Störung eines Nachbargrundstücks durch Katzen

Gericht

OLG Köln


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

17. 09. 1982


Aktenzeichen

20 U 44/82


Leitsatz des Gerichts

  1. Das Betreten eines Grundstücks durch Katzen wird durch § 906 I BGB nicht gedeckt. Hier besteht grundsätzlich ein Verbietungsrecht des Grundstückseigentümers, selbst wenn die Einwirkung unwesentlich oder ortsüblich ist.

  2. Zur Frage, ob ein an sich gegebenes uneingeschränktes Verbietungsrecht aus dem Gesichtspunkt des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses als unzulässig anzusehen ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien sind Nachbarn; sie wohnen in einem Vorort in einem Doppelhaus. Die Bekl. zu 2 hält auf ihrem Grundstück fünf Katzen. Die Kl. haben u. a. behauptet, die Katzen gelangten fast täglich über den ca. 1,8 m hohen Drahtzaun auf ihr Grundstück und hinterließen dort ihren Kot und richteten Schäden an Pflanzen und Gartenmöbeln an. Das LG hat die Bekl. verurteilt, die Katzen nicht auf das Grundstück der Kl. zu lassen. Die Berufung der Bekl. hatte teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Die Kl. können gem. § 1004 I BGB auf die Haltung der Katzen durch die Bekl. insoweit Einfluss nehmen, als die Haltung von mehr als einer Katze in Rede steht. Im Hinblick auf das nachbarrechtliche Gemeinschaftsverhältnis ist es ihnen jedoch bezüglich der Haltung einer Katze durch die Bekl. verwehrt, von den Bekl. Maßnahmen zur Haltung dieses Tieres zur Vermeidung von Störungen zu verlangen.

Die Voraussetzungen des § 1004 I BGB liegen bezüglich der Störung durch sämtliche Katzen vor. Dabei ist die Bekl. zu 2 als Halterin der Katzen und damit, soweit von diesen Störungen ausgehen, Störerin i. S. des § 1004 I BGB. Dies gilt auch für die Bekl. zu 1, da sie Miteigentümerin des Grundstücks ist, auf dem die Katzen gehalten werden.

Die Störung der Kl. liegt hier in dem von ihnen substantiiert behaupteten Betreten des Grundstücks durch die Katzen der Bekl. zu 2. Dies stellt sich als Beeinträchtigung ihres Besitzes dar, ohne dass es darauf ankommen kann, ob die behaupteten Schäden von den Katzen der Bekl. zu 2 stammen. Zu Recht hat das LG über die zwischen den Parteien streitige Frage, ob gerade die Katzen der Bekl. zu 2 auf das Grundstück der Kl. laufen, keinen Beweis erhoben. Es ist vielmehr zu Recht von einem Erfahrungssatz dahingehend ausgegangen, wonach das Halten von Katzen im Garten auch tagsüber ein Streunen der Tiere auf andere Grundstücke ermöglicht. Dies liegt in der Natur von Hauskatzen, solange sie auf einem Grundstück freien Auslauf haben. Auf der Grundlage dieses Erfahrungssatzes ist das Bestreiten der Bekl. zu diesem Punkt nicht hinreichend substantiiert. Sie können gegenüber dem Beweis des ersten Anscheins nur darlegen, einen derartigen Erfahrungssatz gebe es nicht, oder sie hätten einen atypischen Sachverhalt vortragen und zu Beweis stellen müssen, der den Schluss darauf zulässt, dass gerade die Katzen der Bekl. zu 2 das Grundstück der Kl. nicht betreten. Die Bekl. haben den Erfahrungssatz nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Desweiteren reicht die behauptete Aufsicht zur Darlegung eines atypischen Sachverhalts nicht aus, da dies eine ständige Beaufsichtigung der Tiere tagsüber erfordern würde. Dazu haben die Bekl. trotz des Hinweises im landgerichtlichen Urteil nichts vorgetragen; sie weisen vielmehr darauf hin, dass sich die erste Katze offenbar gegen ihren Willen und ohne ihr Zutun vermehrt habe. Dies wäre bei der von ihnen behaupteten Aufsicht nicht möglich gewesen.

Eine Wiederholungsgefahr ist auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Bekl. gegeben, die Katzen befänden sich nunmehr auch tagsüber in ihrem Hause. Da sie in erster Linie Klageabweisung begehren und mithin zu verstehen geben, bei einem obsiegenden Urteil zumindest eine Katze tagsüber wieder in den Garten zu lassen, war von einer Wiederholungsgefahr auszugehen, zumal die Bekl. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst eingeräumt haben, die Katzen wenige Tage zuvor wieder in den Garten gelassen zu haben.

... Die Kl. sind unter dem Gesichtspunkt der §§ 1004 II, 906 I BGB nicht zur Duldung der von sämtlichen Katzen der Bekl. zu 2 ausgehenden Störungen verpflichtet. Nach § 906 I BGB kann die Zuführung unwägbarer Stoffe auf das gestörte Grundstück insoweit nicht verboten werden, als die Einwirkungen die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Das Betreten eines Grundstücks durch Katzen stellt jedoch keine Zuführung unwägbarer Stoffe dar; es kann auch nicht als ähnliche Einwirkung i. S. von § 906 I BGB angesehen werden. Die Rechtsprechung und die Literatur haben eine Anwendung des § 906 I BGB auf Fliegen (RGZ 160, 382) Bienen (BGH, NJW 1955, 747) und Tauben (OLG Düsseldorf, MDR 1968, 841 L) und schließlich auch für Ratten und Mäuse (vgl. Stein-Hodes, NachbarR, 5. Aufl., § 16 Anm. II 2) bejaht. In allen Fällen war die Überlegung maßgeblich, dass es sich um Eindringen von Körpern unerheblichen Umfangs handelte, deren völlige Fernhaltung tatsächlich nicht durchführbar ist. Dieser Gedanke allein rechtfertigt in derartigen Fällen die Anwendung des § 906 BGB, wonach ortsübliche oder unwesentliche Einwirkungen hinzunehmen sind. Das Eindringen anderer Tiere, wie Hühner, Kaninchen usw., wird durch § 906 I BGB nicht gedeckt. Hier besteht grundsätzlich ein Verbietungsrecht des Grundstückseigentümers, selbst wenn die Einwirkung unwesentlich oder ortsüblich ist (so Erman, BGB, 7. Aufl., § 906 Anm. 39). Daher schließen Stein-Hodes (§ 16 Anm. II 3) im Grundsatz zu Recht die Anwendung des § 906 I BGB auf Katzen aus.

Im vorliegenden Fall können die Kl. jedoch aus dem Gesichtspunkt des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses den Bekl. zumindest bezüglich der Haltung einer Katze keine Vorschriften machen. Bei dem von der Rechtsprechung entwickelten Begriff des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses handelt es sich in Wahrheit um eine Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf den besonderen Tatbestand des nachbarlichen Zusammenlebens (vgl. BGHZ 28, 110 (114) = NJW 1958, 1580). Aus diesem entspringt für die Beteiligten eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, die unter gewissen Umständen die Ausübung eines an sich bestehenden Rechts, auch ohne dass ein Verstoß gegen die guten Sitten vorzuliegen braucht, als unzulässig erscheinen lässt. Eine solche Einschränkung muss allerdings, da die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn in erster Linie durch die nachbarrechtlichen Gesetzesvorschriften geregelt sind, eine aus zwingenden Gründen gebotene Ausnahme bleiben (so BGHZ 28, 110 (114) = NJW 1958, 1580).

Die Grundsätze über das nachbarrechtliche Gemeinschaftsverhältnis sind hier auch mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 906 BGB anwendbar, da dieser Bestimmung nur im Rahmen ihres Regelungsgehaltes abschließende Bedeutung zukommen kann (vgl. BGHZ 38, 61 = NJW 1962, 2341 mit Anm. Westermann, JZ 1963, 407). Außerhalb der Regelung des § 906 BGB verbleibt es bei den Grundsätzen des durch § 242 BGB näher bestimmten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses; dies gilt beispielsweise für die nicht unter § 906 BGB fallenden grobkörperlichen Immissionen (vgl. Westermann, JZ 1963, 407).

Nach Auffassung des Senats ist aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles ein an sich gegebenes uneingeschränktes Verbietungsrecht der Kl. aus dem Gesichtspunkt des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses bezüglich der Haltung einer Katze als unzulässig anzusehen. Die Parteien bewohnen in einem Vorortviertel ein Doppelhaus mit Garten, wobei es keiner weiteren Begründung bedarf, dass in derartigen Wohngegenden auch Hauskatzen in Form eines freien Auslaufes gehalten werden. Der Antrag der Kl. zielt nun im Ergebnis auf eine vollständige Abschaffung sämtlicher Katzen durch die Bekl. ab, wenn sie die Tiere nicht ständig im Haus halten oder an einer Leine im Garten mit sich führen wollen. Denn bei jeder anderen Art der Haltung würden die Bekl. Gefahr laufen, dass eine Katze von ihrem Grundstück auf das Grundstück der Kl. gelangt; sie würden damit ständig in Gefahr geraten, gegen die von den Kl. geforderte Unterlassung zu verstoßen. Die von den Kl. geforderte Art der Katzenhaltung mag zwar im Zentrum einer Großstadt angezeigt sein; sie entspricht jedoch nicht der üblichen Katzenhaltung in einem Vorstadtwohnviertel mit Grünanlagen. Hier pflegen die Katzen entsprechend ihrer Natur auch freien Auslauf zu haben.

Die nachbarliche Rücksichtnahme fordert bei Abwägung der gegenseitigen Interessen der Parteien die Hinnahme der Haltung einer Katze seitens der Bekl. zu 2. Eine andere Auffassung würde im Ergebnis dazu führen, dass ein einziger Bewohner eines Vorstadtwohnviertels weitgehend die Katzenhaltung Dritter beeinflussen könnte. Eine derartige Rechtsposition kann auch unter Berücksichtigung seines sich aus seinem Grundstückseigentum ergebenden Verbietungsrechts und unbeschadet etwaiger Schadensersatzansprüche bei Beschädigung seines Eigentums nicht schützenswert sein. Andererseits erscheint es im Rahmen eines sachgerechten Interessenausgleichs der Bekl. zu 2 zumutbar, auf die gleichzeitige Haltung mehrerer Tiere zu verzichten. Mithin dürfen die Bekl. nach diesem Urteil in ihrem Haus beliebig viele Katzen halten, aber nur eine frei herumlaufen lassen.

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht