Festhalten am Mietvertrag trotz arbeitsplatzbedingter Anfahrtswegverlängerung
Gericht
LG Gießen
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
17. 04. 1996
Aktenzeichen
1 S 549/95
Mehrere Mitmieter können ihre Anteile an einer gemeinschaftlichen Kautionsrückzahlungsforderung im Wege der Abtretung mit Zustimmung aller Berechtigten in der Hand eines Mitmieters vereinigen.
Das Festhalten des Vermieters an einem noch auf dreizehn Monate befristeten Mietvertrag ist trotz Nachmietergestellung nicht treuwidrig, wenn der Mieter, der sich auf unzumutbar lange Fahrzeiten wegen eines Wechsels seiner Arbeitsstätte beruft, schon bei Abschluss des Mietvertrags einen beträchtlichen Anfahrtsweg in Kauf nahm, und die neue Strecke zwar noch etwas länger, aber weit weniger verkehrsbelastet ist.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. verlangt Rückzahlung einer geleisteten Mietkaution. Durch Vertrag vom 22. 7. 1993 mietete er zusammen mit seiner Ehefrau eine Wohnung im Hause der Bekl. in Homberg/Ohm. Das Vertragsverhältnis wurde bis zum 30. 7. 1996 befristet. Die Parteien streiten darüber, ob die Bekl. verpflichtet ist, den Kl. und dessen Ehefrau gegen Ersatzmietergestellung zum 30. 6. 1995 aus dem Vertrag zu entlassen. Der Kl. behauptet, er sei zunächst in Frankfurt a.M. berufstätig gewesen. Ende 1994 habe seine Arbeitgeberin die dortige Niederlassung jedoch geschlossen, weshalb er nun in Aschaffenburg arbeite. Der berufliche Ortswechsel bedinge längere Fahrzeiten von einer Stunde und mehr. Einen benannten Ersatzmieter habe die Bekl. grundlos nicht akzeptiert.
Das AG hat die Prozessführungsbefugnis des Kl. verneint und die auf Zahlung von 2700 DM gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen in der Berufungsinstanz keine Bedenken mehr. Zwar können mehrere Mieter - auch Ehegatten - die Rückgabe einer geleisteten Sicherheit an sich auch dann nur gemeinschaftlich fordern, wenn diese lediglich von einem geleistet wurde (Scheuer, in: Bub/Treier, Hdb. d. Geschäfts- u. Wohnraummiete, 2. Aufl., V.B Rdnr. 295; Sternel, MietR, 3. Aufl., V Rdnr. 14). Klagt einer der Mitmieter allein, fehlt ihm regelmäßig die Prozessführungsbefugnis (LG Saarbrücken, ZMR 1992, 60). Es ist aber zulässig, die Anteile der mehreren Mitmieter an einer gemeinschaftlichen Forderung im Wege der Abtretung mit Zustimmung aller Berechtigten in der Hand eines Mitmieters zu vereinigen (vgl. LG Aachen, WuM 1994, 461; LG Nürnberg-Fürth, WuM 1980, 125; einschränkend Sternel, V Rdnr. 14 a.E.). Ebenso wie es den Mitgläubigern gestattet ist, die gesamte Forderung gemeinsam auf einen Dritten zu übertragen, können sie den Anspruch gemeinsam auch an einen der Mitgläubiger abtreten. Auf eine solche Abtretung stützt sich der Kl., weshalb er prozessführungsbefugt ist.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Zwar ist der Kl. aufgrund der unstreitig erfolgten Abtretung aktivlegitimiert, die Voraussetzungen des geltend gemachten Rückzahlungsanspruchs liegen aber nicht vor. Eine Kautionsrückzahlung kommt erst nach Beendigung des Mietverhältnisses in Betracht. Das Mietverhältnis ist aber noch bis zum 30. 7. 1996 befristet und damit einer ordentlichen Kündigung nicht zugänglich. Das Festhalten der Bekl. an dem Vertrag würde sich nur dann als treuwidrig darstellen, wenn der Kl. und seine Ehefrau einen geeigneten Nachmieter gestellt haben und ihr Interesse an der Vertragsauflösung das der Bekl. am Bestand des Vertrags erheblich überragt (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1995, 1478; OLG Karlsruhe, NJW 1981, 1741; Kammer, NJW-RR 1995, 395). Letzteres kann trotz des vorgetragenen beruflichen Ortswechsels von Frankfurt a.M. nach Aschaffenburg nicht angenommen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kl. schon bei Abschluss des Mietvertrags mit der Bekl. nicht am Wohnort arbeitete, sondern einen langen Anfahrtsweg zu seiner Arbeitsstelle in Kauf nahm. Mit der täglichen Fahrt von Homberg/Ohm nach Frankfurt hatte der Kl. schon bei Beginn des Mietverhältnisses eine beträchtliche Entfernung zu bewältigen und wegen der hohen Verkehrsbelastung auf dieser Strecke immer wieder mit Verkehrsstockungen zu rechnen. Dies ist offenkundig (§ 291 ZPO). Selbst wenn die Fahrt von Homberg/Ohm nach Aschaffenburg um einige Kilometer länger ist - genauere Angaben zu seiner Arbeitgeberin und der Lage der Betriebsstätten in Frankfurt a.M. und Aschaffenburg hat der Klägervertreter auch im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht gemacht -, ist diese Strecke doch weit weniger verkehrsbelastet, was nicht heißen soll, dass dort niemals Staus vorkommen. Auch dies ist offenkundig.
Angesichts dieser Umstände überragt das Interesse des Kl. und seiner Ehefrau an der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses das der Bekl. an der vertragsgemäßen Durchführung und dem Erhalt des Mietzinses jedenfalls nicht erheblich.
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