Kautionsrückgewährpflicht des Zwangsverwalters
Gericht
OLG Hamburg
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
14. 11. 2001
Aktenzeichen
4 U 100/01
Der Zwangsverwalter hat dem Mieter auch dann die Kaution zurückzugewähren, wenn der Vermieter die vom Mieter an ihn geleistete Kaution nicht an den Zwangsverwalter abgeführt hat.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. ist Mieter, der Bekl. ist Zwangsverwalter des von dem Kl. innegehaltenen Mietobjekts. Die mit dem damaligen Vermieter vereinbarte Kaution hatte der Kl. an diesen gezahlt. Nach einer mündlichen Vereinbarung zwischen dem Kl. und dem damaligen Vermieter sollte die Kaution Anfang Dezember 1999 an den Kl. zurückgezahlt werden. Mit der Klage verlangt der Kl. von dem Bekl. die Rückzahlung der Kaution.
Die Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
1. Der Kl. hat gegen den Bekl. gem. § 305 BGB i.V. mit § 152 II ZVG einen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution in Höhe von 9125 DM.
a) Der ehemalige Vermieter des Kl. Herr H hat sich gegenüber dem Kl. gem. § 305 BGB zur Rückzahlung der Kaution verpflichtet.
aa) Der Kl. und Herr H haben den zwischen ihnen schriftlich geschlossenen Mietvertrag vom 1. 3. 1999 gem. § 305 BGB mündlich dahingehend geändert, dass die nach Nr. 2 I der Anlage 1 vom 1. 3. 1999 zum Mietvertrag zu zahlende Kaution von 9125 DM nicht erst - wie in Nr. 2 II der Anlage 1 vorgesehen - nach erfolgter Beendigung des Mietverhältnisses von Herrn H an den Kl. zurückgezahlt werden sollte, sondern bereits Anfang Dezember 1999. Das ergibt sich aus dem Schreiben des Herrn H an den Kl. vom 12. 10. 1999, wie das LG zutreffend ausgeführt hat.
bb) Die mündliche Vereinbarung ist nicht gem. § 125 S. 2 BGB unwirksam. Das in § 15 des Mietvertrags und Nr. 19 der Anlage 1 zum Mietvertrag geregelte Schriftformerfordernis für mündliche Nebenabreden sowie Änderungen und Ergänzungen des Vertrags steht der Wirksamkeit der Vereinbarung nicht entgegen, da es durch die Parteien des Mietvertrags zulässigerweise (vgl. BGH, NJW 1962, 1908; Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 125 Rdnr. 14) durch die mündliche Vereinbarung abbedungen worden ist.
cc) Aus dem Schreiben des Herrn H an den Kl. vom 12. 10. 1999 folgt auch, dass Herr H die Kaution vom Kl. tatsächlich erhalten hat, so dass er zu deren Rückzahlung an den Kl. verpflichtet ist (vgl. BGH, WM 1978, 1326).
b) In diese Verpflichtung des Herrn H ist gem. § 152 II ZVG der Bekl. eingetreten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob Herr H dem Bekl. die Kaution auch ausgehändigt hat. Denn der Bekl. ist dem Kl. gegenüber unabhängig davon zur Rückzahlung der Kaution verpflichtet. Der Verwalter hat dem Mieter nämlich auch dann die Kaution zurückzugewähren, wenn der Vermieter die Kaution nicht an den Verwalter abgeführt hat (vgl. LG Stuttgart, NJW 1977, 1885; Scheuer, in: Bub/Treier, Hdb. d. Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., V.B Rdnr. 309; Schmidt-Futterer/Blank, MietR, 7. Aufl., § 550b Rdnr. 67; Sternel, MietR, 3. Aufl., III Rdnr. 239). Eine Einschränkung der Verpflichtung des Zwangsverwalters dahin, dass diese nur dann besteht, wenn er die Kaution auch vom Vermieter erhalten hat, lässt sich der maßgeblichen Vorschrift des § 152 II ZVG nicht entnehmen.
aa) Nach dem Wortlaut des § 152 II ZVG muss der Zwangsverwalter in gültige Mietverträge in vollem Umfang eintreten und sie erfüllen (vgl. OLG Hamburg, NJW-RR 1990, 151 = WuM 1990, 10 [11]). Zu dieser Erfüllungsverpflichtung gehört auch die Rückzahlung der Kaution.
bb) Eine Beschränkung der Einstandspflicht des Zwangsverwalters im oben genannten Sinne lässt sich - entgegen der vom LG Berlin (NJW 1978, 1633) vertretenen Ansicht - nicht aus § 572 S. 2 BGB a.F.i.V. mit § 57 ZVG a.F. herleiten, da § 572 BGB a.F. im Verhältnis zwischen Zwangsverwalter und Mieter nicht herangezogen werden kann (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Hdb. d. Miet-, Pacht- und LeasingR, 8. Aufl., Rdnr. 1534). § 146 I ZVG erklärt nur die Vorschriften über die Anordnung der Zwangsversteigerung für anwendbar, also die §§ 15 -27 ZVG, nicht jedoch § 57 ZVG (vgl. BGH, WM 1978, 1326 [1327]). Daraus lässt sich entnehmen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Verpflichtung des Zwangsverwalters zur Rückgewähr der Kaution an den Mieter nicht davon abhängen sollte, ob die Kaution dem Zwangsverwalter auch ausgehändigt worden war.
Für die Annahme, dass die Fassung des § 146 I ZVG auf einem Redaktionsversehen beruht, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Rdnr. 1534). Im Übrigen hätte es der Gesetzgeber in der Hand gehabt, ein solches Versehen durch das am 1. 9. 2001 in Kraft getretene Mietrechtsreformgesetz vom 19. 6. 2001 zu korrigieren. Das hat er jedoch nicht getan (vgl. Art. 8 I 8 des Mietrechtsreformgesetzes [BGBl I, S. 1149], der sowohl die Vorschrift des § 146 ZVG als auch die Regelung des § 152 ZVG unberührt lässt), sondern vielmehr durch die Schaffung des § 566a BGB, der die Verpflichtung des Erwerbers zur Rückgewähr der Sicherheit nicht mehr davon abhängig macht, ob sie ihm auch ausgehändigt worden ist oder er dem Vermieter gegenüber die Verpflichtung zur Rückgewähr übernommen hat (so § 571 S. 2 BGB a.F.), die Rechtsstellung des Mieters sogar noch verbessert.
cc) Die Erfüllungspflicht des Zwangsverwalters kann auch nicht auf die Gebrauchsgewährungspflicht begrenzt und bezüglich der weiteren Pflichten wegen der in den §§ 392 , 1124 II , 1125 BGB niedergelegten Grundsätze im Interesse der Gläubiger des Vermieters am Erhalt der Haftungsmasse dahin eingeschränkt werden, dass der Zwangsverwalter für die Rückgewähr der Kaution nur haftet, soweit dies nicht zu einer Verringerung der Haftungsmasse führt, also nur, wenn er die Kaution erhalten hat (so aber LG Köln, NJW-RR 1991, 80 = WuM 1990, 500).
Die Eintritts- und Erfüllungspflicht des Zwangsverwalters schließt die Kautionsabrede als Bestandteil des Mietverhältnisses ein (vgl. Scheuer, in: Bub/Treier, V.B Rdnr. 309). Zwar bezieht der BGH (BGHZ 141, 60 = NJW 1999, 1857 = NZM 1999, 496 = ZIP 1999, 970 [972]) die Wirkungen des § 571 BGB a.F. nicht auf die Kautionsabrede mit der Begründung, nach Sinn und Zweck des § 571 BGB a.F. trete der Erwerber nur hinsichtlich solcher Verpflichtungen an die Stelle des Veräußerers, die sich auf das Grundstück bezögen und deshalb regelmäßig auch nur von dessen jeweiligem Eigentümer erfüllt werden könnten, namentlich hinsichtlich der Pflicht zur Gebrauchsüberlassung und Erhaltung im vertragsgemäßem Zustand; hierzu zähle die Verpflichtung zur Rückgabe der vom Mieter geleisteten Sicherheit nicht, da diese nicht aus dem Mietverhältnis selbst, sondern aus der ergänzend getroffenen Sicherungsabrede folge, mit der Gewährung des Gebrauchs des Grundstücks in keinem inneren Zusammenhang stehe und keine Gegenleistung für den Mietzins darstelle, sondern allein durch die Hingabe der Sicherheit bedingt sei. Der Erwerber i.S. des § 571 BGB a.F. kann jedoch mit dem Zwangsverwalter nicht gleichgesetzt werden. Der Zwangsverwalter handelt zwar im eigenen Namen, aber für Rechnung des Schuldners/Vermieters. Das Vermögen gehört auch nach der Beschlagnahme weiterhin dem Vermieter, so dass gerade keine „Erwerbssituation“ eingetreten ist (vgl. OLG Hamburg, NJW-RR 1990, 151 = WuM 1990, 10 [11]).
Eine Einschränkung der Eintritts- und Erfüllungspflicht des Zwangsverwalters ist auch nicht mit Rücksicht auf die §§ 392 , 1124 II , 1125 BGB geboten. Diese Vorschriften geben keine Antwort auf die Frage, ob der Zwangsverwalter auch dann für die Rückgewähr der Kaution haftet, wenn er die Kaution nicht erhalten hat, denn sie greifen auch dann ein, wenn dem Zwangsverwalter die Kaution ausgehändigt worden ist. Daraus ergibt sich, dass Zweck der §§ 392 , 1124 II , 1125 BGB lediglich der Erhalt der Haftungsmasse ist, diese Vorschriften aber nicht den Umfang der Erfüllungspflicht des Zwangsverwalters gegenüber dem Mieter regeln. Eine Begrenzung der Erfüllungspflicht des Zwangsverwalters im Interesse der Gläubiger des Vermieters am Erhalt der Haftungsmasse folgt auch nicht aus der Entscheidung des OLG Hamburg vom 29. 11. 1989 (NJW-RR 1990, 213 = ZIP 1990, 115 [116]). Denn diese betrifft den Ausgleich einer Nebenpflichtverletzung, die der Gemeinschuldner etwa durch Unterlassen einer getrennten Anlage der Kaution begangen hat, durch Zugriff auf die Masse und nicht die Erfüllung einer Hauptpflicht wie den Anspruch auf Rückzahlung der Kaution.
Soweit mit einer Haftung des Zwangsverwalters für die Rückgewähr der Kaution auch dann, wenn er die Kaution nicht erhalten hat, eine Privilegierung des Mieters gegenüber anderen Gläubigern des Zwangsverwaltungsschuldners einhergeht, ist diese vom Gesetzgeber, der für Fälle der vorliegenden Art (nach wie vor) eine ausdrückliche Regelung nicht getroffen, aber generell den Eintritt des Zwangsverwalters in bestehende Mietverträge angeordnet hat, durchaus gewollt (vgl. OLG Hamburg, NJW-RR 1990, 151 = WuM 1990, 10 [11]), und wegen des besonderen (Treuhand)Verhältnisses zwischen Mieter und Vermieter im Hinblick auf die Gewährung der Kaution (vgl. Palandt/Weidenkaff, Vorb. § 535 Rdnr. 89 m.w. Nachw.) auch sachlich gerechtfertigt.
dd) Der Kautionsrückzahlungsanspruch des Kl. gegen den Bekl. scheitert auch nicht daran, dass diese Forderung Anfang Dezember 1999 und damit vor Anordnung der Zwangsverwaltung am 25. 1. 2000 fällig war. Entgegen der vom Bekl. in seinem Schriftsatz vom 18. 10. 2001 vertretenen Auffassung enthält § 9 ZwVerwVO keine Einschränkung des § 152 II ZVG in dem Sinne, dass sich die Eintritts- und Erfüllungspflicht nicht auf Rückstände aus der Zeit vor Anordnung der Zwangsverwaltung bezieht. Vielmehr schreibt die Regelung des § 9 ZwVerwVO die Grundzüge der Bewirtschaftung i.S. des § 152 I ZVG durch einen kaufmännischen vernünftigen Zwangsverwalter fest (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, § 9 ZwVerwVO Rdnr. 1). Soweit zu den Ausgaben der Zwangsverwaltung nicht die Begleichung von vor der Anordnung der Zwangsverwaltung begründeten Verbindlichkeiten gehört (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, § 9 ZwVerwVO Rdnr. 5), bezieht sich diese Einschränkung auf § 152 I ZVG (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, § 9 ZwVerwVO Rdnr. 6) und nicht auf die hier maßgebliche Regelung des § 152 II ZVG.
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