Zur Beweislast „besonderer Umstände“ des Anspruchs nach § 1615l BGB

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

29. 08. 1996


Aktenzeichen

2 WF 288/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Unterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes gegen den Erzeuger aus § 1615l BGB setzt nicht voraus, dass jene die Ursächlichkeit der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes für das Unterbleiben der Erwerbstätigkeit nachweist.

  2. Der Anspruch des nichtehelichen Kindes gegen den Erzeuger geht dem der Mutter vor. Dem Erzeuger steht deshalb der angemessene Selbstbehalt von 1.800 DM gegenüber dem Unterhaltsanspruch der Mutter zu.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der ASt. schuldet seiner Tochter aus dem Vergleich zwischen den Eltern einen monatlichen Unterhalt von 368 DM. Mit der Klage erstrebt er den Wegfall der Unterhaltspflicht, weil die Tochter am 31. 10. 1995 ein nichteheliches [ne.] Kind geboren und deshalb einen vorrangigen Unterhaltsanspruch aus § 1615l BGB gegen den Erzeuger des Kindes habe. Das Amtsgericht hat der Klage die Erfolgsaussicht abgesprochen und die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde bleibt erfolglos. Allerdings hat die Tochter im Gegensatz zur Auffassung des Amtsgericht in der Vorlageverfügung einen vorrangigen Unterhaltsanspruch gegen den Vater ihres ne. Kindes aus § 1615l II S. 2 BGB. Dieser scheitert nicht an der fehlenden Ursächlichkeit der Kinderbetreuung für das Unterbleiben der Erwerbstätigkeit. Richtig ist, dass die Tochter Schülerin ist und ohnedies einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen würde. Die Kausalität zwischen Bedürftigkeit und Kinderbetreuung ist aber seit Inkrafttreten der Neufassung des § 1615l BGB zum 1. 10. 1995 entfallen. Setzte die Bestimmung früher nach ihrem Wortlaut voraus, dass die Mutter nicht erwerbstätig ist, weil das Kind andernfalls nicht versorgt werden kann, so gewährt § 1615l BGB in der Neufassung einen Unterhaltsanspruch bereits dann, wenn von der Mutter wegen der Pflege des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Die Bestimmung will die persönliche Betreuung des Kindes durch die Mutter während der ersten drei Lebensjahre des Kindes durch Unterhaltszahlungen des Erzeugers sicherstellen. Darauf, ob ohne die Kinderbetreuung eine Erwerbstätigkeit ausgeübt würde, kommt es nicht mehr an. Das Gesetz will der Mutter diesen nicht immer einfach zu führenden Beweis im Interesse des Kindes ersparen (vgl. BT-Drucks. 13/1850; unzutreffend daher Palandt/Diederichsen, BGB, 55. Aufl., § 1615l Rz. 7, wo die Ausführungen zur Kausalität gegenüber den Vorauflagen unverändert geblieben sind und auf die Gesetzesänderung nicht eingegangen wird).

Ungeachtet des hiernach bestehenden vorrangigen Unterhaltsanspruchs aus § 1615l BGB sind die Voraussetzungen einer Abänderung des Vergleichs nicht ausreichend dargetan.

Der ASt. behauptet ein Einkommen des Vaters von 2400 DM. Damit ist er voraussichtlich nicht ausreichend leistungsfähig zur Zahlung von Unterhalt sowohl an das ne. Kind als auch an die Tochter des ASt. Gemäß § 1615l III S. 3 BGB geht der Anspruch des Kindes dem der Mutter vor (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O., Rz. 12). Nach Abzug des Kindesunterhalts ist der Vater nicht mehr ausreichend leistungsfähig, um den Unterhalt der Tochter des ASt. in voller Höhe sicherzustellen. Bei Wahrung des ihm zustehenden angemessenen Selbstbehalts von 1.800 DM verbleibt nur eine Leistungsfähigkeit von etwa 200 DM. Damit verfügt die Tochter des ASt. zusammen mit dem Unterhaltsanspruch von 368 DM gegen ihn über 568 DM. Dies übersteigt nicht ihren angemessenen Lebensbedarf i. S. des § 1610 BGB. Bezüglich der Höhe desselben kann nicht allein auf die Beträge der Düsseldorfer Tabelle abgestellt werden. Diese decken bei Einbeziehung des Wohnbedarfs in den unteren Einkommensgruppen nicht einmal den Sozialhilfebedarf. Näheres für einen geringeren Bedarf hat der im Rahmen der Abänderungsklage darlegungspflichtige ASt. nicht vorgetragen. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ihm gemäß §§ 1615l III S. 1, 1607 II S. 2 BGB die Möglichkeit bleibt, einen vermeintlichen höheren Unterhaltsanspruch seiner Tochter gegen den Vater geltend zu machen.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht

Normen

§ 1615l BGB