Geruchsbelästigung durch Katzenhaltung

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

26. 06. 1990


Aktenzeichen

5 U 7178/89


Leitsatz des Gerichts

  1. Zur ortsüblichen Haltung von (nur) 2 (statt 27) Katzen in einer Doppelhaushälfte mit Garten in einem „Reinen Wohngebiet".

  2. Zum Vollstreckungsaufschub aus Treu und Glauben auf Grund des „nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses."

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. hat gegen die Bekl., welche in der anderen Hälfte des von der Kl. bewohnten Doppelhauses eine Vielzahl von Katzen aufgenommen haben, Klage mit dem Ziel erhoben, die Bekl. zu verurteilen, die Katzen zu entfernen. Das LG hat der Klage insoweit stattgegeben, als die Bekl. verurteilt werden, die von ihnen gehaltenen oder in Pflege genommenen Katzen bis auf zwei zu entfernen. Ferner wird den Bekl. unter Androhung eines Ordnungsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung untersagt, mehr als zwei Katzen auf dem Grundstück zu halten. Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I.

Die Berufung der Bekl. ist nicht begründet, denn das angefochtene Urteil - das ausschließlich auf eine Geruchsbelästigung abstellt - ist richtig. Die Kl. hat die Sachbefugnis, die anderweitige Unterbringung der übrigen Katzen zu verlangen, da die Kl. zur Duldung von nur zwei Katzen verpflichtet ist (unten Nr. 3).

1. Sachbefugnis der Kl.

Die Kl. hat die Sachbefugnis (unten Nr. 1), von den beiden passiv legitimierten Bekl. (unter Nr. 2), die anderweitige Unterbringung der übrigen Katzen zu verlangen. Wird das Grundstückseigentum durch die Zuführung von Gerüchen wesentlich beeinträchtigt (§ 906 I BGB), kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen (§ 1004 I 1 BGB). Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen (§ 1004 I 2 BGB). Das LG ist zu der Überzeugung gelangt, dass zumindest bei warmer Witterung und bei entsprechender Windrichtung auf dem Grundstück der Kl. eine wesentliche Geruchsbelästigung infolge der Katzenhaltung besteht, die auch weiter zu besorgen ist. Diese Überzeugung ist unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme gerechtfertigt (§§ 286, 523 ZPO).

Auf dem Grundstück der Bekl. werden jedenfalls 27 Katzen gehalten. Im Haus der Bekl. riecht es nach Katzen und zwar herrscht nach den eigenen Feststellungen des OLG im ganzen Haus ein strenger Katzengeruch, der auch den Garten der Bekl. durchzieht und sich zusätzlich auf das Grundstück der Kl. zu erstrecken vermag: Bei der Haltung von 27 Katzen fallen erhebliche Mengen an Urin und Kot an, die bei Katzen einen durchdringenden Eigengeruch haben; selbst wenn bei Benutzung von „Katzenstreu“ im Katzen-Klo - auch im Garten der Bekl. - ein Teil des Geruchs gebunden wird, bleibt der Geruch von Urin und Kot, der nicht ins Katzen-Klo abgesetzt und der verspritzt wird, so dass bei entsprechender Windrichtung die geruchliche Belästigung für die Nachbarin unerträglich wird.

Zwar waren mangels entsprechender Windrichtung bei der Augenscheinseinnahme auf dem Grundstück der Kl. keine Katzengerüche wahrnehmbar, jedoch ist die vom Sachverständigen beschriebene wesentliche Geruchsbelästigung durch die weitere Beweisaufnahme auch noch für die Zeit ab Juli 1988 bestätigt worden.

Je nach den Windverhältnissen „stinkt es auf der Terrasse der Kl." teilweise derart stark - wobei der Gestank auch aus dem Haus der Bekl. herauskommt -, dass der Aufenthalt auf der Terrasse abgebrochen und in das Wohnzimmer verlegt werden muss (Zeuge E, welcher sich selbst als Katzenfreund bezeichnet, der sein Leben lang eine oder zwei Katzen gehalten hat). Die vom Grundstück der Bekl. ausgehende Geruchsbelästigung ist je nach dem Wind manchmal stärker, manchmal weniger stark. Insbesondere im Sommer riecht es bei Aufenthalten auf der Terrasse der Kl. „gemein nach Katze“ (Zeuge N). Bei bestimmten Witterungslagen, insbesondere im Sommer bei warmer Temperatur nach Regenfällen, ist der „Geruch so penetrant“, dass er auf dem Grundstück der Kl. wahrnehmbar ist; der Swimmingpool und die Terrasse sind nicht benutzbar, weil vom Grundstück der Bekl. her ein starker Katzengeruch herüberdringt. Dieser Katzengeruch ist in der Gegend der Thujenhecke besonders streng und hat bei einem Aufenthalt auf der Terrasse sogar zu Übelkeit geführt, wobei der Geruch - „massiv“ bei Regen - von der Witterung und der Windrichtung abhängt.

Der Senat verkennt keineswegs, dass die Zeugen mit der Kl. teils befreundet, teils verwandt und teils verschwägert sind, vermag darin allein aber keinen Grund für ihre Unglaubwürdigkeit zu sehen, weil eine solche Beweisregel gegen § 286 II ZPO verstoßen würde (BGH, NJW 1988, 566 (567) = LM § 286 (B) ZPO Nr. 67). Vielmehr wird die Glaubwürdigkeit dieser Zeugen in ihren Aussagen über den strengen Katzengeruch durch die Augenscheinseinnahme seitens des OLG und die Begutachtung seitens des Sachverständigen weitgehend und teilweise auch durch die Angaben der Zeugin B bestärkt.

Demgegenüber wollen die Zeugen H und H nicht einmal im Haus (und Garten) der Bekl. Katzengeruch wahrgenommen haben, womit sie sich gegen die eigenen Wahrnehmungen des OLG und die Feststellungen des Sachverständigen stellen. Soweit die Bekl. weitere Zeugen benannt haben, konnte auf ausdrückliches Befragen seitens des Senats nicht angegeben werden, ob irgendeiner dieser Zeugen jemals auf dem Grundstück der Kl. war, um dort zu eigenen Wahrnehmungen gelangen zu können. Diese Beweisanträge der Bekl. sind deshalb als entscheidungsunerheblich abzulehnen; dasselbe gilt für den Antrag auf weitere Begutachtung, weil nicht ersichtlich ist, inwieweit andere Sachverständige über Forschungsmittel verfügen, die denen des gerichtlichen Sachverständigen überlegen erscheinen (BGHZ 53, 245 (259) = NJW 1970, 946 = LM ZPO - Allgemeines Nr. 3). Schließlich handelt es sich bei dem zum Augenschein zugezogenen und gutachtenden Sachverständigen Prof. Dr. K (§§ 144, 371, 372, 411, 523 ZPO) um einen erfahrenen Gerichts-Tiermediziner und Direktor der Welttierschutzgesellschaft in London. Der von den Bekl. weiterhin beantragte Augenschein wurde vom OLG bereits eingenommen.

Die Kl. hat somit den ihr obliegenden Beweis für die vom Grundstück der Bekl. ausgehende Geruchsbelästigung geführt (BGHZ 66, 70 (75) = NJW 1976, 797 = LM § 906 BGB Nr. 47). Auf Grund der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass zumindest bei warmer Witterung und bei entsprechender Windrichtung auf dem Grundstück der Kl. eine wesentliche Geruchsbelästigung infolge der Katzenhaltung besteht, die auch weiter zu besorgen ist (§§ 286, 523 ZPO). Die Kl. darf deshalb von den Bekl. die anderweitige Unterbringung der Katzen (§ 1004 I 1 BGB) und die Unterlassung weiterer Katzenhaltung verlangen (§ 1004 I 2 BGB), soweit sie nicht zur Duldung verpflichtet ist (§§ 906, 1004 II BGB).

2. Passivlegitimation der Bekl.

Die beiden Bekl. sind passiv legitimiert. Zwar ist nicht dem Erstbekl., sondern nur der Zweitbekl. (und ihrer Tochter H) durch die Bescheide der Landeshauptstadt M. vom 6. 10. 1986 und vom 5. 8. 1988 die Erlaubnis erteilt worden, 30 Katzen (sowie 3 Hunde und 7 Kleinsäuger) „für andere in der Auffangstation in M. zu halten“, jedoch sind beide Bekl. Miteigentümer dieses Grundstücks. Damit ist neben der Zweitbekl. auch der Erstbekl. Störer i. S. des § 1004 BGB, da die von seinem Grundstück ausgehende Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auch auf seinen Willen zurückzuführen ist (BGHZ 19, 126 (129) = NJW 1956, 382 = LM § 130 Preuß. WasserG Nr. 1; BGHZ 28, 110 (111) = NJW 1958, 1580).

3. Duldung durch die Kl.

Die Kl. ist zur Duldung von zwei Katzen auf dem Grundstück der Bekl. verpflichtet. Wie oben unter Nr. 1 ausgeführt wurde, geht vom Grundstück der Bekl. eine wesentliche Geruchsbelästigung aus, die nicht verhindert werden kann (§ 906 BGB). Die Kl. muss aber die Haltung von zwei Katzen auf dem Grundstück der Bekl. dulden (§ 1004 II BGB), da eine solche Katzenhaltung dort ortsüblich ist (§ 906 II BGB). Es ist Sache der Bekl., darzutun und zu beweisen, dass die von ihrem Grundstück ausgehenden Emissionen sich im Rahmen einer ortsüblichen Benutzung ihres Grundstücks halten (BGHZ 92, 143 (147) = NJW 1985, 47 = LM § 823 (J) BGB Nr. 37; BGHZ 106, 142 = NJW 1989, 1032 = LM § 1004 BGB Nr. 183). Diesen Nachweis haben die Bekl. nicht geführt, soweit es sich um die Haltung von mehr als zwei Katzen handelt. Anhalt für die ortsübliche Nutzung bieten die bauordnungsrechtlichen Planungen (BGH, NJW 1976, 1204 = LM § 906 BGB Nr. 48 = MDR 1976, 739; NJW 1983, 751 (752) = LM § 906 BGB Nr. 67). Die Grundstücke der Parteien sind im gültigen Flächennutzungsplan als „Reines Wohngebiet" ausgewiesen (Bescheid der Landeshauptstadt M. v. 20. 4. 1988). „Reine Wohngebiete" dienen dem Wohnen; zulässig sind Wohngebäude (§ 1 II Nr. 2 und § 3 BauNutzVO; BGBl. I 1990, 133 ff.). Anlagen für die Kleintierhaltung sind zulässig, soweit sie der Eigenart des Baugebiets nicht widersprechen (§ 14 BauNutzVO). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Katzenhaltung auf dem Grundstück der Bekl. um einen dem reinen Wohnen widersprechenden beruflichen Umgang mit Tieren, die teils sogar aus Italien übernommen werden (Bescheid der Landeshauptstadt M. vom 5. 8. 1988/S. 1, 3). Eine solche umfangreiche Katzenhaltung ist im Wohngebiet der Parteien, die je eine Doppelhaushälfte mit Garten bewohnen, nicht ortsüblich.

Die Duldung von zwei Katzen auf dem Grundstück der Bekl., zu der die Kl. bereit ist, ist in einem derartigen Gebiet als ortsüblich nicht zu beanstanden (vgl. BayObLGZ, 1972, 90 (94); OLG Köln, NJW 1985, 2338 (2339); OLG Celle, NJW-RR 1986, 821 (822); LG Nürnberg-Fürth, zit. vom OLG Celle, NJW-RR 1986, 821 (822); LG Augsburg, NJW 1985, 499 (500); LG Oldenburg, NJW-RR 1986, 883 (884); AG Passau, NJW 1983, 2885 (2886); AG Diez, NJW 1985, 2339).

Eine weitergehende Duldungspflicht der Kl. (§§ 1004 II, 906 II BGB) ergibt sich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen (BVerfG, WuM 1981, 77 = GE 1981, 337).


II.

1. Die vom LG ausgesprochene Ordnungsmittelentscheidung folgt dem Antrag der Kl. gem. § 890 ZPO. Inwieweit andere Vollstreckungsarten möglich sind (OLG Hamm, NJW 1966, 2415 (2416); LG Köln, MDR 1963, 228; LG Hamburg, NJW-RR 1986, 158 (159)), braucht hier mangels Antrags nicht entschieden zu werden.

2. Von Amts wegen (entsprechend § 721 I 1 ZPO) ist auszusprechen, dass die Zwangsvollstreckung erst mit Ablauf des 30. 9. 1990 beginnen darf (§ 751 I ZPO). Diese Anordnung ergibt sich bei Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis: Daraus entspringt für die Beteiligten die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, die unter gewissen Voraussetzungen die Ausübung eines an sich bestehenden Rechts als (hier: vorübergehend) unzulässig erscheinen lässt und auch ein Hinausgehen über die gesetzliche Regelung erfordert (BGHZ 68, 350 (353) = NJW 1977, 1447 = LM § 1004 BGB Nr. 143; BGHZ 42, 374 (377) = NJW 1965, 389 = LM § 242 (D) BGB Nr. 52; BGHZ 88, 344 (351) = NJW 1984, 729 (730) = LM § 1004 BGB Nr. 161).

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht