Kürzung der Anwartschaften wegen außerehelichen Kindern

Gericht

OLG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

27. 05. 1994


Aktenzeichen

2 UF 267/92


Leitsatz des Gerichts

Hat die Ehefrau während einer langen Ehezeit zwei Kinder von einem anderen Mann empfangen, die der Ehemann - auch infolge einer Täuschung durch die Ehefrau - als eigene Kinder angesehen hat, dann erscheint es gerechtfertigt, den Betrag der im Wege des Rentensplittings zu übertragenden Anwartschaften auf etwa ein Drittel der Wertdifferenz zu kürzen und von dem Ausgleich einer geringen Anwartschaft aus einer Zusatzversorgung ganz abzusehen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I.

Der 1935 geborene ASt. und die 1936 geborene AGg. haben am 5. 2. 1958 miteinander die Ehe geschlossen. Während der Ehe hat die AGg. zwei Kinder, nämlich am 27. 6. 1972 H. und am 27. 5. 1974 S. geboren. Beide stammen nicht vom ASt. ab. Dies hat das AmtsG R. hinsichtlich H. mit Urteil v. 23. 4. 1991, hinsichtlich S. mit Urteil v. 20. 2. 1992 festgestellt.

Die AGg. wurde durch rechtskräftigen Strafbefehl des AmtsG R. v. 5. 11. 1991 wegen uneidlicher Falschaussage zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 20 DM verurteilt.

Durch Urteil des LG v. 29. 11. 1991 wurde die AGg., gestützt auf § 826 BGB, rechtskräftig verurteilt, an den ASt., der für den Lebensunterhalt der Tochter H. aufgekommen war, 45.630 DM als Schadensersatz zu zahlen. Eine gegen die AGg. gerichtete Schadensersatzanklage des ASt. in Bezug auf S. wurde durch Urteil des LG v. 30. 6. 1993 abgewiesen. Das Berufungsverfahren ist beim OLG Karlsruhe anhängig.

Die Parteien hatten seit August 1990 getrennt gelebt.

Mit Verbundurteil v. 28. 10. 1992 hat das AmtsG die Ehe der Parteien geschieden - insoweit ist es seit 26. 2. 1993 rechtskräftig - und den Versorgungsausgleich [VersAusgl] in der Weise durchgeführt, dass es vom Versicherungskonto des ASt. auf das der AGg. monatliche Rentenanwartschaften von 480 DM übertragen hat (Nr. 2 des Urteils). In Nr. 3 des Urteilsausspruchs hat es dem ASt. gegenüber der AGg. einen Zugewinnausgleichsanspruch i. H. von 92.362,32 DM zugesprochen. Zum VersAusgl hat das AmtsG folgende Feststellungen getroffen:

Beide Parteien haben in der Ehezeit vom 1. 2. 1958 bis 31. 10. 1990 Versorgungsanwartschaften in der ges. Rentenversicherung [RV] erworben, und zwar der ASt. solche von monatlich 1.632,33 DM, die AGg. solche von 207,13 DM monatlich. Ersterer bezieht noch laufende Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung der Zusatzversorgung des Baugewerbes [ZVK] i. H. von 1.524 DM jährlich.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das AmtsG ausgeführt: Der VersAusgl sei wegen grober Unbilligkeit nicht in voller Höhe durchzuführen. . . .

Gegen die Entscheidung zum VersAusgl haben beide Parteien Beschwerde eingelegt, die AGg. mit dem Ziel, dass der VersAusgl in vollem Umfang durchgeführt wird, während der ASt. einen völligen Ausschluss des VersAusgl erreichen will. . . .


II.

Beide Beschwerden sind in der Sache nicht gerechtfertigt.

Das AmtsG hat zu Recht die zugunsten der AGg. auszugleichenden Anwartschaften aufgrund der Härteklausel des § 1587c Nr. 1 BGB auf einen monatlichen Betrag von 480 DM gekürzt. Weder eine uneingeschränkte Durchführung noch ein vollständiger Ausschluss des VersAusgl sind gerechtfertigt und geboten.

1. Das AmtsG hat zunächst vor der Prüfung der Voraussetzungen des § 1587c BGB zutreffend ermittelt, welche Versorgungsanrechte die Ehegatten in der maßgebenden Ehezeit vom 1. 2. 1958 bis 31. 10. 1990 erworben haben und durch eine überschlägige Rechnung geklärt, welcher Ehegatte in welchem Umfang ausgleichspflichtig ist (Senat, Beschluss v. 8. 2. 1984, Justiz 1984, 286). Es hat richtig festgestellt, dass der ASt. Rentenanwartschaften in der ges. RV i. H. von 1.632,33 DM, die AGg. solche von 207,13 DM, jeweils monatlich, der ASt. darüber hinaus Ansprüche gegenüber der ZVK erworben hat. Nach der Auskunft dieses Versorgungsträgers v. 5. 6. 1991 besteht ein Anspruch auf Bezug laufender Leistungen aus Grund- und Ergänzungsbeihilfe von jährlich 1.524 DM zum Ende der Ehezeit, der nicht dynamisch ist. Der dynamische monatliche Betrag wird dadurch ermittelt, indem zunächst unter Anwendung der BarwertVO der Barwert zu berechnen ist und dieser Betrag mit dem für das Ehezeitende geltenden Umrechnungsfaktor in Entgeltpunkte und diese wiederum mit Hilfe des zu diesem Zeitpunkt geltenden aktuellen Rentenwertes in eine Rente der ges. RV umzurechnen ist. Auf der Grundlage der genannten Auskunft ergibt sich folgende Wertermittlung und Berechnung: . . . [Berechnung eines dynamischen Wertes von 59,76 DM].

Damit wären von den ges. Rentenanwartschaften rechnerisch die Hälfte von 1.632,33 DM - 207,13 DM = 1.425,20 DM, also 712,60 DM, und weiter die (dynamisierte) betriebliche Altersversorgung des ASt. i.H. eines Betrages von (59,76 DM

: 2 =) 29,88 DM zugunsten der AGg. auszugleichen. Der Senat schließt sich der Auffassung des FamG an, dass es bei Berücksichtigung aller Umstände im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach § 1587c Nr. 1 BGB wegen des Fehlverhaltens der AGg. gerechtfertigt ist, die - verhältnismäßig geringe - Versorgungsrente des ASt. bei der ZVK nicht und von der Differenz der von den Parteien in der ges. RV erworbenen, ehezeitbezogenen Anwartschaften 1/3, mithin - gerundet - 480 DM auszugleichen.

Dass die Vorschrift des § 1587b BGB (Höchstbetragsregelung) dem Wertausgleich in dieser Höhe nicht im Wege steht, hat das AmtsG zutreffend dargelegt.

2. Nach der std. Rspr. des BGH, die auf den Beschluss v. 13. 10. 1982 (FamRZ 1983, 32 ff.) zurückgeht, kann ehel. Fehlverhalten zur Anwendung des § 1587c Nr. 1 BGB führen, selbst wenn es ohne wirtschaftliche Relevanz ist. Es ist jedoch nur dann geeignet, die Herabsetzung des VersAusgl zu begründen, wenn es wegen seiner Auswirkungen auf den Ehepartner ganz besonders ins Gewicht fällt. Es muss für den anderen Ehegatten so belastend gewesen sein, dass die ungekürzte Durchführung des VersAusgl unerträglich erscheint. Liegt zugleich eine wirtschaftliche Beeinträchtigung des Ehepartners vor, dann können sowohl die im persönlichen als auch die im wirtschaftlichen Bereich eingetretenen Belastungen des ausgleichspflichtigen Ehegatten berücksichtigt werden (BGH, FamRZ 1987, 362, 363).

Hinsichtlich H. stellt auch die AGg. nicht in Abrede, dass der ASt. gleich nach der Geburt Zweifel an seiner Vaterschaft geäußert und sie schon damals abgestritten hat, mit einem Dritten Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Dieses auf bewusste Täuschung des zweifelnden ASt. gerichtete Verhalten hat sie beibehalten und sich schließlich einer Falschaussage in dem H. betreffenden Ehelichkeitsanfechtungsverfahren des AmtsG R. schuldig gemacht, wofür sie auch rechtskräftig verurteilt wurde. Dass das AmtsG dies als bedingt vorsätzliches Unterschieben eines fremden Kindes gewertet hat, kann sie nicht mit ihrem Vorbringen in Frage stellen, Anzeichen dafür, dass ihre Tochter H. nicht vom ASt. abstamme, habe sie nicht gehabt. Es reicht aus, dass sie zumindest damit rechnete, dass ein anderer Mann der Vater ist (BGH, a.a.O., und FamRZ 1985, 267 ff.).

Soweit die AGg. hinsichtlich S. darauf abhebt, sowohl sie wie auch der ASt. seien davon ausgegangen, dass diese von ihm abstamme, lässt sich zwar ein bedingter Vorsatz in dem oben dargelegten Sinne nicht zweifelsfrei feststellen. Wenn sie es auch nicht für durchaus nahe liegend gehalten haben mag, dass ihr Partner und nicht der ASt. Vater von S. sein dürfte, so ändert dies nichts daran, ihr Verhalten als schwere Eheverfehlung zu bewerten. Der vorliegende Sachverhalt ist nicht mit dem vom BGH im Beschluss v. 12. 11. 1986 (FamRZ 1987, 362) entschiedenen zu vergleichen, wo der BGH eine Kürzung des VersAusgl wegen grober Unbilligkeit ablehnte. Während dort die Ehefrau lediglich einmal mit dem Dritten geschlechtlichen Umgang hatte, hatte die AGg. außer mit dem ASt. regelmäßig Verkehr mit dem Vater der Tochter S. Damit konnte die AGg. jedenfalls nicht glaubhaft davon ausgehen, dass mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit der ASt. der Vater von S. sei (vgl. hierzu BGH, a.a.O.). Im Übrigen hat der BGH lediglich dahin erkannt, dass eine schwere Eheverfehlung wie der Ehebruch nicht stets eine Herabsetzung des Ausgleichsbetrags nach sich ziehe. Das bedeutet aber nicht, den Umstand, dass die während der Ehe geborene Tochter S. nichtehelich geboren ist, bei der im Rahmen der Billigkeitsprüfung des § 1587c Nr. 1 BGB gebotenen Gesamtabwägung nicht zum Nachteil der AGg. zu berücksichtigen, zumal der ASt. hier auch für den Unterhalt dieses Kindes aufgekommen ist.

Insgesamt fällt das Fehlverhalten der AGg. wegen seiner Auswirkungen auf den ASt. ganz besonders ins Gewicht und war für ihn so belastend, dass die ungekürzte Durchführung des VersAusgl unerträglich erscheint. Daran ändert nichts, dass dem ASt. im Falle der Tochter H. durch Urteil des LG ein Schadensersatzanspruch i. H. von 45.630 DM zugesprochen worden ist, weil er 18 Jahre lang als Scheinvater auf eine nicht bestehende Schuld Unterhalt bezahlt hat. Ihm ist lediglich ein Schadensersatzanspruch i. H. des Regelunterhalts zuerkannt worden. Seine tatsächlichen Unterhaltsaufwendungen sind aber - wie auch die AGg. nicht in Abrede stellt - deutlich höher zu bewerten. Wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen auf den ASt. von geringerem Gewicht sein mögen, so ändert sich nichts daran, dass die im persönlichen Bereich des ausgleichspflichtigen ASt. eingetretenen Belastungen weiterhin gegeben sind. Deshalb ist auch nicht von erheblicher Bedeutung, ob der ASt. den auch im Falle der Tochter S. in gleicher Weise geltend gemachten Schadensersatzanspruch, der erstinstanzlich durch Urteil des LG v. 30. 6. 1993 abgewiesen worden ist, letztlich durchsetzen kann.

Die AGg. führt noch an, sie sei ohne jeden Beruf und ohne jedes Einkommen, während der ASt. das in ihrem Alleineigentum stehende Hausobjekt bewohne und hinsichtlich des von ihr ererbten Hauses das Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet habe. Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass hier ein besonders gravierendes Fehlverhalten der Ausgleichsberechtigten vorliegt, so dass die durch die Herabsetzung (nicht einen völligen Ausschluss, wie noch dargelegt wird) des VersAusgl verbundenen persönlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf die AGg. gleichwohl gerechtfertigt erscheinen. Zum anderen hat sie inzwischen mit ihrem Lebensgefährten die Ehe geschlossen, der nach dem von ihr nicht beanstandeten Vorbringen des ASt. über erhebliche Arbeitseinkünfte und Vermögen verfügt. Ihr kann mithin nicht gefolgt werden, die Herabsetzung zum VersAusgl habe die Konsequenz, dass sie der Sozialhilfe überantwortet werde, zumal sie neben den vom AGg. übertragenen Rentenanwartschaften i. H. von 480 DM noch über eigene i. H. von 207,13 DM monatlich, beide bezogen auf das Ende der Ehezeit (31. 10. 1990) verfügt. . . .

Ein völliger Ausschluss des VersAusgl, wie er vom ASt. erstrebt wird, kommt jedoch - wie das AmtsG zutreffend ausgeführt hat - bei der gebotenen Abwägung aller Umstände nicht in Betracht. Das AmtsG hat im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu Recht darauf abgehoben, dass die Parteien bis zum Auszug der Ehefrau im August 1990 rund 32 Jahre zusammengelebt haben und die Ehe schon rund 13 Jahre angedauert hatte, bevor die AGg. i. J. 1971 die Verbindung aufnahm, aus der H. und S. hervorgegangen sind. Auf die Zeit bis zum Jahr 1971 hat sich das Fehlverhalten der AGg. nicht ausgewirkt. Beim VersAusgl steht nicht die Begründung von Rechten oder Ansprüchen für die Zukunft in Frage, sondern, ähnlich wie beim Zugewinnausgleich, eine Teilhabe an Vermögenswerten, die beide Ehegatten in der zurückliegenden Zeit gemeinsam erwirtschaftet haben. Demgemäß geht es bei der Härteklausel des § 1587c Nr. 1 BGB ebenso wie bei der verwandten Regelung des § 1381 BGB im Recht des Zugewinnausgleichs um die Begrenzung von Beteiligungsansprüchen aus vergangener Gemeinschaft (BGH, FamRZ 1987, 362, 364).

Danach hält es der Senat nach Abwägung sämtlicher Umstände mit dem FamG für gerechtfertigt, die Differenz der von den Eheleuten in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften der ges. RV zu einem Drittel, mithin i. H. von 480 DM (1.632,33 DM - 207,13 DM = 1.425,20 : 3), die Versorgungsrechte des ASt. bei der ZVK jedoch nicht zugunsten der AGg. auszugleichen. Damit erscheinen alle Umstände des Falles, die für und gegen eine Herabsetzung bzw. einen Ausschluss des VersAusgl aus Billigkeitsgründen sprechen, angemessen berücksichtigt. Eine mathematische Genauigkeit kann und braucht nach Auffassung des Senats im Rahmen der Abwägung nach der Vorschrift des § 1587c BGB nicht erreicht zu werden (so auch OLG Hamm, NJW 1992, 1515, 1516).

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht