Herabzusetzender Versorgungsausgleich bei nichtehelichem Kind

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

13. 06. 1991


Aktenzeichen

1 UF 97/91


Leitsatz des Gerichts

Der Versorgungsausgleich ist herabzusetzen (hier um 1 / 4), wenn die Ehefrau dem Ehemann die mutmaßliche Nichtehelichkeit eines in der Ehe geborenen Kindes verschwiegen und ihn dadurch veranlasst hat, etwa 11 Jahre lang den Unterhalt für das Kind mitzutragen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I.

Die Parteien streiten noch um die Durchführung des Versorgungsausgleichs [VersAusgl]. Aus ihrer am 30. 10. 1968 geschlossenen Ehe sind die gemeinsamen Kinder M. und N. hervorgegangen. Durch rechtskräftiges Urteil des AmtsG G. v. 30. 1. 1990 ist festgestellt worden, dass das 1978 geborene Kind R. nicht das eheliche Kind des Antragstellers [ASt.] ist. Dieses Ehelichkeitsanfechtungsverfahren regte der ASt. nach der am 10. 4. 1989 erfolgten Trennung an, nachdem er von dritter Seite auf die mögliche Nichtehelichkeit des Kindes hingewiesen worden war.

Ehezeit i. S. des § 1587 BGB ist der 1. 10. 1968 bis 31. 3. 1990. Während dieser Zeit hat der ASt. bei der Landesversicherungsanstalt Westfalen monatliche Rentenanwartschaften i. H. von 896,50 DM und die Antragsgegnerin [AGg.] solche i. H. von 209,90 DM erworben.

Durch Verbundurteil hat das AmtsG die Ehe der Parteien geschieden und [u. a.] den VersAusgl in ungekürzter Höhe durch Übertragung von Rentenanwartschaften von 343,30 DM monatlich durchgeführt. ...

Dagegen wendet sich der ASt. mit seiner Beschwerde. ...


II.

Die nach § 621e ZPO zulässige Beschwerde hat einen Teilerfolg. Das gesetzliche [ges.] Rentensplitting nach § 1587 b I BGB ist im Hinblick auf die Härteklausel des § 1587 c Nr. 1 BGB um ein Viertel zu kürzen, so dass nur ehezeitbezogene Rentenanwartschaften von 258 DM (343,30 DM × 3/4) zu übertragen sind.

1. Im Gegensatz zur Auffassung des AmtsG ist der Senat davon überzeugt, dass die AGg. ein erhebliches eheliches Fehlverhalten trifft, das geeignet ist, den ges. VersAusgl teilweise herabzusetzen, weil sie dem ASt. während der Ehezeit ihre starken Zweifel an der Vaterschaft verschwiegen hat. Dabei kann es offen bleiben, ob sie positive Kenntnis von der Nichtehelichkeit des Kindes hatte. Jedenfalls steht fest, dass die AGg. der bedingte Vorsatz trifft, weil sie es für durchaus nahe liegend hielt, dass eben ihr damaliger Freund und nicht der ASt. Vater des Kindes sein dürfte. Dieses Inkaufnehmen langt indes, um mit der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1987, 362 ff.; 1985, 267, 269; 1983, 82 ff.) im Regelfall die Anwendung der Härteklausel dem Grunde nach zu bejahen, so dass mithin der VersAusgl ausgeschlossen oder herabgesetzt werden kann, weil die ausgleichsberechtigte Ehefrau während der Ehe von einem anderen Mann ein Kind empfangen und der Ehemann dieses mehrere Jahre lang als eigenes Kind angesehen hat. Hier liegt ein besonders gravierendes eheliches Fehlverhalten der AGg. vor, die ganz erhebliche Zweifel an der Ehelichkeit des Kindes hatte, den ASt. gleichwohl darüber nicht aufklärte und diesen somit veranlasste, über 11 Jahre lang im Wesentlichen zum Unterhalt des nichtehelichen Kindes beizutragen. Im Gegensatz zu dem Fall, den der BGH (FamRZ 1987, 363) zu beurteilen hatte, ist hier davon auszugehen, dass die AGg. bei dem Vortäuschen der Ehelichkeit des Kindes nicht etwa nur ein geringes Verschulden trifft. Vielmehr ist aufgrund ihrer Anhörung im VersAusgl-Verfahren, aber auch unter Einbeziehung ihrer Zeugenaussage im Kindschaftsprozess v. 19. 7. 1989 davon auszugehen, dass sie während der ges. Empfängniszeit vom 13. 9. 1977 bis zum 12. 1. 1978 häufig Geschlechtsverkehr mit ihrem damaligen Freund J. hatte und, zumal sich die Ehe seinerzeit in einer Krise befand, demgegenüber nur selten - möglicherweise ein - oder zweimal - mit dem ASt. Auch ging sie schon während der Schwangerschaft davon aus, dass der Vater des Kindes sicherlich ihr Freund sein müsse. So hat sie in dem Kindschaftsprozess formuliert, sie habe irgendwie das Gefühl gehabt, dass die Schwangerschaft von Herrn J. herrühre. Darüber hinaus kommt hinzu, dass die AGg. im Laufe der Jahre eine immer deutlicher werdende Ähnlichkeit zwischen dem Kind und ihrem damaligen Freund bemerkte. Aufgrund dieser Sachlage bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass die AGg. beinahe direkt vorsätzlich eine Aufklärung der Vaterschaft des Kindes unterließ. Dass nunmehr der ASt. weitgehend für den Unterhalt des Kindes aufzukommen hatte, nahm sie billigend in Kauf, so dass im Ergebnis nicht etwa nur von einem fahrlässigen Verhalten auszugehen ist, auch wenn die letzte Klarheit erst durch das Sachverständigengutachten im Rahmen des Kindschaftsprozesses geschaffen worden ist. 2. Dieses Fehlverhalten der AGg. führt in Abwägung sämtlicher Umstände zu einer Kürzung des VersAusgl um ein Viertel. Dagegen hält der Senat in Anbetracht der konkreten Fallumstände eine hälftige Herabsetzung für nicht geboten. Hierbei sprechen zunächst einmal gegen die AGg. ihr letztlich doch erhebliches Fehlverhalten, durch das sie den ASt. nachhaltig, nämlich über etwa 11 Jahre lang, getäuscht und diesem dadurch eine ganz erhebliche wirtschaftliche Last aufgebürdet hat. Andererseits wirkt sich für die AGg. entlastend aus, dass sie bis zur Trennung - also etwa 21 Jahre lang - nicht nur den Haushalt geführt und die beiden ehelichen Kinder versorgt hat, sondern darüber hinaus auch teilweise eigene Rentenanwartschaften durch Ausübung versicherungspflichtiger Tätigkeiten erworben hat. Auch mindert sich der rechnerische VersAusgl von vornherein um die der AGg. angerechneten Kindererziehungszeiten für R., so dass sich der VersAusgl schon deshalb um einen Monatsbetrag von rund 15 DM verkürzt. Da sich das oben aufgezeigte Fehlverhalten auf die erste Ehezeithälfte von 1968 bis zur Geburt des nichtehelichen Kindes im Sommer 1978 nicht auswirkt, hat der AGg. die Hälfte des rechnerischen VersAusgl von vornherein ungekürzt zu verbleiben. Mit der Herabsetzung um 1/4 des Ausgleichsbetrages meint der Senat allen Fallumständen, die für und gegen eine Reduzierung des VersAusgl aus Billigkeitsgründen sprechen, gerecht geworden zu sein, ohne dass dabei eine mathematische Genauigkeit erreicht werden sollte. Bei dieser Abwägung hat im Ergebnis keine Rolle gespielt, dass die Parteien anlässlich des Notarvertrages v. 17. 1. 1990 vereinbart haben, den ges. VersAusgl "ausdrücklich" durchzuführen. Denn nach den persönlichen Erklärungen der Parteien vor dem Senat steht fest, dass vor dem Notar die damals an sich bereits bekannte Nichtehelichkeit des Kindes R. nicht zur Sprache gekommen ist. Vielmehr hat der ASt. erst nach Abschluss des Notarvertrages gegenüber der AGg. angeregt, sich über eine Kürzung des VersAusgl im Hinblick auf das untergeschobene Kind zu verständigen. Mithin bleibt die Regelung innerhalb des Ehevertrages ohne Einfluss auf die Gestaltung des VersAusgl.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht