Befristung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit

Gericht

BGH


Datum

25. 01. 1995


Aktenzeichen

XII ZR 195/93


Leitsatz des Gerichts

Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt wegen Krankheit (§ 1572 BGB) kann nicht mit der Begründung befristet werden, eine lebenslange Unterhaltszahlung sei dem unterhaltspflichtigen Ehegatten i.S. des § 1579 Nr. 7 BGB nicht zumutbar.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die am 6. 10. 1983 geschlossene Ehe der Parteien wurde durch Urteil vom 7. 7. 1989, das seit dem 20. 2. 1990 rechtskräftig ist, geschieden. Die Parteien haben schon vor der Eheschließung etwa drei Jahre zusammengelebt. Die Kl. macht mit der Klage nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab September 1991 geltend. Der 1950 geborene Bekl. war zur Zeit der Eheschließung und zur Zeit der Scheidung Assistenzarzt und ist jetzt leitender Oberarzt in einem Verbandskrankenhaus. Die 1954 geborene Kl. leidet seit ihrem 16. Lebensjahr an Morbus Crohn. Nach dem im Jahre 1975 bestandenen Abitur begann sie ein Medizinstudium, das sie auch fortsetzte, nachdem die Parteien geheiratet hatten. Seit Frühjahr 1987 leben die Parteien getrennt. Der Bekl. hielt sich von Mai/Juni 1987 bis September 1988 zum Zwecke seiner beruflichen Weiterbildung in den USA auf. Vorher waren die Parteien überein gekommen, dass sie sich scheiden lassen wollten und dass die Kl. die Scheidung betreiben solle. Die Kl. reichte den Scheidungsantrag aber erst nach der Rückkehr des Bekl. aus den USA ein. Im Herbst 1987 schloss die Kl. ihr Medizinstudium erfolgreich ab. Sie versuchte anschließend vergeblich, eine Assistenzarztstelle zu bekommen. Zu ihrer Erkrankung an Morbus Crohn, deretwegen sie mehrfach stationär behandelt werden musste, traten zunehmend neurotische Depressionen auf, die einerseits auf die Erkrankung an Morbus Crohn zurückzuführen sind, andererseits aber auch auf eine vorgegebene Persönlichkeitsdisposition. Ihr psychischer Zustand verschlechterte sich seit Mitte 1988 im Zusammenhang mit den von ihr kritisch empfundenen familiären und beruflichen Problemen zunehmend. Seit September 1988 muss sie sich durchgehend nervenfachärztlichen Behandlungen unterziehen. In der Folgezeit betrieb sie Tablettenmissbrauch und im Juni 1989 unternahm sie einen Selbstmordversuch. Bei den anschließenden Therapiegesprächen wurde bekannt, dass sie sich seit langem vergeblich um eine Stelle als Assistenzärztin bemüht hatte. Um ihr zu helfen, wurde ihr ab Dezember 1989 eine von vornherein auf ein halbes Jahr befristete Assistenzarztstelle auf Kosten eines Pharmakonzerns vermittelt. Danach bemühte sich die Kl. - zunächst ohne Erfolg - um einen Therapieplatz zur Bekämpfung ihrer Tablettenabhängigkeit. Erst als sie sich im April 1991 in einem Krankenhaus in E. (erneut) einem chirurgischen Eingriff unterziehen musste, wurde sie anschließend in die psychiatrische Abteilung dieses Krankenhauses verlegt. Sie wurde dort stationär behandelt bis zum 7. 8. 1991, vom 22. 5. bis 18. 8. 1992 und ab 17. 12. 1992. Die letzte stationäre Behandlung dauerte noch an, als die Sachverständige W die Kl. im Februar 1993 untersuchte. Vom Zeitpunkt der Trennung der Parteien im Februar 1987 bis August 1991 hob die Kl. vom Konto des Bekl. über das sie verfügen konnte, monatlich ca. 1500 DM ab. Davon zahlte sie 420 DM für Miete und 250 DM Krankenversicherungsbeitrag. Während seines Aufenthaltes in den USA nahm der Bekl. zum Ausgleich seines Kontos ein Darlehen seines Schwagers auf. Im August 1991 sperrte er sein Konto für die Kl. Seither lebt sie von Sozialhilfe.

Das AG - FamG - hat den Bekl. verurteilt, für die Zeit vom 1. 9. 1991 bis 31. 8. 1993 nachehelichen Unterhalt an die Kl. zu zahlen. Zur Begründung der zeitlichen Begrenzung hat es ausgeführt, man könne damit rechnen, dass die Kl. ab 1. 9. 1993 gesundheitlich wieder in der Lage sei, als Ärztin zu arbeiten. Sollte das wider Erwarten nicht der Fall sein, müsse sie neu klagen. Es sei aber unter den gegebenen Umständen nicht sachgerecht, den Bekl. schon jetzt auf eine Abänderungsklage zu verweisen. Das OLG hat den Bekl. verurteilt, an die Kl. ab 1. 9. 1991 monatlich 1600 DM zu zahlen, die Unterhaltsverpflichtung aber (uneingeschränkt) bis zum 31. 12. 1993 befristet. Soweit es den Unterhaltsanspruch bis zum 31. 12. 1993 befristet hat, hat es die Revision zugelassen. Die Kl. verfolgt mit der Revision ihren in der Berufungsinstanz um 37 DM ermäßigten Klageantrag weiter, soweit ihm nicht stattgegeben worden ist. Das Rechtsmittel der Kl. führte, soweit die Revision zugelassen worden war, zur Aufhebung und Zurückverweisung. Die weitergehende Revision wurde als unzulässig verworfen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Nach § 621d I i.V. mit § 621 I Nr. 5 ZPO findet in Familiensachen, die die durch die Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht betreffen, gegen Entscheidungen des BerGer. die Revision nur statt, wenn das BerGer. sie zugelassen hat. Das BerGer. hat im vorliegenden Fall die Revision nur eingeschränkt zugelassen, nämlich soweit es den der Kl. zugesprochenen Unterhaltsanspruch bis zum 31. 12. 1993 befristet hat. Dagegen hat es die Revision nicht zugelassen, soweit es den Unterhalt auf den angemessenen Bedarf von 1600 DM monatlich bemessen hat. Diese Beschränkung der Zulassung ist wirksam und hat zur Folge, dass der Senat das angefochtene Urteil wegen der Höhe der zugesprochenen Unterhaltsrente nicht überprüfen darf.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann die Zulassung der Revision rechtswirksam auf einen rechtlich und tatsächlich selbständigen Teil des Streitgegenstandes beschränkt werden, über den abgetrennt vom übrigen Verfahren im Wege eines Teilurteils nach § 301 ZPO oder eines Grundurteils nach § 304 ZPO gesondert hätte entschieden werden können (BGHZ 76, 397 (399) = NJW 1980, 1579 = LM § 546 ZPO Nr. 105a m.Nachw.; Walchshöfer, in: MünchKomm-ZPO, § 546 Rdnr. 54; Thomas/Putzo, ZPO, 18. Aufl., § 546 Rdnr. 25) oder auf den der Revisionskl. selbst seine Revision beschränken könnte (BGHZ 101, 276 (278) = NJW 1987, 2586 = LM § 553 ZPO Nr. 9; BGHZ111, 158 (166) = NJW 1990, 1910 = LM § 906 BGB Nr. 84, jeweils m.Nachw.). Es kann dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass eines entsprechenden Teilurteils gegeben waren. Jedenfalls hätte die Kl. die Bemessung der monatlich zu zahlenden Unterhaltsrente hinnehmen und mit einer Revision lediglich die Befristung dieser Rente angreifen können. Schon daraus ergibt sich die Wirksamkeit der vom BerGer. ausgesprochenen Beschränkung der Zulassung.

Dem steht nicht entscheidend entgegen, dass das BerGer. sowohl die Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Kl. auf den angemessenen Lebensbedarf als auch die Befristung des Anspruchs bis zum 31. 12. 1993 auf § 1579 Nr. 7 BGB gestützt und gerade in der Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf den vorliegenden Fall eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung gesehen hat, deretwegen es die Revision zugelassen hat. Zwar wird in der Literatur zu Recht die Ansicht vertreten, eine Teilzulassung komme nicht in Betracht, wenn die Rechtsfrage, die das BerGer. als grundsätzlich ansehe und deretwegen es deshalb gegen einen Teil seiner Entscheidung die Revision zulasse, auch für den übrigen Teil der Entscheidung erheblich sei, der nach der Vorstellung des BerGer. rechtskräftig werden solle (so insb. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 546 Rdnr. 26; vgl. auch Zöller/Gummer, ZPO, 19. Aufl., § 546 Rdnr. 46; Walchshöfer, § 546 Rdnr. 54). Das BerGer. führt aus, dass es die Herabsetzung, sollte § 1579 Nr. 7 BGB nicht anwendbar sein, zumindest aus § 1578 I 2 BGB hergeleitet hätte, der allerdings eine Befristung nicht vorsehe. Das bedeutet, dass die Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs - anders als die Befristung - unabhängig war von der Anwendbarkeit des § 1579 Nr. 7 BGB. Das BerGer. hätte - auch aus seiner Sicht - darauf verzichten können, die Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs zusätzlich oder sogar in erster Linie auf § 1579 Nr. 7 BGB zu stützen. Aus dem Umstand, dass es § 1579 Nr. 7 BGB in diesem Zusammenhang herangezogen hat, lässt sich nicht herleiten, dass der Vorschrift auch für den Teil der Entscheidung tragende Bedeutung zukommt, für den das BerGer. die Revision nicht zugelassen hat.

Der Revision ist einzuräumen, dass bei der Prüfung der Frage, ob der Unterhaltsanspruch der Kl. nach § 1579 Nr. 7 BGB zu befristen ist, Zumutbarkeitserwägungen eine Rolle spielen und dass es in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, wie hoch die Unterhaltsrente ist, die der Bekl. befristet oder unbefristet zahlen muss. Auch daraus lässt sich aber nicht herleiten, dass die Entscheidung über die Höhe der Unterhaltsrente und die Entscheidung über eine eventuelle Befristung in einer Weise voneinander abhängig sind, dass die Zulassung der Revision nicht auf die Entscheidung über die Befristung des Anspruchs beschränkt werden könnte.

Nachdem das BerGer. wegen der Festsetzung der Unterhaltsrente auf 1600 DM im Monat die Revision nicht zugelassen hat, steht die Höhe des vom Bekl. zu zahlenden Unterhalts endgültig fest und es ist nur noch zu prüfen, ob dem Bekl. eine Unterhaltslast in dieser Höhe auf Dauer zumutbar ist. Soweit die Revision nicht zugelassen worden ist, ist sie nicht statthaft und damit unzulässig.

II. Im übrigen führt die Revision zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

1. Das BerGer. führt aus, die Kl. habe für die Zeit ab September 1991 Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nach § 1572 BGB, da sie krankheitsbedingt erwerbsunfähig sei. Aufgrund der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass sie infolge ihrer Erkrankung nicht in der Lage sei, ihren Beruf als Ärztin auszuüben und ihren Lebensunterhalt - auch nur teilweise - selbst zu verdienen. Die Wurzeln der Erkrankung der Kl. reichten in die Zeit vor der Eheschließung zurück, auch wenn das Krankheitsbild erst durch die besonderen familiären und beruflichen Belastungen seit 1987 in seiner vollen Tragweite sichtbar geworden sei. Bemessungsmaßstab für die Höhe des Unterhaltsanspruchs der Kl. sei das Einkommen des Bekl., das allein die ehelichen Lebensverhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung geprägt habe. Entgegen der Annahme des FamG habe die Kl. ihren Unterhaltsanspruch auch nicht gem. § 1579 Nr. 3 BGB wegen Tablettenmissbrauchs teilweise verwirkt. Diese Ausführungen des BerGer., die revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind, nimmt die Revision als ihr günstig hin.

Weiter führt das BerGer. aus, auch ohne ein vorwerfbares Verhalten der Kl. sei wegen der besonderen objektiven Gegebenheiten und wegen der Entwicklungen der beiderseitigen Lebensverhältnisse eine Herabsetzung des Unterhalts auf den angemessenen Bedarf und eine zeitliche Begrenzung auf die Dauer von knapp vier Jahren nach Rechtskraft des Scheidungsurteils nach § 1579 Nr. 7 BGB gerechtfertigt. Die aus der Unterhaltspflicht erwachsende Belastung sei für den Bekl. unzumutbar, wenn die Kl. auf Dauer den vollen Unterhalt verlangen könne. Die Ehe der Parteien habe von der Eheschließung bis zur Zustellung des Scheidungsantrags Ende 1988 nur etwas mehr als fünf Jahre gedauert. Schon vorher - dreieinhalb Jahre nach der Eheschließung - hätten die Parteien den Entschluss zur Trennung gefasst. Nach der Einschätzung des in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachtens sei bei der erst 39 Jahre alten Kl. inzwischen von einem „chronifizierten“ Krankheitszustand auszugehen. Es sei nicht damit zu rechnen, dass sie in absehbarer Zeit einer geregelten beruflichen Tätigkeit nachgehen könne. Die Erkrankung der Kl. sei bereits vor der Ehe angelegt gewesen. Auch wenn die Einkommensverhältnisse des Bekl. überdurchschnittlich gut seien, werde bei einer Gesamtabwägung aller maßgeblichen Kriterien die Zumutbarkeitsgrenze für den Bekl. in nicht mehr hinnehmbarer Weise überschritten, wenn er auf Dauer den vollen Unterhalt zahlen müsse. Die Kl. habe durch die Eheschließung mit dem Bekl. nur finanzielle Vorteile, keinerlei Nachteile gehabt. Sie habe ohne finanzielle Sorgen auf Kosten des Bekl. ihr Studium beenden können, ohne jemals nennenswerte Aufgaben im Haushalt übernommen zu haben. Die Parteien seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Kl. in kürzester Zeit ihren Unterhalt als Ärztin selbst verdienen könne und keine Unterhaltsleistungen von dem Bekl. verlangen werde. Die Absicht der Kl., an sich keinen Unterhalt von dem Bekl. zu verlangen, habe ihren sichtbaren Ausdruck darin gefunden, dass sie sich jahrelang mit dem Notwendigsten begnügt habe, obwohl sie die Möglichkeit gehabt habe, über das Konto des Bekl. frei zu verfügen. Diese Ausführungen des BerGer. halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

2. Es ist allerdings zutreffend, dass die Auffangregelung des § 1579 Nr. 7 BGB, die dem § 1579 I Nr. 4 BGB a.F. entspricht, allgemein eine unverhältnismäßige Belastung des Unterhaltspflichtigen vermeiden will und daher auch anwendbar sein kann, wenn allein objektive Gründe vorliegen, die die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen als unzumutbar erscheinen lassen (vgl. Senat, NJW 1985, 428 = LM § 1579 BGB Nr. 25 = FamRZ 1985, 51 (52) und NJW 1985, 2268 = FamRZ 1985, 911, jeweils m.Nachw.). Das BerGer. nimmt aber zu Unrecht an, dass im vorliegenden Fall auch ohne ein vorwerfbares Verhalten der Kl. solche Gründe gegeben sind. Das BerGer. stellt zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht entscheidend darauf ab, dass die Ehe der Parteien nur von kurzer Dauer gewesen sei und dass man dem Bekl. nicht zumuten könne, auf Dauer auf einen Teil seines Einkommens deshalb zu verzichten, weil die Kl. aufgrund einer Krankheit, die schon vor der Ehe zumindest angelegt gewesen sei, ihren Beruf als Ärztin nicht ausüben könne. Beide Gesichtspunkte tragen die Entscheidung des BerGer. nicht. Der Hinweis des BerGer., die Parteien seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Kl. nach Abschluss ihres von dem Bekl. finanzierten Studiums keine Unterhaltsansprüche gegen den Bekl. geltend machen werde, enthält keine darüber hinausgehende Begründung. Diese Vorstellung der Parteien hängt nämlich unmittelbar damit zusammen, dass für sie die Tragweite der Erkrankung der Kl. nicht erkennbar war und dass sie deshalb - wie sich herausgestellt hat zu Unrecht - damit rechneten, die Kl. werde nach Abschluss ihres Studiums als Ärztin arbeiten und auf diese Weise ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können.

3. Nach § 1579 Nr. 1 BGB kann es einen besonderen Härtegrund darstellen, der zur Herabsetzung oder zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs führen kann, wenn die Ehe nur von kurzer Dauer war. Das BerGer. zieht zu Recht nicht einmal in Erwägung, dass diese Bestimmung im vorliegenden Fall anwendbar sein könnte. Unter Ehedauer i.S. dieser Vorschrift ist die Zeit von der Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zu verstehen, durch den das zur Scheidung der Ehe führende Verfahren eingeleitet worden ist (st.Rspr.; vgl. Senat, NJW 1986, 2832 = LM § 1578 BGB Nr. 40 = FamRZ 1986, 886 (887) = BGHRBGBB § 1579 Abs. 1 Nr.1 n.F. - Ehedauer 1 m.Nachw.; Soergel/Häberle, BGB, 12. Aufl., § 1579 Rdnr. 4; Johannsen/Henrich/Voelskow, EheR, 2. Aufl., § 1579 Rdnr. 13; Palandt/Diederichsen, BGB, 53. Aufl., § 1579 Rdnr. 13). Im Regelfall ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine Ehedauer von mehr als drei Jahren nicht als kurz i.S. des § 1579 Nr. 1 BGB anzusehen (vgl. Senat, NJW 1986, 2832 = LM § 1578 BGB Nr. 40 = FamRZ 1986, 886 (887) m.Nachw.; vgl. auch Göppinger/Kindermann, UnterhaltsR, 6. Aufl., Rdnr. 1290; Soergel/Häberle, § 1579 Rdnr. 5; Johannsen/Henrich/Voelskow, § 1579 Rdnr. 11; Schwab/Borth, Hdb. des ScheidungsR, 2. Aufl., IV Rdnr. 307).

Die Ehe der Parteien hat bis zum Einreichen des Scheidungsantrages knapp fünf Jahre gedauert. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall aufgrund besonderer Umstände dennoch von einer kurzen Ehedauer auszugehen sei, sind nicht ersichtlich. Die Parteien haben nach der Eheschließung bis zur Trennung ca. dreieinhalb Jahre zusammengelebt. Hinzu kommt, dass sie auch schon vor der Ehe etwa drei Jahre zusammengelebt haben, insgesamt also mehr als sechs Jahre. Dass Ehegatten vor der Eheschließung längere Zeit zusammengelebt haben, hat zwar keinen Einfluss auf die Bestimmung der Ehedauer, lässt aber zusätzliche Rückschlüsse darauf zu, dass sie ihre Lebensführung bereits aufeinander eingestellt und in wechselseitiger Abhängigkeit auf ein gemeinschaftliches Lebensziel ausgerichtet haben (vgl. Schwab/Borth, Rdnr. 309).

Wenn im konkreten Fall die Dauer der Ehe nach der speziellen Regelung des § 1579 Nr. 1 BGB keinen Härtegrund darstellt, weil es an einem der dort genannten gesetzlichen Tatbestandsmerkmale fehlt, dann kann die Dauer der Ehe auch nicht als „anderer Grund" i.S. der Auffangregelung des § 1579 Nr. 7 BGB berücksichtigt werden (vgl. Senat, NJW 1987, 1761 = LM § 1353 BGB Nr. 26 = FamRZ 1987, 572 = BGHRBGBB § 1579 Nr. 7 - Härtegrund 1; Schwab/Borth, IV Rdnr. 366; Soergel/Häberle, § 1579 Rdnr. 23; Göppinger/Kindermann, Rdnr. 1307).

4. Auch dass die Kl. aufgrund einer schon vor der Ehe (zumindest latent) vorhandenen Erkrankung, die erst nach der Trennung der Parteien in ihrem vollen Ausmaß erkennbar geworden ist, erwerbsunfähig und damit unterhaltsbedürftig geworden ist und dass dieser Umstand für den Bekl. zu einer erheblichen und dauernden Unterhaltslast führen kann, rechtfertigt nicht die Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Kl. aufgrund der Härteregelung des § 1579 Nr. 7 BGB. Dies hat der Senat in einem Urteil, das dem BerGer. noch nicht bekannt sein konnte, bereits entschieden (NJW 1994, 1286 = LM H. 6/1994 § 1572 BGB Nr. 5 = FamRZ 1994, 566 f. = BGHRBGBB § 1579 Nr. 7 - Härtegrund 7). Die Frage, ob ein geschiedener Ehegatte gegen den anderen aufgrund einer nach der Scheidung bestehenden krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit einen Unterhaltsanspruch hat, ist in § 1572 BGB geregelt. Das BerGer. führt zutreffend (und im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats: vgl. NJW 1982, 40 = LM § 1569 BGB Nr. 3 = FamRZ 1981, 1163 (1164)) aus, dass ein Unterhaltsanspruch der Kl. nach dieser Vorschrift gegeben ist, weil die voreheliche Erkrankung der Kl. schon zum Zeitpunkt der Scheidung zu einer krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit geführt hat (vgl. auch Johannsen/Henrich/Voelskow, § 1572 Rdnrn. 5f.; Soergel/Häberle, § 1572 Rdnr. 6; Palandt/Diederichsen, § 1572 Rdnr. 6). Wenn gerade die schon vor der Eheschließung bestehende und von dem Zeitpunkt der Scheidung an fortdauernde Erkrankung der Kl. nach § 1572 Nr. 1 BGB einen Unterhaltsanspruch der Kl. gegen den Bekl. auslöst, dann kann nicht dieselbe Erkrankung einen „anderen Härtegrund“ i.S. der Auffangregelung des § 1579 Nr. 7 BGB darstellen und auf diese Weise zu dem gegenläufigen Ergebnis führen, dass der Unterhaltsanspruch der Kl. ganz oder teilweise ausgeschlossen ist (vgl. Senat, NJW 1994, 1286 = LM H. 6/1994 § 1572 BGB Nr. 5 = FamRZ 1994, 566f.)

III. Das Berufungsurteil kann demnach in dem Umfang, in dem die Revision zugelassen worden ist, keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 565 III ZPO). Das FamG hat es aufgrund des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens als erwiesen angesehen, dass die Kl. bis zum 31. 8. 1993 krankheitsbedingt ihren Beruf nicht ausüben könne. Für die Zeit danach sei nach den Ausführungen der Sachverständigen eine Besserung zu erwarten, so dass die Kl. vermutlich - zumindest halbtags - als Ärztin arbeiten könne. Das BerGer. führt zwar in anderem Zusammenhang aus, bei der Kl. sei inzwischen „von einem chronifizierten Krankheitszustand auszugehen" und es sei in absehbarer Zeit nicht damit zu rechnen, dass sie einer Berufstätigkeit nachgehen könne. Wenn der Unterhaltsanspruch der Kl. nicht zeitlich begrenzt werde, sei eine lebenslange Unterhaltspflicht des Bekl. nicht auszuschließen. Es fehlen jedoch konkrete Feststellungen dazu, ob der zur Erwerbsunfähigkeit führende Krankheitszustand der Kl. fortdauert. Die Sache muss an das BerGer. zurückverwiesen werden, damit es diese Feststellungen nachholen kann.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht