Wie bekommt der betrogene Ehemann die Unterhaltszahlungen fürs Kind zurück?
Gericht
OLG Nürnberg
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
17. 10. 2002
Aktenzeichen
8 U 1329/02
Es ist nicht als sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB anzusehen, wenn die Ehefrau dem Ehemann einen begangenen Ehebruch nicht von sich aus mitteilt und somit auch nicht offenbart, dass die Vaterschaft des Ehemannes für ein in der Ehe geborenes Kind fraglich ist.
Hat die Ehefrau jedoch nicht nur geschwiegen, sondern eine aktive Täuschungshandlung vorgenommen, so ist darin eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB zu sehen. Dem steh aus wertender Sicht gleich, wenn sie in dem Wissen, schwanger zu sein, den - offenbar seit längerer Zeit nicht mehr praktizierten - Geschlechtsverkehr mit dem Ehemann nur zu dem Zweck wieder aufnimmt, diesen nicht zu der - ansonsten sich aufdrängenden - Erkenntnis gelangen zu lassen, das Kind stamme nicht von ihm.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Rückgewähr von Unterhaltszahlungen.
Der Kläger und die Beklagte zu 1) sind getrenntlebende Eheleute. Das Scheidungsverfahren war im Zeitpunkt der Klageerhebung beim Amtsgericht ... anhängig. Der Kläger und die Beklagte zu 1) heirateten am ... . Am ... gebar die Beklagte zu 1) ihren Sohn Z. Durch Vateranfechtungsklage. wurde festgestellt, dass nicht der Kläger, sondern der Beklagte zu 2) der Vater von Z ist. Im Vateranfechtungsverfahren gab die Beklagte zu 1) an, mit dem Kläger zwei Monate nach der Empfängnis durch den Beklagten zu 2) geschlechtlich verkehrt zu sein, um dem Kläger gegenüber ein Alibi zu haben. Der Kläger, zahlte seiner damaligen Ehefrau für die ... Familie einen Barunterhalt in Höhe von DM 1800,-- monatlich.
Der Kläger behauptet, er habe erst im o.g. Verfahren von der Nichtehelichkeit des Kindes Z erfahren. Er habe im Vertrauen auf die Ehelichkeit des Z Unterhalt bezahlt, obwohl er in einem Streit mit der Beklagten zu 1) im Januar ... von ihr darauf hingewiesen worden sei, dass Z nicht sein Sohn sei. Er habe, diesen Vortrag der Beklagten zu 1) nicht ernst genommen.
Der Kläger meint, die beiden Beklagten hätten eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung begangen. Sie hatten ihm verschwiegen, dass Z nicht sein Sohn sei und ihn dadurch bewogen Unterhaltszahlungen zu erbringen.
Der Kläger meint, er könne die Kindesmindestunterhaltssätze ohne Kindergeldanrechnung gegen die Beklagten geltend machen.
Der Kläger beantragt
Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an den Kläger DM 37.159,-- nebst 4 % Zinsen ... zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte zu 1) behauptet, .... . Der Kläger habe im Januar ... in Kenntnis der Nichtehelichkeit des Z seine Unterhaltszahlungen nicht eingestellt.
Die Beklagten meinen ... . Etwaige Ansprüche vor Januar ... seien verjährt. Das Kindergeld müsse hälftig zugunsten des Beklagten zu 2) angerechnet werden.
Der Kläger meint, von Verjährung der Ansprüche könne keine Rede sein.
Das Landgericht hat die Klage gegen die Ehefrau (Bekl. zu 1) abgewiesen.
Dagegen hat der Kläger zum Oberlandessgericht Nürnberg Berufung eingelegt.
Auszüge aus den Gründen:
... Das Rechtsmittel ist auch begründet.
Dem Kläger steht entgegen der Auffassung des Landgerichts ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) wegen der vom Kläger erbrachten Unterhaltsaufwendungen für das nicht von ihm abstammende Kind Z, dessen Vater der Beklagte zu 2) ist, zu. ...
1. Zuzustimmen ist dem Landgericht darin, dass der Kläger von seiner (getrennt lebenden) Ehefrau, der Beklagten zu 1), nicht schon auf Grund eines von dieser begangenen Ehebruchs, aus dem ein Kind hervorgegangen ist, nach dem Recht der unerlaubten Handlungen Ersatz des Vermögensschaden verlangen kann, der ihm durch Unterhaltszahlungen an das scheineheliche Kind entstanden ist. Dies entspricht der Rechtsprechung des BGH (BGH Z 80, 235; BGH NJW 1990, 706). Ehestörungen, die - wie insbesondere ein Ehebruch - unmittelbar die innere Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft der Ehegattin berühren, stellen einen innerehelichen Vorgang dar, der nicht in den Schutzbereich der deliktischen Haftungstatbestände einbezogen ist (BGHZ 57, 229).
2. Die Verdrängung der allgemeinen Deliktsansprüche wegen der Folgen eines begangenen Ehebruchs durch die Vorschriften des Ehe- und Familienrechts schließt aber nicht aus, dass bei Hinzutreten weiterer schädigender Umstände die besondere Deliktsregel des § 826 BGB als eine "Rechtsnorm höherer Art" zur Anwendung kommt (so schon RG bei Warneyer 1935 Nr.184; ebenso BGH Z 80, 235 und BGH NJW 1990, 706), wie auch das Landgericht nicht verkennt. Anders als das Landgericht ist der Senat jedoch der Auffassung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 826 BGB im vorliegenden Fall erfüllt sind.
Als sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB ist zwar nicht anzusehen, dass die Beklagte zu 1) dem Kläger den begangenen Ehebruch nicht von sich aus mitgeteilt hat; es besteht keine schadensersatzrechtlich sanktionierte Pflicht, dem anderen Ehegatten einen Ehebruch zu offenbaren (RGZ 152, 397; BGH NJW 1990, 708, OLG Köln, NJW-RR 1999, 1673), die Beklagte zu 1) musste auch nicht von sich aus die Vaterschaft des Klägers in Frage stellen. Ob die Beklagte zu 1) dadurch sittenwidrig gehandelt hat, dass sie trotz ihrer nach eigenem Eingeständnis von Anfang an sicheren Kenntnis, dass der Kläger nicht der Vater des Kindes Z war, den Kläger hierüber nicht aufklärte, erscheint fraglich (offen gelassen in OLG Köln aaO.; vom BGH in der zitierten Entscheidung NJW 1990, 706 nicht erörtert).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zu 1) jedoch nicht nur geschwiegen, sondern eine aktive Täuschungshandlung vorgenommen, nämlich, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht .... im Verfahren ... erklärt hat, im Wissen, schwanger zu sein, den - offenbar seit längerer Zeit nicht mehr praktizierten - Geschlechtsverkehr mit dem Kläger ausgeführt, "um ein Alibi zu haben". Diese Wiederaufnahme des Geschlechtsverkehrs geschah somit gerade zu dem Zweck, den Kläger nicht zu der - ansonsten sich aufdrängenden - Erkenntnis gelangen zu lassen, das Kind Z stamme nicht von ihm. Dieses Verhalten der Beklagten zu 1) ist rechtlich durchaus gleichwertig den Fällen, in denen die Rechtsprechung bislang eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB angenommen hat. Bei wertender Betrachtung macht es keinen Unterschied, ob die schwangere Ehefrau ihrem (zukünftigen) Ehemann wahrheitswidrig vorspiegelt, nur er komme als Vater des Kindes in Betracht, weil sie in der fraglichen Zeit ausschließlich mit ihm geschlechtlich verkehrt habe (so der Sachverhalt in BGH Z 80 235, ähnlich im Fall OLG Karlsruhe, NJW-RR 1992, 515), durch eine Falschaussage in einem Ehelichkeitsanfechtungsverfahren die vom Scheinvater angestrengte Anfechtungsklage zur Abweisung bringt (so im Falle RG bei Warneyer 1935 Nr.184) oder - wie hier - Zweifel an der Vaterschaft gar nicht erst aufkommen lässt, in dem sie noch rechtzeitig den über längere Zeit hinweg nicht ausgeübten ehelichen Verkehr wieder aufnimmt.
Auf den vom Landgericht herausgestellten Umstand, dass der Kläger im gegebenen Fall Zweifel an seiner Vaterschaft nicht hatte, sie von der Beklagten zu 1) daher auch nicht ausgeräumt werden konnten, kommt es deshalb nicht an. Auch lässt sich der Vorwurf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nicht mit der Erwägung entkräften, die Beklagte zu 1) habe mit der Ausführung des Geschlechtsverkehrs nur ihrer ehelichen Pflicht (§ 1353 Abs.1 BGB) genügt. Die Begründung des Landgerichts ist in diesem Punkt widersprüchlich. Hat die Beklagte zu 1) "nur" die ihr gegenüber dem Kläger obliegende Pflicht zur Geschlechtsgemeinschaft erfüllt, so kann dieses Verhalten nicht zugleich, wie das Landgericht ausdrücklich feststellt, moralisch verwerflich sei. Nach der ausdrücklichen Erklärung der Beklagten zu 1) erfolgte der Geschlechtsverkehr mit dem Kläger aber gerade nicht in Wahrnehmung ehelicher Pflichten der Beklagten zu 1), sondern allein zu Täuschungszwecken. Dass sich das Verhalten der Beklagten zu 1) nach außen hin als die Wahrnehmung ehelicher Pflichten darstellte, ist nicht maßgeblich; es gehört gerade zum Wesen einer Täuschungshandlung, dass die ihr innewohnende Absicht einer andere ist als es nach außen den Anschein hat.
Darauf, ob auch dem Beklagten zu 2), der am Berufungsverfahren nicht beteiligt ist, eine vorsätzliche sittenwidrige Entschädigung zur Last liegt, kommt es für die Beurteilung des Verhaltens der Beklagen zu 1) nicht an. Auch der Übergang des Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Erzeuger auf den Unterhalt leistenden Scheinvater nach § 1615 b Abs.2 BGB a.F. (jetzt § 1607 Abs.3 BGB) schließt deliktische Ansprüche des Scheinvaters gegen Dritte ebenso wenig aus wie Bereicherungsansprüche (BGHZ 80, 235, 240). Der Anspruchübergang ist allerdings unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen (BGH aaO.).
3. Soweit der Kläger Unterhaltsleistungen als Schaden geltend macht, die er in einer weiter zurückliegenden Zeit als 3 Jahre vor Erlangung der sicheren Kenntnis davon, dass nicht er, sondern der Beklagte zu 2) Vater des Kindes Z ist, erbracht hat, kann seinem Schadenersatzanspruch nicht die Einrede der Verjährung entgegen gehalten werden, und zwar selbst dann nicht, wenn mit der Beklagten zu 1) davon auszugehen wäre, dass der Kläger spätestens im Januar ... auf Grund eines Geständnisses der Beklagten zu 1) über die wirkliche Abstammung des Kindes Z Bescheid wusste. Bei dem Anspruch des Klägers handelt es sich nicht um einen Unterhaltsanspruch, sondern um einen Schadensersatzanspruch, für den die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB gilt, die mit Kenntnis des Berechtigten vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen zu laufen beginnt (§ 852 Abs.1 BGB). Nach § 204 S.1 BGB a.F. ist aber die Verjährung von Ansprüchen zwischen Ehegatten gehemmt, solange die Ehe besteht; der Hemmungstatbestand besteht somit noch heute, während der Kläger bereits am .... einen Mahnbescheid über die streitgegenständliche Forderung erwirkt hat.
Auch von einer Verwirkung kann nicht ausgegangen werden. Ein Recht ist verwirkt, wenn es der Berechtigte längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Palandt-Heinrichs, 61. Aufl., Randzahl 87 zu § 242 BBG). Dem steht schon entgegen, dass der Kläger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1) nicht geltend machen konnte, solange er nicht über das die Schadensersatzpflicht auslösende sittenwidrige Verhalten der Beklagten zu 1) unterrichtet war. Ein solches liegt, wie bereits dargelegt, nicht schon in einem Ehebruch, aus dem ein Kind hervorgegangen ist. Mehr hat die Beklagte zu 1) ihrem eigenen Vortrag zufolge dem Kläger aber nicht mitgeteilt, insbesondere behauptet sie nicht, dem Kläger auch ihr arglistig täuschendes Verhalten im Hinblick auf den einmaligen Geschlechtsverkehr in der Empfängniszeit offenbart zu haben. Allein die Mitteilung, mit dem Beklagten zu 2) die Ehe gebrochen zu haben, verbunden mit der Behauptung, der Beklagte zu 2) -und nicht der Kläger - sei Vater des Kindes Z, hätte den Kläger somit nicht in die Lage versetzt, Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) geltend zu machen, so dass die Nichtgeltendmachung derartiger Ansprüche keine Verwirkung darstellen kann.
4. Die Schadensersatzansprüche des Klägers erstrecken sich auch auf den Zeitraum der Unterhaltsgewährung, der nach der von der Beklagten zu 1) behaupteten Mitteilung über die wirkliche Abstimmung des Kindes Z liegt.
Auch wenn der Kläger, was er bestreitet, Ende ... /Anfang ... von dem Ehebruch der Beklagten zu 1) erfahren hatte, endete seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind Z nicht, solange die Ehelichkeit nicht erfolgreich angefochten war. Bis dahin war der Kläger auf Grund gesetzlicher Vermutung (§ 1592 Nr.1 BGB n.F.) Vater des Kindes Z und als solcher zum Unterhalt verpflichtet. Dass er es unterließ, bereits ... ein Ehelichkeitsanfechtungsverfahren durchzuführen, steht den nunmehr geltend gemachten Schadensersatzansprüchen nicht entgegen. Zum einen wäre ihm in Verhältnis zur Beklagten zu 1) nach Treu und Glauben die Durchführung eines Ehelichkeitsanfechtungsverfahrens nur zumutbar gewesen, wenn er hinreichend sichere Erkenntnisse darüber hatte, nicht der Vater des Kindes Z zu sein. Selbst wenn der Kläger die - behaupteten - Äußerungen der Beklagten zu 1) zur Abstimmung des Kindes ernst nahm, konnte er sich auf Grund des ehelichen Verkehrs mit der Beklagten zu 1) während der Empfängniszeit durchaus für den Vater des Kindes halten. Zum anderen könnte dem nun geltend gemachten Ersatzanspruch des Klägers der Einwand des Rechtsmissbrauchs unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhalten nur dann entgegengesetzt werden, wenn der Kläger die Anfechtung der Ehelichkeit unterließ und dem Kind Z weiterhin Unterhalt gewährte, obwohl er wusste, dass ihm wegen des Verhaltens der Beklagten zu 1) gegen diese ein Schadensersatzanspruch gerade wegen solcher Unterhaltsleistungen zustand. Hieran fehlte es aber gerade, wie bereits ausgeführt. ...
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