Parabolantenne trotz Kabelanschluss für ausländischen Mieter
Gericht
OLG Karlsruhe
Art der Entscheidung
Rechtsentscheid
Datum
24. 08. 1993
Aktenzeichen
3 ReMiet 2/93
Ein ausländischer Mieter von Wohnraum, der zwar über einen Breitbandkabelanschluss verfügt, über welchen jedoch keine Programme aus dem Heimatland des Mieters angeboten werden, kann in der Regel vom vermietenden Hauseigentümer verlangen, dass er die baurechtlich zulässige, von einem Fachmann ausgeführte Installation einer möglichst unauffälligen, technisch geeigneten Parabolantenne an einem für den Empfang von Satellitenprogrammen aus seinem Heimatland tauglichen Ort gestattet, an dem sie nach Einschätzung des Vermieters am wenigsten stört, sofern mit der Anbringung kein erheblicher Eingriff in die Bausubstanz verbunden ist, der Mieter den Vermieter von allen anfallenden Kosten und Gebühren freistellt und der Mieter das Haftungsrisiko des Vermieters abdeckt und ihm auf dessen Verlangen Sicherheit leistet für die voraussichtlichen Kosten der Wiederentfernung der Anlage.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl., ein italienischer Staatsangehöriger, ist Mieter in einem Wohnhaus der Bekl. Das Haus verfügt über einen Breitbandkabelanschluss, in den allerdings italienischsprachige Programme nicht eingespeist werden. Der Kl. begehrt von der Bekl., dass sie ihm einen geeigneten Standort für die Anbringung einer Parabolantenne benennt und das Anbringen gestattet, damit er Zugang zu Fernsehprogrammen aus seinem Heimatland erhält. Das AG Karlsruhe hat die im wesentlichen auf Duldung gerichtete Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kl. Berufung eingelegt. Das LG möchte die Auffassung vertreten, dass bei der angesprochenen Konfliktsituation die Interessen des ausländischen Mieters gem. Art. 5 I GG die Interessen des Vermieters gem. Art. 14 I GG überwiegen. Das LG hat daher dem Senat folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt: Kann ein ausländischer Staatsbürger trotz bestehenden Kabelanschlusses in der Regel die Genehmigung zur Anbringung einer Parabolantenne am Haus seines Vermieters verlangen, wenn im Breitbandkabel kein Programm aus seinem Heimatland angeboten wird und wenn die Parabolantenne baurechtlich genehmigungsfähig ist und den ästhetischen Eindruck des Hauses nicht nachhaltig beeinträchtigt? Das OLG Karlsruhe hat wie aus dem Entscheidungssatz ersichtlich entschieden.
Auszüge aus den Gründen:
III. 3. Die grundsätzliche Bedeutung der vorgelegten Rechtsfrage ergibt sich daraus, dass sie unzweifelhaft eine unbestimmte Vielzahl gleichliegender Fälle betrifft. Sie ist bereits in einer beachtlichen Anzahl amts- und landgerichtlicher Entscheidungen mit unterschiedlichen Ergebnissen angesprochen worden (AG Krefeld, DWW 1993, 79; LG Krefeld, DWW 1993, 141; AG Bonn, DWW 1993, 82; AG Reutlingen, NJW-RR 1993, 15; LG Braunschweig, DWW 1993, 18; LG Kaiserslautern, NJW-RR 1993, 272). Nach Kenntnis des Senats liegt die Rechtfrage mindestens drei weiteren Oberlandesgerichten, wenn auch mit etwas unterschiedlicher Gewichtung in der Formulierung, zum Rechtsentscheid vor; soweit ersichtlich ist allerdings zur Vorlagefrage bislang kein Rechtsentscheid ergangen. Die Auffassung des LG Hamburg (WuM 1993, 180), nach dem Rechtsentscheid des OLG Frankfurt vom 22. 7. 1992 (NJW 1992, 2490 = ZMR 1992, 435 = WuM 1992, 458) stehe ein vorhandener Breitbandkabelanschluss in jedem Falle dem Anspruch auf Duldung einer Parabolantenne entgegen, trifft nicht zu. Das OLG Frankfurt bezieht in seine Interessenabwägung ersichtlich nur die Belange eines deutschen Mieters ein, betrifft somit allein die typische Spannungslage bei rein inländischen Wohnraummietverhältnissen (BVerfG, NJW 1993, 1252).
IV. ... Der Senat folgt im wesentlichen den Grundsätzen, die das OLG Frankfurt im Rechtsentscheid vom 22. 7. 1992 (NJW 1992, 2490 = ZMR 1992, 435 = WuM 1992, 458) herausgearbeitet hat.
1. Dabei schließt sich der Senat der Auffassung an, dass die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum Anspruch des Mitglieds einer Wohnungseigentümergemeinschaft auf Anbringung einer Parabolantenne (BayObLG, NJW-RR 1992, 16; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24. 9. 1991 - 8 W 77 78/91; OLG Zweibrücken, NJW 1992, 2899; OLG Hamm, NJW 1993, 1276; OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1274) dieser Entscheidung nicht entgegensteht (so auch OLG Hamm, NJW 1993, 1276). Allerdings wird bei der Vermietung von Wohnraum in einem mehreren Wohnungseigentümern gehörenden Anwesen zu berücksichtigen sein, ob der Vermieter durch Rechte Dritter gehindert ist, dem Begehren seines Mieters nachzukommen. Rechtlich Unmögliches darf dem Vermieter nicht abverlangt werden.
2. Der zu beurteilende Interessenwiderstreit wird ganz maßgeblich mitbestimmt durch das auch dem ausländischen Mitbürger zustehende, in Art. 5 I GG gewährleistete Grundrecht, sich aus allgemein zugänglichen Informationsquellen zu unterrichten. Das Grundrecht auf Informationsfreiheit ist zwar staatsgerichtet und vermag für sich genommen keine zivilrechtlichen Ansprüche gegen Dritte zu begründen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung von Art. 14 II GG, der nur als Richtschnur und Grenze dient für den objektivrechtlichen Auftrag an den Gesetzgeber, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen. Bestehen aber zwischen Rechtsgenossen bürgerlichrechtliche Beziehungen, so müssen bei der Rechtsanwendung die durch die Grundrechtsgarantien gezogenen Grenzen beachtet und die im Gesetz aufgrund verfassungsmäßiger Grundlage zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollzogen werden, die den beiderseitigen Grundrechtsschutz berücksichtigt und unverhältnismäßige Beschränkungen vermeidet (BVerfG, NJW 1993, 2036).
a) Rechte und Pflichten der Mietvertragsparteien werden hinsichtlich der Nutzung der Mietsache durch den Begriff des vertragsgemäßen Gebrauchs begrenzt (§§ 535 , 536 BGB). Was jeweils im einzelnen zum vertragsgemäßen Gebrauch des Mieters gehört, richtet sich in erster Linie nach den Abreden der Parteien. Maßgebend sind bei deren - auch ergänzender - Auslegung die gesamten Umstände des Mietverhältnisses, insbesondere die Mietsache in ihrer Eigenart und deren beabsichtigte Nutzung sowie die Verkehrssitte unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Begehrt der Mieter für seine Zwecke nachträglich eine bauliche Veränderung der Mietsache, so bedarf er dazu der Zustimmung des Vermieters. In dessen Ermessen steht es, ob er zu den Maßnahmen des Mieters seine Einwilligung erteilt oder versagt. Allerdings können diesem Ermessen des Vermieters und somit seiner Freiheit, über sein Eigentum und dessen Verwendung nach eigenem Gutdünken zu entscheiden, durch den Charakter des Mietverhältnisses Grenzen gesetzt sein (BVerfG, NJW 1992, 493). Dies gilt insbesondere bei Mietverhältnissen über Wohnraum.
b) Bei der Zurverfügungstellung von Wohnraum gegen Entgelt muss der Vermieter nämlich berücksichtigen, dass die Wohnung für jedermann Mittelpunkt seiner privaten Existenz ist, auf deren Gebrauch er zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse sowie zur Freiheitssicherung und Entfaltung seiner Persönlichkeit angewiesen ist (BVerfG, NJW 1993, 2035). Der Vermieter von Wohnraum tritt demnach mit der gewählten Verwertung seines Eigentums in eine vertragliche Beziehung zum Mieter, deren Gegenstand sich nicht in der schlichten Sachnutzung erschöpft. Der Senat hat bereits in seinem Rechtsentscheid vom 27. 1. 1993 (NJW-RR 1993, 660 = ZMR 1993, 159) darauf hingewiesen, dass bei Wohnraummietverhältnissen rechtlich geschützte Interessen von hohem Rang in Widerstreit geraten können. Das verpflichtet die Mietvertragsparteien nicht nur zu größtmöglicher gegenseitiger Rücksichtnahme, sondern gebietet ihnen auch, bei nur unerheblicher Beeinträchtigung der eigenen Belange den Interessen des anderen Vertragsteils Vorrang einzuräumen. Bei Wohnraummietverhältnissen ist demnach das Ermessen des Vermieters durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in der Weise gebunden, dass er nicht ohne triftige, sachbezogene Gründe dem Mieter Einrichtungen versagen darf, die diesem die Nutzung der Mietwohnung als Mittelpunkt seines Lebens und der Entfaltung seiner Persönlichkeit sowie als Freiraum eigenverantwortlicher Betätigung (BVerfG, NJW 1993, 2036) ermöglichen, selbst wenn bei Abschluss des Mietvertrages derartige Nutzungsmöglichkeiten noch gar nicht abgesehen werden konnten. Sachbezogene, triftige Gründe ergeben sich für den Vermieter nur aus nicht unerheblichen Beeinträchtigungen und durch nachhaltige Verschlechterungen der Mietsache (BayObLG, WuM 1981, 81).
c) Auf dieser Grundlage geht der Senat davon aus, dass bei der Frage, ob der Vermieter mit der Versagung seiner Einwilligung zur Anbringung einer Parabolantenne für einen einzelnen Mieter die von Treu und Glauben gezogenen Grenzen seines Ermessens überschreitet, eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. Dabei wird das, was Treu und Glauben entspricht, maßgeblich durch das Eigentumsrecht des Vermieters einerseits und das Grundrecht auf Informationsfreiheit des Mieters andererseits mitbestimmt (dazu auch KG, NJW 1985, 2031; vgl. auch BVerfG, NJW 1992, 493). Das Grundrecht der Informationsfreiheit schützt das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Eine Informationsquelle ist dann allgemein zugänglich, wenn sie technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. Die allgemeine Zugänglichkeit richtet sich allein nach tatsächlichen Kriterien. Das Fernsehen als Massenkommunikationsmittel ist von seiner Natur aus als allgemein zugängliche Informationsquelle anzusehen. Für die Bestimmung des Schutzbereichs des Grundrechts auf Informationsfreiheit kommt es auf den Begriff der Ortsüblichkeit nicht an. Er ist somit nicht geeignet, bestimmte Fernsehprogramme, insbesonders solche mit schwachen Signalen im fraglichen Empfangsbereich, vom Schutzbereich der Informationsfreiheit auszuschließen (BVerfG, NJW 1992, 493). Damit sind auch die mittels einer Parabolantenne von jedermann zu empfangenden Satellitenprogramme allgemein zugänglich (OLG Frankfurt, NJW 1992, 2490 = ZMR 1992, 435 = WuM 1992, 458). Ausländische Programme sind hiervon nicht ausgenommen.
Der Zugang zu allgemeinen Informationsquellen ist aufgrund der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung in weiten Bereichen so eng an die Wohnung als Freiraum eigenverantwortlicher Betätigung gebunden, dass die Mediennutzung in den eigenen vier Wänden zum Kernbereich dessen zählt, was die Wohnung als Mittelpunkt der privaten Existenz ausmacht. Deshalb ist dem Vermieter von Wohnraum abzuverlangen, dass er sich auf das Informationsbedürfnis des Mieters in der Weise einlässt, dass nur erhebliche eigene Interessen Vorrang genießen.
d) Dem Interesse des Mieters am Zugang zu allgemeinen Informationsquellen kommt im Rahmen der Abwägung mit den Eigentümerinteressen ein hoher Stellenwert zu; von einem absoluten Vorrang darf jedoch nicht ausgegangen werden. Dem Vermieter kann Unzumutbares nicht abverlangt werden. Andererseits darf er sich nicht ohne triftige, sachbezogene Gründe weigern, dem Mieter Einrichtungen zu gestatten, die den Zugang zu sonst nicht erreichbaren Informationsquellen ermöglichen.
Bei der Abwägung ist weiter zu berücksichtigen, in welchem Umfang der Mieter ohne die gewünschte, die Belange des Vermieters berührende Anlage sein Interesse, am Medienangebot teilzuhaben, realisieren kann. Dabei ist das Interesse des Vermieters, sein Eigentum möglichst unbeeinträchtigt zu wissen, umso mehr zu berücksichtigen, je breiter der Zugang des Mieters zu allgemeinen Informationsquellen bereits ausgestaltet ist. Im Regelfall wird deshalb das Vorhandensein einer Gemeinschaftsparabolantenne oder eines Breitbandkabelanschlusses bewirken, dass der Mieter in seinem Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, nicht wesentlich eingeschränkt wird, wenn ihm das Anbringen einer Parabolantenne nicht erlaubt wird. Diese auf den Regelfall des inländischen Mieters bezogene Wertung verstößt nicht gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben (BVerfG, NJW 1993, 1252).
Eine andere Beurteilung verlangt jedoch das Informationsbedürfnis der ausländischen Mieter, denen über das Breitbandkabel kein Zugang zu Informationsquellen aus ihrem Heimatland eingeräumt werden, und die lediglich über eine Parabolantenne heimische Fernsehprogramme empfangen können. Im Gegensatz zum inländischen Mieter ist ohne diesen Zugang eine wesentliche Einschränkung schon deshalb anzunehmen, weil Ausländer dann in einem nicht unerheblichen Maße vom Informationsfluss und Meinungskampf in ihrem Heimatland abgeschnitten bleiben. Ihre Situation nähert sich daher derjenigen inländischer Mieter an, die weder an eine Gemeinschaftsparabolantenne noch an das Breitbandkabelnetz angeschlossen sind, und ist in ihrer Gewichtung jener auch gleichzusetzen. Allerdings darf im Rahmen der Abwägung nicht außer acht bleiben, dass sich auch auf der Seite des Vermieters die Zumutbarkeitsfrage anders stellt, wenn in seinem Wohngebäude bereits ein Breitbandkabelanschluss vorhanden ist. Zum einen können dafür Aufwendungen erbracht worden sein, deren Amortisation beeinträchtigt werden könnte. Zum anderen ist bei einer vorhandenen Breitbandverkabelung die Wahrscheinlichkeit gering, dass bei einem Mieterwechsel der Nachmieter die Parabolantenne zur Befriedigung seines berechtigten Informationsbedürfnisses braucht und somit der Vermieter deren Anbringung weiter dulden muss. Die Frage der Beseitigung der baulichen Veränderung stellt sich bei den hier zu beurteilenden Verhältnissen somit von vornherein und bedarf daher einer besonderen Berücksichtigung.
3. Deshalb muss der vom OLG Frankfurt (NJW 1992, 2490 = ZMR 1992, 435 = WuM 1992, 458) aufgestellte Katalog der Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um die Eigentümerinteressen angemessen zu wahren, im Hinblick auf diese Besonderheiten erweitert werden. Der Vermieter hat demnach dem Begehren seines ausländischen Mieters auf Duldung einer Parabolantennenanlage an dem mit Breitbandkabelanschluss versehenen Wohngebäude nur unter den nachfolgenden Voraussetzungen den Vorrang einzuräumen:
Der Breitbandkabelanschluss befriedigt das Bedürfnis des Mieters auf Empfang von Fernsehprogrammen aus dessen Heimatland derzeit und in absehbarer Zukunft nicht. Eine Parabolantenne kann diesem Mangel abhelfen.
Dem Anbringen der Antennenanlage stehen Vorschriften des Baurechts und des Denkmalschutzes ebenso wenig entgegen wie vom Vermieter zu beachtende Rechte Dritter.
Der Mieter folgt bei der Wahl des Aufstellungsortes der Bestimmung des Vermieters, die dieser unter Beachtung der empfangstechnischen Eignung danach trifft, wo ihm die Anlage am wenigsten störend erscheint. Eine auch nach allgemeiner Verkehrsanschauung erhebliche Verunzierung durch die Antennenanlage tritt nicht ein.
Die Antenne wird zur weitgehenden Sicherung vor denkbaren Schäden durch einen Fachmann angebracht.
Erhebliche nachteilige Eingriffe in die Bausubstanz sind ausgeschlossen.
Der Mieter stellt den Vermieter von allen im Zusammenhang mit der Installation entstehenden Kosten und Gebühren frei. Gleiches gilt hinsichtlich der Haftung für durch die Antenne verursachte Schäden und den Aufwand für die Beseitigung der gesamten Antennenanlage nach Beendigung des Mietverhältnisses.
Auf Verlangen des Vermieters hat der Mieter das Haftungsrisiko durch Abschluss einer Versicherung, den Beseitigungsaufwand in sonstiger Weise (z. B. Kaution) abzusichern.
Im Falle mehrerer berechtigter Einzelbegehren auf Duldung von Parabolantennen folgt die Maßnahme der Bestimmung des Vermieters, der mehrere Mieter im Rahmen der technischen Möglichkeiten auf die Nutzung einer gemeinsam
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