Haftung für Dachlawine in schneearmem Gebiet bei Parkplatzauswahlmöglichkeit des Mieters

Gericht

AG Winsen (Luhe)


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

06. 10. 1997


Aktenzeichen

4b C 1077/97


Leitsatz des Gerichts

Der Vermieter in der schneearmen Landschaft westlich Lüneburgs haftet nicht für die Schäden an dem Pkw eines Mieters, wenn der Mieter durch ungeeignetes Parken die Gefahrenlage selbst herbeiführt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. ist Mieter einer Wohnung auf einem dem Bekl. gehörenden, westlich Lüneburgs gelegenen Gut. In den etwa fünf Gebäuden gibt es fünfzehn Mietparteien. Die Wohngebäude befinden sich zerstreut auf dem Gutsgelände und sind durch Zuwegungen zu erreichen, die auch mit Kfz befahren werden können. Sie dienen ausschließlich dem Anliegerverkehr, weiteren Kfz-Verkehr gibt es auf dem Gelände nicht. An diesen Zuwegungen sind Parkmöglichkeiten vorhanden. Der Kl. hatte seinen Pkw direkt vor einem dieser Gebäude auf einem sich dort befindlichen und für die Mieter nutzbaren Parkplatz abgestellt, als am 28. 11. 1996 von diesem Gebäude eine Dachlawine abging. Der Kl. trägt vor, dass durch die Dachlawine die Motorhaube seines Fahrzeuges eingebeult wurde und der hierdurch entstandene Schaden 1500 DM betrage. Es liege ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht des Bekl. vor, da der Bekl. keinerlei Warnschilder aufgestellt habe. Hierzu sei er jedoch nach den besonderen Umständen, der steilen Dachneigung von ca. 45 bis 50 Grad, der sich auf dem Dach befindenden dicken Schneeschicht und der sich direkt unterhalb des Dachs befindlichen Mieterparkplätze verpflichtet gewesen.

Die auf Zahlung von 1500 DM gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Ein Anspruch aus § 823 I BGB ist nicht gegeben. Die Verkehrssicherungspflicht des für den Zustand eines Hausanwesens Verantwortlichen gebietet es diesem nicht uneingeschränkt, Sicherungsmaßnahmen gegen die Folgen etwa von der Dachschräge abgleitender Schneemassen zu ergreifen. Maßgebend für das Bestehen einer solchen Pflicht und die im Einzelfall zu treffende Vorsorge sind vielmehr die jeweiligen konkreten Verhältnissen, wie sie in den örtlichen Besonderheiten, den Witterungsbedingungen, der Beschaffenheit des Gebäudes sowie der Art und Dichte des Verkehrs zum Ausdruck kommen. Hierbei spielt eine etwa entstandene und beachtete örtliche Übung, soweit sie nicht Ausdruck einer unvertretbaren Nachlässigkeit ist, eine bedeutsame Rolle (OLG Karlsruhe, VersR 1956, 542; OLG München, NJW 1965, 1085). So kann in, wie vorliegend, schneeärmeren Gebieten nicht ohne weiteres verlangt werden, dass der Hauseigentümer bei jedem Niederschlag, der geeignet sein kann, Dachlawinen zu verursachen, Sicherheitsmaßnahmen ergreift. Dies wäre mit dem Grundsatz, dass es primär Sache des betreffenden Verkehrsteilnehmers ist, sich selbst durch Achtsamkeit vor der Gefahr von Verletzungen oder Sachschäden durch herabfallenden Schnee zu schützen (RG, DR 1942, 1759 Nr. 24; BGH, VersR 1955, 83), nicht zu vereinbaren. Eine solche Auffassung würde vielmehr dazu führen, den Verkehrssicherungspflichtigen nahezu in allen Fällen haften zu lassen, da Schädigungen zumeist in der Folge besonders nachhaltigen Schneeniedergangs eintreten. Erforderlich zur Begründung von Sicherungspflichten sind vielmehr besondere Umstände des Einzelfalls, welche über die bloße Tatsache des besonders kräftigen Schneefalls hinausgehen. Solche Umstände liegen hier nicht vor.

a) Es bestand keine Verpflichtung des Bekl. zur Anbringung von Schneegittern oder ähnlichen Vorkehrungen, da dies zum einen in schneearmen Gebieten nicht ortsüblich ist, und zum anderen die damit verbundenen Kosten in keinem angemessenen Verhältnis zu den von den Dächern ausgehenden Gefahren stünden. Sofern es in schneeärmeren Gebieten einmal zu verstärkten Schneeniedergängen und damit zur Gefahr von Dachlawinen kommt, so kann den Verkehrsteilnehmern zugemutet werden, sich darauf einzurichten und nicht an solchen Gefahrenstellen zu parken (LG Köln, VersR 1972, 58).

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Dach des Gebäudes des Bekl. eine Neigung von 45 bis 50 Grad hat, wie vom Kl. behauptet, da erst bei einer Dachneigung von mehr als 50 Grad eine Entschädigung zuzubilligen ist (LG Karlsruhe, Justiz 1977, 59).

b) Der Bekl. war auch nicht verpflichtet gewesen, durch besondere Warnschilder auf die Dachlawinengefahr hinzuweisen. Sinn und Zweck solcher Schilder ist es, auf die konkrete Gefahr eines Schneeabgangs hinzuweisen. Eine solche Warnung kann aber gerade gegenüber demjenigen keine Wirkung mehr entfalten, dem die Umstände, die zu einer solchen Dachlawine führen können, bereits bekannt sind. Dem Kl. war als Bewohner des Gebäudes sowohl die Dachneigung, als auch die konkreten Witterungsverhältnisse bekannt. Demzufolge hätte er von der Gefahr einer Dachlawine wissen müssen, so dass es ihm gegenüber keines besonderen Hinweises bedurfte. Des Weiteren hat der Bekl. durch die Beschränkung des Kfz-Verkehrs auf dem Gutsgelände auf reinen Anliegerverkehr sichergestellt, dass die auf dem Gelände befindlichen Wege und Parkplätze allein von den fünfzehn Mietparteien genutzt werden können. Diese hatten aber alle als Bewohner der Gebäude Kenntnis von den Umständen, die zu einer Dachlawinengefahr führen konnten. Der Bekl. eröffnete auf seinem Grundstück gerade keinen Verkehr für einen größeren Personenkreis, der mit den örtlichen Begebenheiten nicht vertraut war und von daher eines besonderen Schutzes bedurfte. Ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht seitens des Bekl. ergibt sich auch nicht daraus, dass er die unterhalb des Daches befindlichen Parkplätze für die Mieter freigegeben hat. Der Kl. war nicht auf den benutzten Parkplatz angewiesen. Vielmehr hatte er die Möglichkeit, zwischen den Parkplätzen direkt vor dem Gebäude und den an den Zuwegen, von den Gebäuden entfernt befindlichen Parkmöglichkeiten, frei zu wählen. Der Bekl. hat dem Kl. gerade keinen besonders gefährdeten Parkplatz zugewiesen. Vielmehr hat er dem Kl. die Möglichkeit geschaffen, seinen Pkw auf einem Parkplatz abzustellen, der es gewährleistet, dass der dort abgestellte Wagen nicht durch herabstürzenden Schnee beschädigt werden würde.

2. Der Bekl. haftet auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 823 II BGB, denn eine insbesondere ortspolizeiliche Vorschrift, welche das Anbringen von Schneegittern oder Warnschilder angeordnet hätte, bestand nicht.

3. Auch ein Schadensersatzanspruch nach § 836 BGB ist nicht gegeben, da Schnee, der sich vom Dach eines Hauses löst, kein Teil des Gebäudes ist (BGH, VersR 1955, 82).

4. Mangels Verstoßes gegen die Verkehrssicherungspflicht seitens des Bekl. scheidet auch ein Anspruch des Kl. aus dem Mietvertrag in Verbindung mit dem Institut der positiven Forderungsverletzung aus.

Rechtsgebiete

Mietrecht; Schadensersatzrecht; Schnee und Glatteis