Insolvenzschutz bei vertraglicher Unverfallbarkeit

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

22. 02. 2000


Aktenzeichen

3 AZR 4/99


Leitsatz des Gerichts

Für den Insolvenzschutz eines Versorgungsanwärters reicht eine lediglich arbeitsvertragliche Unverfallbarkeit nicht aus. Bei rechtlichen Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses muss die gesetzliche Unverfallbarkeit nach § 1 I BetrAVG neu erworben werden. Auf den Grund und die Dauer der Unterbrechung kommt es nicht an.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob die Versorgungsanwartschaft der Kl. kraft Gesetzes unverfallbar ist und deshalb der bekl. Pensions-Sicherungs-Verein Insolvenzschutz schuldet. Die am 5. 7. 1953 geborene Kl. war vom 6. 10. 1975 bis zum 11. 8. 1981 bei der P-GmbH Pa., der späteren Gemeinschuldnerin, beschäftigt. Bereits bei Beginn des Arbeitsverhältnisses war der Kl. zugesagt worden, dass sie eine betriebliche Altersversorgung aus der Unterstützungseinrichtung für die Werksangehörigen der P-GmbH Pa.e.V. erhalten werde. Zum 11. 8. 1981 kündigte die Kl. ihr Arbeitsverhältnis. Sie hat behauptet, dafür seien ausschließlich familiäre Gründe maßgeblich gewesen. Ihre beiden 1974 und 1980 geborenen Kinder seien von einer Tagesmutter betreut worden. Als die Tagesmutter schwanger geworden und kurzfristig ausgefallen sei, habe die Kl. nicht mehr weiterarbeiten können, sondern sich selbst um ihre Kinder kümmern müssen, bis sie einen Ersatz für die Tagesmutter gefunden habe.

Am 29. 9. 1981 trat die Kl. wieder in die Dienste der P-GmbH Pa. Ihre Arbeitszeit belief sich seither auf wöchentlich 20 Stunden. Die Arbeitgeberin teilte ihr mit Schreiben vom 11. 11. 1981 unter dem Betreff: „Betriebszugehörigkeit“ folgendes mit:

„Sie haben vom 6. 10. 75 bis 11. 8. 81 in unserem Hause gearbeitet und mussten ihre Stelle aus familiären Gründen aufgeben. Am 29. 9. 81 haben Sie erneut bei uns angefangen mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden. Nachdem Sie seit Ihrem Austritt keine anderweitige Beschäftigung aufgenommen haben, erklären wir uns bereit, Ihr erstes Beschäftigungsverhältnis als Betriebszugehörigkeit anzurechnen.

Als neuer Eintrittstermin errechnet sich der 23. 11. 75. Wir haben diesen Termin als Basis für die Berechnung Ihrer Weihnachtsgratifikation zu Grunde gelegt. Dieses Arbeitsverhältnis endete am 21. 5. 1991. Die Arbeitgeberin bestätigte der Kl. mit Schreiben vom 28. 5. 1991 „die Unverfallbarkeit der Leistungen aus der Unterstützungseinrichtung“ und errechnete „infolge des vorzeitigen Ausscheidens ein zeitanteilig gekürztes Ruhegeld bei Vollendung des 65. Lebensjahres in Höhe von 75 DM“ monatlich.

Am 1. 1. 1996 wurde über das Vermögen der früheren Arbeitgeberin das Konkursverfahren eröffnet. Der bekl. Pensions-Sicherungs-Verein gewährt der Kl. keinen Insolvenzschutz. Die Kl. hat die Auffassung vertreten, sie habe eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben, für die der Pensions-Sicherungs-Verein einzustehen habe. Die kurze Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses von lediglich sechs Wochen und sechs Tagen sei unerheblich. Zwischen den Arbeitsverhältnissen habe ein enger sachlicher Zusammenhang bestanden. Er dürfe ebenso wenig wie im Kündigungsschutzgesetz und Beschäftigungsförderungsgesetz außer Acht gelassen werden. Die Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft scheitere nicht an fehlender Betriebstreue der Kl. Sie sei nicht für einen anderen Arbeitgeber tätig gewesen. Dies habe die P-GmbH Pa. im Schreiben vom 11. 11. 1981 ausdrücklich honoriert. Wenn der Arbeitgeber trotz fehlender gesetzlicher Verpflichtung ein Einsehen in die besondere Interessenlage zeige und das frühere Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Arbeitsbedingungen fortführe, müsse das auch der Pensions-Sicherungs-Verein gegen sich gelten lassen. Die Versagung des Insolvenzschutzes verstoße im vorliegenden Fall sowohl gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG als auch gegen den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 I GG). Die Kl. hat beantragt festzustellen, dass sie dem bekl. Pensions-Sicherungs-Verein gegenüber einen Anspruch auf Anwartschaft aus der betrieblichen Altersversorgung der P-GmbH Pa. hat. Der bekl. Pensions-Sicherungs-Verein hat gemeint, der Kl. stehe kein Insolvenzschutz zu, weil sie nach § 1 I BetrAVG keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben habe. Sie habe in keinem der beiden Arbeitsverhältnisse die gesetzlichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen erfüllt. Die beiden Arbeitsverhältnisse könnten auch nicht zusammengerechnet werden. Vordienstzeiten könnten nur dann angerechnet werden, wenn sich das zweite Arbeitsverhältnis nahtlos an das erste anschließe. Im vorliegenden Fall sei das Arbeitsverhältnis jedoch beendet und erst nach einer Unterbrechung von mehr als sechs Wochen neu begründet worden. Für eine lediglich vertraglich unverfallbare Versorgungsanwartschaft müsse der Pensions-Sicherungs-Verein nicht einstehen.

Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Pensions-Sicherungs-Vereins hat das LAG die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Kl. die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das LAG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der bekl. Pensions-Sicherungs-Verein muss der Kl. keinen Insolvenzschutz gewähren, denn sie hat keine gesetzlich unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben.

I. Die Kl. war bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen ihrer früheren Arbeitgeberin und damit bei Eintritt des Sicherungsfalls nicht Versorgungsempfängerin, sondern Versorgungsanwärterin. Der Insolvenzschutz ist für Versorgungsempfänger und Versorgungsanwärter unterschiedlich ausgestaltet. Die Versorgungsempfänger genießen nach dem Betriebsrentengesetz einen weitergehenden Insolvenzschutz als die Versorgungsanwärter (vgl. u.a. BAG [26. 1. 1999], BAGE 91, 1 [3] = NZA 1999, 711 = NZI 2000, 42; BAG [8. 6. 1999] NZA 1999, 1215 = NZI 1999, 470 = AP BetrAVG § 7 Nr. 92 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 60, [zu II] m.w. Nachw.). Bei den Versorgungsempfängern kommt es nach § 7 I BetrAVG ohne Einschränkung auf die getroffenen Ruhegeldvereinbarungen an. Für den Insolvenzschutz der Versorgungsanwärter verlangt § 7 II BetrAVG, dass die Versorgungsanwartschaft nach der gesetzlichen Vorschrift des § 1 BetrAVG unverfallbar ist. Eine lediglich arbeitsvertragliche Unverfallbarkeit reicht nicht aus (vgl. BAG [3. 8. 1978], BAGE 31, 45 [49]; BAG [22. 11. 1994], BAGE 78, 279 [284] = NZA 1995, 887; BAG [28. 3. 1995], BAGE 79, 370 [374] = NZA 1996, 258).

II. Zutreffend hat das LAG angenommen, dass die Kl. weder in ihrem ersten noch in ihrem zweiten Arbeitsverhältnis die gesetzlichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des § 1 I BetrAVG erfüllt hat.

