Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
25. 10. 1984
Aktenzeichen
2 AZR 417/83
Dem Arbeitnehmer steht nach § 273 BGB ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung zu, wenn der Arbeitgeber seine Lohnzahlungspflicht nicht erfüllt (Bestätigung von BAGE 15, 174).
Der Arbeitnehmer muss dieses Zurückbehaltungsrecht gem. § 242 BGB unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben ausüben.
Danach darf er u.a. die Arbeit nicht verweigern, wenn der Lohnrückstand verhältnismäßig geringfügig ist, nur eine kurzfristige Verzögerung der Lohnzahlung zu erwarten ist, wenn dem Arbeitgeber ein unverhältnismäßig hoher Schaden entstehen kann oder wenn der Lohnanspruch auf andere Weise gesichert ist.
Grundsätzlich ist nur eine schon bestehende anderweitige Sicherung des Arbeitnehmers geeignet, die Verweigerung der Arbeitsleistung treuwidrig erscheinen zu lassen; es genügt nicht, dass die Entstehung dieses Rechts noch von dem Eintritt weiterer Umstände abhängt. Bereits deshalb kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer grundsätzlich vor Konkurseröffnung nicht auf zu erwartende Ansprüche auf Konkursausfallgeld verweisen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Bekl. ist der Konkursverwalter über das Vermögen der E-KG (künftig: Gemeinschuldnerin), bei der der Kl. seit 2. 11. 1976 als Arbeiter gegen einen Stundenlohn von zuletzt 20,20 DM brutto beschäftigt war. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Gemeinschuldnerin ausgesprochenen fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Gemeinschuldnerin war aufgrund tariflicher Regelungen verpflichtet, am 25. des Monats 90 % Abschlag auf den voraussichtlichen Nettolohn des laufenden Monats und den restlichen Lohn am 10., in Ausnahmefällen am 12. des folgenden Monats auszuzahlen. Seit etwa Mitte des Jahres 1981 hatte sie mehrfach die Löhne verspätet ausbezahlt. Dies nahm der Betriebsrat zum Anlass, in einem Aushang vom 4. 6. 1981 die Betriebsangehörigen auf die Möglichkeit hinzuweisen, in Ausübung ihres Zurückbehaltungsrechts bis zur Auszahlung des rückständigen Lohns die Arbeit niederzulegen. Dieser Anschlag wurde im Mai/Juni 1982 erneut angebracht, nachdem die Gemeinschuldnerin seit Mai 1982 die Löhne nur teilweise ausbezahlt hatte. Am 25. 6. 1982 wurde Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses gestellt und der Bekl. zum vorläufigen Vergleichsverwalter bestellt. Am 28. 6. 1982 teilte der Bekl. in einer Betriebsversammlung, an der auch der Kl. teilnahm, mit, dass der Betrieb zumindest auf Zeit fortgeführt werde, Übernahmeverhandlungen stattfänden und die Zahlung der rückständigen Löhne gesichert sei, im Falle der Konkurseröffnung durch das Konkursausfallgeld. Er wies ferner darauf hin, eine Veräußerung des Betriebes im ganzen sei nur möglich, wenn sämtliche Arbeitnehmer weiterhin ihrer Arbeitspflicht nachkämen. Ferner vertrat er die Ansicht, auch bei verspäteter Lohnzahlung bestehe kein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Arbeitsleistung und die Einstellung der Arbeit habe eine fristlose Kündigung zur Folge. Am 12. 7. 1982, dem Fälligkeitstag für den Juni-Lohn, war die Gemeinschuldnerin mit Teilen der Löhne aus den Monaten Mai und Juni 1982 gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern im Rückstand. Dem Kl., der je nach der Zahl der gearbeiteten Stunden im Monat durchschnittlich 3600 bis 3700 DM brutto verdient hatte, schuldete sie zu diesem Zeitpunkt insgesamt 4898,70 DM brutto. Am 13. 7. 1982 lehnte der Kl., zusammen mit vier weiteren Arbeitern, ab 13.00 Uhr unter Hinweis auf ein ihm zustehendes Zurückbehaltungsrecht die weitere Arbeit ab. Zuvor hatten die fünf Arbeiter ein Schriftstück folgenden Inhalts unterzeichnet: "Ich/Wir werden aufgrund des uns vorenthaltenen Lohnes durch den Arbeitgeber und der damit verbundenen Pflichtverletzung am 13. 7. 1982 13.00 Uhr unser Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273 I , 298 und 615 BGB ausüben." Der Kl., wie auch die übrigen vier Arbeiter, verblieb auch nach Aufforderung zur Wiederaufnahme der Arbeit bei dieser Einstellung. Daraufhin beurlaubte ihn die Gemeinschuldnerin mit sofortiger Wirkung und kündigte das mit ihr bestehende Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 15. 7. 1982 wegen Arbeitsverweigerung fristlos. Am 30. 7. 1982 wurde das Anschlusskonkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet. Gegen die Kündigung wendet sich der Kl. mit der vorliegenden Klage.
Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Bekl. war erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat angenommen, für die fristlose Kündigung der Gemeinschuldnerin habe kein wichtiger Grund i.S. des § 626 I BGB vorgelegen. Der Kl. habe ab 13. 7. 1982 seine Arbeitspflicht nicht rechtswidrig verletzt, weil er berechtigt gewesen sei, wegen des bis dahin aufgelaufenen Lohnrückstandes seine Arbeitsleistung zurückzuhalten, und sein Zurückbehaltungsrecht auch nicht treuwidrig ausgeübt habe.
II. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
... 3. Zu Recht haben die Vorinstanzen ferner angenommen, dass grundsätzlich auch dem Arbeitnehmer nach § 273 I BGB ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung zusteht, wenn der Arbeitgeber seine Lohnzahlungspflicht nicht erfüllt. Nach § 2731 BGB kann der Schuldner, der aus demselben Rechtsverhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat, sofern sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis. die ihm gebührende Leistung bewirkt wird. Dieses Zurückbehaltungsrecht kann auch der Arbeitnehmer an seiner Arbeitsleistung ausüben, wenn er einen fälligen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber erworben hat und der Arbeitgeber nicht erfüllt. Dies ist heute in Rechtsprechung und Rechtslehre allgemein anerkannt (vgl. BAGE 15, 174 = AP Art. 9 GG - Arbeitskampf -Nr. 32 [zu I 1]; BAGE 30, 50 = AP Art. 9 GG - Arbeitskampf -Nr. 58 [zu 5a]; aus dem umfangreichen Schrifttum vgl. Capodistrias, RdA 1954, 53; Haase, Betr 1968, 708; Hueck-Nipperdey, Lehrb. d. ArbR I, 7. Aufl., S. 222; Kirschner Betr 1961, 842; Otto, AR-Blattei D, Zurückbehaltungsrecht I, B II; Söllner, ZfA 1973, 1; jeweils m.w. Nachw.). Der früher im Schrifttum hiergegen erhobene Einwand (vgl. die Nachw. bei Haase, Betr 1968, 708 zu Fußn. 2, und Hueck-Nipperdey, S. 222 zu Fußn. 45), aus der Natur des Arbeitsverhältnisses ergebe sich ein anderes, weil das Zurückbehaltungsrecht nur an nachholbaren Leistungen bestehe, die Zurückhaltung der Arbeitskraft aber zur teilweisen Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führe, ist unbegründet. Das Gesetz kennt keine Beschränkung des Zurückbehaltungsrechts auf jederzeit nachholbare Leistungen. Ist der Arbeitgeber mit der Vergütung aus einem früheren Zeitabschnitt im Rückstand oder ist er kraft Vereinbarung entgegen § 614 BGB vorleistungspflichtig, so ist es grundsätzlich unzumutbar. vom Arbeitnehmer zu erwarten, weitere Arbeitsleistung zu erbringen und dem Arbeitgeber den als Gegenleistung geschuldeten Lohn zu kreditieren (so zutr. Hueck-Nipperdey, S. 222, sowie Otto, unter B II 1).
4. Nach dem vom BerGer. als unstreitig und damit für das BerGer. gem. § 561 I ZPO bindend festgestellten Sachverhalt schuldete die Gemeinschuldnerin dem Kl. am 13. 7. 1982 Lohn in Höhe von 4898,70 DM brutto aus den Monaten Mai und Juni 1982. Da nach den einschlägigen tariflichen Bestimmungen jeweils am 25. des Monats 90 % als Abschlag auf den voraussichtlichen Nettolohn des laufenden Monats und spätestens am 12. des folgenden Monats der gesamte Lohn für den Vormonat zu zahlen war, waren diese Ansprüche des nach § 614 BGB für den laufenden Monat jeweils vorleistungspflichtigen Kl. fällig geworden. Damit waren die Voraussetzungen für das Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung nach § 273 I BGB im Grundsatz erfüllt. Zu Recht haben die Vorinstanzen unberücksichtigt gelassen, dass die Gemeinschuldnerin nur leistungsfähig, nicht aber auch leistungswillig war. Nach § 273 I BGB muss der Anspruch des Schuldners, zu dessen Sicherung das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt wird, fällig sein. Das Gesetz verlangt nicht, dass der Gläubiger in Verzug geraten ist, die Gegenleistung also schuldhaft nicht termingerecht erbracht hat. Auch insoweit ergibt sich aus der Natur des Arbeitsverhältnisses nichts anderes. Der Arbeitgeber trägt das Wirtschaftsrisiko. Er kann es nicht auf den Arbeitnehmer überwälzen, für den die pünktliche Lohnzahlung in der Regel eine Existenzfrage ist (so zutr. Haase, Betr 1968, 708; ebenso Kirschner, Betr 1961, 842; a.M. Nikisch, ArbR I, 3. Aufl., S. 375).
5. Der Kl. konnte das ihm zustehende Zurückbehaltungsrecht auch gleichzeitig mit anderen Arbeitskollegen ausüben. Erforderlich ist in diesen Fällen lediglich, dass die Voraussetzungen für ein Zurückbehaltungsrecht in der Person des betreffenden Arbeitnehmers erfüllt sind und er dem Arbeitgeber gegenüber eindeutig zum Ausdruck bringt, er verweigere die Arbeitsleistung in Ausübung eines ihm wegen eines bestimmten fälligen Anspruchs gegen den Arbeitgeber zustehenden Zurückbehaltungsrechts. Der Arbeitgeber muss wissen, dass der Arbeitnehmer ein Zurückbehaltungsrecht zur Sicherung eines bestimmten Individualanspruchs ausübt (BAGE 15, 174; 30, 50). Im vorliegenden Fall hat der Kl., wie das ArbG ebenfalls richtig erkannt hat, spätestens in der vor Einstellung der Arbeit am 13. 7. 1982 unterzeichneten schriftlichen Erklärung eindeutig klargestellt, wegen fälliger Lohnansprüche sein Zurückbehaltungsrecht auszuüben.
6. Das Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung muss gem. § 242 BGB unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben ausgeübt werden (allg. Meinung, vgl. BGHZ 7, 123 [127], sowie die unter II 3 zitierten Autoren, jeweils m.w. Nachw.). Auch hiervon ist das BerGer. im Grundsatz ausgegangen.
... b) Der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es dem Arbeitnehmer, seine Arbeitsleistung wegen eines verhältnismäßig geringfügigen Lohnanspruchs zurückzuhalten. Dies folgt aus einer Analogie zu § 32011 BGB (vgl. die unter 113 zitierten Autoren; ferner RGZ 61, 128). Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts kann ferner rechtsmissbräuchlich sein, wenn nur eine kurzfristige Verzögerung der Lohnzahlung zu erwarten ist (vgl. Haase, Betr 1968, 710). Diese Gesichtspunkte hat das ArbG, auf dessen Urteil das BerGer. ergänzend Bezug genommen hat, berücksichtigt. Es hat den am 13. 7. 1982 fälligen Lohnrückstand, der mit 4898,70 DM brutto nahezu 1,5 Monatsverdienste umfasste, für erheblich angesehen, nachdem der Arbeitnehmer in der Regel auf die laufenden Einkünfte aus seiner Berufstätigkeit angewiesen ist. Es hat weiter ausgeführt, der Kl. habe auch nicht lediglich von einer kurzfristigen Zahlungsverzögerung ausgehen können. Diese Annahme ist rechtlich nicht zu beanstanden, da der Bekl. in den Vorinstanzen selbst nicht vorgetragen hat, dass der Kl. mit kurzfristigen Zahlungen rechnen konnte. Dem Kl. ist auch nicht vorzuwerfen, lediglich den Ablauf des Fälligkeitstermins abgewartet zu haben, da ein Teil des offenstehenden Betrages noch aus dem Monat Mai stammte und 90 % des Juni-Lohnes bereits am 25. 6. 1982 und somit mehr als zwei Wochen vor der Arbeitseinstellung fällig waren. Wenn das BerGer. unter Berücksichtigung dieser Umstände angenommen hat, der Lohnrückstand sei nicht verhältnismäßig geringfügig gewesen und der Kl. habe der Gemeinschuldnerin auch keine weitere Zahlungsfrist mehr einräumen müssen, so hält sich diese Würdigung im Rahmen des dem Tatsachengericht bei der Anwendung des Rechtsbegriffs des Rechtsmissbrauchs zustehenden Beurteilungsspielraums.
c) Der Arbeitnehmer ist nach Treu und Glauben ferner gehalten, das Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung nicht zur Unzeit auszuüben, damit dem Arbeitgeber kein unverhältnismäßig hoher Schaden droht (vgl. ebenfalls die unter II 3 zitierten Autoren). Auch diesen Gesichtspunkt hat das BerGer. im Rahmen seines tatrichterlichen Beurteilungsspielraums rechtsfehlerfrei gewürdigt ...
d) Da das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 I BGB dazu dient, den Gläubiger wegen des ihm zustehenden Anspruchs zu sichern, kann es nach Treu und Glauben nicht ausgeübt werden, wenn der Anspruch bereits auf andere Weise, etwa durch Grundpfandrechte, gesichert ist. Dies folgt aus § 273 III 1 BGB (BGHZ 7, 123 [127]; RGZ 85, 133 [137]; 136, 19 [26]; Erman-Sirp, BGB, 7. Aufl., §§ 273, 274 Rdnr. 22; Keller, in: MünchKomm, § 273 Rdnr. 50; Staudinger-Seib, BGB, 12. Aufl., § 273 Rdnr. 50; jeweils m.w. Nachw.).
Ohne Erfolg rügt die Revision, das BerGer. habe in den sich für den Kl. aus §§ 141a ff. AFG ergebenden Ansprüchen auf Konkursausfallgeld keine ausreichende Sicherung der am 13. 7. 1982 aufgelaufenen Lohnrückstände gesehen. Eine der Verweigerung der geschuldeten Leistung gleichwertige Sicherung durch ein anderweitiges Recht des Schuldners setzt das Bestehen dieses Rechts voraus. Es genügt grundsätzlich nicht, dass seine Entstehung noch von dem Eintritt künftiger Ereignisse abhängt. Dies folgt ebenfalls aus § 273 III 1 BGB. Danach muss der Gläubiger die Sicherheitsleistung, die gem. § 232 I BGB u.a. durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren sowie durch Bestellung von Hypotheken bewirkt werden kann, tatsächlich erbracht haben, wenn er die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts abwenden will; es reicht nicht aus, wenn er sie nur anbietet (RGZ 137, 324 [355]). Im Grundsatz. ist nur eine bestehende Sicherheit geeignet, die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts an der Arbeitsleistung treuwidrig erscheinen zu lassen.
Da bereits diese Voraussetzung fehlt, ist im vorliegenden Fall der Einwand des Bekl. unbegründet, der Kl. habe wegen seiner Ansprüche auf Konkursausfallgeld die Weiterarbeit treuwidrig verweigert. Denn im Zeitpunkt der Arbeitseinstellung am 13. 7. 1982 waren die Voraussetzungen für die Gewährung von Konkursausfallgeld für die bis dahin aufgelaufenen Lohnrückstände noch nicht gegeben, wie das BerGer. richtig gesehen hat. Anspruch auf Konkursausfallgeld besteht gem. § 141b AFG für Ansprüche auf Arbeitsentgelt aus den letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens oder den ihr gleichstehenden Vorgängen vorausgehenden drei Monaten des Arbeitsverhältnisses. Vorschuss auf diese Leistung nach § 141f AFG kann erst nach Konkurseröffnung beansprucht werden. Am 13. 7. 1982 war somit noch ungewiss, ob die Konkurseröffnung sich noch um mehr als insgesamt drei Monate verzögern und dann ein Teil der Lohnrückstände nicht mehr durch Konkursausfallgeld gesichert sein würde. Es kann dahingestellt bleiben, ob in Ausnahmefällen, etwa dann, wenn die Konkurseröffnung - oder ihre Ablehnung mangels Masse - innerhalb des Drei-Monats-Zeitraums unmittelbar bevorsteht und noch ein dringender Auftrag abzuwickeln ist, auch ohne bereits bestehende gleichwertige Sicherung des Arbeitnehmers die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts rechtsmissbräuchlich sein kann. Denn eine solche Ausnahmesituation lag im Entscheidungsfall nicht vor. Der Bekl. hat in den Vorinstanzen nicht vorgetragen, dass die Konkurseröffnung alsbald nach dem 13. 7. 1982 zu erwarten gewesen sei und er die Arbeitnehmer darauf hingewiesen habe. Nach dem unstreitigen Sachverhalt hatte er vielmehr noch in der Betriebsversammlung vom 25. 6. 1982 erklärt, der Betrieb werde zumindest auf Zeit fortgeführt. Für den Kl. war somit nicht sicher, ob der Drei-Monats-Zeitraum des § 141b AFG im Falle einer schließlich doch noch eintretenden Zahlungsunfähigkeit und der sich daraus ergebenen Verpflichtung. Antrag auf Konkurseröffnung zu stellen, überschritten werden würde. Bestand somit bereits aus diesen Gründen für den Kl. keine anderweitige Sicherheit, die geeignet war, die Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts als treuwidrig erscheinen zu lassen, konnte offen bleiben, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer, wie der Kl. meint, auch deshalb nicht auf Ansprüche auf Konkursausfallgeld verweisen kann, weil diese Lohnsicherung wegen ihres öffentlichrechtlichen Charakters für die Frage der Rechtmäßigkeit der Ausübung des individualrechtlichen Zurückbehaltungsrechts grundsätzlich außer Betracht bleiben muss.
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