Unterhaltspflicht bei Altersteilzeit- oder Vorruhestandsregelung

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

03. 11. 1998


Aktenzeichen

2 WF 418/98


Leitsatz des Gerichts

Der Unterhaltspflichtige kann die Minderung seiner Leistungsfähigkeit durch die Inanspruchnahme einer Altersteilzeit- oder Vorruhestandsregelung dem unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten nicht ohne weiteres entgegenhalten.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die ASt. begehrt vom AGg., ihrem seit 1988 geschiedenen Ehemann, im Wege der Abänderungsklage erhöhten Unterhalt. Dieser wendet fehlende Leistungsfähigkeit ein, weil er sich seit dem 1. 7. 1998 mit halber Arbeitszeit in Altersteilzeit befinde. Er ist am 7. 2. 1942 geboren und von Beruf kirchlicher Jugendwart.

Das AmtsG hat der ASt. Prozesskostenhilfe verweigert, weil es dem AGg. nicht verwehrt sei, sich auf die durch die Altersteilzeit eingetretene Einkommensminderung zu berufen. Die Vereinbarung von Vorruhestandsregelungen sei sozialpolitisch erwünscht und werde vom Staat gefördert. Eine Erwerbstätigkeit bis zur regulären Altersgrenze von 65 Jahren sei nicht mehr die Regel.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der ASt. ist begründet. Der Senat vermag die Auffassung des AmtsG nicht zu teilen. Es mag zutreffend sein, dass Vorruhestandsregelungen, zu denen man die vom AGg. gewählte Altersteilzeit zählen kann, arbeitsmarktpolitisch wünschenswert sind. Hierauf kommt es indessen bei der Frage der Berechtigung der vom AGg. vorgenommenen Minderung seiner Leistungsfähigkeit nicht an. Aus der Existenz derartiger sozialpolitischer Möglichkeiten folgt noch nicht die Berechtigung des Unterhaltsschuldners, von "diesen auch Gebrauch zu machen. Es entspricht, worauf die Beschwerde zutreffend hinweist, allg. A., dass ein Unterhaltspflichtiger bei der Wahl von bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen seiner beruflichen Entwicklung auf die Belange des Unterhaltsberechtigten Rücksicht nehmen muss. Auch das Recht der freien Berufswahl i. S. des Art. 12 GG unterliegt derartigen Einschränkungen (vgl. BGH, FamRZ 1981, 441, m. Anm. Bosch, S. 442 = NJW 1981, 1609 ff.).

Bei der hiernach vorzunehmenden Abwägung überwiegen eindeutig die unterhaltsrechtlichen Interessen der ASt. Der AGg. ist erst 56 Jahre alt und muss grundsätzlich bis zum 65. Lebensjahr arbeiten. Irgendwelche gesundheitlichen Gründe für die Wahl der Altersteilzeit sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch die Art seiner beruflichen Tätigkeit als Jugendwart lässt sein Interesse an der Reduzierung seiner Arbeitszeit nicht demjenigen der ASt. an dem Erhalt eines angemessenen Unterhalts vorrangig erscheinen. Das gilt schon allein deshalb, weil er nach wie vor, wenn auch mit halber Arbeitszeit, in der Jugendarbeit tätig ist. Der Senat vermag dem AmtsG auch nicht darin beizupflichten, dass die ASt. die Reduzierung des Einkommens deshalb hinzunehmen habe, weil sie immer noch einen Unterhalt empfange, der über dem untersten Eigenbedarf von 1.300 DM liege. Die Frage des Umfangs der infolge der Altersteilzeit fortbestehenden Leistungsfähigkeit ist sicherlich bei der Beurteilung der unterhaltsrechtlichen Berechtigung zur Reduzierung des Einkommens ein Entscheidungskriterium. Vorliegend bleiben der ASt. indessen von dem Gesamtunterhalt von 1.595,43 DM, den der AGg. freiwillig zu zahlen bereit ist, nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherung nach der eigenen Berechnung des AGg. im Schreiben v. 15. 6. 1998 nur 1.359,75 DM. Bei voller Berufstätigkeit stünden ihr demgegenüber als Elementarunterhalt 1.595,38 DM zur Verfügung. Ein Unterschiedsbetrag von rd. 236 DM spielt in derartigen äußerst beengten Einkommensverhältnissen aber eine entscheidende Rolle.

Soweit der AGg. die Berechtigung zum Übergang in Altersteilzeit daraus herleiten will, dass er auch bei Fortbestehen der Ehe diese Wahl getroffen hätte, hat er hierfür angesichts des Bestreitens der ASt. keinen Beweis angetreten. Diese Frage kann i. ü. auch auf sich beruhen, weil eine derartige Absicht angesichts der Aufhebung der ehel. Lebensgemeinschaft einer Überprüfung zu unterziehen ist und nicht notwendigerweise zu einer Reduzierung des Bedarfs der ASt. führt.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht