Witwen- oder Witwerrente für Geschiedene aus der DDR

Gericht

BVerfG


Art der Entscheidung

Urteil über Verfassungsbeschwerde


Datum

02. 06. 2003


Aktenzeichen

1 BvR 789/96


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Entscheidungsgründe


Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Ausschluss der Gewährung von Witwen- oder Witwerrente an geschiedene Ehegatten, deren nachehelicher Unterhaltsanspruch sich nach dem Recht bestimmt, welches im Beitrittsgebiet gegolten hat (§ 243 a SGB VI).


I.

1. Nach § 243 SGB VI haben geschiedene Ehegatten nach dem Tod ihres früheren Ehepartners unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente. Voraussetzung dafür ist insbesondere, dass die Ehe vor dem 1. 7. 1977 geschieden worden ist. Für die nach dem Recht des Beitrittsgebiets geschiedenen Ehegatten ist weder ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente noch ein Anspruch auf Versorgungsausgleich vorgesehen. Nach § 243 a Satz 1 SGB VI ist § 243 SGB VI auch in Fällen, in denen die Ehe vor dem 1. 7. 1977 geschieden wurde, nicht anzuwenden, wenn sich der Unterhaltsanspruch nach dem Recht bestimmt, das im Beitrittsgebiet gegolten hat.

§ 243 a SGB VI hat folgenden Wortlaut:

Bestimmt sich der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach dem Recht, das im Beitrittsgebiet gegolten hat, ist § 243 nicht anzuwenden. In diesen Fällen besteht Anspruch auf Erziehungsrente bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch, wenn die Ehe vor dem 1. 7. 1977 geschieden ist.

2. Im Einzelnen stellt sich die Entwicklung der Rechtslage in der Bundesrepublik wie folgt dar:

a) Bereits die Vorgängerregelungen von § 243 SGB VI knüpften die Gewährung einer Witwen-/Witwerrente an das Vorliegen eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs (vgl. § 1265 RVO, § 42 AVG, § 65 RKG). Fehlte er, kam ein Geschiedenenwitwenanspruch als Unterhaltsersatzanspruch nicht in Betracht.

Zum 1. 7. 1977 wurden durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14. 6. 1976 (BGBl I S. 1421) im Zusammenhang mit der Einführung des Grundsatzes der verschuldensunabhängigen Ehescheidung das nacheheliche Unterhaltsrecht sowie das Hinterbliebenenrecht neu geregelt. Danach gilt, dass jeder Ehegatte sich nach der Scheidung grundsätzlich selbst zu unterhalten hat; Ausnahmen bestehen nur im Falle von Bedürftigkeit (§§ 1569 ff. BGB). Durch den Versorgungsausgleich (§§ 1587 ff. BGB) werden die während der Dauer der Ehe erworbenen Versorgungsansprüche gleichmäßig zwischen den Eheleuten aufgeteilt. Ein nachehelicher Hinterbliebenenanspruch sollte dadurch überflüssig werden; durch die Übertragung eines Teils der Versorgungsansprüche an den ausgleichsberechtigten Ehepartner wird ein originärer Rentenanspruch des (hinterbliebenen) geschiedenen Ehegatten begründet. Dementsprechend sah das 1. EheRG vor, dass eine Geschiedenenwitwenrente nur in den Fällen einer Ehescheidung vor dem 1. 7. 1977 möglich war. Durch das Reformgesetz wurde außerdem ein Anspruch auf Erziehungsrente eingeführt. Er soll die Lücke füllen, die zwischen dem todesbedingten Wegfall des Geschiedenenunterhalts und dem frühestmöglichen Zeitpunkt der Inanspruchnahme der im Versorgungsausgleich erworbenen Anwartschaften entstehen kann. Der nunmehr in § 47 SGB VI geregelte Anspruch von Versicherten auf Erziehungsrente beruht nicht auf dem Stammrecht des verstorbenen Ehepartners, sondern auf eigener Rentenanwartschaft.

b) Das BVerfG hat entschieden, dass der Fortfall der Geschiedenenwitwenrente für Frauen, die nach dem 30. 6. 1977 geschieden worden sind, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein Versorgungsausgleich nicht stattgefunden hat, weil der Versicherte während der Ehe keine Rentenanwartschaften erworben hat (vgl. BVerfGE 72, 141). Die Abhängigkeit des Anspruchs auf Geschiedenenwitwenrente von unterhaltsrechtlichen Voraussetzungen ist ebenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 10. 3. 1989, SozR 2200 § 1265 Nr. 95).

3. a) In der Deutschen Demokratischen Republik war das Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht bereits vor dem 1. 7. 1977 dem Grunde nach verschuldensunabhängig geregelt (vgl. Wunderlich, SozVersSoz Vers 1991, S. 253). Ab dem 29. 11. 1955 ‑ in Ostberlin ab dem 6. 12. 1955 - wurde eine Ehe im Falle ihrer Zerrüttung ohne Schuldausspruch geschieden. Voraussetzung für einen nachehelichen Unterhaltsanspruch war die Bedürftigkeit des Anspruchstellers und die Leistungsfähigkeit des in Anspruch Genommenen (§§ 13, 14 und 18 der Verordnung über Eheschließung und Eheauflösung vom 24. 11. 1955, GBl I S. 849; im Folgenden: EheVO). Vergleichbare Regelungen waren dann in den §§ 29 bis 33 des Familiengesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik vom 20. 12. 1965 (GBl 1966 I S. 1; im Folgenden: FGB) vorgesehen.

b) Nachehelicher Unterhalt sollte lediglich die Funktion eines “Überbrückungsgeldes“ haben (vgl. Bellon, Das Scheidungsrecht der Deutschen Demokratischen Republik, 1974, S. 116, 134). Eine Unterhaltspflicht war - wenn überhaupt - nur für eine Übergangszeit vorgesehen, jedoch grundsätzlich nicht für länger als zwei Jahre nach Rechtskraft der Scheidung (§ 13 I EheVO; § 29 I FGB). Nur in Härtefällen war nach § 14 EheVO und später dann nach §§ 29 Abs. 2, 31 FGB ein gerichtlicher Ausspruch der Fortdauer der Unterhaltszahlung möglich. Dem entspricht, dass grundsätzlich auch kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente des geschiedenen Ehepartners vorgesehen war. Ein solcher Anspruch konnte nur in den Fällen bestehen, in denen der Verstorbene die finanziellen Aufwendungen für die Familie überwiegend erbracht hatte (§§ 16, 45 der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialversicherung vom 15. 3. 1968, GBl I S. 135 - RentenVO 1968; § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1, § 49 der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung vom 23. 11. 1979, GBl I S. 401 - RentenVO 1979). Die Unterhaltsrente nach § 49 RentenVO 1979 hatte zur Voraussetzung, dass der verstorbene, geschiedene Ehepartner dem überlebenden Ehepartner zuletzt Unterhalt schuldete und selbst einen Anspruch auf Rente oder Versorgung hatte. Außerdem mussten die Voraussetzungen für die Gewährung einer Witwenrente erfüllt sein; der überlebende Ehepartner durfte keinen Anspruch auf eine eigene Rente oder Versorgung haben. Waren diese Voraussetzungen erfüllt, wurde die Unterhaltsrente für die Dauer und in Höhe der gerichtlich festgelegten Unterhaltszahlung gewährt, allerdings höchstens mit einem Betrag von 270 Mark.

4. Im Zuge der Wiedervereinigung hat der Gesetzgeber die Unterhaltsansprüche von Ehegatten, die nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik geschieden wurden, in Art. 234 § 5 EGBGB geregelt (Anlage I des Einigungsvertrages, BGBl 1990 II S. 948). Danach bleibt, wenn die Ehe vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschieden worden ist, das bisherige Recht maßgebend. Unterhaltsvereinbarungen bleiben unberührt.

Weiter sieht Art. 234 § 6 EGBGB (Anlage I des Einigungsvertrages, a.a.O.) vor, dass das Recht des Versorgungsausgleichs nicht für Ehegatten gilt, die vor dem In-Kraft-Treten des SGB VI am 1. 1. 1992 im Beitrittsgebiet geschieden worden sind. Wird die Ehe nach diesem Zeitpunkt geschieden, findet der Versorgungsausgleich insoweit nicht statt, als das auszugleichende Anrecht Gegenstand oder Grundlage einer vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschlossenen wirksamen Vereinbarung oder gerichtlichen Entscheidung über die Vermögensverteilung war.

Wurde bereits am 3. 10. 1990 eine Unterhaltsrente nach § 49 der RentenVO 1979 bezogen, wird diese als Bestandsrente weitergezahlt, ohne dynamisiert zu werden. Neben einer solchen Unterhaltsrente können nur Rentenversicherungsansprüche aus eigener Anwartschaft bestehen. Sofern Frauen auf Grund eines Scheidungsurteils der Deutschen Demokratischen Republik Unterhalt erhalten, beziehen sie diesen Unterhalt nach zivilrechtlichen Grundsätzen weiter, soweit die Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Im Falle des Versterbens des früheren Ehepartners treten jedoch nicht wie nach § 243 SGB VI unter den dort genannten Voraussetzungen die Leistungen einer Geschiedenenwitwenrente an die Stelle dieses Unterhaltsanspruchs. Denn hier greift der mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde angegriffene Anspruchsausschluss durch § 243 a SGB VI ein. Die Vorschrift ist wie folgt begründet (BTDrucks 12/405, S. 124):

In den Fällen, in denen der Unterhaltsanspruch sich nach dem Recht richtet, das im Beitrittsgebiet gegolten hat, soll kein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente für geschiedene Ehegatten bestehen. Das Recht, das im Beitrittsgebiet gegolten hat, hat nur in wenigen Ausnahmefällen Unterhaltsansprüche vorgesehen; es würde daher zu Zufallsergebnissen führen, in diesen Fällen eine Rente an geschiedene Ehegatten vorzusehen. Darüber hinaus müsste auch ‑ bei mehreren Ehen - die Witwenrente entsprechend der Ehedauer gekürzt werden, obwohl die Witwe hiermit nicht rechnen musste. In den Fällen, in denen der geschiedene Ehegatte ein Kind erzieht, soll - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen - ein Anspruch auf Erziehungsrente unabhängig vom Scheidungsdatum bestehen.

Etwas anderes gilt nur, wenn die Vertrauensschutzregelungen des Art. 2 §§ 1, 14 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. 7. 1991 (BGBl I S. 1606/1664 f.) greifen.


II.

1. Die am 7. 3. 1926 geborene Bf. hat am 2. 8. 1947 in der Deutschen Demokratischen Republik den Versicherten Horst H. geheiratet. Die Ehe wurde durch rechtskräftiges Gerichtsurteil vom 23. 3. 1970 geschieden. Das Sorgerecht für das aus der Ehe hervorgegangene, am 5. 6. 1960 geborene Kind wurde der Bf. zugesprochen. Weiterhin wurde der Ehemann dazu verurteilt, für das Kind einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 125 Mark bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres und danach einen solchen in Höhe von 150 Mark bis zu dessen wirtschaftlicher Selbstständigkeit zu zahlen. Weitere Unterhaltsregelungen wurden im Scheidungsurteil nicht getroffen. Die Bf. war vor, während und nach der Scheidung ohne Unterbrechung berufstätig. Nach der Scheidung hatte sie ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 485,15 Mark. Das Nettoeinkommen des Versicherten als Abteilungsleiter in einem Werkzeugmaschinenbau-Kombinat betrug zur selben Zeit monatlich 1.175,20 Mark.

Der Versicherte starb am 24. 3. 1985. Die Bf. erhielt keine einer Geschiedenenwitwenrente vergleichbare Leistung. Sie bezog ab dem 1. 3. 1986 eine eigene Altersrente, die sich aus einer Rente der Sozialversicherung und einer Zusatzaltersrente aus dem Versorgungssystem für Mitarbeiter des Staatsapparates (AVSt) zusammensetzte. Die Gesamt-Altersrente der Bf. betrug zum 1. 7. 1990 684 DM monatlich.

2. Am 29. 12. 1992 beantragte die Bf. bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zusätzlich zu ihrer eigenen Altersrente die Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente. Der Antrag wurde unter Hinweis auf § 243 a SGB VI abgelehnt. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Landessozialgericht Berlin (LSG) hat in seinem Urteil vom 11. 5. 1995 ausgeführt, ein Anspruch bestehe weder nach Art. 2 § 14 des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) noch auf Grund von § 243 SGB VI. Der 4. Senat des BSG wies mit Beschluss vom 5. 3. 1996 die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurück. Nach der Entscheidung des 5. Senats des BSG vom 21. 6. 1995 (SozR 3-2600 § 243 a Nr. 1) sei die aufgeworfene Rechtsfrage nicht mehr klärungsbedürftig. Der Gesetzgeber habe durch § 243 a SGB VI die Anwendung von § 243 SGB VI allgemein ausschließen wollen, weil nach dem Recht des Beitrittsgebiets üblicherweise ein Unterhaltsanspruch nicht bestanden habe. § 243 a SGB VI sei auch nicht verfassungswidrig und verletze insbesondere nicht den in Art. 3 I GG enthaltenen allgemeinen Gleichheitssatz. Die unterschiedliche Behandlung der Hinterbliebenen in § 243 SGB VI einerseits und 243 a SGB VI andererseits sei wegen der unterschiedlichen Entwicklung im Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht der Bundesrepublik Deutschland einerseits und der Deutschen Demokratischen Republik andererseits gerechtfertigt. Mit der Aufgabe des Verschuldensprinzips und der Einführung des Versorgungsausgleichs im 1. EheRG sei für den Zeitraum nach dem 1. 7. 1977 eine Erziehungsrente eingeführt worden, wie sie jetzt § 47 SGB VI vorsehe. Damit sei ein Rechtszustand geschaffen worden, der vergleichbar schon vorher in der Deutschen Demokratischen Republik bestanden habe. Die Anwendung des § 243 SGB VI in den von § 243 a SGB VI erfassten Fällen würde zu Ergebnissen führen, die mit Art. 3 I GG nicht zu vereinbaren seien. Die zeitliche Begrenzung der Rentenansprüche in § 243 SGB VI auf vor dem 1. 7. 1977 geschiedene Ehen knüpfe an das In-Kraft-Treten des 1. EheRG an. Zu diesem Zeitpunkt habe sich jedoch in der Deutschen Demokratischen Republik das Scheidungsfolgenrecht sowie das Hinterbliebenenrecht nicht geändert. Deswegen wäre die Übertragung der Vorschrift des § 243 SGB VI auf das Beitrittsgebiet willkürlich.

Eine gleichmäßige Behandlung der im Beitrittsgebiet geschiedenen Frauen wäre nur dann möglich, wenn der Gesetzgeber einen eigenständigen Anspruch auf Hinterbliebenenrente für alle im Beitrittsgebiet bis zum Beitritt geschiedenen Ehepartner schaffen würde. Im Rahmen von Art. 3 I GG habe es dem Gesetzgeber jedoch grundsätzlich freigestanden, wie er die im Scheidungsfolgenrecht und im Rentenrecht zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Unterschiede bei der Gestaltung der Hinterbliebenenrente an den früheren Ehegatten berücksichtige. Die Entscheidung des Gesetzgebers, in Bezug auf die Hinterbliebenenrente geschiedener Ehegatten eine Angleichung für alle in der Deutschen Demokratischen Republik geschiedenen Ehen an das seit Juli 1977 in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht zu wählen, sei jedenfalls nicht erkennbar sachwidrig.

3. Dagegen hat die Bf. Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie sieht in der gesetzlichen Regelung des § 243 a SGB VI eine willkürliche Ungleichbehandlung. Es sei verfassungswidrig, dass im Beitrittsgebiet auch nach der Wiedervereinigung mit der Scheidung im Prinzip alle Ehewirkungen entsprechend der Regelung in der Deutschen Demokratischen Republik beendet seien. Die Begründung des Gesetzgebers für den Anspruchsausschluss könne nicht überzeugen. Sie ‑ die Bf. ‑ erhielte keinen Ausgleich für ehebedingte Versorgungsnachteile in der Gestalt einer Hinterbliebenenversorgung oder der Durchführung eines Versorgungsausgleichs. Auch werde sie gegenüber Witwen und Witwern aus dem Beitrittsgebiet ungleich behandelt.

4. Zu der Verfassungsbeschwerde haben der Deutsche Juristinnenbund und der Verband der Rentenversicherungsträger Stellung genommen.


III.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93 a II BVerfGG nicht vorliegen. Dabei kann offen bleiben, ob die Verfassungsbeschwerde den Anforderungen der §§ 23 I Satz 2, 92 BVerfGG an die Substantiierung genügt.

1. Die Verfassungsbeschwerde wirft grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen i.S. des § 93 a II Buchstabe a BVerfGG nicht auf. Der Umfang des Schutzes, den Art. 14 I GG und Art. 3 I GG im Rahmen der Überleitung in der Deutschen Demokratischen Republik erworbener Rentenansprüche und Rentenanwartschaften gewähren, ist in der Rechtsprechung des BVerfG geklärt (vgl. BVerfGE 100, 1; BVerfGE100, 59; BVerfGE100, 104; BVerfGE100, 138). Geklärt ist ebenfalls, dass Ansprüche von Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Versorgung ihrer Hinterbliebenen nicht dem Eigentumsschutz des Art. 14 I GG unterliegen (vgl. BVerfGE 97, 271).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt (§ 93 a II Buchstabe b BVerfGG). Eine Verletzung von Verfassungsrechten der Bf. ist nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für Art. 3 I GG.

a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er bei Regelungen, die Personengruppen betreffen, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 102, 41 <54>; stRspr). Dabei war dem Gesetzgeber bei der Neuordnung sozialrechtlicher Rechtsverhältnisse im Zuge der Wiedervereinigung ein besonders großer Gestaltungsspielraum zuzubilligen (vgl. BVerfGE 100, 59 <94 f.>).

b) Bei der Bestimmung der für eine Anwendung des Art. 3 I GG in Betracht kommenden Vergleichsgruppen muss maßgeblich sein, ob im einzelnen Fall ein Unterhaltsanspruch des überlebenden, früheren Ehegatten bestand, da die Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente dessen Wegfall kompensieren soll. Zudem sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik zu Grunde zu legen. Ein nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland vor der Wiedervereinigung bestehender Unterhaltsanspruch kann für die in der Deutschen Demokratischen Republik Geschiedenen nicht fingiert werden. In Art. 234 §§ 5 und 6 EGBGB wird die ausschließliche Fortgeltung des bereits in der Deutschen Demokratischen Republik geregelten nachehelichen Unterhalts angeordnet. An diese Grundentscheidung ist bei der Frage eines Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente der in der Deutschen Demokratischen Republik Geschiedenen anzuknüpfen (ebenso z.B. Boecken, in: Wannagat, Sozialgesetzbuch, Loseblattkommentar, Stand: November 195, § 243 a SGB VI Rn. 5 i.V. mit Fn. 14; a.A. z.B. Eichenhofer, SGB 1992, S. 193 <198 f.>). Insbesondere entstünden neue Ungleichheiten, wenn auf weitergewährten Unterhalt nach Art. 234 § 5 EGBGB das Recht der Deutschen Demokratischen Republik, beim Ableben des Versicherten aber das Unterhaltsrecht der Bundesrepublik anwendbar sein soll. Im Übrigen lässt sich dem Vortrag der Bf. nicht entnehmen, ob die Bf. einen nachehelichen Unterhaltsanspruch hatte. Darauf hat der Deutsche Juristinnenbund in seiner Stellungnahme zutreffend hingewiesen.

c) Die in der Deutschen Demokratischen Republik Geschiedenen, die nur einen befristeten Unterhaltsanspruch hatten, sind ebenso wie die Gruppe der Geschiedenen ohne Unterhaltsanspruch keine für eine Vergleichsprüfung geeignete Fallgruppe. Geschiedene in den alten Bundesländern hätten unter diesen Voraussetzungen ebenfalls keinen Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente aus § 243 I und 2 SGB VI.

d) Es verbleibt im vorliegenden Fall für einen im Rahmen der Gleichheitsprüfung nach Art. 3 I GG vorzunehmenden Vergleich die Gruppe der vor dem 1. 7. 1977 in der Deutschen Demokratischen Republik Geschiedenen, die über einen wirtschaftlich bedeutsamen, zeitlich nicht begrenzten Unterhaltsanspruch verfügten. Diese Gruppe, zu der die Bf. möglicherweise gehört, wird vom Ausschluss des § 243 a SGB VI erfasst. Sie erhält im Unterschied zu den vor diesem Zeitpunkt in den alten Bundesländern Geschiedenen keine Leistungen zum Ausgleich des Unterhaltsausfalls nach § 243 SGB VI, wenn ihr früherer Ehepartner stirbt. Diese Benachteiligung ist jedoch jedenfalls in Bezug auf die Betroffenen gerechtfertigt, deren soziale Situation sich nicht anders darstellt als die der Bf..

aa) Der Gesetzgeber führt als Rechtfertigungsgrund für die Regelung des § 243 a SGB VI in erster Linie an, ohne den Anspruchsausschluss entstünden Zufallsergebnisse; das Recht, das im Beitrittsgebiet gegolten hat, hätte nur in wenigen Ausnahmefällen Unterhaltsansprüche vorgesehen. Allerdings hat auch in den alten Bundesländern nur ein geringer Teil der potenziell anspruchsberechtigten Frauen, die vor dem 1. 7. 1977 geschieden wurden, Geschiedenenwitwenrente erhalten (vgl. BVerfGE 66, 66 <74>; 72, 141 <154>). Dieser Befund war der Grund für die Abschaffung der Geschiedenenwitwenrente und die Einführung des Versorgungsausgleichs. Es ist deshalb zweifelhaft, ob das Argument, Rentenansprüche i.S. des § 243 SGB VI seien in der Deutschen Demokratischen Republik nur in wenigen Fällen begründet worden, den Ausschluss jeglicher Ansprüche zu tragen vermag.

bb) Ob diese und die anderen zur Rechtfertigung von § 243 a SGB VI angeführten Gerichtspunkte ausreichend sind, kann jedoch offen gelassen werden. Denn der Gesetzgeber durfte in § 243 a SGB VI ohne Verstoß gegen Art. 3 I GG daran anknüpfen, dass jedenfalls Geschiedene wie die Bf., die eine eigene Alterssicherung vorweisen können, innerhalb der benachteiligten Gruppe sozial weniger schutzbedürftig sind. Die Bf. erhielt eine eigene Gesamt-Altersrente zum 1. 7. 1990 in Höhe von 684 DM monatlich. Damit bezog sie noch zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik eine Altersrente, die deutlich über dem Durchschnitt lag. So betrug die durchschnittliche Altersrente 1989 monatlich 446,62 Mark, wenn keine Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung, wie im Falle der Bf., gezahlt wurden, und monatlich 555,42 Mark, wenn solche Beiträge vorlagen (vgl. Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik von 1990, S. 384). Auch in der Deutschen Demokratischen Republik wurde die Bf. als sozial weniger schutzbedürftig angesehen. Die eigene Alterssicherung schloss nach dem damals geltenden Recht den Anspruch auf Unterhaltsrente nach § 49 RentenVO 1979 aus. Die Bf. konnte, da sie über einen Altersrentenanspruch verfügte, weder nach dieser Vorschrift noch nach Art. 2 §§ 1, 14 RÜG eine Unterhaltsrente erhalten. Der Anspruch scheiterte insoweit an den Voraussetzungen des Rechts der Deutschen Demokratischen Republik und nicht an den Voraussetzungen des SGB VI. Die geringere Schutzbedürftigkeit der Bf. besteht fort, da ihre Gesamtaltersrente nunmehr nach dem SGB VI in dynamisierter Form weitergewährt wird.

Auf eine weitere Begründung wird gem. § 93 d I Satz 3 BVerfGG verzichtet.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


Papier
Steiner
Hohmann-Dennhardt

Rechtsgebiete

Sozialrecht