Verwirkung des Unterhaltsanspruchs gegenüber seinem Kind

Gericht

AmtsG Leipzig


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

18. 09. 1996


Aktenzeichen

23 C 280/95


Leitsatz des Gerichts

Ein Elternteil hat seinen Unterhaltsanspruch gegenüber seinem Kind gemäß § 1611 I BGB verwirkt, wenn er sich während der Ehezeit der Verletzung der Aufsichtspflicht und der Vernachlässigung des Kindes schuldig gemacht hat sowie seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachgekommen ist und auch über Jahre hinweg keinerlei Kontakt zu seinem Kind gesucht hat.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bekl. ist die Tochter von Frau C., geboren 1938, welche seit 1. 1. 1992 auf Kosten des Kl. wegen einer wesentlichen Behinderung im Fachkrankenhaus A. untergebracht ist.

Mit Bescheid v. 18. 12. 1992 leitete der Kl. den Unterhaltsanspruch der Mutter der Bekl. gegen die Bekl. gemäß § 90 BSHG für die Dauer der Hilfegewährung dem Grunde nach auf sich über und beantragte:

Die Bekl. wird verurteilt, an den Kl. rückständigen Unterhalt für die Mutter der Kl. ... zu zahlen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Klage ist nicht begründet. Das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Inanspruchnahme der Bekl. bezüglich einer Unterhaltszahlung grob unbillig wäre. Die Bekl. wurde von Geburt an von der Mutter in hohem Maße vernachlässigt. So hat sie sich der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht schuldig gemacht, die Kinder unbeaufsichtigt gelassen und sie nicht umsorgt.

Aus der Eheakte des KreisG L. geht hervor, dass die Hilfeempfängerin ihre Kinder für ihre Ehe verantwortlich gemacht hat und sie häufig ohne Essen oder sonstige Versorgung belassen hat. Sowohl vor der Erkrankung der Hilfeempfängerin als auch bis zum Zeitpunkt der Ehescheidung hat sie die Bekl. beschimpft, bedroht, sie nicht umsorgt, ungenügend verpflegt und gekleidet.

Aus dem Gutachten über die häusliche Situation der Familie v. 22. 5. 1969, ebenfalls aus der Eheakte, geht hervor, dass die Hilfeempfängerin, obwohl sie nicht gearbeitet hat, die Kinder vom frühen Kindesalter an fast ausnahmslos sich selbst überließ und die Tochter aufgrund des Verhaltens ihrer Mutter psychische Schäden erleiden würde.

Die Ehe der Hilfeempfängerin wurde am 23. 10. 1969 geschieden. Das Erziehungsrecht für beide Kinder wurde dem Vater übertragen. Auch Unterhalt hat die Hilfeempfängerin der Bekl. freiwillig nicht bezahlt. Erst aufgrund eines Rechtsstreites vor dem KreisG L. wurde am 12. 7. 1994 [wohl 1974, d. Red.] ein Vergleich über die Unterhaltszahlung geschlossen. Auch der gerichtlich festgesetzte Unterhalt wurde danach nicht gezahlt.

Dem Vortrag des Kl.-Vertreters, dass die Krankheit der Kindesmutter Ursache für ihre Verfehlungen gewesen ist, konnte das Gericht nicht folgen. Ebenfalls aus der Eheakte, d. h., aus dem nervenfachärztlichen Gutachten v. 27. 4. 1969, geht hervor, dass die Hilfeempfängerin eine psychologisch-verständlich-abnorme Erlebnisreaktion hatte.

Es geht aus dem Untersuchungsergebnis hervor, dass sie zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens, das heißt 1969, als gesund anzusehen ist, womit gleichzeitig gesagt wird, dass der Gesundheitszustand der Frau C. die Ehe nicht gefährdet hat. Nervenärztlicherseits war die Begutachtete in ihrer Fähigkeit der Erziehung und Versorgung der Kinder sowie der Haushaltsfürsorge gerecht zu werden, nicht eingeschränkt. Gleichwohl hat sich die Hilfeempfängerin auch in dieser Zeit der schweren Verfehlungen gegenüber ihrer Tochter, der Bekl. schuldig gemacht und zwar in bezug auf die Beschimpfungen, Bedrohungen, die Verletzung der Aufsichtspflicht, auch im Falle der Krankheit der Bekl., der körperlichen Tätlichkeiten gegenüber der Bekl. sowie des Nichtkümmerns um den Haushalt.

Die Bekl. hatte auch nach der Scheidung ihrer Eltern ca. 10-12 Jahre lang keinen Kontakt zur Hilfeempfängerin und die Mutter hat auch diesen zu ihrer Tochter nie gesucht und ihr irgendwelche Nachrichten zukommen lassen.

Aus den vorgenannten Gründen hat das Gericht die Verwirkung des Unterhaltsanspruches der Hilfeempfängerin gegenüber ihrer Tochter gemäß § 1611 I BGB bejaht.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht