Baugenehmigungswidriger Zustand als Kaufmangel

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

12. 12. 1986


Aktenzeichen

V ZR 180/85


Leitsatz des Gerichts

Ein im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs von der Baugenehmigung abweichender und damit baurechtswidriger Zustand eines Kaufgrundstücks stellt einen Fehler dar, solange nicht dem Käufer von der Baubehörde die künftige Duldung des baurechtswidrigen Zustands zugesagt worden ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bekl. verkaufte dem Kl. durch notariellen Vertrag vom 12. 11. 1980 ihr Hausgrundstück und zwar „ohne Gewähr für offene oder heimliche Mängel und Fehler“. Der Besitz an dem Grundstück ging am 1. 1. 1981 auf den Kl. über. Die Bekl. hatte für Umbauten im Haus am 17. 12. 1970 die zugehörige Genehmigung zum Bau einer Entwässerungsanlage unter bestimmten Auflagen erhalten, denen sie nicht nachkam, auch nicht nach einem Gebot des Ordnungsamts vom 3. 3. 1975 und der Verhängung eines Zwangsgelds am 21. 8. 1979, das sie nicht zahlte. Ein Aktenvermerk des Bauordnungsamts vom 9. 11. 1981 lautet: „1) Von dem Grundsatz, dass die Baugenehmigungsinhaberin (Bekl.) pflichtig ist für die Erfüllung der ihr gestellten Auflagen, wird abgegangen. Der Widerspruch wird ... für in der Hauptsache erledigt erklärt, weil das Bauordnungsamt nicht mehr darauf besteht, dass sie das Gebot vom 3. 3. 1975 noch erfüllt. 2) Nach Erledigung zu 1) wird mit dem Amt für Stadtentwässerung und Stadtreinigung nochmals intensiv nach pflichtgemäßem Ermessen geprüft und entschieden, ob es nach derart langer Zeit noch vertreten werden kann und erforderlich ist, vom jetzigen Grundstückseigentümer (Kl.) die infrage kommenden Maßnahmen zu verlangen. Immerhin ist zu berücksichtigen, dass die Forderungen lt. Entwässerungsakte bereits aus dem Jahre 1971 bestehen und nicht aktenkundig ist, ob seitdem wegen des nicht einwandfreien Zustands der Entwässerungsanlagen Unzuträglichkeiten entstanden sind. Insoweit stellt sich hier die Frage einer Duldung mit dem Vorbehalt eines behördlichen Einschreitens dann, wenn öffentlich-rechtlich zu beurteilende Unzuträglichkeiten auftreten sollten... . Je nachdem, welche Entscheidung zu 2) getroffen wird, ist (der Kl.) ... ausführlich zu informieren - ..."

Der Kl. hat mit der Behauptung, die Bekl. habe ihm den baurechtswidrigen Zustand der Entwässerungsanlage arglistig verschwiegen, die Kosten für den Einbau einer Hebelanlage mit Pumpensumpf in Höhe von 23394,50 DM sowie einen weiteren Betrag wegen anderer Mängel in zwei Instanzen ohne Erfolg geltend gemacht. In der Revision verfolgt der Kl. nur noch den Schadensersatzanspruch in Höhe von 23394,50 DM. Sie führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Das BerGer. führt aus: Offenbleiben könne, ob ein Sach- oder Rechtsmangel schon darin liege, dass die Bekl. der bestandskräftigen Auflage des Bauordnungsamts vom 17. 12. 1970 und dem Gebot vom 3. 3. 1975 nicht nachgekommen sei. Denn für den Kl. habe keine bauordnungsrechtliche Notwendigkeit zur Erfüllung der Auflage bestanden, wie dem Aktenvermerk der Baubehörde vom 9. 11. 1981 zu entnehmen sei. Der Kl. habe auch nicht dargetan, dass die Funktionsfähigkeit der Entwässerungsanlage tatsächlich beeinträchtigt gewesen sei oder dass sich ein etwaiger Mangel nur durch Herstellung einer Hebelanlage mit Pumpensumpf und nicht durch den einfacheren und billigeren Einbau von Rückstauventilen hätte beheben lassen.

2. Dagegen wendet sich die Revision zu Recht. Ein im Zeitpunkt des Gefahrübergangs von der Baugenehmigung abweichender und damit baurechtswidriger Zustand des Kaufgrundstücks stellt einen Fehler gem. § 459 I 1, § 463 S. 2 BGB dar (Senat, WM 1985, 230 (231) m. w. Nachw.). Der Mangel bestand hier darin, dass die Entwässerungsanlage nicht der in der Baugenehmigung vom 17. 12. 1970 enthaltenen Auflage entsprach, Abläufe im Gebäude unterhalb der Straßenoberkante mit doppelwirkenden Rückstausicherungen zu versehen oder über einen Pumpensumpf zu leiten. Das ist unstreitig.

Anders wäre die Sache nur dann zu beurteilen, wenn bei Gefahrenübergang eine rechtsverbindliche behördliche Erklärung vorgelegen hätte, die dem Kl. die gesicherte Befugnis gegeben hätte, die Anlage in dem vorhandenen Zustand auf Dauer zu nutzen (Senat, NJW 1979, 2243; WM 1985, 230). Das war nicht der Fall. Der Aktenvermerk des Bauordnungsamts vom 9. 11. 1981, auf den das BerGer. in diesem Zusammenhang verweist, gibt nur den Meinungsstand aus der Zeit nach dem Verkauf des Grundstücks und nach Gefahrübergang wieder. Da nach dem Inhalt dieses Vermerks zudem lediglich die Bekl. von der Pflicht zur Erfüllung der Auflage freigestellt, nicht aber dem Kl. die künftige Duldung der baurechtswidrigen Entwässerung zugesagt wurde, könnte ihm auch nicht im Sinne eines Mitverschuldens (§ 254 I BGB) zum Vorwurf gemacht werden, dass er dann selbst die erforderlichen Baumaßnahmen veranlasste.

Die Abweisung des Schadensersatzanspruches lässt sich auch nicht durch die Hilfserwägung rechtfertigen, der Kl. hätte die Notwendigkeit des vorgenommenen Einbaues einer Hebelanlage mit Pumpensumpf statt der in der Auflage B 14 alternativ zugelassenen Rückstauventile darlegen müssen, weil der Einbau solcher Ventile einfacher und billiger gewesen wäre. Insoweit geht der Tatrichter, was die Revision zutreffend beanstandet, verfahrensfehlerhaft von einem Zustand aus, den keine Partei vorgetragen hat und der sich auch nicht als allgemeine Erfahrungstatsache aufdrängt (vgl. Senat, NJW-RR 1986, 1019 (1020) = WM 1986, 857 (858)). Es ist auch nicht ersichtlich, wieso das BerGer. aus eigener Sachkunde zu beurteilen vermag, ob hier Rückstauventile - ungeachtet der Auflage B 15 - die einfachere und billigere Lösung gewesen wären. Das Berufungsurteil kann daher in dem angenommenen Umfang der Revision keinen Bestand haben. Die Sache ist insoweit an das BerGer. zurückzuverweisen, das nunmehr die erforderlichen Feststellungen zu den sonstigen Anspruchsvoraussetzungen des § 463 S. 2 BGB treffen muss.

Rechtsgebiete

Baurecht