Entgeltpflicht für zweiten Ablesetermin des Wärmemessdienstes AGB-gesetzwidrig

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

22. 02. 2001


Aktenzeichen

12 O 7987/00


Leitsatz des Gerichts

Im Zusammenhang mit der Erfüllung von Verträgen über die Ablesung des Wärmeverbrauchs (Wärmedienst) ist die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

(Wenn Sie zu diesem Sammeltermin aus dringenden persönlichen Gründen nicht anwesend sein können, biete ich Ihnen gerne einen Individualtermin an. Bitte vereinbaren Sie mit mir diesen Sondertermin.)

„Die zusätzlichen Kosten für Fahrt- und Zeitaufwand stelle ich Ihnen bei Ausführung der Arbeit direkt in Rechnung.“

unwirksam.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. ist ein nach § 22a AGBG eingetragener Verein. Die Bekl. betreibt einen Wärmemessdienst zur Ermittlung des Wärme- und Wasserverbrauchs von Mietern und anderen Nutzern. Dabei schließt sie entsprechende Verträge mit den Vermietern bzw. Wohnungseigentümergemeinschaften ab, welche sodann im Rahmen der Nebenkostenabrechnungen mit den Mietern bzw. Wohngeldabrechnungen mit den einzelnen Wohnungseigentümern die von der Bekl. ermittelten Messwerte zu Grunde legen. Die Bekl. führt die Messablesungen in den einzelnen Räumen vor Ort nicht selbst durch, sondern bedient sich hierzu anderer Firmen (Service-Center und Messdienste). Während früher den Mietern bzw. sonstigen Nutzern zwei Ablesetermine (Sammeltermine) zur Ablesung angeboten wurden, führt die Bekl. seit Anfang 1999 nur noch einen Sammeltermin durch. Dabei lässt die Bekl. im Treppenhaus einen Zettel mit der Überschrift „Jahresablesung“ anbringen, auf dem der Termin der Ablesung nebst Hinweisen zur Durchführung sowie folgender Hinweise fettgedruckt enthalten sind:

Wenn Sie zu diesem Sammeltermin aus dringenden persönlichen Gründen nicht anwesend sein können, biete ich Ihnen gerne einen Individualtermin an. Bitte vereinbaren Sie mit mir diesen Sondertermin. Die zusätzlichen Kosten für Fahrt- und Zeitaufwand stelle ich Ihnen bei Ausführung der Arbeit direkt in Rechnung. Ansonsten müsste eine Schätzung des Verbrauchs erfolgen.

Dieser Aushang enthält unten einen freien Platz, der für nachträgliche Einfügungen der Angaben des „Messdienstes“ vorgesehen ist sowie vorgedruckt Adressangaben enthält. Wenn die Mieter, Eigentümer oder sonstigen Nutzer zu diesem Termin, gleich aus welchen Gründen, nicht anwesend sind, hinterlassen die Messdienste, die im Auftrag der Bekl. tätig sind, im Briefkasten der betroffenen Nutzer ein Formular, das ebenfalls diesen Hinweis enthält. Nach den AGB der Bekl., die nach dem Vortrag der Bekl. bis Ende 1998 den Verträgen zwischen der Bekl. und den Hauseigentümern zu Grunde gelegt wurden, war in Nr. 1.3 vorgesehen, dass „für die beim ersten Ablesetermin nicht anwesenden Nutzer ein zweiter Ablesetermin bekannt gegeben wird“. In den AGB der Bekl. vom April 1999 sind folgende Regelungen enthalten:

1.1. Der beauftragte Messdienst wird jährlich einmal zu einem von ihm bestimmten Zeitpunkt (Sammeltermin) die Wärme- und ggf. Wasserverbrauchserfassungsgeräte in der Liegenschaft ablesen …

1.3. Den beim Sammeltermin nicht anwesenden Nutzern bietet der Messdienst einen kostenpflichtigen Individualtermin an.

Der Kl. beanstandet die in dem Benachrichtigungszettel enthaltene Klausel: „Die zusätzlichen Kosten für Fahrt- und Zeitaufwand stelle ich Ihnen bei Ausführung der Arbeit direkt in Rechnung.“ Die auf Unterlassung gerichtete Klage hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. Die Klausel benachteiligt die Vertragspartner der Bekl. entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen gem. § 9 I AGBG.

1. Zwischen Nutzer (Mieter, Wohnungseigentümer), Vermieter (oder Eigentümergemeinschaft) und der Bekl. bestehen folgende Rechts- bzw. tatsächlichen Beziehungen: Der Vermieter ist auf Grund des Mietvertrags in Verbindung mit der HeizkostenVO verpflichtet, den Verbrauch von Wärme regelmäßig gegenüber dem Nutzer abzurechnen. Hierzu bedient sich der Vermieter auf Grund eines Wärmedienstvertrags der Bekl. Die Bekl. lässt in Erfüllung dieses Wärmedienstvertrags durch Drittfirmen bei den Mietern die Wärmemesseinrichtungen ablesen und erstellt sodann für den Vermieter die Heizkostenabrechnung. Der Nutzer ist auf Grund des Mietvertrags verpflichtet, die Ablesung der Wärmemesseinrichtungen zu dulden. Eine Vertragsbeziehung zwischen dem Nutzer und der Bekl. bzw. den von der Bekl. beauftragten Drittfirmen besteht insoweit nicht.

2. Die angegriffene Klausel ist eine AGB i.S. des § 1 I AGBG.

3. Die Bekl. ist Verwenderin dieser Klausel i.S. des § 13 I AGBG. Verwender ist die Vertragspartei, die der anderen Vertragspartei die AGB bei Abschluss eines Vertrags stellt. Für den Nutzer, auf dessen Horizont abzustellen ist, stellt es sich nach dem Aushang im Treppenhaus so dar, dass die Bekl. als „Abrechnungsunternehmen“, nicht die einzelnen Messdienstfirmen, diese Geschäftsbedingung stellt.

4. Die Prüfung der Klausel ist nicht durch § 8 AGBG ausgeschlossen. Gem. § 8 AGBG unterliegen AGB nur dann einer Inhaltskontrolle entsprechend den Vorschriften der §§ 9 bis 11 AGBG, wenn durch die AGB von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. … Von der Kontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG ausgenommen sind … Inhalte, die ihrer Art nach nicht der Regelung durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften unterliegen, sondern im marktwirtschaftlichen System von den Parteien in Ausübung ihrer Vertragsfreiheit festgelegt werden müssen. Zu diesen wesentlichen Vertragsinhalten gehören die Vertragsparteien, Leistungsbeschreibung, Preisvereinbarung und Vertragszweck. Die inkriminierte Klausel regelt nicht eine dieser Vertragsinhalte, sondern betrifft lediglich eine vertragliche Nebenpflicht. Im Verhältnis zwischen dem Vermieter und dem Nutzer stellt schon das Ermöglichen des Ablesens der Wärmemesseinrichtungen lediglich eine Nebenverpflichtung im Rahmen der jährlichen Heizkostenabrechnung dar. Erst recht gilt dies für die für den zweiten Ablesetermin zu entrichtende Kostenpauschale. Im Verhältnis zwischen dem Vermieter und der Bekl. betrifft die Kostenpauschale für den zweiten Ablesetermin nicht die Hauptpflichten des Wärmedienstvertrags, sondern lediglich eine Nebenpflicht. Auch die Bekl. stellt in ihrem Vortrag diese Kostenpauschale nur als Nebenverpflichtung dar.

5. Die angegriffene Klausel verstößt gegen § 9 I AGBG. Die Klausel benachteiligt die Nutzer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

a) Der Nutzer wird durch diese Klausel zur Zahlung eines Entgelts an die Bekl. bzw. die Ablesefirma verpflichtet. Auf Grund der HeizkostenVO ist der Nutzer jedoch nur verpflichtet, die Ablesung der Wärmemesseinrichtungen durch den Vermieter bzw. durch das von jenem beauftragte Wärmeunternehmen zu dulden (Lammel, HeizkostenVO, § 4 Rdnr. 21) und die dafür anfallenden Kosten an den Vermieter zu bezahlen. Eine Verletzung dieser Duldungspflicht durch den Nutzer liegt nur dann vor, wenn der Nutzer rechtzeitig vom Ablesetermin informiert worden ist und schuldhaft zwei Ablesetermine nicht wahrgenommen hat.

Nach den Richtlinien zur Durchführung der verbrauchsabhängigen Heizkostenabrechnung i.d.F. vom 17. 11. 1989, die nach wie vor in dieser Form gültig ist, sind zwei Ablesetermine im Abstand von mindestens 14 Tagen durchzuführen. Dabei ist beim Termin für die Zweitablesung der Hinweis aufzunehmen, dass bei Nichteinhaltung des Termins und Nichtvereinbarung eines erneuten Ablesetermins der Verbrauch geschätzt wird.

Ob diese Richtlinien als Handelsbrauch bei Wärmemessdienstfirmen anzusehen sind, kann offen bleiben. Die Durchführung von zwei Ableseterminen - ohne Kostenpflichtigkeit des zweiten Termins - hält die Kammer für notwendig und angemessen. Es gibt zahlreiche Gründe, die es einem Nutzer unmöglich machen, den ersten Ablesetermin wahrzunehmen, ohne dass ihn daran ein Verschulden trifft. Zum einen ist es schon denkbar, dass er auf Grund Urlaubs gar keine Kenntnis vom ersten Ablesetermin hat. Darüber hinaus kann er am Ablesetag selbst durch Krankheit oder unaufschiebbare Termine an der Anwesenheit verhindert sein. Eine Verpflichtung des Nutzers, das Betreten seiner Räume während seiner Abwesenheit durch Dritte zu ermöglichen, besteht nicht.

b) Darüber hinaus verstößt die angegriffene Klausel gegen das Transparenzgebot. Aus der Benachrichtigung kann der Nutzer weder eindeutig entnehmen, wer Gläubiger der „Kosten für Fahrt- und Zeitaufwand ist“ noch, welche Leistungen sich hinter dem „Fahrt- und Zeitaufwand“ verbergen. Als Gläubiger der Kosten kommt sowohl die auf der Benachrichtigung aufgeführte Bekl., aber auch die für die Bekl. tätige Messdienstfirma in Betracht. Aus dem Ausdruck „Fahrt- und Zeitaufwand“ lässt sich dem Wortlaut nach schließen, dass sowohl die Fahrtkosten als auch der Zeitaufwand für die zusätzliche Ablesung bezahlt werden müssen. Die Auslegung der Bekl., es sei lediglich der Zeitaufwand für die zusätzliche Fahrt darunter zu verstehen, ist nicht zwingend und mit dem Wortlaut kaum vereinbar.

c) Der Nutzer wird durch die angegriffene Klausel einem faktischen Kontrahierungszwang unterworfen. Er soll mit der Bekl. und/oder der Messdienstfirma eine „Ablesevergütungsvereinbarung“ schließen, ohne hierzu verpflichtet zu sein. Der Kontrahierungszwang für den Nutzer wird noch dadurch verstärkt, dass ihm für den Fall, dass er keinen zweiten kostenpflichtigen Individualtermin vereinbart, die Schätzung des Heizkostenverbrauches angedroht wird. Ob eine solche Schätzung überhaupt zulässig ist, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig. Zum Teil wird sogar die Meinung vertreten, dass der Gebäudeeigentümer die Duldung der Ablesung ggf. durch Klage bzw. einstweilige Verfügung erzwingen muss (Lammel, § 6 Rdnrn. 11f.). Es ist jedoch unstreitig, dass nicht bereits nach Versäumen des ersten Ablesetermins eine Schätzung zulässig ist. Darüber hinaus ist für eine Schätzung überhaupt nur dann Raum, wenn der Nutzer schuldhaft das Ablesen nicht ermöglicht hat. Der Inhalt der Benachrichtigungskarte der Bekl. führt beim Nutzer zu der irrigen Vorstellung, dass er verpflichtet ist, den zweiten kostenpflichtigen Ablesetermin zu vereinbaren, um die Schätzung zu vermeiden. Diese Schätzung des Verbrauchs ist entgegen den Ausführungen der Bekl. für den Nutzer keineswegs nur vorteilhaft; bei der Schätzung wird der Verbrauch des oder der Vorjahre zu Grunde gelegt, was bei einem Minderverbrauch im abzulesenden Jahr zu erheblichen Nachteilen für den Nutzer führen kann. Darüber hinaus wird durch die Schätzung bei einem Mehrverbrauch des geschätzten Nutzers die Gesamtheit der Nutzer benachteiligt, da diese den Mehrverbrauch im Rahmen der Umlegung mitbezahlen müssen.

Rechtsgebiete

Mietrecht