1. Im ersten Arbeitsverhältnis bestand die Versorgungszusage nicht wie nach der ersten Alternative des § 1 I 1 BetrAVG erforderlich zehn Jahre, sondern lediglich fünf Jahre zehn Monate. Nach der zweiten Alternative des § 1 I 1 BetrAVG setzt die Unverfallbarkeit neben einer mindestens dreijährigen Zusagedauer eine Betriebszugehörigkeit von mindestens zwölf Jahren voraus. Das Arbeitsverhältnis endete am 11. 8. 1981 durch eine Eigenkündigung der Kl. Ebenso wie die Versorgungszusage hatte es lediglich fünf Jahre zehn Monate bestanden.

a) Erstmals im Revisionsverfahren hat die Kl. geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis sei rechtlich nicht beendet worden, sondern die Parteien hätten lediglich ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart. Dabei handelt es sich um neue Tatsachen, die im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden können. Nach § 561 I 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des RevGer. nur das Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Neue Tatsachen können zwar nach § 561 I 2 ZPO im Rahmen einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge vorgetragen werden. Die Aufklärungsrüge der Kl. hat aber keinen Erfolg. Das LAG hat seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO nicht verletzt. Für eine lediglich tatsächliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses hat der Sachvortrag der Kl. im Berufungsverfahren keine ausreichenden Anhaltspunkte enthalten. Die Behauptung einer Ruhensvereinbarung widerspricht sogar dem bisherigen Vorbringen der Kl. Sie hatte behauptet, dass sie das Arbeitsverhältnis aus familiären Gründen gekündigt habe. Durch eine Kündigung wird das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet. Bei einer Ruhensvereinbarung wäre die Kündigung überflüssig gewesen oder gegenstandslos geworden. In dem von der Kl. vorgelegten Schreiben vom 11. 11. 1981 ist die Arbeitgeberin folgerichtig von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und einer Neueinstellung ausgegangen. Sie sprach von „Stelle aufgeben“, „erneut anfangen“, „Austritt“, „erstes Beschäftigungsverhältnis“ und „neuer Eintrittstermin“. Auch die Anrechnung einer früheren Betriebszugehörigkeit und die Festlegung eines neuen, fiktiven Eintrittstermins setzen eine rechtliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses voraus.

b) Die Kündigungserklärung der Kl. ist weder durch einen Wegfall der Geschäftsgrundlage noch durch eine Anfechtung unwirksam geworden.

aa) Ob die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf einseitige Rechtsgeschäfte überhaupt nicht oder unter bestimmten Voraussetzungen anwendbar sind (ablehnend ua. BGH [25. 11. 1992], NJW 1993, 850; Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 242 Rdnr. 114), kann offen bleiben. Jedenfalls besteht zwischen der Zulässigkeit einer Bedingung und dem Wegfall der Geschäftsgrundlage ein enger Zusammenhang. Geschäftsgrundlagen sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH und des BAG die bei Abschluss des Vertrages zu Tage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien darauf aufbaut (vgl. ua. BGH [23. 10. 1957], BGHZ 25, 390 [392] = NJW 1958, 397; BAG [9. 7. 1986], BAGE 52, 273 [276] = NZA 1987, 16 = NJW 1987, 918 m.w. Nachw.). Demnach ähnelt die Geschäftsgrundlage einer nicht ausdrücklich vereinbarten Bedingung. Umstände, die nicht zum Gegenstand einer Bedingung gemacht werden können, eignen sich nicht als Anknüpfungspunkt für eine Störung der Geschäftsgrundlage (Roth, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 242 Rdnr. 574). Kündigungen können grundsätzlich nicht mit einer Bedingung verknüpft werden. Lediglich Rechtsbedingungen und die nur vom Willen des Kündigungsempfängers abhängigen Bedingungen (sog. Potestativbedingungen) sind zulässig. Die Kl. möchte dagegen auf ungewisse, in ihrer Privatsphäre liegende Entwicklungen abstellen. Sie hat gemeint, die Wiederaufnahme der Tätigkeit nach sechs Wochen habe auf einer unvorhergesehenen Änderung der Umstände beruht. Die Wirksamkeit ihrer Kündigung konnte sie jedoch nicht davon abhängig machen, ob sie früher als erwartet einen Ersatz für die ausgefallene Tagesmutter finden werde.

bb) Das von der Kl. geäußerte „Anliegen, nun doch weiter beim Arbeitgeber tätig sein zu wollen“, enthält keine Anfechtungserklärung. Eine stillschweigende Anfechtung kann allerdings darin liegen, dass sich die Kl. auf die Anfechtung berufen hat. Dies ist aber erst im Revisionsverfahren geschehen, so dass die Anfechtungsfrist des § 121 I BGB nicht gewahrt ist. Nach dieser Vorschrift muss die Anfechtung in den Fällen des § 119 BGB unverzüglich erfolgen. Die Umstände, die nach Auffassung der Kl. eine Anfechtung ermöglichen, lagen bereits vor der Wiedereinstellung (29. 9. 1981) vor. Im übrigen ist den Ausführungen der Kl. auch kein Anfechtungstatbestand i.S. des § 119 BGB zu entnehmen. Es lag allenfalls ein unbeachtlicher Motivirrtum vor.

2. Auch im zweiten Arbeitsverhältnis erreichte die Kl. weder eine Zusagedauer von 10 Jahren, noch eine Betriebszugehörigkeit von 12 Jahren. Die Zeiten aus dem ersten Arbeitsverhältnis können nicht angerechnet werden.

a) Für den Eintritt der gesetzlichen Unverfallbarkeit kommt es auf das letzte Arbeitsverhältnis bei der Gemeinschuldnerin an. Vorangegangene Arbeitsverhältnisse bleiben grundsätzlich unberücksichtigt unabhängig davon, ob sie von einer Versorgungszusage begleitet waren, und unabhängig davon, ob sie bei der Gemeinschuldnerin oder einem anderen Arbeitgeber bestanden (vgl. u.a. BAG [14. 8. 1980], BAGE 34, 123 [126] = NJW 1981, 1112; BAG, Urt. v. 24. 6. 1998 - 3 AZR 97/97 unveröff. [zu II]). Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlischt die Versorgungsanwartschaft. Die Unverfallbarkeit muss im neuen Arbeitsverhältnis neu erworben werden (vgl. BAG [19. 7. 1983], DB 1983, 2255, [zu 2a]). Nach § 1 I 3 BetrAVG unterbricht eine Änderung der Versorgungszusage oder ihre Übernahme durch eine andere Person nicht den Ablauf der Unverfallbarkeitsfristen. Der Umkehrschluss ergibt, dass eine rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einer Unterbrechung der Unverfallbarkeitsfristen führt. Wird eine Frist unterbrochen, so beginnt sie nach Beendigung der Unterbrechung neu zu laufen (vgl. § 217 BGB).

b) Eine Anrechnung von früheren Zusage- und Beschäftigungszeiten kommt nach der Rechtsprechung des BAG nur ausnahmsweise in Betracht. Es genügt nicht, dass der später insolvente Arbeitgeber die Anrechnung dieser Zeiten zugesagt hat. Außerdem ist erforderlich, dass die angerechnete Vordienstzeit von einer Versorgungszusage begleitet war und an das Arbeitsverhältnis heranreicht, das eine neue Versorgungsanwartschaft begründet (st. Rspr. des Senats, vgl. u.a. BAG [11. 1. 1983], BAGE 44, 1 = NJW 1984, 1199; BAG [28. 3. 1995], BAGE 79, 370 [374] = NZA 1996, 258). In diesen Fällen lässt sich eine dem § 1 I 3 BetrAVG vergleichbare Sach- und Interessenlage bejahen. Selbst diese eng begrenzte Rechtsfortbildung wird in der Literatur kritisiert (vgl. u.a. Blomeyer/Otto, BetrAVG, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 165; Höfer, BetrAVG, Stand: 1999, § 1 Rdnr. 1339 jeweils m.w. Nachw.). Im vorliegenden Fall kommt es nicht darauf an, ob die geltend gemachten Bedenken berechtigt sind. Der Senat hält daran fest, dass jedenfalls eine weitergehende Rechtsfortbildung abzulehnen ist (BAG [26. 9. 1989] BAGE 63, 47 [51] = NZA 1990, 189 und BAGE 63, 52 [57] = NZA 1990, 348; BAG, Urt. v. 13. 3. 1990 - 3 AZR 506/88 unveröff. [zu 3b]).

c) Die vom Senat entwickelten Grundsätze gelten sowohl für die Berechnung der Zusagedauer als auch für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit nach § 1 I BetrAVG (vgl. u.a. BAG, DB 1983, 2255 [zu 2b]; BAGE 63, 47 [50] = NZA 1990, 189; BAG, NZA 1996, 258). Danach können die von der Kl. in den beiden Arbeitsverhältnissen erreichten Zusage- und Beschäftigungszeiten nicht als Einheit angesehen werden. Das erste Arbeitsverhältnis reicht nicht an das zweite heran. Die Kl. hat gemeint, der vom Senat mehrfach gebrauchte Begriff „heranreichen“ sei unklar und lasse es zu, kürzere Unterbrechungen in Ausnahmefällen wie dem vorliegenden unberücksichtigt zu lassen. Dies trifft nicht zu. Was unter „heranreichen“ zu verstehen ist, hat der Senat in den Entscheidungen vom 13. 3. 1990 - 3 AZR 506/88 unveröff. (zu 3a) und vom 24. 6. 1998 - 3 AZR 97/97 unveröff. klargestellt. Im Urteil vom 13. 3. 1990 hat der Senat ausgeführt, dass eine für den Insolvenzschutz beachtliche Anrechnung „allenfalls“ dann in Betracht komme, wenn sich ein Arbeitsverhältnis „nahtlos“ an das andere anschließe. Eine inhaltsgleiche Aussage findet sich im Urteil vom 24. 6. 1998. In diesem Urteil wird verlangt, dass die Anrechnungszeiten „dem letzten Arbeitsverhältnis unmittelbar vorangegangen“ sind. Der Senat hat mehrfach betont, dass Dienstzeiten in unterbrochenen Arbeitsverhältnissen nicht zusammengerechnet werden können (vgl. u.a. BAGE 34, 123 [126] = NJW 1981, 1112; BAG, NZA 1980, 189 m.w.Nachw.).

d) Die Kl. hat unter Hinweis auf Höfer, (BetrAVG § 1 Rdnrn. 1516ff.) die Auffassung vertreten, mehrere Arbeitsverhältnisse zum selben Arbeitgeber könnten im Rahmen des § 1 I BetrAVG als Einheit betrachtet werden, wenn zwischen den Beschäftigungen ein innerer Zusammenhang bestehe. Diese Ansicht teilt der Senat nicht (ablehnend auch ein Großteil des Schrifttums, vgl. u.a. Blomeyer/Otto, BetrAVG § 1 Rdnrn. 82 und 134f.; Kemper, Die Unverfallbarkeit betrieblicher Versorgungsanwartschaften von Arbeitnehmern, S. 115ff. jeweils m.w. Nachw.). Er hält daran fest, dass es auf den Grund und die Dauer der Unterbrechung nicht ankommt. Ebenso ist es unerheblich, ob durch eine andere Vertragsgestaltung eine rechtliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses und die sich daraus ergebenden Nachteile beim Insolvenzschutz hätten vermieden werden können (vgl. BAG [9. 3. 1982], AP BetrAVG § 1 Wartezeit Nr. 13 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 10 [zu II b]; BAG, Urt. v. 13. 3. 1990 - 3 AZR 506/88 unveröff. [zu 3a]; BAG, Urt. v. 17. 12. 1991 - 3 AZR 89/91 unveröff. [zu 2d]).

aa) Die von der Kl. angeregte einzelfallbezogene Betrachtung berücksichtigt nicht, dass sich der Gesetzgeber bewusst für klare, vom Einzelfall losgelöste Merkmale entschieden hat. Ihm war daran gelegen, durch generalisierende und leicht festzustellende Anspruchsvoraussetzungen für Rechtsklarheit zu sorgen und dem Pensions-Sicherungs-Verein eine einfache Abwicklung des Insolvenzschutzes ohne großen Verwaltungsaufwand zu ermöglichen.

bb) Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlischt eine noch verfallbare Versorgungsanwartschaft. Eine nicht mehr bestehende Anwartschaft kann weder übernommen noch geändert werden, so dass bei unterbrochenen Arbeitsverhältnissen auf den Rechtsgedanken des § 1 I 3 BetrAVG nicht zurückgegriffen werden kann. Die vom Senat bisher anerkannten Ausnahmefälle ähneln dagegen den in § 1 I 3 BetrAVG geregelten Fallgestaltungen. Die Kl. kann deshalb nicht geltend machen, der Senat habe im Rahmen des Insolvenzschutzes sogar Dienstzeiten bei einem anderen Arbeitgeber berücksichtigt.

cc) Die für § 1 I KSchG, § 622 II BGB, § 1 III 2 BeschFG, § 4 BUrlG maßgeblichen Anrechnungsgrundsätze lassen sich wegen des anderen Normzweckes nicht übertragen.

dd) Wie kontinuierliches Ausscheiden und Wiederaufnehmen der Arbeit in Saison- und Kampagnebetrieben nach § 1 I BetrAVG zu behandeln sind, spielt für den vorliegenden Fall keine Rolle. Die sich aus den Besonderheiten dieser Betriebe ergebenden Unterbrechungen sind mit einer Eigenkündigung der Arbeitnehmerin aus persönlichen Gründen nicht zu vergleichen.

e) Ob und unter welchen Voraussetzungen der Kl. ein Wiedereinstellungsanspruch zustand, kann dahinstehen. Allein ein Wiedereinstellungsanspruch kann ein Arbeitsverhältnis nicht ersetzen. Eine dem Ruhen des Arbeitsverhältnisses vergleichbare Fallgestaltung hätte allenfalls dann vorgelegen, wenn sich nicht nur der Arbeitgeber zur Wiedereinstellung, sondern auch die Arbeitnehmerin zur Wiederaufnahme der Arbeit verpflichtet hätte. Eine derartige rechtliche Bindung ist die Kl. nicht eingegangen.

III. Die Voraussetzungen der gesetzlichen Unverfallbarkeit und die daran anknüpfenden Einschränkungen des Insolvenzschutzes für die Versorgungsanwärter verstoßen weder gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG noch gegen den durch Art. 6 I GG gewährleisteten Schutz von Ehe und Familie.

1. Der Gleichheitssatz des Art. 3 I GG gebietet nicht eine korrigierende Auslegung des § 7 BetrAVG (vgl. BAG, NZA 1990, 189 und 348; BAG, Urt. v. 13. 3. 1990 - 3 AZR 506/88 unveröff. [zu 3c]). Das Betriebsrentengesetz gewährt bei der Insolvenzsicherung nur einen Mindestschutz. Es ist nicht willkürlich, diesen Schutz nur im Rahmen der gesetzlichen Unverfallbarkeit zu gewähren. Die gesetzlichen Unverfallbarkeitsvorschriften stellen einen jedenfalls vertretbaren Ausgleich der widerstreitenden Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen dar. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass der Gesetzgeber durch generalisierende Regelungen für Rechtsklarheit und eine einfache Abwicklung des Insolvenzschutzes gesorgt hat. Es gibt auch einleuchtende Gründe dafür, dass die Risikobegrenzung nur für Versorgungsanwärter gilt. Das Erstarken der Versorgungsanwartschaft zum Vollrecht ist ein Einschnitt, auf den der Gesetzgeber abstellen darf. Der bessere Schutz der Vollrechtsinhaber ist systemgerecht.

2. Nach Art. 6 I GG steht die Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Nach Art. 6 IV GG hat jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft. Beide Vorschriften enthalten Grundsätze, die nicht nur für das öffentliche Recht, sondern auch für das gesamte private Recht gelten (vgl. u.a. BVerfG [7. 6. 1967], BVerfGE 22, 93 [98] = NJW 1967, 1507; BVerfG [25. 1. 1972], BVerfGE 32, 273 [276, 277] = NJW 1972, 1123; BVerfG [23. 6. 1982], BVerfGE 61, 18 [25] = NVwZ 1983, 149). Der Gesetzgeber hat dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag unter anderem durch das Mutterschutzgesetz und das Bundeserziehungsgeldgesetz Rechnung getragen. Er war nicht verpflichtet, den Arbeitgebern und dem von ihnen finanzierten Pensions-Sicherungs-Verein über das allgemeine Betriebsrentenrecht hinausgehende zusätzliche Pflichten aufzuerlegen. Ein Verfassungsverstoß lässt sich nicht daraus ableiten, dass eine „rentenpolitisch wünschenswerte Förderung der demographischen Entwicklung“ unterblieben ist.

Vorinstanzen

LAG Köln, 2 Sa 709/98, 21.10.1998

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht