Ausfertigung eines Bebauungsplanes

Gericht

OVG Lüneburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

14. 07. 1993


Aktenzeichen

1 L 6230/92


Leitsatz des Gerichts

  1. Zu den Anforderungen der nach § 6 V NdsGO gebotenen Ausfertigung eines Bebauungsplans, der aus einem Satzungstext und einer Karte besteht.

  2. Die Zulassung einer Betriebsleiterwohnung darf in einem Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO 1968 abgelehnt werden, weil die Wohnnutzung der gewerblichen Nutzung nicht untergeordnet ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. begehrte eine Baugenehmigung für die Wohnnutzung eines Werkstatt- und Bürogebäudes im Gewerbegebiet. Er ist Elektroinstallateurmeister und führt einen Elektroinstallationsbetrieb. Der Bekl. lehnte den Antrag mit dem Bescheid vom 19. 9. 1990 mit der Begründung ab, dass neben dem auf einem Nachbargrundstück des Kl. genehmigten und vorhandenen Betriebsleiterwohnhaus ein weiteres Wohnhaus nicht genehmigt werden könne; die dort vorhandene 258,50 qm große Betriebsleiterwohnung reiche aus.

Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hatte beim VG Erfolg. Das OVG wies die Klage ab.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Die Klage ist unbegründet; denn die Abweisung des Bauantrages ist rechtmäßig, weil die Zulassung der Nutzungsänderung gem. § 31 I BauGB, § 8 III Nr. 1 BauNVO eine Ausnahme voraussetzt, welche der Bekl. in fehlerfreier Ausübung seines Ermessens versagt hat.

1. Der Bebauungsplan Nr. 17 "Gewerbegebiet S", welcher ein Gewerbegebiet festsetzt und in dessen Geltungsbereich das Grundstück des Kl. liegt, ist gültig. Die Auffassung des VG, der Bebauungsplan sei nicht ordnungsgemäß ausgefertigt, weil es an einer Ausfertigung der Karte durch den Bürgermeister und den Gemeindedirektor oder doch jedenfalls an einer ausreichenden inhaltlichen Verknüpfung von Normtext und zeichnerischer Beilage fehle, ist unzutreffend.

Durch die Ausfertigung eines Bebauungsplanes wird geprüft und bestätigt, dass der Inhalt des als Satzung beschlossenen Bebauungsplanes mit dem Willen des gemeindlichen Beschlussorgans übereinstimmt (Authentizität des Normeninhalts) und dass das Rechtsetzungsverfahren dem Gesetz entsprechend durchgeführt wurde (Legalität des Verfahrens). Mit diesen Funktionen gehört die Ausfertigung zu den wesentlichen rechtsstaatlichen Erfordernissen, denen das Bebauungsplanverfahren genügen muss (BVerwG, NVwZ 1992, 371 = BRS 52 Nr. 32). Das Baugesetzbuch trifft über die Ausfertigung keine näheren Regelungen, sondern überlässt diese dem Landesrecht (BVerwG, NVwZ 1992, 371 = BRS 52 Nr. 32). Insoweit setzt das bundesrechtliche Rechtsstaatsprinzip aber einen Rahmen. Das BVerwG (NVwZ 1992, 371) hat ausgesprochen, dass eine gesonderte Ausfertigung aller Bestandteile des Bebauungsplanes bundesrechtlich nicht geboten ist, wenn die Identität des vom Normengeber gewollten und des verkündeten Inhalts des Bebauungsplans anderweitig hinreichend gewährleistet ist. Diesem rechtlichen Ausgangspunkt folgt der Senat und lässt sich von ihm auch für die Auslegung der in § 6 IV NdsGO enthaltenen landesrechtlichen Ausfertigungsbestimmung leiten, nach der Satzungen von dem Ratsvorsitzenden (Bürgermeister) und dem Gemeindedirektor zu unterzeichnen sind. Auch diese landesrechtliche Bestimmung gebietet nicht die gesonderte Ausfertigung aller Bestandteile eines Bebauungsplanes. Für einen mehrteiligen, aus dem Satzungstext und einer hiervon getrennten zeichnerischen Darstellung (Karte) bestehenden Bebauungsplan eine gesonderte Ausfertigung der Karte zu verlangen, wäre eine überspitzte Forderung. Sie ginge über die Anforderungen hinaus, die in vergleichbarer Situation an die Ausfertigung von Gesetzen und Rechtsverordnungen gestellt werden, wenn diese Kartenwerke als Anlagen aufweisen (vgl. Ziegler, DVBl 1987, 280 (286)).

Die Ausfertigung des Bebauungsplanes muss aber, wie vom BVerwG (NVwZ 1992, 37 = BRS 52 Nr. 32) auf der Grundlage des Bundesrechts verlangt wird und auf der Grundlage des niedersächsischen Landesrechtes ebenso zu fordern ist, hinreichend gewährleisten, dass der authentische, vom Normgeber gewollte Inhalt der Satzung festgestellt wird. Der Senat folgt insoweit für das niedersächsische Landesrecht der Auffassung des VGH Mannheim (NVwZ-RR 1991, 70), wonach es ausreichend und erforderlich ist, wenn bei Bebauungsplänen durch eindeutige Angaben im Satzungstext oder auch auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit des Plans zur Satzung ausgeschlossen wird. Dem VG kann nicht darin beigetreten werden, dass die Ausfertigung des Bebauungsplanes Nr. 17 "Gewerbegebiet S" diesen Anforderungen nicht genügt. Die in dem Satzungstext ausgesprochene Bezugnahme auf die Karte ist nicht, wie das VG meint, "inhaltslos", sondern eindeutig und detailliert. Der Geltungsbereich des Bebauungsplanes wird textlich umschrieben. Damit wird die Verbindung zum Inhalt der Karte hergestellt. Nicht zu fordern ist, dass der Originaltext der Satzung und die Karte äußerlich etwa durch Heftung oder - vergleichbar einer notariellen Urkunde - durch eine Schnur zusammengehalten werden. Zu Recht fordert der VGH nur eine "Art gedanklicher Schnur". Diese ergibt sich aus der eindeutigen Bezugnahme im Satzungstext auf die Karte. Irgendein Anhalt dafür, dass die Karte, auf der sich die Originalvermerke des Gemeindedirektors über den Verfahrensablauf und der Originalgenehmigungsvermerk des Regierungspräsidenten befinden, den Inhalt des vom Rat beschlossenen Bebauungsplans nicht zutreffend darstelle, ist nicht ersichtlich. Die auf der Karte befindlichen, vom Gemeindedirektor unterzeichneten Vermerke über den Ablauf der einzelnen Verfahrensstadien bilden eine ausreichende Richtigkeitsgewähr dafür, dass die Karte der Beschlussfassung des normsetzenden Organs zugrundegelegen hat.

Der Senat vermag auch nicht der Auffassung des VG zu folgen, dass es Unstimmigkeiten zwischen der Umschreibung des Geltungsbereiches des Bebauungsplanes im Satzungstext und der Karte gebe. Wegen der Verweisung auf die Karte brauchte der Satzungstext nicht "parzellenscharf" zu sein. Die Benennung der Wegeparzellen als Begrenzungen des Geltungsbereiches des Bebauungsplanes war sachgerecht, auch wenn diese Wege noch im Geltungsbereich des Bebauungsplanes liegen.

2. Auf die erforderliche Zulassung einer Ausnahme gem. § 8 III Nr. 1 BauNVO 1968 hat der Kl. keinen Anspruch, und der Bekl. und die Bezirksregierung haben den Antrag in fehlerfreier Ausübung ihres Ermessens, das sie bei der Entscheidung über eine Ausnahme besitzen (§ 31 I BauGB), abgelehnt. Der tragende Grund ist im Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung zutreffend dahin zusammengefasst worden, dass im vorliegenden Falle nicht die gewerbliche Nutzung, sondern die Wohnnutzung im Vordergrund steht. Weder die im Verwaltungsverfahren noch die in der ersten Instanz des Verwaltungsstreitverfahrens durchgeführte Ortsbesichtigung haben die Geschäftstätigkeit eines Handwerkbetriebes auf dem Grundstück des Kl. feststellen können. Wenn der Kl. demgegenüber in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf verwiesen hat, dass sein Unternehmen ein "Baustellenbetrieb" sei, so dass sich daraus erkläre, dass sich auf dem Betriebsgrundstück Geschäftstätigkeit nicht bemerkbar mache, so überzeugt dies schon deshalb nicht, weil für den auf dem Nachbargrundstück vorhandenen, nach dem Bekunden des Kl. gleichartigen Betrieb eine 22x15 qm große Lagerhalle errichtet wurde. Gleichwohl ist zu Gunsten des Kl. davon auszugehen, dass er auf dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück einen Betrieb führt und dort jedenfalls Aufträge entgegennimmt. Ob dies allerdings genügt, um den Ausnahmetatbestand des § 8 III Nr. 1 BauNVO 1968 zu erfüllen, bleibt zweifelhaft; denn das würde voraussetzen, dass das Wohnen auf dem Betriebsgrundstück mit Rücksicht auf Art und Größe des Betriebes immerhin sinnvoll ist (vgl. BVerwG, Buchholz 306.11 § 34 BBauG Nr. 100 = NVwZ 1984, 511 = BRS 42 Nr. 73). Wenn dennoch für die Fassung des § 8 III Nr. 1 BauNVO 1968 von einem weiten Ausnahmetatbestand ausgegangen wird, so durften der Bekl. und die Bezirksregierung doch, vom Zweck des Gesetzes (§ 8 III Nr. 1 BauNVO 1968) geleitet, im Rahmen ihres Ermessens fordern, dass die Wohnnutzung der gewerblichen Nutzung zugeordnet und untergeordnet ist. Auf die Zulassung einer Wohnnutzung im Gewerbegebiet, die gegenüber der gewerblichen Nutzung im Vordergrund steht, hat der Kl. keinen Anspruch. Der Antrag des Kl. vom 2. 8. 1990 lässt das offensichtliche Missverhältnis zwischen der baulichen Beanspruchung des Gewerbegebietes für Gewerbezwecke und der beabsichtigten Wohnnutzung deutlich erkennen. Denn der Kl. stellte nach dem Inhalt dieses Antrages das Werkstattgebäude in den Abmessungen einer größeren Garage als den Ort seiner gewerblichen Tätigkeit heraus, woraus er herleitete, dass er das früher genehmigte "Bürogebäude" für Wohnzwecke nutzen könne. Dass bei einem derartigen Missverhältnis Zweifel aufkommen mussten, ob der Kl. überhaupt einen Gewerbebetrieb auf dem betreffenden Grundstück betreibt, ist nur naheliegend. Jedenfalls aber rechtfertigte das offensichtliche Missverhältnis zwischen der gewerblichen Nutzung und der beabsichtigten Wohnnutzung die Ablehnung des gestellten Antrages.

Rechtsgebiete

Baurecht