Berechnung des Nichterfüllungsschadens
Gericht
OLG Köln
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
15. 09. 1992
Aktenzeichen
22 U 78/92 II
Eine zweitägige Nachfrist i. S. des § 326 I 1 BGB ist nicht unangemessen, wenn der Schuldner von einem Weiterverkauf der Ware an einen Dritten wusste, ihm die Dringlichkeit der Lieferung bekannt war und er bei Beginn der Nachfrist bereits seit mehreren Tagen in Verzug war.
Die Bestimmung einer Nachfrist ist gem. § 326 II BGB wegen Interessefortfalls entbehrlich, wenn der Gläubiger infolge des Verzuges die zu liefernde Ware nicht mehr an seinen Abnehmer weiterveräußern kann.
Im Rahmen des § 326 BGB hat der Schuldner auch den Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass der Gläubiger von seinem Abnehmer auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens in Anspruch genommen worden ist. Hat der Abnehmer den Gläubiger verklagt, zählen zu diesem Schaden die auf die Urteilssumme entfallenden Zinsen auch dann, wenn der Gläubiger seine Zahlungspflicht gegenüber dem Abnehmer hätte erkennen können. Zum adäquat verursachten Schaden i. S. des § 326 BGB zählen nicht die Verfahrenskosten, wenn der Nichterfüllungsanspruch des Abnehmers gegen den Gläubiger eindeutig war. Dies gilt auch für die Kosten einer vorprozessualen Beratung des Gläubigers.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Unter dem 18. 12. 1989 bestellte die Bekl. beim Kl. 15 Tonnen geschmiedete Mahlkugeln und 10 Tonnen Cylpebs (FOB Bremen). Die Lieferung war von der Bekl. für ihre Abnehmerin, die Firma C, vorgesehen, die die Ware ihrerseits an einen afrikanischen Abnehmer verkauft hatte. Da der Kl. - wie die Bekl. behauptet - nicht fristgerecht lieferte, wurde die Bekl. von ihrem Abnehmer in dem Verfahren 42 0 149/90 LG Aachen rechtskräftig zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5725 DM nebst Zinsen kostenpflichtig verurteilt. Diesen Betrag nebst Zinsen sowie die ihr in diesem Rechtsstreit entstandenen Kosten, insgesamt 8176,46 DM, verlangt die Bekl. mit ihrer Widerklage vom Kl. ebenso erstattet wie den ihr infolge der nicht fristgerechten Lieferung entstandenen Gewinnausfall in Höhe von 11700 DM. Ihren Gesamtschaden aus dem Auftrag vom Dezember 1989 beziffert die Bekl. auf 19876,46 DM.
Das LG hat der Widerklage weit überwiegend stattgegeben. Die Berufung der Kl. hatte nur in geringem Umfang Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
A. Zur Berufung des Kl.
Hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs der Bekl. aus dem Auftrag vom 18. 12. 1989 führt die Berufung lediglich zu einer Änderung des Zinsausspruchs, während hinsichtlich des Auftrags vom 19. 4. 1990 das über den nicht angegriffenen Betrag von 546,10 DM hinausgehende Schadensersatzbegehren der Bekl. insgesamt abzuweisen war.
1. Das LG hat zutreffend ausgeführt, dass der Bekl. aus dem Auftrag vom 18. 12. 1989 ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung in Höhe von 17711,25 DM zusteht (§ 326 BGB).
Maßgebliche Lieferzeit für diesen Auftrag war die 9./10. Kalenderwoche des Jahres 1990, also spätestens der 11. 3. 1990. Ob ursprünglich die in dem Auftragsangebot der Bekl. vom 18. 12. 1989 erwähnte Lieferzeit von 6-8 Wochen nach Freigabe vereinbart worden war, ist fraglich, da der Kl. bis zu der Freigabeerklärung der Bekl. vom 24. 1. 1990, in der sie nunmehr die Lieferzeit auf die 9. Kalenderwoche präzisierte, den Auftrag noch nicht schriftlich bestätigt hatte. Diese Frage kann jedoch offen bleiben; denn dem Kl. ist jedenfalls mit dem Schreiben vom 24. 1. 1990 eine Änderung der ursprünglich genannten Lieferzeit angetragen worden, auf die der Kl. in seiner anschließenden Auftragsbestätigung vom 31. 1. 1990 mit der Maßgabe eingegangen ist, dass die Ware laut Bestätigung des Lieferwerks in der 9./10. Kalenderwoche in Bremen eintreffen werde. Dieses Änderungsbegehren des Kl. hat die Bekl., wie ihr weiteres Festhalten an dem Auftrag zeigt, schlüssig angenommen (§ 151 BGB). Damit war die 10. Kalenderwoche als spätester Lieferzeitpunkt vereinbart...
Da die Lieferzeit kalendermäßig bestimmt war, kam der Kl. mit Ablauf der 10. Kalenderwoche ohne weitere Mahnung der Bekl. in Verzug (§ 284 II BGB). Die von der Bekl. mit Telex vom 14. 3. 1990 gesetzte Nachfrist bis zum 16. 3. 1990 war zwar kurz, aber nach den Umständen nicht unangemessen. Denn der Kl. wusste von dem Weiterverkauf der Ware an einen Abnehmer der Bekl., ihm war ferner zumindest durch das Mahnschreiben der Bekl. vom 27. 2. 1990 die Dringlichkeit der Lieferung bekannt und er befand sich bei Beginn der Nachfrist bereits seit mehreren Tagen in Verzug. Aber selbst wenn entsprechend der Auffassung des Kl. nur eine Nachfrist von mindestens einer Woche angemessen gewesen wäre, hätte dies nicht zu einem anderen Ergebnis geführt, da die Ware auch nach Ablauf einer solchen Wochenfrist noch überfällig gewesen wäre. Der Kl. hat nicht einmal vortragen können, dass die Ware noch zu einem späteren Zeitpunkt in Bremen angekommen ist oder dass sie überhaupt auf den Weg gebracht worden war. Im Übrigen hätte die Bekl. im vorliegenden Fall auch von der Bestimmung einer Nachfrist absehen können; denn eine Nachfrist ist gem. § 326 II BGB regelmäßig entbehrlich, wenn der Gläubiger infolge des Verzugs die zu liefernde Ware nicht mehr an seinen Abnehmer weiterveräußern kann (Palandt-Heinrichs, BGB, 51. Aufl., § 326 Rdnr. 21 m. Nachw. aus der Rspr.). Hier hatte die Firma C ihrerseits der Bekl. eine Nachfrist zur Lieferung bis zum 16. 3. 1990 gesetzt, nach deren fruchtlosem Ablauf eine Weiterveräußerung an die Firma C nicht mehr in Betracht kam und damit auch das Interesse der Bekl. an einer Vertragserfüllung durch den Kl. entfiel.
Der Kl. hat gem. § 326 I BGB das Erfüllungsinteresse zu ersetzen, also die Bekl. so zu stellen, als wenn der Auftrag vom 18. 12. 1989 ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Dann hätte die Bekl. durch die Weiterveräußerung an die Firma C einen Gewinn von 11700 DM erzielt. Dieser Gewinnausfall ist zu ersetzen. Auf die zutreffenden Ausführungen des LG wird Bezug genommen.
Ersparte Aufwendungen, die den Nichterfüllungsschaden mindern können, sind nicht ersichtlich. Die Gemeinkosten eines Unternehmens werden durch den Ausfall eines einzelnen Auftrags regelmäßig nicht berührt. Soweit der Gewinn aus dem Veräußerungsgeschäft mit dem Abnehmer auch der Deckung der Gemeinkosten dient, müssen bei Nichterfüllung des Vertrags die Gemeinkosten ebenfalls aus dem gem. § 326 BGB zu ersetzenden Gewinnausfall bestritten werden können. Transportkosten sind im vorliegenden Fall nicht erspart worden, da die Kosten des Weitertransports von Bremen nicht von der Bekl., sondern von der Firma C zu tragen gewesen wären, mit der die Bekl. die Lieferklausel „FOB“ vereinbart hatte. Ebenso geht die Annahme des Kl. fehl, die Bekl. müsse bei der Schadensberechnung alle bis zur Verbringung der Ware an Bord (in Bremen) entstandenen Kosten abziehen. Nach dem Inhalt der von den Parteien vereinbarten FOB-Klausel (vgl. Abdruck der „Incoterms“ bei Baumbach-Duden, HGB, 28. Aufl., unter Nr. 6) waren diese Kosten vielmehr vom Kl. als Verkäufer zu tragen. Sonstige Nebenkosten wie Telefon- und Telefaxgebühren oder Porti, die wegen der Nichtlieferung erspart worden sein könnten, sind weder vorgetragen noch erkennbar, zumal solche Aufwendungen bei Lieferungsverzug auch für Mahnungen, Fristsetzungen usw. zu entstehen pflegen. Es fehlen deshalb auch Anhaltspunkte, insoweit einen Betrag ersparter Nebenkosten gem. § 287 ZPO zu schätzen.
Da der Kl. die Bekl. so zu stellen hat, als wäre ordnungsgemäß erfüllt worden, muss er ihr auch die 5725 DM ersetzen, welche die Bekl. aufgrund des in dem Verfahren 22 0 149/90 LG Aachen ergangenen Urteils als Ersatz des Nichterfüllungsschadens an ihre Abnehmerin, die Firma C, gezahlt hat. Gleiches gilt hinsichtlich der auf die Urteilssumme gezahlten Zinsen von 286,25 DM, so dass insgesamt ein an die Firma C gezahlter Betrag von 6011,25 DM zu ersetzen ist. Zwar hätte die Bekl., wenn sie sofort nach Eingang der Klage der Firma C zumindest die Mehrkosten des Deckungskaufs gezahlt hätte, den Zinsanspruch der Firma C geringer halten können. Jedoch hätte sich dadurch der vom Kl. an die Bekl. zu entrichtende Zinsbetrag letztlich nicht vermindert, da sich dann der bis dahin bezüglich der Mehrkosten der Firma C bestehende unverzinsliche Freistellungsanspruch gegen den Kl. in einen verzinslichen Geldanspruch gewandelt hätte, wodurch ein entsprechender Zinsbetrag entstanden wäre.
Insgesamt hat danach der Kl. aus der Nichterfüllung des Auftrags vom 18. 12. 1989 folgenden Schadensersatz zu zahlen:
Gewinnausfall | 11700,00 DM |
Ersatzleistung an Firma C | 6011,25 DM |
Summe | 17711,25 DM |
Dieser Betrag ist gem. §§ 352 , 353 HGB wie zuerkannt zu verzinsen. Dabei war allerdings der Zinsausspruch des LG insoweit einzuschränken, als für den an die Firma C gezahlten Betrag von 6011,25 DM erst vom Zeitpunkt dieser Zahlung an Zinsen zu entrichten sind, da vorher insoweit nur ein unverzinslicher Freistellungsanspruch bestand. Der Senat geht davon aus, dass die nach Rechtskraft des Urteils vom 20. 2. 1991 in dem Verfahren 42 0 149/90 geleistete Zahlung der Bekl. spätestens am 1. 4. 1991 bei der Firma C eingegangen ist.
2. Aus dem Auftrag vom 19. 4. 1990 steht der Bekl. ein über den vom Kl. akzeptierten Betrag von 546,10 DM hinausgehender Schadensersatzanspruch nicht zu. Zwar sind, wie der Kl. jetzt nicht mehr bestreitet, auch wegen der Nichterfüllung des Auftrags vom 19. 4. 1990 die Voraussetzungen des § 326 BGB erfüllt. Die Bekl. hat jedoch nicht bewiesen, dass ihr über die mit 546,10 DM bezifferten Mehrkosten ihrer Deckungskäufe ein weiterer Schaden entstanden ist.
B. Zur Anschlussberufung der Bekl.
Die Bekl. hat ihre Anschlussberufung bedingt eingelegt, nämlich vom Erfolg der Berufung des Kl. abhängig gemacht. Diese Bedingung ist in Höhe eines Betrags von 2151 DM, um den die Urteilssumme des LG gekürzt worden ist, eingetreten, so dass in diesem Umfang über die Anschlussberufung zu entscheiden war.
In der Sache hat die Anschlussberufung keinen Erfolg, weil der mit ihr begehrte Ersatz des Kostenaufwands der Bekl. aus ihrem Vorprozess mit der Firma C vom LG mit zutreffenden Erwägungen abgewiesen worden ist. Da ihre Schadensersatzpflicht gegenüber der Firma C eindeutig war, hätte die Bekl. die Mehrkosten des Deckungskaufs der Firma C ohne gerichtliche Auseinandersetzung ersetzen müssen. Die unnötigerweise in Kauf genommenen Verfahrenskosten zählen deshalb nicht mehr zum adäquat verursachten Schaden. Dies gilt auch für die Kosten einer vorprozessualen anwaltlichen Beratung der Bekl. Im Übrigen war die Bekl. auch im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht gegenüber dem Kl. gehalten, Verfahrenskosten bzw. anwaltliche Beratungskosten, die nach der eindeutigen Rechtslage unnötig waren, zu vermeiden.
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