Unzulässiger Umbau eines ursprünglich landwirtschaftlichen Gebäudes in Wohnhaus

Gericht

VGH München


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

25. 01. 1995


Aktenzeichen

2 B 92.2869


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein die Kulturlandschaft prägendes Gebäude i.S. von § 35 IV 1 Nr. 4 BauGB i.d.F. des § 4 III BauGBMaßnG setzt einen erkennbaren Wechselbezug zwischen Bauwerk und Landschaft voraus.

  2. Kein Bestandsschutz nach längerer Aufgabe der Wohnnutzung.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. ist neben der Bekl. (Stadt M.) zur Hälfte Miteigentümerin eines Grundstücks, das neben einem kleinen Gartenhäuschen mit einem größeren Gebäude bebaut ist, das etwa bis zum Jahre 1913 für landwirtschaftliche Zwecke genutzt wurde. In seinem (größeren) südlichen Teil war es früher eine Scheune. Für den (kleineren) nördlichen Teil, der ein früher östlich davon stehendes, dann abgebrochenes Wohnhaus ersetzt, liegen Baugenehmigungen von 1899 und 1922 vor. Die Genehmigung von 1899 sieht im wesentlichen ein Stallgebäude mit einem Anbau vor; im letzteren wird ein Raum als Wasch- und Backhaus, der andere als Knechtkammer bezeichnet. Die Baugenehmigung von 1922 gestattet dann zusätzlich südlich der Knechtkammer im früheren Stall den Einbau eines Büros; die übrige Fläche des früheren Stalles wird in diesem genehmigten Bauplan als Lagerraum bezeichnet; für das Dachgeschoss ist keine Nutzung angegeben. Im Flächennutzungsplan der Bekl. ist das Gebiet als allgemeine Grünfläche dargestellt. Sie liegt zudem im Geltungsbereich einer Gemeindeverordnung zum Schutze von Landschaftsteilen. 1989 beantragte die Kl. bei der Bekl. einen Vorbescheid. Sie wollte geklärt wissen, ob der nördliche Teil des bestehenden Gebäudes zu einem Wohngebäude umgebaut werden kann (Einbau neuer Wände und Fenster, vier Aufenthaltsräume mit Bad, WC und Diele). Mit Vorbescheid verneinte die Bekl. die Zulässigkeit des Vorhabens. Als Miteigentümerin sei sie mit dem Bauvorhaben nicht einverstanden, weshalb eine Baugenehmigung für die Kl. nutzlos sei und ein Bescheidungsinteresse für den Vorbescheidsantrag fehle. Unabhängig davon sei das Bauvorhaben auch planungsrechtlich unzulässig, weil es im Außenbereich liege und öffentliche Belange des Naturschutzes beeinträchtige, auch der Landschaftsschutzverordnung widerspreche. Das VG wies die Klage ab.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Die Kl. hat keinen Anspruch auf einen positiven Vorbescheid nach Art. 82 I 1, II, Art. 79 I BayBauO, weil ihr Bauvorhaben öffentlichrechtlichen Vorschriften widerspricht...

Die Bekl. darf eine Antwort auf die mit dem Vorbescheidsantrag gestellte Frage nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Umbaus des nördlichen Teils des Gebäudes ... nicht wegen Fehlens eines sog. Sachbescheidungsinteresses (dazu BVerwG, BayVBl 1973, 590) verweigern. Letzteres fehlt nämlich nach der Rechtsprechung nur, wenn eine Baugenehmigung (oder ein ihr gleich zu achtender Vorbescheid) für den Ast. nutzlos ist, weil er aus privatrechtlichen Gründen davon keinen Gebrauch machen kann. Für die Kl. ist jedoch eine ihre Vorbescheidsanfrage in der Sache behandelnde Antwort von Bedeutung, weil sie dann beim Zivilgericht klären lassen kann, ob sie ihr Bauvorhaben zivilrechtlich nach § 744 II BGB auch ohne Zustimmung der Bekl. als Miteigentümerin ausführen kann, ohne dass dort ein fehlendes Rechtsschutzinteresse wegen Fehlens der notwendigen öffentlichrechtlichen Genehmigung entgegengehalten werden kann; weiter ist für die Kl. ein sachlicher Bescheid auf ihren Vorbescheidsantrag auch deshalb von Interesse, weil die Kl. nach § 749 I BGB die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen kann, um ihren Wertanteil am gemeinschaftlichen Grundstück zu erlangen. Für dessen finanzielle Höhe wiederum ist die Frage der Bebaubarkeit des Grundstückes in Form des streitgegenständlichen Umbaus von Bedeutung.

In der Sache hat die Bekl. zu Recht die Zulässigkeit des Bauvorhabens verneint.

Das Grundstück ... liegt ... im Außenbereich nach §§ 19 I Nr. 3, 35 BauGB. Weil das Bauvorhaben keinem privilegierten Zweck i.S. von § 35 I BauGB dient, stellt es ein sog. sonstiges Vorhaben i.S. von § 35 II BauGB dar, das bereits deshalb öffentliche Belange i.S. von § 35 III BauGB beeinträchtigt und damit unzulässig ist, weil das Grundstück ... im Flächennutzungsplan der Bekl. als allgemeine Grünfläche, nicht jedoch als Fläche für Wohnbebauung dargestellt ist. Damit ist das Bauvorhaben nach § 35 III 1 Nr. 1 BauGB dort unzulässig.

Auf Bestandsschutz als Ausfluss der Eigentumsgarantie, die das Recht gewährt, eine rechtmäßig ausgeführte bauliche Anlage wie bisher auch dann zu nutzen und (ggf. durch Modernisierung) zu enthalten, wenn sie den nunmehr geltenden Vorschriften widerspricht(BVerwGE 36, 296 (300) = NJW 1971, 1054; BVerwG, BRS 22 Nr. 155; BayVBl 1976, 248; BVerwGE 72, 362 (363) = NJW 1986, 2136; BVerwG, BayVBl 1989, 218), kann sich die Kl. für ihr Vorhaben nicht berufen. Denn allenfalls war auf etwa einem Viertel der Grundfläche des für den Umbau vorgesehenen nördlichen Gebäudeteils im Bereich der früheren Knechtkammer und des Büros die Nutzung für Aufenthaltszwecke genehmigt, nicht aber im gesamten nördlichen Gebäudeteil, den die Kl. im Erd- und Dachgeschoss als Wohnung nutzen will. Zudem war die Benutzung des Büros und der Knechtkammer zu Aufenthaltszwecken nach den Angaben der Kl. etwa im Jahre 1978 eingestellt worden. Ein Bestandsschutz als Schutz einer bisher ausgeübten Wohnnutzung kommt damit nicht einmal mehr für diese Räume in Betracht, weil sie jetzt für Lagerzwecke genutzt werden. Der Bestandsschutz endet mit dem Wechsel der Nutzungsart (BVerwG, BayVBl 1976, 248; BayVBl 1989, 218 (219); ZfBR 1991, 83 (84)). Soweit in der Rechtsprechung (des BVerwG) für Umbauten und Nutzungsänderungen, die über einen Bestandsschutz im engeren Sinne hinausgehen, ein sog. überwirkender Bestandsschutz aus Art. 14 I GG angenommen wurde (vgl. dazu die Nachweise bei Dürr, in: Brüggelmann, BauGB, § 35 Rdnr. 122), steht dieser der Kl. nur mehr nach Maßgabe von § 35 IV BauGB in der jetzt für Wohnbauvorhaben geltenden Fassung des § 4 II BauGBMaßnG zu (BVerwG, NVwZ-RR 1991, 231 = ZfBR 1991, 83 (85); BVerwGE88, 191 = NJW 1991, 3293 = ZfBR 1991, 221 (224)).

Keine der allein in Betracht kommenden Alternativen des § 4 III Nrn. 1, 2 und 4 BauGBMaßnG hebt jedoch den Widerspruch des Vorhabens zu den Festsetzungen des Flächennutzungsplanes auf:

Nr. 1 greift nicht Platz, weil das umzubauende Gebäude am 1. 5. 1990 nicht mehr einer landwirtschaftlichen Hofstelle diente. Die landwirtschaftliche Nutzung des Gebäudes ist bereits im Jahre 1913 beendet worden.

Nr. 2 greift nicht ein, weil kein gleichartiges Wohngebäude errichtet wird, das die Eigentümer bisher selbst zu Wohnzwecken genutzt haben; die früher ohnedies nur in einem Teilbereich ausgeübte Wohnnutzung ist bereits im Jahre 1978 beendet worden. Seitdem wird auch dieser Teil zu Lagerzwecken genutzt.

Nr. 4 greift nicht Platz, weil diese Vorschrift voraussetzt, dass die Landschaft (hier die W.-Insel) ihre Eigenart auch durch das Gebäude erhält. Es reicht nicht aus, dass es nur an eine frühere Nutzungsart erinnert (vgl. Dürr, § 35 Rdnr. 148), vielmehr muss es für die Baugestaltung und Baukultur einer Epoche kennzeichnend sein (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 35 Rdnr. 192) und einen erkennbaren Wechselbezug zwischen Bauwerk und Umgebung ausdrücken wie etwa eine Almhütte auf einer Almfläche (vgl. Dürr, § 35 Rdnr. 148). Das jetzt zu Lagerzwecken genutzte Gebäude erinnert zwar mit dem südlichen Scheunenteil noch an die Zeit, als P. ein Dorf darstellte; diese Bedeutung kommt ihm wie vielen anderen früheren landwirtschaftlichen Anwesen zu, die heute in vormals dörflich genutzten Stadtteilen von M. an der Peripherie etwa in F., A. oder in P. zu finden sind. Doch prägt es weder die W.-Insel besonders noch ist es irgendwie Ausdruck einer bestimmten Baukultur. Es ist - wie die Bauzeichnungen erkennen lassen - ein architektonisch nicht anspruchsvoller Zweckbau, der seinem ursprünglichen Zweck in einer heute als Grünanlage genutzten Fläche ersichtlich nicht mehr dient und bei dem kein Zusammenhang mit einer noch landwirtschaftlich genutzten Umgebung vorliegt.

Scheitert das Vorhaben der Kl. an § 35 III 1 Nr. 1 BauGB, so kann offen bleiben, ob ihm Naturschutzrecht in Form der Landschaftsschutzverordnung zusätzlich entgegensteht.

Rechtsgebiete

Baurecht