Ausbildungskette Lehre - Fachoberschule - Fachhochschulstudium

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

30. 11. 1994


Aktenzeichen

XII ZR 215/93


Leitsatz des Gerichts

Zur Frage der einheitlichen Berufsausbildung in Fällen, in denen nach Realschulabschluss eine Lehre absolviert und der Besuch der Fachoberschule zur Erlangung der Fachhochschulreife und ein Fachhochschulstudium angeschlossen werden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der 1968 geborene Kl. ist der Sohn des Bekl. aus dessen 1968 geschiedener Ehe. Er wuchs bei seiner sorgeberechtigten Mutter auf. Im Juli 1985 erreichte er nach der 10. Klasse den Realschulabschluss. Einen weiteren Verbleib auf der Gesamtschule gab er ein Jahr später auf, nachdem er das Klassenziel nicht erreicht hatte. Ohne Erfolg blieb auch der anschließende einjährige Besuch der Berufsfachschule, Sparte Ländliche Hauswirtschaft. Von 1987 bis 1988 absolvierte er erfolgreich das Berufsgrundbildungsjahr an der Gewerbeschule in der Sparte Metalltechnik. Anschließend machte er bei der Firma Z eine Lehre zum Industriemechaniker, Fachrichtung Geräte- und Feinwerktechnik, die er im Januar 1991 mit den Noten: Kenntnisprüfung „befriedigend“ und Fertigkeitsprüfung „gut“ abschloss. Nachdem er die anschließende Zeit durch einen Zeitarbeitsvertrag bei der Firma Z überbrückt hatte, besuchte er ab Mitte August 1991 die Fachoberschule Technik und erwarb Mitte Juni 1992 die Fachhochschulreife mit der Durchschnittsnote 3,2. Bis zur Aufnahme seines Zivildienstes im Mai 1993 (nach Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer im Oktober 1992) war er arbeitslos. Nach Beendigung des Zivildienstes will er ab Wintersemester 1994/95 an der Fachhochschule das Ingenieurstudium, Fachrichtung Maschinenbau, aufnehmen. Der Bekl. hat seine Unterhaltsleistungen für den Kl. in dessen letztem Lehrjahr bei der Firma Z eingestellt, weil der Kl. damals nicht mehr bedürftig war. Im vorliegenden Verfahren macht der Kl. rückständigen Unterhalt in Höhe von 6408,50 DM für die Zeit des Besuchs der Fachoberschule von September 1991 bis einschließlich Juni 1992 geltend. Einen Antrag auf laufenden Unterhalt ab Juli 1992 hat er wegen des bevorstehenden Antritts des Zivildienstes nicht weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, der Besuch der Fachoberschule und später das geplante Studium an der Fachhochschule seien eine Weiterbildung, die der Bekl. zu finanzieren habe.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. blieb erfolglos. Die Revision des Kl. hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Das OLG hat - unter Berufung auf die bisherige Senatsrechtsprechung - ausgeführt, die vom Kl. absolvierte Ausbildung zum Industriemechaniker stelle eine den Fähigkeiten und beachtenswerten Neigungen des Kl. angemessene Berufsausbildung dar, mit der der Bekl. seiner Unterhaltspflicht in ausreichendem Maße genügt habe.

Einer der Ausnahmefälle, in denen die Eltern trotzdem zur Finanzierung einer weiteren Ausbildung herangezogen werden können, liege hier nicht vor. Zwar könne eine solche Pflicht in Betracht kommen, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als bloße Weiterbildung anzusehen sei. Der hierfür erforderliche enge zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen der Industriemechanikerlehre, dem Erwerb des Fachabiturs und dem geplanten Fachhochschulstudium Maschinenbau sei auch gewahrt. Es fehle aber an der zusätzlichen Voraussetzung, dass der Kl. seine weitere Ausbildung von vornherein angestrebt habe. Der Kl. habe nämlich - auf seinen zuvor widersprüchlichen Vortrag hierzu angesprochen - bei seiner persönlichen Anhörung vor dem OLG erklärt, er habe zu Beginn der Lehre an eine gegebenenfalls mögliche Weiterqualifizierung gedacht, sei sich jedoch unsicher gewesen, ob ihm ein solcher Ausbildungsweg überhaupt zusage. Den Entschluss, weiterzumachen, habe er erst in der Lehre gefasst, und zwar wegen der durch einen Fachoberschul- bzw. einen Fachhochschulabschluss verbesserten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Nach Ansicht des OLG genügt dies nicht, die weitere Ausbildung als bloße Weiterbildung innerhalb eines einheitlichen Ausbildungsganges zu qualifizieren. Ein nur sukzessiv mit dem Erreichen der jeweiligen Ausbildungsstufe gefasster Entschluss über den weiteren Ausbildungsgang, wie ihn der Senat wegen des insoweit geänderten Ausbildungswegs Abitur - Lehre - Studium als ausreichend angesehen habe, komme bei der Ausbildungskette Lehre - Fachoberschule - Fachhochschule nicht in Betracht, weil sich hier kein entsprechend geändertes Ausbildungsverhalten feststellen lasse.

2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.

a) Nach § 1610 II BGB umfasst der Unterhalt eines Kindes die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Geschuldet wird danach eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsausbildung gewährt haben, sind daher nicht verpflichtet, auch noch Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Ausnahmen hat der Senat nur unter besonderen Umständen angenommen, nämlich wenn der Beruf etwa aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann oder wenn das Kind von den Eltern in einen seiner Begabung nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt wurde oder die Erstausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung beruht. Ferner kommt eine weitergehende Unterhaltspflicht in Betracht, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und von vornherein angestrebt war oder während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde (BGHZ 69, 190f. (194) = NJW 1977, 1774 = LM § 1610 BGB Nr. 4 = FamRZ 1977, 629; Senat, FamRZ 1980, 1115; NJW-RR 1991, 770 = FamRZ 1991, 931; w.Nachw. in BGHZ 107, 376 (380) = NJW 1989, 2253 = LM § 1610 BGB Nr. 18 = FamRZ 1989, 853 (854)).

Diese Grundsätze hat der Senat für die Fälle modifiziert, in denen ein Kind nach Erlangung der Hochschulreife auf dem herkömmlichen schulischen Weg (Abitur) eine praktische Ausbildung (Lehre) absolviert und sich erst danach zu einem Studium entschließt (sog. Abitur - Lehre - Studium - Fälle, BGHZ 107, 376 (380) = NJW 1989, 2253 = LM § 1610 BGB Nr. 18 = FamRZ 1989, 853 (854); krit. dazu Schwab, in: Festschr. f. Jauch, 1990, S. 201 (210f.)). Grund für die Modifizierung war das zunehmend geänderte Ausbildungsverhalten der Studienberechtigten, die sich durch eine praktische Berufsausbildung eine sichere Lebensgrundlage schaffen, ein anschließendes Studium aber nicht von vornherein ausschließen wollen. Dabei hat der Senat allerdings wegen des aus § 1610 II BGB abzuleitenden Merkmals der Einheitlichkeit des Ausbildungsganges daran festgehalten, dass die einzelnen Ausbildungsabschnitte in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und die praktische Ausbildung und das Studium sich jedenfalls sinnvoll ergänzen müssen (BGHZ107, 376 (382) = NJW 1989, 2253 = LM § 1610 BGB Nr. 18 = FamRZ 1989, 853 (854); Senat, NJW-RR 1990, 327 = BGHRBGB § 1610 Abs. 2 Studium 3 = FamRZ 1990, 149; NJW-RR 1991, 1156 = FamRZ 1991, 1044 (1045); NJW 1992, 501 = LM H. 6/1992 § 1610 BGB Nr. 20 = BGHRBGB§ 1610 Abs. 2 Studium 5 = FamRZ 1992, 170; NJW 1993, 2238 = LM H. 1/1994 § 1610 BGB Nr. 22 = BGHRBGB§ 1610 Abs. 2 Angemessenheit 1 = FamRZ 1993, 1057; NJW-RR 1992, 1090 = BGHRBGB§ 1610 Abs. 2 Studium 6 = FamRZ 1992, 1407). Er hat es jedoch genügen lassen, dass der Studienentschluss nicht von vornherein, sondern erst nach Beendigung der Lehre gefasst wird, weil es gerade der Eigenart des vom herkömmlichen Bild abweichenden Ausbildungsverhaltens entspricht, dass sich der Abiturient bei Aufnahme der praktischen Ausbildung vielfach noch nicht über ein anschließendes Studium schlüssig ist (BGHZ 107, 376 (380ff.) = NJW 1989, 2253 = LM § 1610 BGB Nr. 18 = FamRZ 1989, 853 (854)).

b) Eine Übertragung dieser für die Fälle Abitur - Lehre -Studium entwickelten Grundsätze auf die Fälle Lehre - Fachoberschule - Fachhochschulstudium hat der Senat bereits verneint (Senat, NJW-RR 1991, 195 = BGHRBGB § 1610 Abs. 2 Studium 4 = FamRZ 1991, 320 (321); zur mangelnden Vergleichbarkeit der Fälle vgl. im übrigen Senat, NJW-RR 1992, 1090 = BGHRBGB§ 1610 Abs. 2 Studium 6 = FamRZ 1992, 1407; NJW-RR 1991, 1156 = FamRZ 1991, 1044 (1045); NJW 1992, 501 = LM H. 6/1992 § 1610 BGB Nr. 20 = BGHRBGBB § 1610 Abs. 2 Studium 5 = FamRZ 1992, 170). Er hat darauf abgestellt, dass die einzelnen Ausbildungsabschnitte dann eine einheitliche, von den Eltern zu finanzierende Berufsausbildung darstellen, wenn schon bei Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung einschließlich eines Studiums angestrebt wurde. Er hat allerdings offen gelassen, ob die Einheitlichkeit auch dann bejaht werden könnte, wenn die Studienabsicht erst zu einem späteren Zeitpunkt gefasst worden wäre.

In der Rechtsprechung - auch der Verwaltungsgerichte - und Literatur wird eine Ausdehnung der für die Abitur-Lehre-Studium-Fälle gelockerten Grundsätze auf einen Fall wie den vorliegenden überwiegend abgelehnt und gefordert, dass der Auszubildende den Ausbildungsgang bis zum späteren Fachhochschulstudium von Anfang an erkennbar geplant hat (vgl. neben dem hier angegriffenen Urteil des OLG Stuttgart auch OLG Bamberg, FamRZ 1988, 1087 (1088); OLG Karlsruhe, NJW-RR 1991, 642; OLG Hamm - 2. Familiensenat -, FamRZ 1992, 592; OLG Schleswig, FamRZ 1992, 593; BVerwG, NJW 1990, 1129; ähnlich BVerwG in seiner früheren Entscheidung vom 30. 4. 1987, NJW 1988, 154; OVG Schleswig, FamRZ 1992, 490; Köhler, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 1610 Rdnr. 21; Soergel/Häberle, BGB, 12. Aufl., Nachtrag § 1610 Rdnrn. 20f.; a.A. OLG Hamm - 9.Familiensenat -, FamRZ 1990, 196; LG Freiburg, FamRZ 1990, 308).

c) Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, von den bisher entwickelten Leitgedanken abzuweichen und ihn den Abitur-Lehre-Studium-Fällen uneingeschränkt gleichzustellen.

aa) Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass die Eltern nicht für die Kosten einer zweiten oder weiteren Ausbildung herangezogen werden können, wenn sie ihre Unterhaltspflicht durch Finanzierung einer begabungsgerechten abgeschlossenen Berufsausbildung in rechter Weise erfüllt haben (BGHZ 69, 190f. (193) = NJW 1977, 1774 = LM § 1610 BGB Nr. 4 = FamRZ 1977, 629). Dahinter steht der Gedanke, dass die Reichweite der Unterhaltspflicht der Eltern von der Frage mitbestimmt wird, inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind nach einem Schulabschluss und einer zu Ende geführten, in sich geschlossenen Berufsausbildung noch eine berufsqualifizierende Ausbildung - gegebenenfalls über weitere Ausbildungsstufen hinweg - anstreben werde. Die Belange der Unterhaltspflichtigen dürfen dabei nicht unberücksichtigt bleiben. Denn die Eltern müssen sich in ihrer eigenen Lebensplanung in etwa darauf einstellen können, wie lange sie mit einer Unterhaltslast zu rechnen haben. Hat etwa der Auszubildende mit Abschluss seiner praktischen Ausbildung bereits ein Alter erreicht, in dem die Eltern nicht mehr damit rechnen müssen, dass er noch eine weiterführende Schule und ein Studium anschließen wird, so wird eine Verpflichtung zur Finanzierung dieser weiteren Ausbildung um so weniger in Betracht kommen. Auch ist das Ausbildungsunterhaltsverhältnis zwischen Eltern und Kindern insoweit von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt, als einerseits die Eltern leichtere Verzögerungen oder ein zeitweiliges Versagen hinnehmen müssen (Senat, NJW-RR 1990, 327 = BGHRBGB § 1610 Abs. 2 Studium 3 = FamRZ 1990, 149), andererseits das Kind seine Ausbildung mit Fleiß und Zielstrebigkeit angehen (vgl. Senat, NJW 1984, 1961 = LM § 1601 BGB Nr. 8 = FamRZ 1984, 777 (778); NJW 1987, 1557 = LM § 1610 BGB Nr. 14 = BGHRBGB § 1610 Abs. 2 Studium 1 = FamRZ 1987, 470 (471)) und den Eltern Auskunft über den Stand und die Dauer der geplanten Ausbildung geben muss (Senat, NJW 1987, 1557 = LM § 1610 BGB Nr. 14 = BGHRBGBB § 1610 Abs. 2 Studium 1 = FamRZ 1987, 470 (471)). Diese Gesichtspunkte wirken sich nicht erst bei der Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für die Eltern aus, sondern haben bereits Einfluss darauf, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Ausbildungsweg noch als geschuldete einheitliche Vorbildung zu einem Beruf oder als grundsätzlich nicht mehr geschuldete Zweitausbildung anzusehen ist.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Ausbildungsvarianten Abitur - Lehre - Studium einerseits und mittlere Reife - Lehre - Fachoberschule - Fachhochschule andererseits, die es rechtfertigen, jeweils auf andere Kriterien abzustellen. Während der Abiturient insbesondere in der Oberstufe mehr an das theoretische Denken herangeführt und damit auf das Hochschulstudium vorbereitet wird, gewährt der Realschulabschluss dem Absolventen eine Vorbildung, die Grundlage für eine praxisorientierte Berufsausbildung sein kann. Hat ein Kind auf dem herkömmlichen schulischen Weg das Abitur und damit die Zugangsberechtigung zum Studium erlangt, müssen die Eltern regelmäßig von vornherein mit einer Hochschulausbildung rechnen. Aufgrund des allgemein geänderten Ausbildungsverhaltens der Abiturienten müssen sie dabei allerdings gewärtigen, dass eine praktische Ausbildung vorgeschaltet und der Entschluss zu dem fachlich darauf aufbauenden Studium erst anschließend gefasst wird. Eine solche Vorausschau ergibt sich demgegenüber nicht ohne weiteres in den Fällen, in denen ein Kind, nachdem es aufgrund seiner Fähigkeiten und seines Leistungswillens einen Haupt- oder Realschulabschluss erreicht hat, im Anschluss an eine Lehre zunächst durch Wiederaufnahme einer schulischen Ausbildung die Fachhochschulreife zu erlangen sucht, um alsdann ein Fachhochschulstudium anzuschließen.

Das spricht dafür, in den letztgenannten Fällen die Einheitlichkeit der Ausbildung jedenfalls dann zu verneinen, wenn das Kind nicht von vornherein die Absicht hatte, nach der Lehre die Fachoberschule zu besuchen und anschließend zu studieren, und die Eltern mit einem derartigen beruflichen Werdegang des Kindes auch nicht aufgrund sonstiger besonderer Anhaltspunkte zu rechnen brauchen, die sich etwa aus der bisherigen schulischen Entwicklung ergeben oder sich auch in der anschließenden Lehre zeigen können, indem sie eine deutliche Begabung, insbesondere in theoretischer Hinsicht, für einen Fachbereich und für eine Weiterbildung auf diesem Gebiet erkennen lassen.

Ob etwas anderes gelten müsste, wenn sich auch insoweit ein allgemein geändertes Ausbildungsverhalten feststellen ließe und sich etwa ergäbe, dass Kinder mit Realschulabschluss in zunehmendem Maße nach einer praktischen Ausbildung die Fachoberschule besuchen und alsdann studieren, kann hier dahinstehen. Auch wenn das der Fall wäre, müsste die Einheitlichkeit der Ausbildung weiterhin verneint werden, wenn die schulische Ausbildung (zunächst) scheitert und beim Eintritt in die praktische Berufsausbildung weder die Absicht besteht, nach deren Abschluss die Fachoberschule zu besuchen und zu studieren, noch sonst nach der erkennbar gewordenen Begabung oder nach der Leistungsbereitschaft und dem Leistungsverhalten des Kindes eine entsprechende Weiterbildung nach Abschluss der Lehre zu erwarten steht. Hier braucht der Unterhaltspflichtige nicht damit zu rechnen, nach dem Abschluss der berufsqualifizierenden praktischen Ausbildung des Kindes zu weiteren Unterhaltsleistungen herangezogen zu werden.

bb) So liegt der vorliegende Fall.

Das OLG hat festgestellt, dass der Kl. nach seinen eigenen Einlassungen die weitere Ausbildung nicht von vornherein angestrebt habe. Nach teilweise widersprüchlichem Vortrag über den Zeitpunkt seines Entschlusses zur Weiterbildung habe er in der mündlichen Verhandlung angegeben, zu Beginn der Lehre unsicher gewesen zu sein, ob ihm ein solcher Ausbildungsweg überhaupt zusage; sein im weiteren Verlauf der Lehre gefasster Entschluss „weiterzumachen“ habe maßgeblich auf seiner Unsicherheit beruht, ob er nach Abschluss der Lehre in eine feste Anstellung übernommen werde. Aufgrund dieser Angaben ist das OLG zu der Überzeugung gelangt, dass es an einem anfänglich gefassten einheitlichen Plan für die Ausbildung fehle. Hiergegen macht die Revision geltend, da das OLG den mündlichen Angaben des Kl. im Termin gegenüber seinem anders lautenden Sachvortrag den Vorzug gegeben und prozessentscheidende Bedeutung beigemessen habe, habe es diese Angaben wie eine echte Parteivernehmung gem. § 160 III Nr. 4 ZPO protokollieren oder in einem Berichterstattervermerk festhalten müssen.

Damit kann sie nicht durchdringen. Der Kl. ist vom OLG gem. § 141 OLGgemr Erläuterung seines widersprüchlichen Sachvortrags mündlich angehört worden. Dass das Gericht diesen Angaben insoweit den Vorzug gegeben hat, als sie sich von dem schriftsätzlichen Sachvortrag des Kl. unterschieden, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 19. Aufl., § 141 Rdnr. 1 m.w. Nachw.). Anders als bei einer Parteivernehmung mussten die Angaben weder im Protokoll gem. § 160 III Nr. 4 ZPO noch in einem Berichterstattervermerk festgehalten werden (vgl. Senat, FamRZ 1989, 157 (158) m.w. Nachw.). Dass es sich in Wahrheit um eine Parteivernehmung gehandelt habe, macht die Revision nicht geltend. Die Angaben sind im Übrigen in den Urteilsgründen in einer gesonderten Passage - teilweise wörtlich - in nachprüfbarer Weise wiedergegeben. Dass der Kl. bei seiner Anhörung noch wesentlich andere Erklärungen abgegeben habe, macht die Revision nicht geltend. Die von ihr zitierten Entscheidungen (BGHZ 40, 84 = NJW 1963, 2070 = LM § 161 ZPO Nr. 10; BGH, NJW 1969, 428 = LM § 161 ZPO Nr. 11; LM § 141 ZPO Nr. 2) betreffen nicht vergleichbare Sachverhalte.

Hiernach hat der Kl. mit dem Eintritt in die betriebliche Ausbildung nicht den Plan verfolgt, nach deren Abschluss die Fachoberschule zu besuchen und zu studieren. Auch sonst stand eine solche Weiterbildung nicht zu erwarten. So hatte der Kl. die Gesamtschule am Ende der 11. Klasse verlassen, nachdem er das Klassenziel nicht erreicht hatte. Dabei hatte er nach dem letzten Zeugnis jede Leistungsbereitschaft für eine Fortsetzung der schulischen Ausbildung vermissen lassen. Ähnlich verhält es sich mit dem anschließenden Besuch der einjährigen Berufsfachschule - Sparte - Hauswirtschaft/ländliche Hauswirtschaft - für Realschulabsolventen. Auch hier weist das Abgangszeugnis unzureichende Leistungen aus und lässt auf einen Mangel an Leistungsbereitschaft schließen. Das darauf folgende Grundbildungsjahr in der Sparte Metalltechnik hat der Kl. zwar erfolgreich absolviert. Verlauf und Ergebnis lassen jedoch vor allem auf eine handwerklich-technische Begabung und eine darauf bezogene Leistungsbereitschaft schließen. Dagegen sind insoweit keine Anhaltspunkte für einen auf die spätere Fortsetzung der schulischen Ausbildung bezogenen Leistungswillen erkennbar, obwohl der Kl. - mittlerweile nahezu 20jährig - ausreichend Gelegenheit hatte, sich nach dem Grundbildungsjahr und der Ende 1987 erfolgten Berufsberatung durch das Arbeitsamt über den Inhalt und die Möglichkeiten einer Weiterbildung auf dem einschlägigen Gebiet klar zu werden.

cc) Unter diesen Umständen brauchte der Bekl. nicht damit zu rechnen, dass der Kl., der nach damaliger Voraussicht bis zum Abschluss der Lehre ein Alter von gut 22 Jahren erreicht haben würde, es mit dieser berufsqualifizierenden Ausbildung nicht bewenden lassen, sondern nach deren Abschluss noch eine Weiterbildung auf theoretischem Gebiet anschließen und dazu weiteren Unterhalt verlangen werde. Wenn der Kl. sich später gleichwohl dazu entschlossen und die Fachoberschule besucht hat, um anschließend zu studieren, so ist darin eine schrittweise versuchte Qualifizierung und keine einheitliche Berufsausbildung zu erblicken, für die er nach § 1610 II BGB allein Unterhalt beanspruchen kann.

3. Soweit die Revision schließlich darauf abhebt, dass es hier nur um die Finanzierung der Zeit in der Fachoberschule gehe und die dort erworbenen theoretischen Kenntnisse die Einstellungschancen verbesserten, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg. Denn die sich an eine abgeschlossene Berufsausbildung anschließende Fachoberschule führt nicht zu einem eigenen qualifizierten Berufsabschluss. Sie ist lediglich notwendige Vorstufe zum Fachhochschulstudium. Die Kombination von Lehre und Fachoberschule allein kann daher noch nicht als eine eigenständige, einheitliche Berufsausbildung angesehen werden. Davon geht im Übrigen der Kl. ersichtlich selbst nicht aus. Denn er hat sich Unterhaltsforderungen für die weitere Finanzierung des Studiums für die Zeit nach Beendigung des Zivildienstes vorbehalten.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht