Sklavischer Nachbau einer Fabrikationsanlage

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

01. 07. 1960


Aktenzeichen

I ZR 72/59


Leitsatz des Gerichts

Die Feststellung eines Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses im Sinne des § 17 UWG setzt nicht in jedem Fall eine genaue Beschreibung aller Besonderheiten des Geheimnisses voraus. Der Kläger hat derartige Angaben (z. B. über die als Geheimnis in Anspruch genommenen innerbetrieblichen Einrichtungen, Herstellungsverfahren usw.) grundsätzlich nur insoweit zu machen, als es für eine hinreichend bestimmte Fassung des Klagantrages erforderlich ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Beide Parteien stellen Wurftauben und Maschinen zum Schleudern dieser Wurftauben her. Die Kl., eine französische Firma mit dem Sitz in Antibes, benutzt zur Herstellung der Wurftauben eine automatisch arbeitende Anlage (Wurftauben presse), während die Bekl. die Wurftauben im Handbetrieb herstellt. In der ersten Hälfte des Jahres 1956 besuchte der Inhaber der Bekl. die Kl. in Antibes. Bei dieser Gelegenheit wurde u. a. auch über eine Veräußerung der Wurftaubenpresse oder der Pläne zur Herstellung dieser Maschine an die Bekl. gesprochen. Die Verhandlungen hierüber scheiterten jedoch.

Bei der Kl. war damals der ehemalige deutsche Kriegsgefangene P., ein gelernter Schlosser, als Mechaniker beschäftigt. Er richtete am 18. September 1956 folgendes Schreiben an die Bekl.:

"Hier schreibt Ihnen ein Deutscher aus Frankreich, welcher sich gerne mit einem deutschen Wurftauben- und Taubenwurfmaschinenfabrikanten in Verbindung setzen möchte. Waren Sie der Herr, welcher im Frühling mit einem Mercedes-Benz-Wagen in Antibes war? Ich schrieb mir die Nummer auf, konnte aber die Adresse nicht erfahren..."

Nach der Antwort der Bekl folgte während mehrerer Wochen ein Schriftwechsel, der sich nur mit einer von P. konstruierten neuen Wurf maschine befasste und schließlich zu einer Vereinbarung eines Treffens in München führte. Mitte November 1956 fuhr P. nach München und anschließend zu der Bekl. nach Bergstetten. Für die von P. konstruierte und vorgeführte Wurf maschine zeigte die Bekl. kein Interesse. Dagegen interessierte sich die Bekl. für die Herstellung einer automatischen Wurftauben presse. P. fertigte während des kurzen Aufenthalts in Bergstetten und Donauwörth für die Bekl. acht Zeichnungen zum Bau einer solchen Presse an und erhielt hierfür von der Bekl. 2 000,- DM. P. kehrte darauf zu der Kl. nach Antibes zurück. Die Bekl. begann auf Grund der Zeichnungen des P. mit der Anfertigung der Maschine. Im April 1957 löste P. sein Arbeitsverhältnis bei der Kl. und begab sich nach Deutschland, wo er von Mai bis zum 22. Juli 1957 bei der Bekl. an der bis heute noch nicht fertig gestellten Maschine arbeitete.

Die Kl. behauptet, ihre automatische Wurftaubenpresse stelle ein Betriebsgeheimnis dar, das ihr eine bedeutende Überlegenheit gegenüber Konkurrenten gewähre, besonders auch gegenüber der Bekl., welche die Wurftauben im Handbetrieb herstelle. P. habe ohne Wissen der Kl. während eines kurzen Urlaubs im November 1956 der Bekl. einen Teil der Pläne der Maschine gegen Entgelt überlassen. Ihm sei für die Lieferung der restlichen Pläne bzw. für die Fertigstellung der Maschine ein weiterer Betrag versprochen worden. Von Antibes aus habe er der Bekl. eine weitere die Maschine der Kl. betreffende Zeichnung übersandt. Die darauf im Betrieb der Bekl. in Bergstetten auf Grund dieser Pläne und unter Mitwirkung von P. gebaute Maschine stimme mit der Maschine der Kl. in Antibes in allen Einzelheiten überein. Die Maschine der Kl. stehe zwar nicht unter Patent- oder Gebrauchsmusterschutz. Die Bekl. habe aber P. bestochen und ihn zur Preisgabe des Betriebsgeheimnisses veranlasst.

Die Kl. hat beantragt, die Bekl. zu verurteilen, es zu unterlassen, an der bei ihr in der Herstellung befindlichen Maschine zur automatischen Fabrikation von Wurftauben weiterzubauen und diese in Betrieb zu nehmen oder die Maschine anderen zum Zweck der Inbetriebnahme zu überlassen.

Die Bekl. behauptet, sie habe bei ihrem Besuch in Antibes an dem Erwerb der Maschine der Kl. kein besonderes Interesse gehabt; denn ähnliche automatische Pressen könne sie auch in Deutschland erwerben. Die Maschine der Kl. sei kein Betriebsgeheimnis; gleiche und bessere Maschinen würden in Deutschland, Italien und in den USA gebaut. Ihr sei auch nicht bekannt gewesen, dass P. im November 1956 noch bei der Kl. beschäftigt gewesen sei und dass er widerrechtlich von der Maschine der Kl. Zeichnungen angefertigt habe.

Das LG hat den Schlosser P. und die beiden Söhne des Bekl., Walter und Richard S., als Zeugen vernommen. Die Zeugen P. und Walter S. wurden beeidigt. Auf Grund der eidlichen Aussage des Zeugen P. hat das LG als erwiesen angesehen, dass die Bekl. diesen Zeugen durch Bezahlung von 2 000,- DM zur Preisgabe eines Betriebsgeheimnisses - nämlich der im Betrieb der Kl. benutzten Wurftaubenpresse - veranlasst habe (§ 17 Abs. 2 UWG). Durch den Geheimnisverrat werde das Recht auf ungestörte Ausübung der gewerblichen Betätigung verletzt. Der Abwehranspruch folge aus dem allgemeinen Wettbewerbsrecht, aus entsprechender Anwendung des § 1004 BGB, da ein Eingriff in das Unternehmen gegeben sei, sowie aus §§ 1 UWG, 826 BGB, weil eine sittenwidrige Handlung vorliege. Mit dieser Begründung hat das LG der Klage stattgegeben.

Berufung und Revision der Bekl. hatten keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Wie das BerG zutreffend dargelegt hat, bestehen gegen die Anwendung deutschen Rechts keine Bedenken. Die Bekl. hat die von der Kl. als wettbewerbswidrig und unerlaubt beanstandeten Handlungen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland begangen. Auch die Parteien haben die Anwendbarkeit deutschen Rechts nicht in Zweifel gezogen. Auf die Frage, ob etwa gegen den mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruch dann Bedenken bestehen könnten, wenn das Verhalten der Bekl. nach französischem Recht nicht zu beanstanden wäre, braucht nicht eingegangen zu werden, weil die Bekl. in dieser Hinsicht nichts vorgetragen hat.

II. 1. Das LG ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der bei der Kl. beschäftigt gewesene Mechaniker P. einen Geheimnisverrat nach § 17 Abs. 1 UWG dadurch begangen habe, dass er die Bekl. durch Auskünfte und Anfertigung und Überlassung von Zeichnungen über die von der Kl. benutzte Anlage zur Herstellung von Wurftauben unterrichtet habe. Die Bekl. habe diese Mitteilungen des P. zum Zweck des Wettbewerbs im Geschäftsverkehr dadurch verwertet, dass sie, auch unter Mitwirkung des P., damit begonnen habe, diese FabrikationsanIage in ihrem Betrieb nachzubauen (§ 17 Abs. 2 UWG). Dass es sich bei dieser Anlage zur Wurftaubenherstellung um ein Geheimnis der KI. im Sinne des Gesetzes handele, ergebe sich nicht nur aus ihrem eigenen Verhalten, wie sie die Fabrikationsanlage gegenüber der Konkurrenz abzuschirmen versucht habe, sondern auch aus den Bemühungen der Bekl., in den Besitz dieses Geheimnisses zu kommen.

2. Zu der vom LG angenommenen unerlaubten Verwertung von Betriebsgeheimnissen der Kl. durch die Bekl. hat das BerG ausgeführt, die Kl. habe zwar in der Klage behauptet, sie stelle ihre Wurftauben mit einer nach eigenen Entwürfen gefertigten Maschine her, die ihr eine bedeutende Überlegenheit gegenüber ihren Konkurrenten sichere und die ein Fabrikationsgeheimnis bilde (§ 17 UWG). Weitere genauere Angaben, weIche Besonderheiten dieses Geheimnis ausmachten, habe sie jedoch nicht gebracht. Die Bekl. habe das Vorliegen eines Betriebsgeheimnisses bestritten und behauptet, die gleiche Maschine werde im In- und Ausland vielfach hergestellt und benutzt. Es könne jedoch dahinstehen, ob sich das LG unter diesen Umständen mit der allgemeinen, nicht weiter begründeten Feststellung hätte begnügen dürfen, auf das Betriebsgeheimnis sei aus dem Verhalten zu schließen, mit dem die Kl. ihre Fabrikationsanlage gegenüber der Konkurrenz abzuschirmen versuche. Denn der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei auch dann begründet, wenn kein Betriebsgeheimnis in Betracht komme; der Nachbau der Maschine sei in jedem Fall nach § 1 UWG unzulässig.

3. Hierzu hat das BerG in tatsächlicher Hinsicht - im Wesentlichen auf Grund der eidlichen Aussage des Zeugen P. - festgestellt: Die Kl. habe die streitige Maschinenanlage nach eigenen Entwürfen hergestellt. Es handele sich um ein mit Mühe und Kosten erarbeitetes Erzeugnis, eine eigenartige individuelle Leistung der Kl. Die besonderen Eigenheiten der Maschine der Kl. hätten die Bekl. zur Nachahmung gereizt. Die Möglichkeit eines solchen Nachbaues habe sich die Bekl. "erschlichen". Der Inhaber der Bekl. habe sich im November 1956 in Bergstetten zunächst von P. dessen Wurfmaschinen vorführen lassen, habe aber den Ankauf abgelehnt und erklärt, er habe P. nur deshalb nach Bergstetten kommen lassen, um Auskünfte über die bei der Kl. stehende Wurftaubenpresse zu erhalten, und ihm 5 000,- DM versprochen, wenn er der Bekl. helfen würde, eine derartige Maschine zu bauen. P. sei auf dieses Ansinnen eingegangen und habe in Donauwörth mit von der Kl. zur Verfügung gestelltem Zeichenmaterial aus dem Gedächtnis etwa acht Zeichnungen hergestellt und hierfür sofort 2 000,- DM erhalten. Ihm seien schriftlich weitere 3 000,- DM zugesagt worden für den Fall, dass die von ihm gezeichnete Maschine einen bestimmten Ausstoß erreiche. Dieses Schreiben habe geheim gehalten werden sollen. In der Folgezeit habe P. aus Antibes noch eine weitere kleine Zeichnung zur Ergänzung der von ihm gefertigten Pläne an die Bekl. gesandt, und erst im April 1957 habe P. sein Arbeitsverhältnis bei der Kl. gelöst. Er habe später noch einige Zeit bei dem Weiterbau der Maschine geholfen und damals für den Fall, dass der Inhaber der Kl. einmal kommen sollte, die Anweisung erhalten, die Maschine zu verstecken und auch sich selbst nicht sehen zu lassen. Die auf diese Weise von der Bekl. zum Bauen in Angriff genommene Maschine sei eine genaue Nachbildung derjenigen der Kl.

III. Das BerG hat diesen Sachverhalt an sich zutreffend rechtlich dahin gewürdigt, dass die Bekl. mit dem Nachbau der von der Kl. konstruierten und benutzten Maschine gegen die guten Sitten im geschäftlichen Verkehr verstoßen hat (§ 1 UWG). Dabei hat das BerG nicht verkannt, dass ein Nachbau technischer Erzeugnisse, für die weder Patent- noch Gebrauchsmusterschutz besteht, selbst dann, wenn der Nachbau sogar maßgetreu vorgenommen wird, als solcher noch nicht gegen § 1 UWG verstößt. Die Ausnutzung fremder Arbeitsergebnisse, durch die Sonderschutzrechte nicht verletzt werden, ist nur dann unerlaubt, wenn besondere Begleitumstände hinzutreten (vgl. BGH in GRUR 1954, 337 Radschutz).

Die Feststellung des BerG, dass es sich um eine genaue Nachbildung der von der Kl. benutzten Maschine handele, wird von der Revision nicht angegriffen. Die Revision macht jedoch geltend, dass es im vorliegenden Fall an "besonderen Umständen" fehle, die geeignet sein könnten, den Nachbau als unlauter oder sittenwidrig erscheinen zu lassen.

1. Die Revision bemängelt, das BerG habe den - nach ihrer Ansicht für die Entscheidung wesentlichen - Umstand nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem Bau der Maschine keineswegs darum handele, eine für den Markt bestimmte, also vielfältige Ware herzustellen und in Verkehr zu bringen. Die Bekl. habe vielmehr nur eine Wurftaubenpresse bauen wollen. Sie erzeuge und vertreibe Wurftauben und Wurfmaschinen (Wurftauben schleudern), nicht aber Wurftauben pressen; sie habe eine solche Presse nur zwecks maschineller Erzeugung der bisher bei ihr von Hand erzeugten Wurftauben bauen wollen.

Da es sich bei dem Nachbau in der Tat nicht um eine zum Vertrieb bestimmte Ware handelt, scheiden allerdings Verwechslungsgefahr und VerwechsIungsabsicht aIs "besondere Umstände" aus. Ein unzulässiger Nachbau setzt aber nicht voraus, dass das nachgebaute Erzeugnis als solches zum Vertrieb bestimmt sein müsse. Unzulässig kann vielmehr unter "besonderen Umständen" auch der Nachbau einer lediglich zur Herstellung solcher Erzeugnisse dienenden Fabrikationsanlage sein. Das hat auch das BerG nicht verkannt und als einen solchen besonderen Umstand unter dem Gesichtspunkt der "Erschleichung" das Verhalten gewertet, durch das sich die Bekl. mit Hilfe des Zeugen P. die Möglichkeit eines solchen Nachbaues verschafft hat.

2. Die Revision meint weiter, das BerG habe nicht genügend den Beweggrund berücksichtigt, der die Bekl. veranlasst habe, sich von dem Zeugen P. eine Wurftaubenpresse nach dessen Skizzen bauen zu lassen. Die Bekl. habe nämlich gehofft, auf diese Weise zu einer wesentlich billigeren Maschine zu kommen als bei Bestellung einer solchen Maschine in einer Pressefabrik. Wie der Zeuge Walter S. eidlich bekundet habe, hätte die Bekl. beim Kauf einer fertigen Presse etwa 30 000,- DM aufwenden müssen, während der Gestehungspreis im Fall des Nachbaues unter Einschluss der dem Zeugen P. zugesagten Vergütung von 5 000,- DM nur etwa 15 000,- DM betragen haben würde.

Da dieser Beweggrund nicht geeignet ist, die Bekl. im Verhältnis zu der Kl. irgendwie zu entlasten, brauchte das BerG hierauf nicht besonders einzugehen. Immerhin kennzeichnet das eigene Vorbringen der Bekl. das besondere Interesse, das sie an der Erlangung der von P. angefertigten Planskizzen und an dem Nachbau der Maschine der Kl. hatte. Sie wusste, dass die im Betrieb der Kl. konstruierte und benutzte Maschine funktionierte, und durfte auch hoffen, dass mit Hilfe des sachkundigen Zeugen P. der Nachbau dieser auch für ihren Betrieb brauchbaren Maschine gelingen werde. Auch wenn die Bekl. dabei "nur das ihr angebotene Wissen und Können des Zeugen P. hat ausnutzen wollen, um zu einer billigen Wurftaubenpresse zu kommen", so steht dies der vom BerG vorgenommenen Würdigung des Sachverhalts in keiner Weise entgegen.

3. Nach der Feststellung des BerG hat die Bekl. der Behauptung der Kl. nicht widersprochen, sie habe ihre Maschine nach eigenen Entwürfen hergestellt....

4. Die Bekl. hat unter Beweisantritt vorgetragen, dass Maschinen derselben Art, wie sie die Kl. zur WurftaubenhersteIlung besitze und in Betrieb habe, auch von anderen Unternehmen hergestellt und benutzt würden. Die Bekl. hat hierfür mehrere Firmen in Bergamo (Italien) und eine Firma in Eßlingen benannt. Da unstreitig ist, dass die Kl. ihre Maschine nicht aIs Fertigfabrikat bezogen, sondern selbst gebaut hat, läuft dieses Vorbringen der Bekl. sachlich darauf hinaus, dass die Kl. ihre Maschine ganz oder teilweise anderen bekannten Maschinen nachgebildet habe. Dies ist aber durchaus vereinbar mit der Feststellung des BerG, dass die Maschine der Kl. "besondere Eigenheiten aufweise, die zur Nachahmung gereizt hätten". Die Revision bemängelt, es fehle an einer Prüfung und Feststellung, worin diese besonderen Eigenheiten bestehen sollten; die Bekl. habe jegliche besondere Eigenheit der Maschine bestritten und Beweis dafür angetreten, dass Maschinen derselben Art auch von anderen Unternehmern hergestellt würden. Das BerG hat diesen Vortrag der BekI. mit Recht nicht für entscheidungserheblich gehalten. Unstreitig waren der Bekl. die besonderen Eigenschaften der Maschine der Kl. nicht bekannt. Sie wusste insbesondere nicht, nach welchen Vorbildern die Kl. ihre Maschine im Einzelnen gebaut hatte. Selbst wenn der Bekl. sämtliche auf dem Markt befindlichen und von anderen Firmen benutzten Wurftaubenpressen bekannt gewesen wären, wäre es ihr noch nicht möglich gewesen, gerade die Maschine, mit der die Kl. ihre wirtschaftlichen Erfolge erzieIte, nachzubauen. Diese Möglichkeit hat sich die Bekl. erst durch Anwendung unlauterer Mittel, nämlich durch Werkspionage mit Hilfe des bei der Kl. beschäftigten Zeugen P., verschaffen können. Dieses unlautere und unzulässige Verhalten der Bekl. rechtfertigt den mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus dem "besonderen Umstand" der "Erschleichung" auch dann, wenn der nachgeahmte Gegenstand an sich weder neu noch eigenartig ist (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 8. Aufl., UWG § 1 Anm. 192, S. 294).

5. Die Bekl. hat sich die zur Nachbildung der Maschine der Kl. nötige Kenntnis auf unredliche Weise gegenüber der Kl. dadurch verschafft, dass sie den bei der Kl. beschäftigten Mechaniker P. veranlasst hat, heimlich Zeichnungen von der Maschine der Kl. anzufertigen und ihr auch sonstige für den Nachbau dienliche Auskünfte über diese Maschine zu geben. Nach der Feststellung des BerG hat sich die Bekl. auf diese Weise die Möglichkeit des Nachbaues "erschlichen".

IV. Nach der Sachlage hätte es allerdings nicht einmal eines Zurückgreifens auf die Generalklausel des § 1 UWG bedurft, um den mit der Klage geltend gemachten UnterIassungsanspruch zu rechtfertigen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob außerhalb der §§ 17 ff. UWG liegende sittenwidrige "Erschleichungen" überhaupt nicht vorstellbar sind, wie Reimer meint (Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl., 77. Kap. Anm. 20, 30, S. 536 f., 542). Da ein "Erschleichen" nur denkbar ist, wenn es sich um einen Umstand handelt, der nicht bereits offenkundig, dem Nachahmer also nicht ohne weiteres zugänglich ist, wird schon aus diesem Grunde regelmäßig ein Fall des § 17 Abs. 2 UWG gegeben sein (vgl. Baumbach-Hefermehl, a.a.O.; Tetzner, UWG, 2. Aufl., § 1 Anm. 84, S. 130; Godin-Hoth, UWG, § 1 Anm. 14 b, S. 39). Der zivilrechtliche Schutz reicht allerdings über den strafrechtlichen dieser Vorschrift z. B. insofern hinaus, als er auch dann gegeben ist, wenn die subjektiven Voraussetzungen der strafrechtlichen Bestimmungen der §§ 17 f. UWG nicht erfüllt sind, also kein Vorsatz vorliegt. Der Unterlassungsanspruch, der hier allein Gegenstand des Rechtsstreits ist, setzt nur ein objektiv rechtswidriges Verhalten voraus. Er ist also auch dann begründet, wenn dem Täter kein Verschulden, also weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit, zur Last fällt. Ebenso wenig ist das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit erforderlich. Danach wäre im vorliegenden Fall die Unterlassungsklage auch dann gegeben, wenn die Bekl. nicht gewusst hätte, dass P. im November 1956 noch nicht aus seinem Arbeitsverhältnis bei der Kl. ausgeschieden war (vgl. Nastelski, GRUR 1957, 1 , 4 unter IV 2 a).

Das BerG hat anscheinend im Hinblick auf die von ihm angeführte Entscheidung des RG in MuW 1929, 170 (bei Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 8- Aufl., UWG § 17 Anm. 18, S. 603) Bedenken gehabt, mit dem LG das Vorliegen eines Betriebsgeheimnisses festzustellen. Diese Bedenken sind jedoch nicht begründet. Allerdings hat das RG in der genannten Entscheidung mit Recht gefordert, dass die Kl. ganz genaue Angaben darüber machen müsse, welche Besonderheiten ihr als Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis in Anspruch genommenes Herstellungsverfahren habe. Diese näheren Angaben waren für die bestimmte Fassung des mit dem Klageantrag (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erstrebten Benutzungsverbots erforderlich, weil die gewählte allgemeine Fassung des Verbots zu einem nicht vollstreckbaren Urteil hätte führen müssen; die Prüfung und Feststellung des Inhalts des Verbots darf nicht unzulässigerweise in die Vollstreckungsinstanz verwiesen werden. Das vorliegende Klagebegehren gibt jedoch insoweit zu keinerlei Bedenken AnIass. Der Klageantrag stellt auf einen ganz konkreten Verletzungsfall ab, nämlich auf den bereits im Betrieb der Bekl. begonnenen Nachbau der Maschine der Kl. Hierzu bedurfte es keiner näheren Bestimmung und Aufzählung aller technischen Merkmale der Maschine der Kl., weil die "konkrete Verletzungsform", die bei der Bekl. in der Herstellung befindliche Maschine, unstreitig genau die Merkmale der Maschine der Kl. aufweist. Der Klageantrag beschränkt sich auf das den konkreten Verletzungsfall betreffende Verbot, diese bestimmte, z. Z. bei der Bekl. in der Herstellung befindliche und damit genau individualisierte Maschine weiterzubauen und in Benutzung zu nehmen. Der Prozessbevollmächtigte der Kl. hatte allerdings in der Berufungsbeantwortung darauf hingewiesen, er habe die Kl. bitten lassen, die notwendigen technischen Angaben zu machen, mit denen die besondere Kennzeichnung ihrer Wurftaubenpresse vorgenommen werden könne, "um im Antrag das Verbot entsprechend fassen zu können". Derartige Angaben wären nur dann erforderlich gewesen, wenn die Kl. über den auf den konkreten Verletzungseinzelfall abgestellten Unterlassungsanspruch hinaus im Wege einer Klageerweiterung einen sich auch auf neue, gleichartige zukünftige VerletzungsfälIe erstreckenden Unterlassungsanspruch hätte geltend machen wollen. Das ist nicht geschehen. Dem unverändert gebliebenen Klageanspruch fehlt es jedoch nicht an der notwendigen Bestimmtheit. Dies erkennt auch das BerG abschließend mit der Feststellung an, der Klageanspruch stelle hinreichend klar, dass nur der Nachbau der hier in Streit stehenden besonderen Maschine der Kl. verboten werden sollte.

Der Begriff des Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses erfordert, wie das LG zutreffend ausgeführt hat, rechtlich, dass eine Tatsache vorliegt, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb steht, dass diese Tatsache nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt, also nicht offenkundig ist, dass sie ferner nach dem bekundeten oder doch erkennbaren Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll und dass schließlich der Betriebsinhaber ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung hat. Auch ein an sich bekanntes Verfahren oder eine an sich bekannte Herstellungsvorrichtung kann für ein bestimmtes Unternehmen Gegenstand eines Betriebsgeheimnisses sein, sofern geheim ist, dass sich dieses Unternehmen dieses Verfahrens oder dieser Anlage bedient und dadurch möglicherweise besondere Erfolge erzielt (BGH in GRUR 1955, 424 Möbelpaste).

Diese Voraussetzungen können unbedenklich auch nach dem vom BerG in Übereinstimmung mit dem LG festgestellten Sachverhalt als gegeben angesehen werden. Es war nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt, wie die von der Kl. benutzte Fabrikationsanlage beschaffen war. Auch die Bekl. hat nicht behaupten können, dass die Benutzung dieser Maschinenanlage durch die Kl. offenkundig gewesen sei oder dass die Kl. etwa nicht den Willen gehabt hätte, diese Anlage geheim zu halten. Aus den Verhandlungen, die im Jahre 1956 zwischen den Parteien wegen der Maschine geführt wurden, ergibt sich deutlich, dass die Kl. nicht nur den Willen hatte, diese Maschine geheim zu halten, sondern dass sie auch aus Wettbewerbsgründen ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung hatte. Nach der eigenen Darstellung der Bekl. sind die damals geführten Verhandlungen an der Art und Höhe der Gegenleistung, die die Kl. für eine Überlassung und Verwertung dieses Betriebsgeheimnisses forderte, gescheitert. Das LG hat nach alledem ohne Rechtsirrtum auf Grund des Verhaltens der Parteien, wie es auch vom BerG festgestellt worden ist, das Vorliegen eines Geheimnisses im Sinne des Gesetzes bejaht. Danach stellt der Nachbau der Maschine der Kl. durch die Bekl. in jedem Fall bereits eine nach § 17 Abs. 2 UWG unerlaubte Verwertung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses dar. Damit sind im vorliegenden Fall zugleich die Voraussetzungen des § 1 UWG erfüllt.

Rechtsgebiete

Urheberrecht