Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung

Gericht

BVerwG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

28. 06. 1994


Aktenzeichen

1 C 20/92


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Pensions-Sicherungs-Verein kann als Träger der Insolvenzsicherung auf der Grundlage des § 10 BetrAVG sog. Beitragsgrundlagenbescheide erlassen.

  2. Hat der Arbeitgeber für die betriebliche Altersversorgung eine widerrufliche Direktversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers abgeschlossen und widerruft er nach Eintritt der Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft das Bezugsrecht wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wird grundsätzlich ein der Insolvenzsicherung unterliegender Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers begründet, auch wenn dieser auf die Versorgung verzichtet hat.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der im Jahre 1929 geborene - nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat verstorbene - frühere Beigel. war seit dem 1. 1. 1966 bei dem Kl., einem Schausteller, als Arbeitnehmer beschäftigt. Als betriebliche Altersversorgung hatte der Kl. für den Beigel. zum 1. 1. 1976 eine Direktversicherung i.S. des § 1 II des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. 12. 1974 (BGBl I, 3610) mit nachfolgenden Änderungen (Betriebsrentengesetz, BetrAVG) mit widerruflichem Bezugsrecht abgeschlossen. Das Deckungskapital betrug zum 31. 12. 1984 19990 DM. Nachdem im Betrieb des Kl. wirtschaftliche Schwierigkeiten aufgetreten waren, beendete dieser das Arbeitsverhältnis und kündigte 1985 im Zusammenhang damit die Direktversicherung. Er widerrief die Bezugsberechtigung des Arbeitnehmers und ließ sich den Rückkaufswert auszahlen. Der frühere Beigel., der mit dem Kl. befreundet war, bestätigte nachträglich, dass er auf Leistungen aus der Direktversicherung verzichte, ohne eine Abfindung zu verlangen. Der Bekl. erließ einen Beitragsgrundlagenbescheid, durch den der Kl. verpflichtet wurde, für die Versorgungszusage vom Beitragsjahr 1986 an Beiträge zur Insolvenzsicherung zu entrichten.

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage blieb im ersten und im zweiten Rechtszug ohne Erfolg. Das BVerwG hat die Revision des Kl. zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Der Senat kann trotz des Todes des früheren Beigel. entscheiden, weil eine Unterbrechung des Verfahrens nicht eingetreten ist. Der Entscheidung steht auch nicht entgegen, dass die Rechtsnachfolge des verstorbenen Beigel. nicht geklärt ist (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 14. 10. 1993 - 1 B 165/93 m.w.Nachw.).

2. Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung revisiblen Rechts.

a) Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist nach § 40 I 1 VwGO gegeben. Die Beiträge nach § 10 BetrAVG werden aufgrund öffentlichrechtlicher Verpflichtung erbracht. Deshalb ist auch für die Prüfung eines Beitragsgrundlagenbescheids der Verwaltungsrechtsweg gegeben (vgl. BVerwGE 64, 248 (249) = NJW 1983, 53).

b) Das OVG ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Betriebsrentengesetz den Erlass eines Beitragsgrundlagenbescheids gestattet (vgl. BVerwG, Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 5 = NJW 1987, 3017; ferner zur Zulässigkeit feststellender Verwaltungsakte allgemein BVerwG, Buchholz 451.20 § 34c GewO Nr. 4 = NVwZ 1991, 267 und BVerwG, Buchholz 451.44 HeimG Nr. 6 = NVwZ-RR 1992, 192). Die Beitragspflicht kann auch für zurückliegende Zeiträume geltend gemacht werden, solange wie hier Verjährung nicht eingetreten ist. Es kommt darauf an, ob im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung die Voraussetzungen für das Bestehen der Beitragspflicht dem Grunde nach hinsichtlich der Zeiträume vorlagen, für die die Beitragspflicht geltend gemacht wird (vgl. BVerwGE 75, 292 (295) = NJW-RR 1987, 1313). Dies ist hier der Fall.

c) Materielle Rechtsgrundlage des angefochtenen Beitragsgrundlagenbescheides ist § 10 BetrAVG.

aa) Nach § 10 I BetrAVG werden die Mittel für die Durchführung der Insolvenzsicherung durch Beiträge aller Arbeitgeber aufgebracht, die entweder Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unmittelbar zugesagt haben oder eine betriebliche Altersversorgung über eine Unterstützungskasse oder eine Direktversicherung der in § 7 I 2 und II 1 Nr. 2 BetrAVG bezeichneten Art durchführen. Die Beitragspflicht setzt im Falle einer Versorgungsanwartschaft weiter regelmäßig voraus, dass diese nach § 1 BetrAVG unverfallbar ist. Das folgt zwar nicht aus der die Beitragspflicht dem Grunde nach bestimmenden Vorschrift des § 10 I BetrAVG, wohl aber aus § 10 III BetrAVG, der ausdrücklich § 1 BetrAVG in Bezug nimmt. Danach kann der Beitrag nicht bemessen werden aus solchen Versorgungsanwartschaften, die noch nicht unverfallbar sind. Deshalb besteht in diesen Fällen auch keine abstrakte Beitragspflicht nach § 10 I BetrAVG (vgl. Höfer/Reiners/Wüst, BetrAVG, 3. Aufl., Stand: 30. 7. 1993, § 10 Rdnr. 3140; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 10 Rdnr. 17; Paulsdorff, Komm. z. Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung, § 10 Rdnr. 23).

bb) Eine Beitragspflicht des Kl. kann nicht damit begründet werden, dass er eine Direktversicherung der in § 7 I 2 und II 1 Nr. 2 BetrAVG bezeichneten Art durchführe. Die Beitragspflicht ist für den Zeitraum vom 1. 1. 1986 an festgestellt worden. Die zugunsten des früheren Beigel. bestehende Direktversicherung war hingegen bereits 1985 beendet. Dies war im Verhältnis zu dem Versicherungsunternehmen wirksam (vgl. Ahrend/Förster, BetrAVG, 4. Aufl., § 1 Anm. 11; Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, § 1 Rdnr. 319; Höfer/Reiners/Wüst, BetrAVG, ART Rdnrn. 131, 132; § 1 Rdnr. 1585; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 1 Rdnr. 256; Blomeyer, DB 1988, 962 (965)). Bestand im maßgeblichen Zeitraum keine Direktversicherung, kann sie auch keine Beitragspflicht auslösen.

cc) Eine Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zur Insolvenzsicherung ist aber deshalb gegeben, weil an die Stelle der unverfallbaren Anwartschaft aus der Direktversicherung ein Anspruch getreten ist, der der Insolvenzsicherung unterliegt.

(1) Der angefochtene Bescheid und das erstinstanzliche Urteil gehen davon aus, dass sich aus einer unverfallbaren Anwartschaft unter den hier gegebenen Umständen nach § 2 II 1 BetrAVG i.V. mit § 2 I BetrAVG ein unmittelbarer Anspruch des früheren Beigel. gegen den Kl. ergibt, der der Insolvenzsicherung unterliegt. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das Gesetz verpflichtet für den Fall der Direktversicherung in § 2 II 1 BetrAVG den Arbeitgeber unmittelbar, eine Differenz zwischen der Teilleistung, die für einen nach Erfüllung der Unverfallbarkeitsvoraussetzungen ausgeschiedenen Arbeitnehmer aufrechtzuerhalten ist, und einer niedrigeren Versicherungsleistung auszugleichen. Diese Vorschrift betrifft den Fall, dass die Deckungssumme der Direktversicherung, die von verschiedenen versicherungstechnischen Faktoren abhängt, hinter dem Wert der unverfallbaren Versorgungsanwartschaft des Arbeitnehmers zurückbleibt. In einem solchen Fall muss der Arbeitgeber nach § 2 II 1 BetrAVG die Differenz als unmittelbare Versorgung erbringen. Um eine damit vergleichbare Konstellation, die das Bestehen einer intakten Direktversicherung voraussetzt, geht es hier nicht. Der Kl. hat die Direktversicherung 1985 gekündigt; der Rückkaufswert ist ausgezahlt. Eine aufgrund eines Ergänzungsanspruchs auszugleichende Differenz zwischen einem Leistungsanspruch des Arbeitnehmers und einer bestimmten Versicherungssumme besteht für die hier interessierenden Jahre ab 1986 nicht. Für eine entsprechende Anwendung des § 2 II 1 BetrAVG auf den Fall des Nichtbestehens einer Direktversicherung fehlt es an der erforderlichen Ähnlichkeit der Sachverhalte.

(2) Der Senat folgt auch nicht der Auffassung des Bekl., Beiträge zur Durchführung der Insolvenzsicherung seien deshalb zu erbringen, weil die Zusage des Kl., eine betriebliche Altersversorgung durchzuführen, als solche insolvenzgesichert sei. Das Betriebsrentengesetz differenziert sowohl bei den Bestimmungen über die Unverfallbarkeit als auch bei denjenigen über die Insolvenzsicherung danach, in welcher der im Gesetz vorgesehenen Modalitäten die betriebliche Altersversorgung durchgeführt wird. Dies verbietet es, die Beitragspflicht an eine von der Form der Durchführung der betrieblichen Altersversorgung losgelöste Zusage zu knüpfen.

(3) Nach Auffassung des Senats ist wegen des Widerrufs der Bezugsberechtigung und der Kündigung des Versicherungsvertrages jedoch ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Kl. entstanden, der insolvenzgeschützt ist, so dass der Bekl. Beiträge nach § 10 BetrAVG fordern kann. Nach § 1 II 1 BetrAVG darf der Arbeitgeber das Bezugsrecht des Arbeitnehmers aus einer Direktversicherung nach Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 I BetrAVG nicht mehr wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses widerrufen. Dieses gesetzliche Verbot bindet den Arbeitgeber nicht im Verhältnis zu dem Versicherungsunternehmen (vgl. Ahrend/Förster, § 1 Anm. 11; Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, § 1 Rdnr. 319; Höfer/Reiners/Wüst, § 1 Rdnr. 1585; Blomeyer/Otto, § 1 Rdnr. 256; Blomeyer, DB 1988, 962 (965)). Macht der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherungsunternehmen von seinem insoweit versicherungsrechtlich bestehenden Widerrufsrecht Gebrauch, kann dies jedoch im Verhältnis zum Arbeitnehmer gegen das gesetzliche Verbot des § 1 II 1 BetrAVG verstoßen. In gleicher Weise kann auch die Kündigung (§ 165 I VVG) der Versicherung im Verhältnis zu dem Arbeitnehmer rechtswidrig sein. Schon der diesem Verbot widersprechende Widerruf der Bezugsberechtigung löst einen Schadensersatzanspruch aus (vgl. BAG, NZA 1988, 159 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung). Dies ist eine Folge dessen, dass § 1 II 1 BetrAVG den Bestand der Versorgungsanwartschaft des Arbeitnehmers vor dem versicherungsvertragsrechtlich im allgemeinen zulässigen Widerruf der Bezugsberechtigung schützen will. Verstößt der Arbeitgeber gegen diese Schutzvorschrift, muss er grundsätzlich dafür einstehen, indem er Schadensersatz leistet.

Der Kl. hat unter Verletzung des § 1 II 1 BetrAVG das Bezugsrecht widerrufen. Die Voraussetzungen des § 1 I 1 BetrAVG waren erfüllt. Zwar bestand die Versorgungszusage noch keine 10 Jahre. Sie bestand aber mehr als drei Jahre, was ausreicht, weil der frühere Beigel. über 12 Jahre dem Betrieb des Kl. angehörte. Der Widerruf erfolgte auch wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, denn dafür genügt, dass wie hier ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Kündigung des Arbeitsverhältnisses und dem Widerruf besteht und der Widerruf auch nicht mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Arbeitgebers begründet werden kann, wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt.

Auch Versorgungszusagen auf der Grundlage von Direktversicherungen können unter Umständen einseitig aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen werden (vgl. Höfer/Reiners/Wüst, ART Rdnr. 386; Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, § 1 Rdnr. 420). § 1 I 1 BetrAVG bezweckt den Schutz des Arbeitnehmers vor einem Widerruf der Bezugsberechtigung aus Gründen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Er steht aber einem Widerruf aus anderen Gründen, auch wenn dieser anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen wird, nicht in jedem Fall entgegen. Die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Versorgungszusage sind nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich danach, welchen Stand die aus der Versorgungszusage erwachsene Versorgungsanwartschaft hat. Ein Eingriff in den durch die Betriebszugehörigkeit erdienten Besitzstand des Arbeitnehmers ist danach nur ausnahmsweise zulässig (vgl. BAG, NZA 1987, 885 = BB 1987, 1673; auch BAGE 49, 57 (68) = NZA 1986, 57). In der Regel ist er unverhältnismäßig und deshalb unzulässig. Er ist bei Versorgungsanwartschaften, die nach Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes zugesagt worden sind (vgl. dazu BVerfGE 74, 129 (154) = NZA 1987, 347), nur gestattet, wenn dafür zwingende Gründe vorliegen. Sind solche Gründe gegeben, darf der Arbeitgeber auch eine unverfallbare Anwartschaft einseitig widerrufen.

Die Vorinstanzen haben keine Feststellungen darüber getroffen, ob hier zwingende Gründe vorlagen. Darauf kommt es indessen nicht an. Denn selbst eine Notlage des Arbeitgebers rechtfertigt nach der Rechtsprechung des BAG, der sich der erkennende Senat anschließt, den Widerruf einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft nur dann, wenn vorher der bekl. Pensions-Sicherungs-Verein "eingeschaltet" worden ist (vgl. BAGE 29, 379 (391) = NJW 1978, 1069; BAGE 68, 272 (275) = NZA 1992, 219). Seine Beteiligung soll es ihm ermöglichen zu prüfen, ob und inwieweit er nach dem Widerruf einer Versorgungsanwartschaft wegen wirtschaftlicher Notlage einstehen muss oder doch darf (vgl. BAGE 29, 379 (391) = NJW 1978, 1069). Seine Einschaltung kann nicht mit Wirkung für die Zeit vor der Erklärung des Widerrufs nachgeholt werden (vgl. BAGE 68, 272 (275) = NZA 1992, 219). Hier fehlt es an der erforderlichen Beteiligung des Bekl. Somit war der Kl. nicht berechtigt, einseitig die Bezugsberechtigung des Arbeitnehmers zu widerrufen.

Die Rechtswidrigkeit des Widerrufs der Bezugsberechtigung ist auch nicht deshalb entfallen, weil der Kl. und der inzwischen verstorbene Beigel. vereinbart hatten, dass die Versorgungsanwartschaft entfallen solle. Diese Vereinbarung ist unwirksam. Die Wirksamkeit eines Erlassvertrages bzw. Verzichts in bezug auf eine den Voraussetzungen des § 1 BetrAVG genügende Versorgungsanwartschaft wird teilweise für zulässig erachtet (vgl. Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, § 3 Rdnr. 34a; Höfer/Reiners/Wüst, § 3 Rdnr. 2083; Blomeyer/Otto, § 3 Rdnr. 11). Der erkennende Senat folgt indessen der namentlich vom BAG (BAGE 56, 148 = NZA 1988, 470; BAGE 65, 341 = NZA 1991, 174) vertretenen Gegenansicht (so auch Willemsen, RdA 1987, 327 (331); Heither, RdA 1993, 72 (74); Blomeyer, BetrAV, 1988, 1 (6)). Die Unwirksamkeit eines derartigen Vertrages ergibt sich aus § 3 BetrAVG. Nach dieser Bestimmung kann dem Arbeitnehmer für eine Anwartschaft, die er wie hier der frühere Beigel. nach § 1 I -III BetrAVG bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses behält, mit seiner Zustimmung eine einmalige Abfindung gewährt werden, wenn die Anwartschaft auf einer Versorgungszusage beruht, die weniger als zehn Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Unternehmen erteilt wurde. Daraus folgt zunächst das Verbot einer Abfindung, wenn die Anwartschaft auf einer Versorgungszusage beruht, die zehn Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Unternehmen erteilt worden ist. Aus diesem Verbot muss der Schluss gezogen werden, dass bei sonst gleichen Voraussetzungen erst recht der abfindungslose Verzicht auf die Anwartschaft unwirksam ist. Beruht die unverfallbare Anwartschaft auf einer Versorgungszusage, die weniger als zehn Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Unternehmen erteilt wurde, kann zwar mit Zustimmung des Arbeitnehmers eine einmalige Abfindung gewährt werden. Daraus folgt aber zugleich, dass ohne eine solche Abfindung die Versorgungsanwartschaft erhalten bleibt. Davon kann nach § 17 III BetrAVG nicht durch individuelle Abmachung zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.

Der Revision ist zuzugeben, dass § 3 I 1 BetrAVG den Verzicht auf eine Versorgungsanwartschaft nicht ausdrücklich regelt. Gleichwohl muss aus dem Zusammenhang des § 3 I 1 BetrAVG mit § 1 BetrAVG und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Gesetzes geschlossen werden, dass der Verzicht ohne Abfindung unzulässig ist. § 3 I 1 BetrAVG liegt der Gedanke zugrunde, dass der Gesichtspunkt der Erhaltung der Versorgung nur ausnahmsweise gegen Abfindung zurücktreten darf, wenn die Versorgungszusage weniger als zehn Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Unternehmen erteilt worden ist. Bei einer mindestens zehn Jahre zurückliegenden Versorgungszusage darf die Versorgungsanwartschaft nicht einmal gegen Abfindung beseitigt werden; es bleibt dann bei der erarbeiteten Versorgungsanwartschaft. Dem Arbeitnehmer soll in diesem Falle die Altersversorgung stets erhalten bleiben. Dieses Ziel würde durch einen abfindungslosen Verzicht noch stärker beeinträchtigt werden als durch eine Abfindung, die es dem Arbeitnehmer immerhin ermöglichte, eine eigene Vorsorge zu treffen. Wird in diesem Falle schon eine Abfindung ausgeschlossen, um die Versorgungsanwartschaft (notfalls auch gegen den gegenwärtigen Willen des Arbeitnehmers) aufrechtzuerhalten, muss dies erst recht für einen Verzicht gelten. Liegt die Versorgungszusage noch keine zehn Jahre zurück, räumt das Gesetz dem Arbeitgeber im Interesse einer Vereinfachung in der Abwicklung eine von der Zustimmung des Arbeitnehmers abhängige Abfindungsmöglichkeit ein. Wenn dem Arbeitnehmer in diesem Falle eine Abfindung gewährt wird, lässt das Gesetz den Gedanken der Sicherung der Altersversorgung zurücktreten. Wird ihm aber keine Abfindung gewährt, soll ihm seine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erhalten bleiben. Es spricht nichts dafür, dass das Gesetz es in dem Fall der noch nicht zehnjährigen Versorgungszusagedauer ermöglichen wollte, eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft abfindungslos untergehen zu lassen. Vielmehr entspricht es dem Regelungssystem des Gesetzes, dass die unverfallbare Versorgungsanwartschaft grundsätzlich bestehen bleiben soll und nur ausnahmsweise gegen Abfindung untergehen kann. Dieser Regelungsmechanismus ist gem. § 17 III 2 BetrAVG auch gegenüber freiwilligen Vereinbarungen der Partner des Arbeitsvertrages gesichert.

Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Ihnen ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber einen Schutz der sozial schwächeren Partner des Arbeitsvertrages durch gesetzliche Mindestnormen erzielen wollte. Die von dem Gesetzgeber gewählte arbeitsrechtliche Lösung zur Regelung von ihm als Mängel empfundener Zustände sollte zwar keine umfassende Kodifikation des gesamten Betriebsrentenwesens bewirken, sondern "einige Mängel" beseitigen (vgl. BT-Dr 7/1281, S. 19). Zu diesen gehörte aber gerade die ohne gesetzliche Regelung bestehende weitgehende Verfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften, die beseitigt werden sollte. Dies sollte "umfassend" sein (vgl. BT-Dr 7/1281, S. 19). Auch in anderem Zusammenhang hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die "Sicherung des Versorgungszweckes lückenlos verwirklicht" werden sollte (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, BT-Dr 7/2843, S. 7). Daraus, dass der Gesetzgeber den vertraglich abfindungslosen Verzicht nicht gesondert in den Blick genommen hat, kann deshalb nicht abgeleitet werden, er sei generell zulässig. Vielmehr spricht die dargelegte Zielsetzung einer umfassenden Beseitigung der weithin bestehenden Verfallbarkeit für einen möglichst weitgehenden Arbeitnehmerschutz.

Das aus dem Regelungssystem des Betriebsrentengesetzes folgende, durch § 17 III 3 BetrAVG geschützte Verbot eines Erlassvertrags mag zwar einen erheblichen Eingriff in die Vertragsfreiheit darstellen (vgl. auch BAGE 56, 148 (153) = NZA 1988, 470). Dieser Eingriff ist aber zur Erreichung der Ziele des Gesetzes geeignet und zum Schutze der Altersversorgung der Arbeitnehmer erforderlich. Er ist nicht unverhältnismäßig, wenn berücksichtigt wird, dass der Arbeitgeber sich bei einer festgestellten wirtschaftlichen Notlage von der Versorgungsverpflichtung, wenn auch unter Einschaltung des Beklagten, sogar einseitig lösen kann. Eine Verletzung der grundrechtlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) sowie der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 I GG) scheidet daher aus. Der zwischen dem Kl. und dem früheren Beigel. vereinbarte Verzicht bzw. Erlass ist somit unwirksam. Er konnte demzufolge nicht die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Bezugsberechtigung und der Kündigung des Versicherungsvertrages bewirken.

(4) Infolge des rechtswidrigen Widerrufs der Bezugsberechtigung ist dem verstorbenen Beigel. ein Schadensersatzanspruch erwachsen. Der Kl. macht geltend, der verstorbene Beigel. habe einen Schadensersatzanspruch nicht geltend machen wollen. Abgesehen davon, dass es sich insoweit um eine im Revisionsverfahren erstmals vorgetragene Behauptung handelt, die gem. § 137 II VwGO unberücksichtigt bleiben muss, gilt sinngemäß das bereits zum Erlassvertrag Ausgeführte. Wenn der Arbeitnehmer auf die einmal begründete betriebliche Altersversorgung nicht wirksam verzichten kann, kann er auch nicht wirksam auf einen wegen der Beendigung einer der betrieblichen Altersversorgung dienenden Direktversicherung zustehenden Schadensersatzanspruch verzichten.

(5) Der dem Arbeitnehmer zustehende Schadensersatzanspruch ist insolvenzgeschützt mit der Folge, dass Beiträge nach § 10 BetrAVG zu entrichten sind. Dies folgt daraus, dass der Schadensersatzanspruch als Surrogat der Direktversicherung wie eine unmittelbare Versorgungszusage behandelt werden muss, die als solche dem Insolvenzschutz unterliegt. Die Verpflichtung des Kl., Schadensersatz zu leisten, ist nach Maßgabe des § 249 BGB zu erfüllen. Der Arbeitnehmer muss so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn der Widerruf der Bezugsberechtigung und die Kündigung des Versicherungsvertrages nicht erfolgt wären. Das kann durch Abschluss einer entsprechenden (beitragsfreien) Versicherung geschehen. Eine solche Direktversicherung unterläge wiederum der Insolvenzsicherung. Der auf Begründung dieser Versicherung gerichtete Anspruch ist auf Versorgung durch den Kl. gerichtet und steht insoweit einer unmittelbaren Versorgungszusage gleich. Wie diese muss er daher auch der Insolvenzsicherung unterliegen.

Für dieses Ergebnis spricht auch folgende Erwägung: Im Falle der Direktversicherung mit unwiderruflichem Bezugsrecht werden die Beiträge des Arbeitgebers an den Pensions-Sicherungs-Verein auf der Grundlage des Deckungskapitals nur insoweit berechnet, als die Versicherungen abgetreten oder beliehen sind (§ 10 III Nr. 2 S. 2 BetrAVG).Bei Direktversicherungen mit widerruflichem Bezugsrecht ist hingegen nach § 10 III Nr. 2 S. 1 BetrAVG das geschäftsplanmäßige Deckungskapital vollständig Beitragsbemessungsgrundlage. Das zeigt, dass im zuerst genannten Fall das Versicherungsrisiko nur in einer Abtretung oder Beleihung liegt, während der Pensions-Sicherungs-Verein bei einer Direktversicherung mit widerruflichem Bezugsrecht die volle Versorgungsanwartschaft versicherungsmäßig abdeckt. Deshalb ist es sachgerecht, dass der Bekl. auch für einen infolge eines unzulässigen Widerrufs einer wie hier widerruflichen Direktversicherung entstandenen Schadensersatzanspruch das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers trägt und dieser Anspruch Grundlage für die Berechnung des Beitrags ist. Diese Auffassung wird schließlich dadurch bestätigt, dass auch der Auffüllungsanspruch nach § 2 II 1 BetrAVG, der sich ebenfalls gegen den Arbeitgeber richtet, nach wohl allgemeiner Meinung insolvenzgesichert ist (vgl. Blomeyer/Otto, § 2 Rdnr. 157; Höfer/Reiners/Wüst, § 2 Rdnr. 1749; Blomeyer, BetrAV, 1979, 110 (112)), weil er wie ein Anspruch aus einer unmittelbaren Versorgungszusage behandelt werden muss. In gleicher Weise ist der Arbeitgeber Schuldner des Schadensersatzanspruchs des Arbeitnehmers im Falle des Widerrufs und der Kündigung der Direktversicherung. Dieser Anspruch ist auf Begründung eines dem früheren entsprechenden Versicherungsschutzes durch Abschluss einer beitragsfreien Direktversicherung gerichtet. Wie die ursprüngliche wäre auch die zu begründende Direktversicherung insolvenzgeschützt. Für den auf sie zielenden Schadensersatzanspruch kann dann nichts anderes gelten.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich von demjenigen, den das BAG in seinem Urteil vom 17. 11. 1992 (NZA 1993, 843 = AP Nr. 1 zu § 7 BetrAVG Lebensversicherung) entschieden und in dem es einen Insolvenzschutz für einen wegen Nichtentrichtung von kapitalbildenden Beiträgen durch den Arbeitgeber bestehenden Schadensersatzanspruch abgelehnt hat. Dabei handelte es sich um eine Direktversicherung mit unwiderruflichem Bezugsrecht des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber nicht pflichtgemäß bedient hatte. Der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen einer Beschädigung der Versicherung durch Nichtzahlung der Prämien ist nach Auffassung des BAG (NZA 1993, 843 = AP Nr. 1 zu § 7 BetrAVG Lebensversicherung) nicht insolvenzgesichert. Dieser Entscheidung sind Höfer/Reiners/Wüst (§ 7 Rdnr. 2835.2) entgegengetreten. Sie haben insbesondere darauf hingewiesen, dass eine Auseinandersetzung mit der Überlegung fehle, der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, der sich aus der unterlassenen Beitragszahlung ergebe, sei wie eine unmittelbare Versorgungszusage zu behandeln. Das kann hier auf sich beruhen. Jedenfalls in dem vorliegenden Fall, in dem es sich um eine widerrufliche Direktversicherung handelt und diese zudem nicht nur durch Vorenthaltung von Beiträgen "beschädigt", sondern widerrechtlich gänzlich beseitigt wurde, ist aus den dargelegten Gründen Insolvenzschutz zu bejahen.

Dies kann der erkennende Senat ohne Anrufung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes entscheiden. Er weicht nicht i.S. des § 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. 6. 1968 (BGBl I, 661) von dem Urteil des BAG vom 17. 11. 1992 (NZA 1993, 843 = AP Nr. 1 zu § 7 BetrAVG Lebensversicherung) ab, denn dieses Urteil betrifft die Insolvenzsicherung eines Schadensersatzanspruchs für eine Direktversicherung mit unwiderruflichem Bezugsrecht, während vorliegend das Bezugsrecht im Verhältnis zum Versicherungsunternehmen widerrufen werden konnte. Der Insolvenzschutz von unwiderruflichen und widerruflichen Direktversicherungen unterscheidet sich, wie oben ausgeführt, wesentlich. Bei der Beurteilung des Insolvenzschutzes eines an die Stelle der Direktversicherung tretenden Schadensersatzanspruchs handelt es sich mithin nicht um dieselbe Rechtsfrage wie die vom BAG beurteilte Frage.

d) Der Umstand, dass der Beigel. inzwischen verstorben ist, hat schon deswegen keine Auswirkung auf diese Rechtslage, weil der Bekl. jedenfalls das Insolvenzrisiko bis zum Ableben des Beigel. getragen hat und zu dessen Deckung auch Beiträge fordern kann.

Vorinstanzen

OVG Lüneburg, 4 OVG A 94/88, 10.01.1990

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht