Bejahung kurzer Ehedauer wegen Ehebruchs

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

17. 01. 1996


Aktenzeichen

12 UF 1241/95


Leitsatz des Gerichts

Auch bei Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes kommt bei einer Ehedauer von fast drei Jahren eine kurze Ehe i.S. des § 1579 Nr. 1 BGB in Betracht, wenn das Verhalten des Bedürftigen z.B. durch einen Ehebruch aufzeigt, dass er die Ehe nicht als feste Bindung ansah und sich deshalb in seiner Zukunftsplanung nicht auf ein langes Zusammenleben mit dem Partner einrichtete.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Das AG - FamG - hatte im Verbundverfahren den Ast. verurteilt, an die Ag., die die Tochter I betreut, nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 1233 DM zu zahlen. Die Berufung des Ast., der eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs geltend macht, war teilweise erfolgreich.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Ag. hat wegen Betreuung des gemeinschaftlichen Kindes I, geb. 12. 7. 1990, einen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB. Bei dem Alter des Kindes ist sie nicht verpflichtet, derzeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (vgl. Münchner Leitlinien, NJW 1996, Beil. zu Heft 4, S. 28, Nr. 3.5).

Für die Unterhaltsberechnung ist allein auf das Einkommen des Ast. abzustellen, da nur dieses die ehelichen Lebensverhältnisse prägte ... Nach Abzug des Kindesunterhalts beläuft sich das bewilligte monatliche Einkommen des Ast. auf 2428 DM. Der Bedarf und mangels Eigeneinkommens zugleich der Unterhalt der Ag. hieraus beläuft sich auf abgerundet 1040 DM (3/7 aus 2428 DM).

Dieser Unterhalt war wegen Verwirkung auf 900 DM herabzusetzen und auf die Zeit vom 1. 1. 1996 bis 31. 8. 1999 zeitlich zu begrenzen. Entgegen dem Vorbringen des Ast. liegt zwar keine Verwirkung nach § 1579 Nr. 6 BGB durch den Ehebruch der Ag. vor, aus dem die am 25. 4. 1992 geborene nichteheliche Tochter stammt. Wie das FamG zutreffend ausführte, lag insoweit aus der Gesamtschau kein einseitiges Fehlverhalten vor, weil der Ast. durch den sexuellen Missbrauch seiner Stieftochter D zu Beginn der Ehe seinerseits eine schwerwiegende Ehewidrigkeit begangen hatte, die dazu führte, dass die Ag. jegliche Aussicht verlor, die elterliche Sorge über die bei einer Pflegefamilie lebende Tochter zu erhalten. Ebensowenig ist § 1579 Nr. 6 BGB wegen Unterschiebens eines nichtehelichen Kindes als ehelich gegeben, weil die Ag. unstreitig den Ast. kurz nach der Geburt ihrer Tochter S darüber aufklärte, dass er nicht der Vater sei.

Es liegt aber auch unter Berücksichtigung der Pflege und Erziehung des gemeinschaftlichen Kindes I ein Verwirkungsgrund nach § 1579 Nr. 1 BGB nach kurzer Ehedauer vor. Die Ehedauer bemisst sich dabei nach ständiger Rechtsprechung von der Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens (BGH, NJW 1981, 754 = FamRZ 1981, 140 (141)), d.h. vom 1. 3. 1990 bis 9. 2. 1993. Die Ehe dauerte also nicht ganz drei Jahre. Insoweit ist darauf abzustellen, ob sich die Ehepartner bereits in wechselseitiger Abhängigkeit auf ein gemeinsames Lebensziel ausgerichtet hatten (BGH, NJW 1981, 754 = FamRZ 1981, 140 (142)), wobei es bei einer Ehedauer über zwei Jahre wesentlich darauf ankommt, ob die Inanspruchnahme des Verpflichteten ein unerträglicher Widerspruch zum Gerechtigkeitsempfinden wäre (Wendt/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 3. Aufl., § 4 Rdnr. 648). Dies ist nach den vorliegenden Gesamtumständen des Einzelfalls zu bejahen. Das Eingehen eines sexuellen Verhältnisses mit einem dem Namen nach nicht bekannten Türken im Sommer 1991, d.h. etwa ein Jahr nach Eheschließung, zeigt, dass die Ag. die Ehe nicht als feste Bindung zu einem neuen Partner ansah und sich deshalb für ihre Zukunftsplanung auch nicht auf ein langes Zusammenleben mit dem Ast. einrichtete. Unstreitig hatte die Ag. in der Ehezeit auch Verhältnisse mit weiteren Partnern. Unstreitig erfolgte eine Trennung der Parteien nach der Geburt der nichtehelichen Tochter S im April 1992 im wesentlichen auch nur deshalb nicht sofort, weil keine andere Wohnung zur Verfügung stand, ein Eheleben fand aber zumindest seit August 1992, d.h. etwa 11/4 Jahre nach Eheschließung nicht mehr statt. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass die Lebenssituation der Parteien bereits durch einen gemeinschaftlichen Lebensplan entscheidend geprägt war.

Eine kurze Ehedauer entfällt auch nicht dadurch, dass die gemeinsame Tochter I bei der Ag. lebt und von dieser aufgezogen wird. Es ist auch insoweit zunächst nur auf die tatsächliche Dauer der Ehe abzustellen und dann unter Wahrung der Belange des Kindes bei einer Billigkeitsabwägung zu prüfen, inwieweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auf ungekürzten und unbefristeten Unterhalt auch unter Wahrung der Belange des zu betreuenden Kindes grob unbillig ist (BGH, NJW 1990, 1847 = FamRZ 1990, 492 (495); BVerfG, NJW 1989, 2807 = FamRZ 1989, 941ff.). Insoweit sind aber die Kindesbelange ausreichend gewahrt, wenn der Unterhalt der Höhe nach auf 900 DM gekürzt und zeitlich bis zum 31. 8. 1999 befristet wird. I ist dann neun Jahre alt, so dass davon auszugehen ist, dass die Ag. zumindest ab diesem Zeitpunkt in der Lage ist, halbtags zu arbeiten und den ohnehin niedrigen Bedarf bei den sehr beengten ehelichen Lebensverhältnissen selbst zu decken.

Auch die neben dem Tatbestand des § 1579 Nr. 1 BGB generell zu prüfende grobe Unbilligkeit führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie bereits dargelegt, sind die Belange des gemeinschaftlichen Kindes ausreichend durch die zeitliche Befristung gewahrt, andererseits war es erforderlich, wegen der Belange des Kindes den Unterhalt nicht von vornherein in vollem Umfang für verwirkt zu erklären, sondern ihn zunächst auf 900 DM herabzusetzen und bis einschließlich August 1999 zeitlich zu begrenzen. Zu beachten war insoweit auch, dass der Ast. über kein sehr hohes Nettoeinkommen verfügt, ihn die Unterhaltsbelastung also sehr hart trifft, zumal er auch noch Kindesunterhalt zahlen muss. Die Begrenzung des Unterhalts auf 900 DM und die zeitliche Befristung macht aber andererseits für den Ast. die Dauer seiner Unterhaltsverpflichtung überschaubar und damit letztlich auch finanzierbar.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht