zu. Diese habe das Kündigungsrecht aber mit dem Schreiben vom 29.11. 1994 wirksam an die Kl. abgetreten.
Ob das Recht, einen Mietvertrag zu kündigen, isoliert abgetreten werden könne, sei in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Jedenfalls wenn es sich um einen gewerblichen Mietvertrag handele, sei eine solche Abtretung aber zuzulassen, weil gewerbliche Mietverträge in geringerem Maße als Wohnungsmietverträge ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Mietparteien erforderten. Dem entspreche es, dass das Gesetz für Wohnraummietverträge einen wesentlich umfangreicheren Kündigungsschutz zur Verfügung stelle als für gewerbliche Mietverträge. Die von der Kl. ausgesprochene Kündigung sei aber selbst dann wirksam, wenn das Kündigungsrecht nicht wirksam an die Kl. abgetreten worden sei. In diesem Fall sei nämlich die unwirksame Kündigung nach § 140 BGB in eine wirksame Ermächtigung der Kl. umzudeuten, das Kündigungsrecht im eigenen Namen geltend zu machen.
Zumindest diese Hilfsbegründung des BerGer. hält einer rechtlichen Überprüfung stand und trägt für sich allein das Berufungsurteil.
2. Das Recht, einen Vertrag zu kündigen, ist ein Gestaltungsrecht. Nach § 413 BGB finden die Vorschriften über die Abtretung von Forderungen ( §§ 398f. BGB) auf die Übertragung anderer Rechte, soweit nicht das Gesetz ein anderes bestimmt, entsprechende Anwendung. Daraus ergibt sich, dass auch Gestaltungsrechte jedenfalls im Grundsatz abgetreten werden können. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang jedoch häufig differenziert zwischen selbständigen Gestaltungsrechten, die ohne Einschränkung übertragbar sein sollen, und unselbständigen Gestaltungsrechten, deren Übertragung nur zusammen mit dem Hauptrecht möglich sein soll (vgl. z.B. Kaduk, in: Staudinger, BGB, 13.Aufl., § 413 Rdnr.35; Soergel/Zeiss, BGB, 12.Aufl., § 413 Rdnr.4; Larenz, SchuldR I, 13.Aufl., § 35 VI [S. 545]; Enneccerus/Lehmann, SchuldR, 15.Bearb., § 83 Nr. 3; Esser/Schmidt, SchuldR AT I37 I [S. 251], jew. m.Nachw.). Zum Teil wird die Meinung vertreten, auch unselbständige Gestaltungsrechte – auch das Recht, einen Vertrag zu kündigen – könnten zusammen mit einem Teil der Forderungen aus einem Vertrag abgetreten werden, ohne dass auf den Abtretungsempfänger sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Vertrag übergehen müssten (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 56.Aufl., § 413 Rdnr.7 m.w. Nachw.). Der BGH hat bisher offengelassen, ob unselbständige Gestaltungsrechte „im Hinblick auf ihre Verbindung mit dem Schuldverhältnis“ isoliert abtretbar sind (vgl. z.B. BGHZ 95, 250 [254] = NJW 1985, 2822 = LM § 634 BGB Nr. 22).
In der Literatur wird das Recht, einen Mietvertrag zu kündigen, überwiegend für ein unselbständiges Gestaltungsrecht gehalten, dessen isolierte Abtretung unwirksam sei (so Kaduk, in: Staudinger, § 413 Rdnr. 35; Soergel/Zeiss, § 399 Rdnr.3; Roth, in: MünchKomm, 3.Aufl., § 399 Rdnr.18; Grapentin/Bub/Treier, in: Hdb. d. Geschäfts- u. Wohnraummiete, 2.Aufl., IV Rdnr.3 und Heile/Bub/Treier, II Rdnr.865; Sternel, MietR, 3.Aufl., IV Rdnr.2, jew. m.w. Nachw.; a.M. Mayer, ZMR 1990, 121 [123]; jedenfalls für bestimmte Fälle auch Palandt/Heinrichs, § 413 Rdnr.7).
Das BerGer. will der h.M. nicht folgen und hält eine isolierte Abtretung des Kündigungsrechts jedenfalls dann für wirksam, wenn das Kündigungsrecht einen gewerblichen Mietvertrag betrifft. Folgt man dieser Ansicht, so ist die Kl. durch die Abtretung Inhaberin des Kündigungsrechts geworden und konnte es wirksam ausüben. Die Streitfrage kann jedoch, wie das BerGer. in seiner Hilfsbegründung zutreffend ausführt, offen bleiben. Auch wenn man nämlich der h.M. folgt und die Abtretung für unwirksam hält, konnte die Kl. wirksam im eigenen Namen kündigen. Die unwirksame Abtretung ist dann nämlich nach § 140 BGB umzudeuten in eine wirksame Ermächtigung zur Kündigung nach § 185 I BGB.
3. Der BGH hatte sich bereits mit der ähnlich gelagerten Frage zu befassen, ob die Befugnis, wegen eines Sachmangels die Wandlung eines Vertrags zu verlangen, isoliert abtretbar ist. Gegen die Abtretbarkeit des Wandlungsrechts bestehen in der Literatur ebenfalls Bedenken, weil auch das Geltendmachen dieses Rechts das gesamte Rechtsverhältnis im weiteren Sinne – den Vertrag – umgestaltet und weil die Entscheidung über den Fortbestand des Vertrages den Vertragsparteien überlassen werden soll (vgl. Nachw. in BGHZ 68, 118 [124f.] = NJW 1977, 848 = LM § 6 AbzG Nr. 22). Der BGH hat auch diese umstrittene Frage offengelassen mit der Begründung, eine etwa unwirksame Abtretung des Wandlungsrechts sei zumindest gem. § 140 BGB in eine – rechtswirksame – Ermächtigung umzudeuten, die Wandlungsbefugnis im eigenen Namen geltend zu machen (BGHZ 68, 118 [125] = NJW 1977, 848 = LM § 6 AbzG Nr. 22). Im vorliegenden Fall gilt nichts anders. Sinn und Zweck des § 140 BGB ist es, die Absicht der handelnden Personen, einen bestimmten wirtschaftlichen Erfolg zu erreichen, auch dann zu verwirklichen, wenn das von ihnen gewählte rechtliche Mittel unzulässig ist, ein anderes zulässiges Mittel jedoch, das ihrem hypothetischen Willen entspricht, den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg herbeizuführen vermag (so zutr. Soergel/Hefermehl, § 140 Rdnr.1; Krüger-Nieland/Zöller, in: RGRK, 12.Aufl., § 140 Rdnr.1 m.w. Nachw.). Durch die Abtretung sollte die Kl. – auch nach der Vorstellung der Verkäuferin – erkennbar in die Lage versetzt werden, das Mietverhältnis (u.a.) mit dem Bekl. im eigenen Namen zu kündigen, schon bevor sie nach § 571 BGB mit der Eintragung als Eigentümerin im Grundbuch auf Vermieterseite in den bestehenden Mietvertrag mit dem Bekl. eintreten würde. Genau derselbe Erfolg war durch eine Ermächtigung nach § 185 I BGB, die Kündigung des Mietvertrags im eigenen Namen zu erklären, zu erreichen. Die Annahme des BerGer., nach dem hypothetischen Willen der Bet. hätten sie bei Kenntnis der Nichtigkeit der Abtretung diesen Weg gewählt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einem allgemeinen Erfahrungssatz und bedurfte keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen.
Die Gründe, die der Wirksamkeit einer Abtretung des Kündigungsrechts entgegenstehen könnten, beeinträchtigen nicht die Wirksamkeit einer Ermächtigung, das Kündigungsrecht im eigenen Namen auszuüben (vgl. hierzu Mayer-Maly, in: MünchKomm, § 140 Rdnr.10 m.w. Nachw.; Krüger-Nieland/Zöller, in: RGRK, § 140 Rdnr.17). Eine Ermächtigung zur Abgabe einer Kündigungserklärung im eigenen Namen ist systematisch und funktionell der Vollmacht verwandt (so zutr. Schramm, in: MünchKomm, § 185 Rdnr.1 m. Nachw.). Die Stellvertretung ist auch bei der Ausübung unselbständiger Gestaltungsrechte unbestritten zulässig. Die Stellvertretung unterscheidet sich von einer Ermächtigung nach § 185 I BGB im wesentlichen dadurch, dass der Stellvertreter die Erklärung im fremden Namen abgibt, der Ermächtigte im eigenen Namen. Von diesem eher formalen Unterschied hängt es nicht ab, in welchem Umfang der eigentlich berechtigte Vertragspartner das Kündigungsrecht aus der Hand gibt. Während nach einer wirksamen Abtretung des Kündigungsrechts der Zessionar anstelle des Zedenten frei entscheiden könnte, ob er die Kündigung erklärt oder nicht, führt sowohl der von einem Vertragspartner Bevollmächtigte als auch der von diesem Ermächtigte seine Befugnis auf eine Erlaubnis des eigentlich Berechtigten zurück, die auch im Falle der Ermächtigung regelmäßig bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts widerruflich ist (§ 183 BGB). Der durch eine entsprechende Ermächtigung herbeigeführte Erfolg hätte genauso erreicht werden können, wenn die W-GmbH die Kl. bevollmächtigt hätte, in ihrem – der W-GmbH – Namen die Kündigung zu erklären (Rdnr.865).
4. Die Kl. hat offengelegt, dass sie die Kündigung zwar im eigenen Namen, aber aus einem von der Vermieterin abgeleiteten Recht erklärt. Ob der Bekl. berechtigt gewesen wäre, die von der Kl. erklärte Kündigung zurückzuweisen, z.B. weil ihm das die Ermächtigung der Kl. enthaltende Schreiben der W-GmbH vom 29.11. 1994 lediglich in Form einer Fotokopie überlassen worden ist (vgl. §§ 182 III, 111 BGB), kann dahingestellt bleiben. Die Zurückweisung hätte unverzüglich erfolgen müssen (§ 111 BGB). Es ist aber unstreitig, dass der Bekl. auf das Kündigungsschreiben der Kl. vom 6.12. 1994 vor der Klageerhebung, die erst ein halbes Jahr später erfolgt ist, nicht reagiert hat.
5. Die Kl. kann nach der wirksamen Kündigung im eigenen Namen Räumung des Mietobjekts und Herausgabe an sich verlangen. Das BerGer. führt hierzu aus, „das dafür von der Rechtsprechung für die gerichtliche Geltendmachung geforderte eigene schutzwürdige Interesse der Kl.“ sei „offensichtlich“. Diese Ausführungen sind dahin zu verstehen, dass die W-GmbH die Kl. auch ermächtigt habe, im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft den Anspruch aus § 556 BGB im eigenen Nahmen geltend zu machen und dass die Kl. daran ein eigenes schutzwürdiges Interesse habe. Diese Annahme wäre zwar an sich nicht zu beanstanden, es kommt darauf aber nicht an. Die W-GmbH hat an die Kl. in dem notariellen Kaufvertrag – wie die Revisionserwiderung zutreffend ausführt – alle ihr aus dem Mietvertrag mit dem Bekl. zustehenden Ansprüche abgetreten. Dazu gehört auch der Anspruch aus § 556 BGB. Daraus ergibt sich, dass die Kl. Inhaberin dieses Anspruchs und damit ohne weiteres klagebefugt ist.
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