Umzugskosten als Sonderbedarf des Ehegatten

Gericht

OLG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Berufungsbeschluss


Datum

06. 06. 1997


Aktenzeichen

2 UF 168-96


Leitsatz des Gerichts

  1. Sonderbedarf i. S. des § 1613 II BGB setzt einen unregelmäßigen und außergewöhnlichen hohen Bedarf voraus.

  2. Unregelmäßig ist ein Bedarf, der bis zu seinem Eintritt aus der Sicht der Parteien bei objektiver Betrachtungsweise nicht einkalkuliert werden konnte. Dass die Parteien ihn tatsächlich vorausgesehen bzw. zum Gegenstand ihrer Erörterung gemacht haben, ist nicht entscheidend. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob der Bedarf bis zu seinem Entstehen bei der Verwendung der bis dahin zur Verfügung stehenden Einkünfte hätte angespart werden können.

  3. Gleiches gilt auch für die Frage, ob ein Bedarf als außergewöhnlich hoch anzusehen ist, wobei die Höhe der laufenden Unterhaltsrente sowie die sonstigen Einkünfte des Berechtigten und der Lebenszuschnitt der Beteiligten zu berücksichtigen sind.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Im vorliegenden Berufungsverfahren macht die Kl. - im Wege der Teilklage - Umzugskosten, und zwar einen Betrag von 8000 DM aus der Rechnung vom 22. 6. 1994 des Speditionsunternehmens geltend für den von ihr anlässlich der Trennung am 20. 6. 1994 durchgeführten Umzug aus der Ehewohnung im Haus des Bekl. Dieser beantragt, das Ruhen des Verfahrens wegen der noch beim FamG anhängigen Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt anzuordnen.

Der Senat hat diesen Antrag abgelehnt.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Voraussetzungen der Anordnung des Ruhens des Verfahrens gem. § 252 ZPO sind nicht gegeben, da es an dem hierfür erforderlichen beiderseitigen Antrag der Parteien fehlt. Das Verfahren war auch nicht von Amts wegen gem. § 148 ZPO bis zur Erledigung des beim AG - FamG - anhängigen Rechtsstreits der Parteien wegen Trennungsunterhalts auszusetzen.

Die Entscheidung in jenem Verfahren ist nicht - auch nicht zumindest teilweise - vorgreiflich für die Entscheidung, die in diesem Berufungsverfahren ergehen soll. Dort hat die Kl. Trennungsunterhalt für die Zeit vom 15. 8. 1994 bis 31. 3. 1995 verlangt. Die Zuerkennung von Trennungsunterhalt ist wegen des Zeitraums, für den die Kl. Unterhalt begehrt, für die vorliegende Frage, ob ein Sonderbedarf für den davorliegenden Umzug gegeben und zu welchen Anteilen er von dem Unterhaltsberechtigten oder Unterhaltsverpflichteten zu tragen ist, nicht entscheidend.

Tatbestandlich setzt Sonderbedarf voraus, dass der Bedarf unregelmäßig und zugleich außergewöhnlich hoch ist (vgl. BGH, NJW 1982, 328 = FamRZ 1982, 145 [146]; Kalthoener-Büttner, Die Rspr. zur Höhe des Unterhalts, 6. Aufl., Rdnr. 279). Für die Beurteilung dieser Voraussetzungen wird in Rechtsprechung und Schrifttum - soweit ersichtlich - auf die Zeit bis zum Eintritt des Bedarfs abgehoben. „Unregelmäßig“ ist ein Bedarf, wenn er plötzlich auftritt und nicht mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war und deshalb bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente nicht berücksichtigt werden konnte (BGH, NJW 1982, 328 = FamRZ 1982, 145 [146]). Es gibt daher keinen „laufenden Sonderbedarf“ (Kalthoener-Büttner, Rdnr. 279 Fußn. 11). Maßgebend ist, ob die Ausgaben bis zu ihrem Eintritt aus der Sicht der Parteien bei objektiver Betrachtungsweise hätten einkalkuliert werden können. Dass die Parteien sie tatsächlich vorausgesehen haben und sie Gegenstand der Erörterung im Unterhaltsrechtsstreit oder bei einem Vergleichsabschluss waren (vgl. Kalthoener-Büttner, Rdnr. 280 und die dort zit. Materialien zum Gesetzgebungsverfahren), ist nicht entscheidend. Danach ist ausschlaggebend, ob der Bedarf bis zu seinem Entstehen bei der Verwendung des bis dahin zur Verfügung stehenden Einkommens bereits hätte berücksichtigt und Rücklagen hätten gebildet werden können. Eine nachträgliche Umlegung der Kosten auf einen längeren Zeitraum kommt nicht in Betracht (BGH, NJW 1982, 328 = FamRZ 1982, 145 [146]). Es kommt daher nicht darauf an, ob der Berechtigte aufgrund der für einen nachfolgenden Zeitraum titulierten Unterhaltsbeträge dann in der Lage ist, den Bedarf ganz oder zum Teil abzudecken, sondern ob sich der Berechtigte auf die Einzelausgabe vorher einstellen konnte.

Gleiches gilt auch für die Frage, ob der Bedarf als außergewöhnlich hoch anzusehen ist. Denn auch dies hängt von der Höhe der laufenden Unterhaltsrente, die so zu bemessen ist, dass sie sämtliche voraussehbaren Bedürfnisse abdeckt und hinreichend Spielraum für eine vernünftige Planung voraussehbarer größerer Aufwendungen belässt (vgl. BGH, NJW 1983, 2082 = FamRZ 1983, 689 [691]; Staudinger-Kappe, BGB, 12. Aufl., § 1613 Rdnr. 75), sowie von den sonstigen Einkünften des Berechtigten und dem Lebenszuschnitt der Beteiligten ab (vgl. BGH, NJW 1983, 224 = FamRZ 1983, 29 [30] zu Umzugskosten).

Ob allerdings die Kl. tatsächlich noch während des Zusammenlebens Beträge für die Umzugskosten hätte zurücklegen können, muss für die hier zu entscheidende Frage der Aussetzung des Verfahrens nicht abschließend beantwortet werden. Allerdings darf der Sonderbedarf nicht zu einer unangemessenen Lastenverteilung zwischen Verpflichtetem und Berechtigtem führen (vgl. Kalthoener-Büttner, Rdnr. 279). Doch auch dies ist ebenso wie Bedürftigkeit der Kl. und Leistungsfähigkeit des Bekl. für den Zeitpunkt des Entstehens des Sonderbedarfs zu beurteilen. Dies ist der Zeitpunkt der Erteilung der Rechnung vom 22. 6. 1994 durch das Umzugsunternehmen (vgl. Senat, FamRZ 1992, 1317; ebenso OLG Karlsruhe - 16. Zivilsenat -, FamRZ 1990, 88). Eine erst später einsetzende Einkommensverschiebung zwischen den Parteien durch Unterhaltszahlungen wirkt sich hier nicht mehr auf die zum maßgeblichen Zeitpunkt bestehenden Verhältnisse aus. Dem steht nicht entgegen, dass für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs die gleichen Einkommenszahlen aus dem Zeitraum vor Beginn der Unterhaltspflicht herangezogen werden können.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht