Erhalt der Versorgungsanwartschaft bei über 20-jähriger Betriebszugehörigkeit
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
10. 03. 1972
Aktenzeichen
3 AZR 278/71
Bisher sind Versorgungsversprechen, die den Verfall von Versorgungsanwartschaften bei Ausscheiden des Arbeitnehmers vor dem 65. Lebensjahr vorsahen, nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit als zulässig angesehen worden.
Wegen der mit dieser Rechtsansicht verbundenen sozialen Härten und Unbilligkeiten stellt der Senat im Wege der Rechtsfortbildung folgenden Rechtssatz auf:
Einem Arbeitnehmer, der mehr als 20 Jahre einem Betrieb angehört hat und dem vor dem 65. Lebensjahr vom Arbeitgeber ordentlich gekündigt wird, bleibt die bis zu seinem Ausscheiden erdiente Versorgungsanwartschaft erhalten.
Dieser Rechtssatz gilt nur für solche Fälle, in denen Arbeitnehmer nach dem 10. März 1972 nach mehr als 20jähriger Betriebszugehörigkeit auf Grund einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber ausscheiden.
Er gilt ferner für solche Fälle, in denen nach dem 1. Januar 1969 derartige Arbeitnehmer ausgeschieden sind und die bis dahin erdiente Versorgungsanwartschaft vom Arbeitgeber klar und eindeutig verlangt haben.
Für Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis vor dem 1. Januar 1969 geendet hat, gilt der vom Senat aufgestellte Rechtssatz nicht.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der im Jahre 1928 geborene Kl. trat 1942 als Gärtnerlehrling bei der Bekl. ein. Nach Abschluss der Lehrzeit arbeitete er bei ihr als Gärtnergehilfe weiter.
Die Bekl. gab dem Kl. am 8. 12. 1956 ein Versorgungsversprechen folgenden Inhalts:
"In Anerkennung Ihrer unserer Firma geleisteten Dienste und Ihrer treuen Mitarbeit gewähren wir Ihnen im Rahmen der Richtlinien auf der Rückseite dieser Urkunde eine Alters- und Invalidenpension in Höhe von monatlich 200 DM."
Nach den Versorgungsrichtlinien sollte die Alterspension nur gezahlt werden, wenn der Kl. das 65. Lebensjahr im Dienste der Bekl. vollendete. Dagegen sollten alle Ansprüche aus der Zusage entfallen, wenn das ArbVerh. vorher endete. Außer dem Kl. erhielten noch vier weitere ArbN entsprechende Versorgungszusagen. Zur Deckung ihrer Verpflichtungen hieraus schloss die Bekl. Lebensversicherungsverträge ab.
Die Bekl. entschloss sich Mitte 1969, ihren Betrieb zum 31. 12. 1969 einzustellen. Sie kündigte die ArbVerh. der bei ihr damals beschäftigten 47 ArbN. Dem Kl. ging ein Kündigungsschreiben vom 26. 6. 1969 zu, mit dem wegen der beabsichtigten Auflösung des Unternehmens das ArbVerh. zum 31. 12. 1969 gekündigt wurde.
Der Kl. bemühte sich in der Folgezeit bei der Ehefrau des Komplementärs der Bekl. und bei dem Buchhalter H., den für seine Versorgung geschlossenen Versicherungsvertrag übertragen zu erhalten; eine Zusage hierfür erreichte er jedoch nicht. Am 28. 8. 1969 kündigte der Kl. seinerseits das ArbVerh. zum 14. 9. 1969, weil er zu diesem Termin eine neue Arbeitsstelle erhalten konnte. An seinem letzten Arbeitstag, dem 12. 9. 1969, bestätigte er auf einer ihm vorgelegten Ausgleichsquittung, dass er die Arbeitspapiere und das restl. Entgelt erhalten habe, strich jedoch den Zusatz, dass er keinerlei sonstige Ansprüche mehr habe.
Mit einem Schr. vom 15. 10. 1969 hat der Kl. die Bekl. gebeten, den Lebensversicherungsvertrag auf ihn zu übertragen. Nachdem die Bekl. dies abgelehnt hatte, hat er auf Feststellung geklagt, dass ihm Anwartschaft auf Versorgung entsprechend der Zusage vom 8. 12. 1956 zustehe. Im Berufungsverfahren hat er hilfsweise beantragt festzustellen, dass die Bekl. verpflichtet ist, ihre Ansprüche aus dem für ihn abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag gegen Übernahme der Versicherungsprämie mit Wirkung vom 1. 10. 1969 ab zu übertragen.
Der Kl. hat geltend gemacht, die Bekl. müsse ihm die erworbene Versorgung gewähren, weil sie es verhindert habe, dass er das ArbVerh. bis zu seinem 65. Lebensjahr fortsetzen konnte. Außerdem habe sie zwei seiner Kollegen die Lebensversicherungsverträge mitgegeben. Die Bekl. hat dagegen eingewendet, die ArbN, auf die sie die Versicherungen übertragen hat, hätten bis zum 31. 12. 1969 bei ihr ausgeharrt. Im übrigen hat sie sich auf die Versorgungsrichtlinien berufen.
Das ArbG hat den zunächst erhobenen Anspruch für begründet angesehen. Auf die Berufung der Bekl. hat das LAG nur dem Hilfsantrag des Kl. stattgegeben.
Die Rev. der Bekl. blieb erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
A. I. Die Richtlinien, welche die Bekl. zur näheren Bestimmung ihrer Versorgungszusage aufgestellt hat, sehen vor, dass alle Ansprüche des Kl. als Anwartschaftsberechtigten entfallen, wenn das ArbVerh. vor dem Leistungsfall beendet wurde. Solche Klauseln, die den Verfall der Anwartschaft auf eine betriebl. Altersversorgung ohne Rücksicht darauf festlegen, wie lange das ArbVerh. bestanden hat und von wem und aus welchem Grunde es beendet worden ist, finden sich regelmäßig in Versorgungszusagen.
1. Die Rechtspr. des RAG wie auch die des BAG hat solche Verfallklauseln aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit bisher nicht beanstandet. Da die Altersversorgung eine freiwillige und zusätzliche Leistung des ArbGeb. sei, stehe es diesem frei, die Voraussetzungen, unter denen er eine Versorgung gewähren will, nach seinem Ermessen festzulegen (RAG ARS 40, 209 [213]; 41, 320 [328]; BAG 4, 360 [363] = AP Nr. 15 zu § 242 BGB Ruhegehalt [zu II der Gründe]; BAG 9, 85 [89 f., 91] = AP Nr. 50 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht [zu III 1 der Gründe]; AP Nr. 103 zu § 242 BGB Ruhegehalt [zu 1 der Gründe]; AP Nr. 105 zu § 242 BGB Ruhegehalt [zu 2 der Gründe]).
Soweit in der Rechtspr. nach 1945 trotz vereinbartem und an sich gegebenem Verfall von Ruhegeldansprüchen in verschiedenen Fällen Ruhegelder dennoch zugesprochen wurden, geschah dies, um Unbilligkeiten und Härten zu vermeiden, die sich als Folge des Zusammenbruchs ergaben. Die Verbindlichkeit von Verfallklauseln ist dabei nicht bezweifelt worden (BAG 3, 332 [337] = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAG 9, 85 [92] = AP Nr. 50 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht [zu IV der Gründe]; AP Nr. 105 zu § 242 BGB Ruhegehalt [zu 4a der Gründe]).
Erst die neueste Rechtspr. der Instanzgerichte hat den Verfall der Versorgungsanwartschaften unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr anerkannt. Dies ist im wesentl. damit begründet worden, dass vom ArbGeb. aufgestellte Versorgungsregelungen wegen der fehlenden Vertragsparität einer Billigkeitskontrolle unterlägen; diese führe dazu, dass der ArbN eine anteilige erdiente Ruhegeldanwartschaft nicht verliere, wenn er nach langjähriger Betriebszugehörigkeit ausscheide (LAG Düsseldorf vom 8. 6. 1971, DB 1971, 1968 f.; LAG Baden-Württemberg vom 4. 11. 1971, DB 1971, 2414; vgl. auch das Urteil des ArbG Herne vom 3. 2. 1971, BetrAV 1971, 184).
2. Im Schrifttum wurde bis etwa 1965 ebenfalls ohne weiteres für zulässig erachtet, dass die Anwartschaft kraft vertraglicher Vereinbarung verfallen konnte, wenn das ArbVerh. vor Eintritt des Versorgungsfalles endete (Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. I, § 52 V 1, S. 485; Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Aufl., Bd. I, § 41 IV, S. 582 f.; Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, 1959, S. 246 ff.; Heissmann, Die betrieblichen Ruhegeld-Verpflichtungen, 6. Aufl., S. 127).
Neuere Stellungnahmen im Schrifttum gehen indessen überwiegend dahin, dass nach geltendem Recht Versorgungsanwartschaften generell oder unter bestimmten Voraussetzungen nicht verfallen, wenn das ArbVerh. endet, bevor der Versorgungsfall eingetreten ist. Bereits Lemke (BB 1957, 512 [515]) hat es als zweifelhaft bezeichnet, ob trotz des Grundsatzes der Vertragsfreiheit die Anwartschaften verfallen könnten, wobei er davon ausging, dass das Ruhegeld angesammeltes Und für Versorgungszwecke hinterlegtes Arbeitsentgelt sei. Von der Annahme, das Ruhegeld sei Lohn für geleistete Dienste und nicht (oder nur nebenher) Ausfluss der Fürsorge des ArbGeb., gehen auch diejenigen Vertreter der Rechtslehre aus, welche die Unverfallbarkeit bejahen. Die Bedingung, dass das verdiente Ruhegeld dem ArbN nur zufließen soll, wenn er das 65. Lebensjahr im Dienste des Versprechenden erlebt, halten die Befürworter der Unverfallbarkeit aus unterschiedl. Gründen für unwirksam. Monjau meint, es liege ein widersprüchl. und deshalb unbeachtl. Verhalten des ArbGeb. vor, wenn er einerseits Lohn zusage, andererseits sich aber vorbehalte, ihn bei jedwedem Ausscheiden vor Eintritt des Versorgungsfalles nicht zu leisten (DB 1970, 1784 [1786 f.]). Für die Fälle, in denen der ArbGeb. kündigt, ohne dazu vom ArbN veranlasst worden zu sein, nimmt Wiedemann (RdA 1969, 244 [247-249]) ein widersprüchl. Verhalten an; bei der betriebsbedingten Kündigung soll die Verfallabrede wegen privatrechtl. Übermaßverbots unbeachtl. sein; in anderen Fällen, in denen der Anlass zur Beendigung aus der Sphäre des ArbN stammt, soll eine Risikoverteilung Platz greifen (Wiedemann, a.a.O.). Auf ein Übermaßverbot oder eine grobe Unbilligkeit bei einer Kündigung durch den ArbGeb. und eine unzulässige Kündigungserschwerung bei der vom ArbN ausgehenden Kündigung berufen sich Dieterich (AuR 1971, 129 [132 f.]), von Arnim (Die Verfallbarkeit von betrieblichen Ruhegeldanwartschaften, Heidelberg, 1970, S. 96 ff. [106], 112 ff. [143 f.]) und teilweise Grunsky (AuR 1971, 148 [150]; vgl. derselbe auch in JuS 1970, 16 [18 f.] und Anm. zu BAG AP Nr. 141 zu § 242 BGB Ruhegehalt [zu 3 und 5]). Schließl. wird die Unverfallbarkeit auch ohne weiteres darauf gestützt, dass der Ruhegeldanspruch insoweit dem ArbN erhalten bleiben müsse, wie er seine Arbeitsleistung erbracht hat (vgl. Säcker, JurA 1970, S. 165 [178 f.]; derselbe in SAE 1970, 269 [273 zu 3]; Söllner, Arbeitsrecht, 2. Aufl., 1969, S. 227).
II. Der Senat hat sich mit den vorstehend angeführten Meinungen zur Unverfallbarkeit auseinandergesetzt. Obgleich in ihnen in mancher Hinsicht erwägenswerte Gedanken enthalten sind, vermag er den Ansatzpunkt, von dem die Befürworter der Unverfallbarkeit ausgehen, nicht zu teilen, dass das Ruhegeld vorenthaltener Arbeitslohn sei. Der Senat ist daher auf einem anderen Wege dazu gelangt, der Vertragsfreiheit eine Gestaltungsmöglichkeit zu versagen, die zu unbilligen Härten auf Grund der Verfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften führt:
1. Wenn der ArbGeb. seinen ArbN eine Altersversorgung unter der Voraussetzung zusagt, dass sie den Versorgungsfall in seinem Betrieb erleben, so geht er davon aus, dass das Versprechen tatsächl. verwirklicht wird. In aller Regel ist die Versorgungszusage des ArbGeb. getragen von dem Bewusstsein seiner Verpflichtung, zu der Altersversorgung seiner ArbN beizutragen. Zugleich bezweckt er mit seiner Zusage, die ArbN an den Betrieb zu binden. Dies findet seinen sinnfälligen Ausdruck darin, dass er die Leistung nur dann gewähren will, wenn die ArbN bis zu ihrer Pensionierung bei ihm bleiben. Das arbeitgeberische und unternehmerische Interesse liegt dabei darin, mit dieser zusätzl. Leistung einen Anreiz bei der Gewinnung von neuen Arbeitskräften zu bieten; zum anderen sollen die beschäftigten ArbN von einem Fortgang abgehalten, und es soll dadurch der kostenverursachenden Fluktuation entgegengewirkt werden. Die Bereitschaft des ArbGeb., das ArbVerh. bis zur Pensionierung aufrecht zu erhalten und alsdann das Pensionsversprechen zu erfüllen, kommt ebenfalls dadurch zum Ausdruck, dass er regelmäßig fortlaufend die Mittel ansammelt oder sicherstellt, die er benötigt, um das Ruhegeld zu bestreiten.
Auf der anderen Seite geht auch der ArbN, dem eine verfallbare Versorgung versprochen ist, davon aus, dass er die zugesagte Leistung erhalten wird. Für ihn stellt die betriebl. Altersversorgung einen wesentl. Beitrag dar zur Sicherung seines Lebensstandards nach dem altersbedingten Ausscheiden aus dem Arbeitsleben. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Altersversorgung wegen der bis zum 31. 12. 1968 möglichen Versicherungsfreiheit in der Angestelltenversicherung oder Wegen der Beitragsbemessungsgrenze von vornherein nicht auf einer angemessenen Sozialversicherungsrente aufbauen kann, sondern ebenfalls dann, wenn der ArbN während seines ganzen Berufslebens Sozialversicherungsbeiträge entsprechend seinem Verdienst entrichtet hat. Denn die Renten in der gesetzl. Rentenversicherung erreichen nur eine durchschnittl. Höhe von etwa 45-50 v.H. des letzten Arbeitseinkommens (vgl. Braess, BetrAV 1971, 71 [72]; Werner, Betriebliche Altersversorgung an der Schwelle der 70er Jahre, 1970, S. 7 [8]; Höhne, Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, 5. Aufl., Bd. I, S. 6; Auerbach, BetrAV 1970, 66 [67]). Da der erworbene Lebensstandard nur aufrechterhalten werden kann, wenn die Ruhestandsbezüge etwa 70 bis 75 v.H. des aktiven Arbeitseinkommens betragen, verbleibt eine Versorgungslücke von etwa 20-30 v.H. der letzten Bezüge. Diese zu schließen ist neben der - heute nur noch in beschränktem Umfange möglichen - Eigenvorsorge vor allem die betriebliche Altersversorgung bestimmt (Höhne, BetrAV 1968, 85 [88]). Daraus ergibt sich, dass ein ArbN, dem ein betriebl. Ruhegeld zugesagt ist, dieses als einen notwendigen Teil seiner Altersversorgung tatsächl. zu erlangen bestrebt und daher bereit ist, bis zum Eintritt des Versorgungsfalles in dem Betrieb zu verbleiben.
2. Diese auf beiden Seiten vorhandene Bereitschaft, die Voraussetzungen des Pensionsversprechens zu erfüllen, lässt sich nicht immer verwirklichen. Die Pensionszusage wird häufig bereits bei der Einstellung erteilt, wenn der ArbGeb. mit ihr bezweckt, günstige Arbeitsbedingungen anzubieten. Wo dies nicht geschieht, wird aber nach einer von Fall zu Fall verschiedenen Dauer der Betriebszugehörigkeit die Altersversorgung versprochen, um die mit ihr gewollte Betriebsbindung zu erreichen und zugleich dem ArbN ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Nur ausnahmsweise erfolgt die Zusage kurze Zeit vor oder gar erst nach Eintritt in den Ruhestand. Im Normalfall setzt die Verwirklichung der Zusage voraus, dass der ArbN auf Jahre und Jahrzehnte im Betrieb verbleibt. Es ergibt sich aus dem natürl. Verlauf der Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse, dass sich nicht von vornherein abschätzen lässt, ob man das erreichen kann, was die Pensionszusage voraussetzt und was beide Seiten wollen. Der ArbN kann aus persönl., berufl. oder vom ArbGeb. gesetzten Gründen veranlasst werden, das ArbVerh. aufzugeben, ebenso wie der ArbGeb. aus persönl., wirtschaftl. oder vom ArbN ausgehenden Gründen dazu gelangen kann, das ArbVerh. zu beenden. Scheidet der ArbN vor Erreichen des 65. Lebensjahres aus, so ist es jedenfalls dann, wenn er mehr als 20 Jahre betriebstreu war und die Beendigung des ArbVerh. auf den ArbGeb. zurückgeht, unangemessen hart, ihn dies durch den Wegfall jegl. Versorgungsanspruchs entgelten zu lassen.
a) Das Ruhegeld hat, wie der Senat in seiner Rechtspr. stets betont hat, Versorgungs- und Entgeltcharakter; es ist auch Gegenleistung aus dem Arbeitsvertrag (BAG 22, 92 [95, 96] = AP Nr. 2 zu § 242 BGB Ruhegehalt - VBL [zu I 2 der Gründe]; AP Nr. 3 zu § 242 BGB Ruhegehalt - Unterstützungskassen [zu 2b der Gründe]). Die Leistung, um deretwillen das Ruhegehalt versprochen wird, ist die Betriebstreue, die, soweit sie vor der Zusage liegt, bereits erbracht wurde, und danach bis zum Erreichen der Altersgrenze noch geschuldet wird. Insoweit besteht ein gegenseitiges Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Dagegen steht das Ruhegeld nicht in unmittelbarer Beziehung zu der Arbeitsleistung als solcher und ist nicht vorenthaltener Arbeitslohn. Diese Annahme, von der die Vertreter der Unverfallbarkeit ausgehen, verbietet sich schon deshalb, weil in aller Regel keine Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung vorhanden ist. Hieran fehlt es nicht nur für die Zeit, in der das ArbVerh. besteht, sondern insbes. lässt sich der Bezug zu der vorausgegangenen Arbeitsleistung nicht im Ruhestandsverhältnis herstellen: Der ArbGeb. verspricht als Leistung eine Betriebsrente vom Eintritt in den Ruhestand bis zum Tode des ArbN. Diese Leistung kann sehr hoch sein, wenn der ArbN lange lebt; sie wird um so kleiner, je früher der ArbN stirbt, und entfällt schließl. ganz., wenn er vor dem Erreichen der Altersgrenze aus dem Leben scheidet. Hieraus ergibt sich, dass das, was bei der Versorgungszusage versprochen wird, nicht ein Arbeitslohn sein kann, der gleichsam angesammelt und später in Form einer Rente ausgefolgt wird. Dagegen entspricht es dem Zweck und Wesen der betriebl. Altersversorgung, wenn man sie als Gegenleistung für die bis zum Eintritt in den Ruhestand erwartete und geschuldete Betriebstreue ansieht. Insofern ist sie letztlich auch Gegenleistung dafür, dass der ArbN seine Arbeitsleistung während seines ganzen oder eines erheblichen Teiles seines Berufslebens in die Dienste des ArbGeb. gestellt hat, der ihm ein Ruhegeld zugesagt hat.
b) Wenn der ArbN vor dem 65. Lebensjahr ausscheidet, so hat er die Betriebstreue, für die ihm die Versorgung zugesagt war und die bei einem verfallbaren Ruhegeldversprechen bis zum Eintritt in den Ruhestand andauern sollte, nicht voll erbracht. Er hat die von ihm erwartete Leistung aber zum Teil erfüllt. Dies kann aus folgenden Erwägungen nicht ohne weiteres entschädigungslos bleiben:
(1) Im Schuldrecht ist an verschieden (2) Die Rechtsstellung des ArbN, dem eine mit Vollendung des 65. Lebensjahres zu zahlende Versorgung zugesagt ist, wird, solange der ArbN das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht hat, allgemein als Anwartschaft bezeichnet. Das bedeutet, dass der ArbN eine rechtlich geschützte Position hat, die sich als Vorstufe des Vollrechts darstellt (vgl. dazu Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, 1959, S. 106 ff.; ferner BAG 4, 226 [229 f.] = AP Nr. 23 zu § 242 BGB Ruhegehalt).
Der Begriff der Anwartschaft als Vorstufe auf Erwerb des Vollrechts ist durch Rechtspr. und Rechtslehre insbes. im Bereich des Sachenrechts geprägt und ausgestaltet worden. So spricht der BGH von einem dem Vollrecht "ähnlichen Recht" (BGHZ 20, 88 [99]), "einer bloßen Vorstufe des Eigentums"; ferner davon, dass das Anwartschaftsrecht "im Vergleich zum Eigentum kein aliud, sondern ein wesensgleiches Minus" sei (BGHZ 28, 16 [21]; BGHZ 30, 374 [377]; BGHZ 35, 85 [89]).
Der Anwartschaftsbegriff erfüllt in gewissen Fällen eine eigene Funktion und verdient Rechtsschutz. Ob und wann dies erforderl. ist, ist auf Grund einer Wertung wirtschaftl. und gesellschaftl. Faktoren, die das Rechtsleben und die Funktion einzelner Rechtsinstitute bestimmen, zu beantworten (Ludwig Raiser, Dingliche Anwartschaften, 1961, S. 7). Nach Baur (Lehrbuch des Sachenrechts, 6. Aufl., 1970, § 3 II 3, S. 21 ff.) hängt es, wenn die Struktur des Vollrechts und der Rechtsträger erkennbar sind, von dem Gewicht der - meist wirtschaftlichen - Bedürfnisse ab, wann der Erwerbstatbestand als so verfestigt anzusehen ist, dass die Anwartschaft als solche rechtliches "Eigenleben" gewinnt. Ist das gegeben, so ist zu prüfen, welche Rechtsgrundsätze auf ihren Schutz, ihre Übertragung usw. anzuwenden sind.
Für den Kauf unter Eigentumsvorbehalt nach § 455 BGB als den häufigsten Fall eines Anwartschaftsverhältnisses gilt, dass der Käufer, dem die Sache unter der Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises übereignet ist, nicht nur gegen nachteilige Handlungen und Verfügungen des Verkäufers gesichert ist (§§ 160 Abs. 1 und 161 Abs. 1 Satz 1 BGB) und als Anwartschaftsberechtigter nach § 823, §§ 985 ff. und § 1004 BGB geschützt ist. Vielmehr wird seine Stellung auch wirtschaftl. umso wertvoller, je geringer der noch geschuldete Kaufpreis ist oder mit anderen Worten, je mehr er von der Bedingung erfüllt hat (vgl. dazu Baur, a.a.O., § 59 I 2a, S. 564 f.). Über diesen wirtschaftl. Wert kann der Vorbehaltskäufer verfügen; seine Gläubiger können auf ihn zugreifen (vgl. dazu Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. I, 1963, § 11 I 2, S. 244 ff.; Soergel-Mühl, BGB, 10. Aufl., § 929, Anm. 37 ff.).
In ähnl. Weise wie dem dingl. Anwartschaftsrecht kommt der Ruhegeldanwartschaft ein vom Recht geschützter Versorgungswert zu, der umso größer ist, je mehr der ArbN von seiner Leistung für die Entstehung des Vollrechts, nämlich der Betriebstreue, erbracht hat. Besonders deutl. tritt der wachsende Wert der Versorgungsanwartschaft dann in Erscheinung, wenn für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit (wie bei der beamtenrechtl. Versorgungsregelung) ein bestimmter Prozentsatz der Vergütung als Ruhegeld zugesagt ist. Dort, wo der ArbGeb. durch Rückstellung oder in anderer Weise kontinuierl. Mittel für die künftige Versorgung ansammelt, drückt sich spiegelbildl. auf der Seite des Pflichtigen der Wert der Anwartschaft aus. Der Versorgungsanwartschaft ist zwar anders als den dingl. Anwartschaften kein Verkehrswert beizulegen, ebenso wenig wie wegen der Zweckbindung eine Verfügungsbefugnis anzuerkennen ist. Die Versorgungsanwartschaft kann jedoch nicht als wert- und substanzlos bis zum Erwerb des Vollrechts behandelt werden. Sie hat vielmehr einen nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu bemessenden rechtl. geschützten anteiligen Wert. Dieser erworbene Wert kann nicht entschädigungslos entzogen werden, wenn er, gemessen an der Zwecksetzung, einen bestimmten Umfang erreicht hat.
c) Eine weitere Härte der Verfallbarkeit liegt darin, dass die in Erwartung auf die Versorgung im Betriebe verbrachte Arbeitszeit nicht wiederholbar ist und in der Regel nicht ausgeglichen werden kann. Jeder Mensch hat nur ein Arbeitsleben, in dem er die Voraussetzungen für seine Versorgung im Alter schaffen kann. Hat er dieses Arbeitsleben zum Teil aufgewendet in der Erwartung und im Vertrauen, ein Ruhegeld zu erwerben, so lässt sich das im Normalfall nicht mehr nachholen. Nur ausnahmsweise wird es einem ArbN mögl. sein, bei einem neuen ArbGeb. zu erreichen, dass er die in einem anderen Betriebe erdiente Anwartschaft bei einer von ihm neu zugesagten Versorgung berücksichtigt.
III. 1. Diese Missachtung des partiell Erdienten und der nicht wieder gutzumachenden Enttäuschung führt jedenfalls dann zu sozial untragbaren Ergebnissen, wenn, wie im vorl. Fall, mehr als 20 Jahre an Betriebstreue erbracht wurden und die Beendigung des ArbVerh. auf den ArbGeb. zurückgeht.
Wer mehr als 20 Jahre in einem Betriebe gearbeitet hat, der hat fast sein halbes Arbeitsleben, rechnet man dieses vom Ende der normalen Ausbildungszeit mit dem 18. Lebensjahr ab, verbraucht, und zwar in der Erwartung, dass er hierfür eine Versorgung erlangen werde. Er hat damit in der Regel auch etwa den halben Wert seiner Versorgung durch seine Betriebstreue erdient. Diese kann zumal dann nicht ersatzlos wegfallen, wenn das ArbVerh. vom ArbGeb. beendet wird, ohne dass der ArbN hierfür einen Grund gesetzt hat. Bei dem Zusammentreffen dieser beiden Umstände wäre der Verfall der Anwartschaft besonders hart und unbillig.
2. Mit seiner Ansicht, die Ruhegeldanwartschaft dürfe nicht verfallen, wenn damit eine soziale Härte verbunden ist, sieht sich der Senat in Übereinstimmung mit einer seit vielen Jahren erhobenen Forderung. Bereits im Bericht der Sozialenquete-Kommission von 1966 ist gefordert worden, die betriebl. Altersversorgung so zu gestalten, dass bei einem Betriebswechsel die erworbenen Rechte erhalten bleiben (vgl. Sozialenquete, Soziale Sicherung in der Bundesrepublik Deutschland, [W. Kohlhammer GmbH] 1966, TZ 531). Stellte der vorgenannte Bericht noch als Zweck der Unverfallbarkeit in den Vordergrund, die Mobilität zu fördern, so hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung am 1. 7. 1968 auf eine Kleine Anfrage zur Zukunft der betriebl. Altersversorgung u.a. ausgeführt, Untersuchungen der Bundesregierung beschäftigten sich vor allem mit dem Problem der Verfallbarkeit der betriebl. Pensionsansprüche beim Arbeitsplatzwechsel; die Bundesreg. halte eine flexiblere und mobilitätsgerechtere Gestaltung in der betriebl. Altersversorgung, die auch bisher nicht ausgeschlossene soziale Härten beseitige, für mögl. (BT-Drucks. V/3119 S. 6). In dem von der Bundesreg. vorgelegten Sozialbericht 1970 wird erklärt, dass die Bundesreg. die sozialpolitische Funktion der betriebl. Alterssicherung anerkenne. Bei diesem System bestünden aber noch erhebl. Mängel, die die ergänzende Sicherungsfunktion beeinträchtigten. Als besonderer Mangel, dem entgegengewirkt werden müsse, wird genannt, dass der ArbN bei unfreiwilligem Arbeitsplatzwechsel oder auch bei Kündigung durch den ArbGeb. in der Regel seine Anwartschaften verliert (Sozialbericht 1970, S. 26 Nr. 67; Sozialbericht 1971, Bundesratsdrucks. 212/71, Nr. 35; Sozialbericht 1972, Bundesratsdrucks. 288/72, Nr. 48-51).
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hat in ihrer Erklärung "Freiheitl. soziale Ordnung heute und morgen" vom Oktober 1968 die Forderung erhoben, bei betriebsbedingter Kündigung älterer ArbN mit langjähriger Betriebszugehörigkeit müssten Pensionsanwartschaften erhalten bleiben.
Als ein sozialpolitisches Anliegen, dem die ArbGeb. durch entsprechende Ausgestaltung ihrer Versorgungszusagen nachkommen sollten, wird die Einschränkung der Verfallbarkeit von Anwartschaften u.a. von Heissmann (Die Betriebl. Ruhegeld-Verpflichtungen, 6. Auf., S. 20 f.; derselbe, RdA 1969, 262 [264 ff.]), Frank (Der ArbGeb. 1968, 601 [602]), Doetsch (Der ArbGeb. 1968, 604 [608 f.]), Höhne (BetrAV 1967, 128 [129]); derselbe, BetrAV 1968, 85 [90 f.]) und insbes. von dem Memorandum der Arbeitsgemeinschaft für betriebl. Altersversorgung vom 21. 4. 1969 (BetrAV 1969, 92 ff. = RdA 1969, 267 ff.) herausgestellt.
Dem Senat ist keine Stellungnahme aus den letzten Jahren bekannt, in der es als gerecht und billigenswert bezeichnet wird, dass Versorgungsanwartschaften stets verfallen, wenn der ArbN vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Betrieb ausscheidet, sofern nicht etwas Gegenteiliges vereinbart ist.
3. Ein Ergebnis, wie es sich bei dem vorl. Sachverhalt als Folge der Verfallklausel ergibt, müsste in der Massenerscheinung der Versorgungsversprechen an sich durch gesetzl. Regelung verhindert werden.
a) Genaues Zahlenwerk über den Umfang der betriebl. Altersversorgung ist nur schwierig zu ermitteln. Der Sozialbericht 1971 (Bundesratsdrucks. 212/71 Nr. 33) berichtet, nach einer vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung veranlassten Umfrage hätten nur 30 % der befragten ArbN Anspruch auf betriebl. Altersversorgung. Nach Schätzungen für das Jahr 1968 haben etwa zwei Drittel der in der Privatwirtschaft tätigen ArbN Anspruch auf betriebl. Altersversorgung (vgl. die vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebene "Übersicht über die soziale Sicherung", 8. Aufl., 1970, S. 33). Werner (Betriebl. Altersversorgung in der sozialpolitischen Diskussion, 1972, S. 11) berichtet von Untersuchungen, nach denen für 12 Millionen ArbN in der Privatwirtschaft eine betriebl. Altersversorgung besteht. Lässt man dabei außer Betracht die etwa 1,5 Millionen Beschäftigten des Bauhauptgewerbes, für die eine tarifvertragl. Regelung der zusätzl. Altersversorgung vorliegt, so verbliebe eine Zahl von etwa 10,5 Millionen ArbN, deren Altersversorgung auf vertragl. Grundlage oder auf Betriebsvereinbarungen beruht.
Die Gründe für die unterschiedl. Schätzungen können dahinstehen. Unangefochten ist, dass die betriebl. Altersversorgung eine Massenerscheinung von großer sozialpolitischer Bedeutung ist, die sich größter Wertschätzung in den Kreisen der ArbN erfreut (vgl. Sozialbericht 1971 Nr. 33).
b) Die demgemäss auch massenweise auftauchende Frage, ob erdiente Pensionsanwartschaften jedenfalls dann nicht verfallen dürfen, wenn der ArbN nach mehr als 20jähriger Tätigkeit aus einem Betriebe nach Kündigung durch den ArbGeb. ausscheidet, ist mit den Mitteln des geltenden, auf Vertragsfreiheit angelegten Schuldrechts nicht zu lösen. Das Funktionieren der Vertragsfreiheit, bei der ohne Eingriff gesetzl. Mindestbedingungen ein sachgerechter Ausgleich und die Berücksichtigung beiderseitiger berechtigter Belange im Wege des Aushandelns erfolgt, setzt ein Gleichgewicht der Vertragspartner voraus. Diese Vertragsparität ist im Bereich der betriebl. Altersversorgung gestört, wenn der ArbGeb., wie es der Regel entspricht, durch vertragl. Einheitsregelung oder Gesamtzusage allein die Voraussetzungen bestimmt, unter denen er eine Leistung gewähren will. Der Vertragsinhalt wird in diesen Fällen nicht durch ein Verhandeln zwischen gleich starken Partnern gestaltet, sondern einseitig von einer Partei vorgeschrieben. Der ArbN kann nur die angebotenen Bedingungen annehmen, oder er muss auf die Leistung ganz verzichten. Seine Stellung gestattet ihm nicht, seinen berechtigten Anliegen bei der Ausgestaltung des Vertrages Geltung zu verschaffen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, der ArbGeb., der nicht verpflichtet ist, eine betriebl. Altersversorgung zu gewähren, dürfe Bedingungen für die Leistung nach ausschließl. eigenem Ermessen bestimmen. Da die versprochene Alterssicherung erst bei Ausscheiden aus dem Arbeitsleben fällig wird, darf aus Gründen der Gerechtigkeit und Billigkeit die Leistungsbestimmung nicht so ausgestaltet sein, dass die Betriebstreue, die im Vertrauen auf den Erwerb der Versorgung erbracht wurde, ersatzlos gelassen wird, wenn der ArbN vor Eintritt des Versorgungsfalles ausscheidet.
Dass die Vertragsfreiheit nicht gewährleistet ist, die Verfallbarkeit der Anwartschaft überhaupt oder für bestimmte Fälle zu beseitigen, zeigt die Rechtswirklichkeit. Obgleich seit Jahren dringl. gefordert wird, wenigstens bei längerer Betriebszugehörigkeit und einem höheren Lebensalter die erworbene Anwartschaft nicht verfallen zu lassen, sind nur wenige Ansätze dafür erkennbar, dass diesem von allen beteiligten Kreisen als sozial gerecht hingestellten Anliegen durch entsprechende Vertragsgestaltung entsprochen wird.
4. Der deutsche Arbeitsgesetzgeber, dem die Problematik Aufträge der Verfallbarkeit seit vielen Jahren bekannt ist, hat diese Frage bisher gesetzl. nicht geregelt.
a) Die Bundesreg. hat erklärt, dass sie eine Regelung im Sinne einer Einschränkung der Verfallbarkeit für notwendig halte. Der Bundestag hat bisher nicht verlautbart, dass der GesGeb. eine andere Einstellung habe. Gleichwohl ist nicht bekannt oder erkennbar, dass der GesGeb. eine arbeitsrechtl. Lösung der Unverfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften in Angriff genommen hat. Der bisher bekannt gewordene Entwurf eines zweiten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes (vgl. RdA 1971, 355 ff.) befasst sich nicht mit der betriebl. Altersversorgung.
b) In Vorbereitung ist eine Neuregelung der steuerl. Behandlung der Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen, der Zuwendungen an Pensions- und Unterstützungskassen sowie der Prämien zu Versicherungen, die für die Altersversorgung bestimmt sind. Nach dem Referenten-Entwurf eines Einkommensteuergesetzes 1974 (EStG 1974) nach dem Stande vom 10. 12. 1971 (BetrAV 1972, 54 ff.) sollen ab dem geplanten Inkrafttreten des Gesetzes am 1. 1. 1974 die Aufwendungen für die betriebl. Altersversorgung in ihren verschiedenen Erscheinungsformen nur noch dann und erst von dem Zeitpunkt ab steuerl. begünstigt werden, der 10 Jahre vor dem liegt, in dem nach der Pensionsverpflichtung die Anwartschaft bei einem Ausscheiden aus dem Betriebe nicht mehr verfällt (§§ 30-33 EStG 1974).
Von dieser steuerrechtl. Regelung verspricht man sich, dass die ArbGeb., um weiterhin die steuerl. und damit wirtschaftl. Vorteile einer Versorgungszusage ausschöpfen zu können, die Unverfallbarkeit vereinbaren werden. Damit erwartet man gleichzeitig, dass diese sich mehr und mehr durchsetzt (vgl. dazu Rau, DB 1972, 156 [159]; Sozialbericht 1972, Bundesratsdrucks. 288/72, Nr. 50).
Der Senat hielte es für wünschenswert, wenn der von der Steuergesetzgebung geplante Anstoß dazu führen würde, dass die Verfallabrede in den Versorgungsversprechen für Fälle der hier vorl. Art gestrichen würde und damit unzumutbare Härten nicht mehr entstehen könnten. Dies könnte dazu führen, dass viele Streitfragen, die im Zusammenhang mit der Unverfallbarkeit auftreten können, durch eine billigenswerte Vertragsgestaltung ausgeräumt werden. Gleichwohl macht die vorgesehene steuerrechtl. Gestaltung eine arbeitsrechtl. Lösung nicht entbehrl. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
(1) Die steuergesetzl. Regelung, die nur auf mittelbarem Wege bezweckt, zur Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaften zu gelangen, lässt die Frage offen, ob es nicht einem arbeitsrechtl. Gebot entspricht, die Verfallbarkeit einzuschränken. Das Steuerrecht bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen die Aufwendungen für die betriebl. Altersversorgung gewinnmindernd berücksichtigt werden können. Dem Arbeitsrecht dagegen fällt die Beantwortung der Frage zu, ob es hingenommen werden kann, dass ein ArbN, der seine Gegenleistung für das Ruhegeld in einem Umfange wie im vorl. Fall erbracht hat, leer ausgehen darf, wenn das ArbVerh. endet, bevor er seine Gegenleistung voll erfüllen konnte. Es hieße die durch die Natur der Sache gegebenen Prioritäten vertauschen, wenn das, was als ein Gebot sozialer Gerechtigkeit erkannt ist, nicht als solches arbeitsrechtl. verwirklicht wird, sondern ihm nur mittelbar über die steuerl. Gesetzgebung die Chance zur Verwirklichung eingeräumt wird (ebenso von Arnim, BetrAV 1971, 167 [177]). Es würde auch dem Grundsatz widersprechen, dass die steuerl. Folge sich regelmäßig nach den arbeitsrechtl. Voraussetzungen richten muss, nicht umgekehrt (Teilurteil des Senats vom 5. 2. 1971 - 3 AZR 28/70 - AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebl. Übung [zu I 4 der Gründe]; die Entscheidung ist auch zur Veröffentlichung in der Amtl. Sammlung des Gerichts bestimmt).
(2) Hinzu kommt noch folgendes: Wenn die steuerrechtl. Regelung in Kraft tritt, werden die ArbGeb. in der Regel ihre Versorgungsversprechen so gestalten, dass sie die steuerl. Vorteile in Anspruch nehmen können. Sie sind aber nicht gezwungen, dies zu tun, und könnten stattdessen es vorziehen, generell oder in Einzelfällen weiterhin den Verfall zu vereinbaren. Dabei käme ihnen noch entgegen, dass sie nach dem bisherigen Gesetzesentwurf auch ohne Zusage der Unverfallbarkeit steuerbegünstigte Rückstellungen ab dem 55. Lebensjahr des Begünstigten bilden und dabei den Teilwert zurückstellen dürfen, der seit der Betriebszugehörigkeit des Begünstigten - frühestens jedoch seit dem 30. Lebensjahr - bei sofortiger Zusageerteilung hätte zurückgestellt werden dürfen (vgl. Paulsdorff, ArbGeb. 1972, 325 [326]).
Da die Zubilligung des erdienten Teils der Pensionsanwartschaft nicht daran scheitern darf, dass der ArbGeb. die steuerl. Vorteile nicht ausnutzt, ist die Institutionalisierung einer arbeitsrechtl. Versorgungsanwartschaft notwendig. Dies gilt um so mehr, als selbst bei der von der Steuergesetzgebung erstrebten Vertragsgestaltung in den Fällen, in denen Rückstellungen vorgenommen werden, nicht erreicht wird, dass der ArbN beim Ausscheiden den erdienten Teil der Anwartschaft erhält. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1974 braucht in der Pensionsverpflichtung nur vorgesehen zu werden, dass der Pensionsanspruch in Höhe der (tatsächl.) gebildeten Rückstellung erhalten bleibt. Da der ArbGeb. in den Grenzen des § 30 EStG 1974 berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, Rückstellungen zu bilden, kann es vorkommen, dass er keine Rückstellung bildet oder die mögl. Zuführungen nicht voll vornimmt. Demzufolge kann beim Ausscheiden des ArbN keine oder eine nur geringe Rückstellung vorhanden sein, so dass der "unverfallbare Anspruch" ganz oder teilweise nur auf dem Papier steht und damit wertlos ist. Auch dieses Ergebnis lässt sich dadurch vermeiden, dass man einen arbeitsrechtl. Anspruch bejaht (ebenso Rau, BetrAV 1971, 82 [86]; Heubeck, Der leitende Angestellte 1971, Heft 12, S. 13; von Arnim, BetrAV 1971, 167 [177 zu B II 2]).
5. Aus den bisherigen Erwägungen ergibt sich, dass der von den beteiligten Rechtsgenossen und dem GesGeb. als regelungsbedürftig erkannte Sachverhalt keine gesetzl. Lösung gefunden hat und eine solche auch nicht bevorsteht. Es liegt deshalb eine nachträgl. Regelungslücke im Bereich der arbeitsrechtl. Schutzgesetzgebung vor (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., 1969, S. 358 f.). Diese Lücke zu schließen ist wegen der gegebenen Rechtsnot Aufgabe und Pflicht der Gerichte im Rahmen der ihnen obliegenden Rechtsfortbildung. Dies führt dazu, die Unverfallbarkeit der erdienten Versorgungsanwartschaft für die Fälle zu bejahen, in denen der ArbN nach mehr als 20jähriger Betriebszugehörigkeit wegen einer vom ArbGeb. ausgehenden ordentl. Kündigung aus dem Betriebe ausscheidet.
Der Senat sah sich nicht veranlasst, über den vorl., von ihm zu entscheidenden Fall hinaus die Unverfallbarkeit auch für weitere denkbare Sachverhalte zu institutionalisieren, Sachverhalte, in denen die Betriebszugehörigkeit weniger als 20 Jahre gedauert hat, oder in denen der ArbN sich vom Betriebe losgesagt hat oder in denen eine Kündigung aus wichtigem Grunde von der einen oder anderen Seite erfolgt ist. Die als notwendig erkannte umfassende Regelung des Verfallbarkeitsproblems vorzunehmen bleibt weiterhin dem GesGeb. und den Tarifvertragsparteien vorbehalten, die viel weitergehende Erkenntnis- und Gestaltungsmöglichkeiten haben als das Richterrecht. Allerdings wird das BAG, sofern ihm Sachverhalte der vorstehend genannten Art zur Entscheidung unterbreitet werden, dazu Stellung nehmen müssen, ob sie ebenfalls die Bejahung der Unverfallbarkeit auf der Grundlage der in dieser Entscheidung vertretenen Auffassung erfordern.
6. Der Senat hat noch erwogen, ob die sich aus seiner Erkenntnis ergebende Belastung für die ArbGeb. zumutbar und ob die Aufrechterhaltung der Anwartschaft unter den genannten Voraussetzungen durchführbar ist.
a) Da die Einführung der Unverfallbarkeit seit Jahren im Gespräch ist, ist naturgemäß auch die mögl. Belastung der ArbGeb. erörtert worden. Hierüber liegen Untersuchungen. vor von Heubeck (BB 1969, 413), Schröder (BetrAV 1969, 57 ff.), Lemitz (DB 1970, 1497 ff., 1549 ff.). In einer Gesamtanalyse dieser Untersuchungen und unter Einbeziehung der Vorankündigung aus einem Gutachten, das im Auftrage des Bundesarbeitsministeriums von der Beratungs-GmbH für Altersversorgung Steuerberatungsgesellschaft Dr. Dr. Ernst Heissmann erstattet wurde, kommt Heubeck; (BetrAV 1971, 105 [108]) zu dem Ergebnis, dass bei einer Unverfallbarkeit nach 10jähriger Dienstzeit eine Mehrbelastung von 15 v.H. im Durchschnitt zu erwarten ist. Er vertritt dazu die Auffassung, dass eine solche Mehrbelastung sich innerhalb der Grenzen hält, die die Bildung von Pensionsrückstellungen noch durchaus als wirtschaftl. und zweckmäßig erscheinen lässt. Dies gilt erst recht dann, wenn eine 20jährige Betriebszugehörigkeit Voraussetzung für die Unverfallbarkeit ist.
b) Ob die erworbenen Anwartschaften im Betriebe aufrechtzuerhalten, auf einen neuen ArbGeb. zu übertragen oder dem ausscheidenden ArbN mitzugeben sind, richtet sich danach, in welcher Form die Versorgungszusage erteilt wurde und welches im gegebenen Falle die zweckmäßigste Methode ist. In dem Memorandum der Arbeitsgemeinschaft für betriebl. Altersversorgung vom 21. 4. 1969 ist eine Reihe von Möglichkeiten hierzu aufgezeigt, die insgesamt den Schluss gestatten, dass die Unverfallbarkeit praktisch durchführbar ist (vgl. BetrAV 1969, 92 [94 ff.] = RdA 1969, 267 [269]; ebenso Heissmann, RdA 1969, 262 [266]; Bauer, Der Arbeitgeber 1968, 637 [641]).
IV. 1. Die in dieser Entscheidung im Wege der richterl. Rechtsfortbildung als verbindl. erkannte Unverfallbarkeit kann aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit, aber auch aus Gründen der Praktikabilität nicht auf solche Tatbestände angewendet werden, die in der Vergangenheit auf Grund der bisherigen Rechtsauffassung abgewickelt worden sind. Der Senat sieht sich deshalb gezwungen, im Wege der weiteren Rechtsfortbildung einen Anfangstermin zu setzen: Die mit dieser Entscheidung anerkannte Unverfallbarkeit gilt nur für solche Fälle, in denen nach der Verkündung dieses Urteils am 10. 3. 1972 ArbN, denen eine verfallbare Versorgung zugesagt war, nach mehr als 20jähriger Betriebszugehörigkeit auf Grund einer ordentl. Künd. durch den ArbGeb. ausscheiden.
Darin liegt eine Hirte für alle diejenigen, deren Versorgungsanwartschaften vor dem 10. 3. 1972 verfallen sind. Diese Härte muss jedoch hingenommen werden, ebenso wie es hingenommen werden muss, dass die Vorteile eines Gesetzes denjenigen nicht zugute kommen, bei denen sich der im Gesetz geregelte Tatbestand vor dessen Inkrafttreten ereignet hat. Ebenso wie der Rückwirkung von Gesetzen sind auch der Rückwirkung einer geänderten Rechtsprechung Grenzen gesetzt (vgl. dazu Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtspr., Karlsruhe 1970, S. 6 ff. mit Angaben).
2. Dennoch kommt dem Kl. des vorl. Rechtsstreits die von ihm erstrittene Entscheidung zugute, obgleich sein ArbVerh. bereits im September 1969 geendet hat. Denn einer gerichtl. Entscheidung kann dann nicht die Rückwirkung versagt werden, wenn eine der beiden Parteien eine Änderung der bisherigen Rechtspr., die hier dahin ging, die Abrede der Verfallbarkeit zu billigen, erstrebt und erstritten hat (vgl. dazu BAG [GS] AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf [Blatt 315, zu F der Gründe], auch zur Veröffentlichung in der Amtl. Sammlung des Gerichts bestimmt).
Es kommt hier noch folgendes hinzu: Aus sämtl. Äußerungen im Schrifttum und insbes. auch aus Stellungnahmen der Arbeitgeberverbände seit etwa 1966 ergibt sich, dass die Unverfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften als eine dringende Forderung im Gespräch war. Deshalb durften die ArbGeb. seit mindestens Anfang des Jahres 1969 nicht mehr berechtigt darauf vertrauen, dass Versorgungsregelungen, welche die Verfallbarkeit vorsahen, Bestand haben konnten. Der Kl. des vorl. Rechtsstreits hat seit seinem Ausscheiden bei der Bekl. die erworbene Versorgung auch mit der Begründung gefordert, sein Anspruch sei nicht verfallen. Auf Grund dieser Stellungnahmen zu dem Problem an sich und der im konkreten Fall erfolgten Inanspruchnahme musste die Bekl. damit rechnen, dass die vereinbarte Verfallklausel keine Anerkennung finden werde. Sie kann daher nicht den Schutz eines berechtigten Vertrauens für sich in Anspruch nehmen. Wo aber ein Vertrauensschutz, bezogen auf eine bestehende Rechtslage und die durch sie gewährleistete Rechtssicherheit, nicht anzuerkennen ist, ist sogar eine Rückwirkung belastender Gesetze zulässig (vgl. BVerfGE 13, 261 [271 f.]; 18, 429 [439]), so dass das gleiche für gerichtl. Entscheidungen gelten muss, die Richterrecht setzen.
3. Auf Grund der vorstehenden Erwägungen wird nicht nur in künftigen Fällen die Anwartschaft aufrechtzuerhalten sein, sondern es wird unter bestimmten Voraussetzungen auch eine auf den 1. 1. 1969 begrenzte Rückwirkung der vorl. Entscheidung in Betracht kommen. Zu dem vorgenannten Zeitpunkt war nach der Gesamtlage, insbes. durch die Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 1. 7. 1968, aber auch durch die Stellungnahme der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände vom Oktober 1968 nur noch fraglich, ab wann und in welchem Umfange und in welcher Weise die Unverfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften verwirklicht werden würde. Wenn in der Zeit nach dem 1. 1. 1969 ein ArbN, der nach 20jähriger Betriebszugehörigkeit auf Grund einer Kündigung durch den ArbGeb. ausschied, diesem gegenüber eindeutig und klar die Forderung erhob, die erdiente Versorgungsanwartschaft ihm zu erhalten, so musste der ArbGeb. davon ausgehen, dass sein ablehnender und abschlägiger Bescheid keine Billigung bei einer gerichtl. Nachprüfung finden würde. Sofern er daher unter den genannten Voraussetzungen jetzt gerichtl. in Anspruch genommen wird, könnte er sich auf einen Vertrauensschutz ebenfalls nicht berufen.
B. Auf Grund der zu A. entwickelten Rechtsgrundsätze kann im zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit der Kl. die Übertragung des zur Deckung seiner Versorgung geschlossenen Lebensversicherungsvertrages verlangen, so dass die Rev. der Bekl. unbegründet ist. Im einzelnen gilt hierzu folgendes:
I. 1. Der Senat bejaht die Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaften unter der Voraussetzung, dass der ArbN mehr als 20 Jahre betriebstreu war und das ArbVerh. vom ArbGeb. beendet wird.
Das zeitl. Erfordernis ist beim Kl. erfüllt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob auch die Lehrzeit zu berücksichtigen ist, bei der zwar nach überwiegender Auffassung ein ArbVerh. vorliegt (vgl. Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. I, § 14 I 1a, S. 83 mit weiteren Nachweisen; BAG 5, 32 [34 f.] = AP Nr. 10 zu § 611 BGB Lehrverhältnis [zu I der Gründe]), andererseits aber der Ausbildungszweck im Vordergrund steht. Auch ohne die Lehrzeit hat der Kl. eine Betriebszugehörigkeit von mehr als 24 Jahren aufzuweisen.
Die weitere Voraussetzung, dass das ArbVerh. durch den ArbGeb. beendet wurde, liegt ebenfalls vor. Als der Kl. am 14. 9. 1969 bei der Bekl. ausschied, beruhte dies allerdings auf der von ihm erklärten ordentl. Kündigung. Dadurch ist aber nur der Zeitpunkt vorverlegt worden, zu dem das ArbVerh. der Parteien sein Ende fand. Vorangegangen war die Kündigung der Bekl. zum 31. 12. 1969, die wegen der beabsichtigten Betriebsaufgabe erfolgt war. Der Kl. hat die Rechtswirksamkeit dieser Kündigung nicht in Zweifel gezogen; daher steht fest, dass das ArbVerh. der Parteien am 31. 12. 1969 jedenfalls beendet worden wäre, und zwar deshalb, weil die Bekl. es aus einem allein von ihr gesetzten Grund auflösen wollte. Bei diesem Sachverhalt hat die Kündigung des Kl. nur dazu geführt, dass er etwa 3 Monate früher ausschied, als die Bekl. es wollte. Unberührt hiervon blieb jedoch, dass der Anlass zur Beendigung des ArbVerh. von der Bekl. ausging und der Kl. die von ihm erwartete Betriebstreue bis zum 65. Lebensjahr deshalb nicht erbringen konnte.
2. Der Anspruch auf die erdiente Anwartschaft richtet sich grundsätzl. darauf, den Teil der für das 65. Lebensjahr versprochenen Versorgung zu erhalten, der nach dem Verhältnis der tatsächl. zurückgelegten Betriebszugehörigkeit zu der für den Erwerb des Vollrechts erforderl. Betriebszugehörigkeit erdient wurde. Dies ergibt sich aus den Erwägungen über die Vergütung von Teilleistungen und über den Wert einer erdienten Anwartschaft (vgl. zu A., II, 2b).
Hier hat der Kl., nachdem er in der Berufungsinstanz nur noch mit seinem Hilfsantrag durchgedrungen ist, einen solchen Anspruch nicht verfolgt, sondern die Übertragung des Lebensversicherungsvertrages begehrt, den die Bekl. zur Deckung der Versorgungszusage abgeschlossen hatte. Wenn er insoweit auf Feststellung und nicht auf Leistung geklagt hat, so bestehen dagegen keine Bedenken, weil die Bekl. nicht erklärt hat, ob der Vertrag noch besteht oder von ihr aufgelöst wurde. Die Lebensversicherung steht dem Kl. als Wert der erdienten Versorgung mindestens zu; darüber hinaus ist die Übertragung der zur Deckung der späteren Versorgungslast geschlossenen Versicherung anstelle einer Belastung der Bekl. mit künftigen anteiligen Rentenzahlungen sinnvoll, weil die Bekl. liquidiert wird.
Mit dem Lebensversicherungsvertrag nach dem Stande vom 30. 9. 1969 erhält der Kl. keinen Wert, der den Wert seiner Anwartschaft zu dieser Zeit übersteigt; die Bekl. hat nicht geltend gemacht, dass die Lebensversicherung überdotiert gewesen sei. Andererseits kommt es nicht darauf an, ob der Wert des Versicherungsvertrages hinter dem Wert der Anwartschaft zurückbleibt; denn der Kl. hat einen weitergehenden Anspruch als den, die Versicherung zu erhalten, nicht erhoben.
Dem Anliegen, die erdiente Versorgung nicht verfallen zu lassen, entspricht es, wenn der Versicherungsvertrag auf den Kl. übertragen wird. Er kann dann mit eigenen Mitteln, gegebenenfalls auch mit Hilfe entsprechender Zuwendungen eines neuen ArbGeb., die Versicherung fortsetzen, so dass er mit dem 65. Lebensjahr die Versicherungssumme erhält, die dem Kapitalwert der erwarteten Versorgung entspricht. Damit wird dem Versorgungsgedanken in besonderem Maße Rechnung getragen. Dies gilt hier um so mehr, als die Bekl. infolge ihrer Liquidation nach deren Durchführung erlischt (§ 161 Abs. 2, § 157 Abs. 1 HGB) und es wegen des gegebenen anderen Weges, die Anwartschaft aufrechtzuerhalten, nicht sinnvoll ist, ihre endgültige Abwicklung wegen gegen sie gerichteter künftiger Versorgungsansprüche zu erschweren.
Es ist nicht zu verkennen, dass bei der Mitgabe der erdienten Versorgung (hier durch Übertragung der Lebensversicherung) es dem ArbN möglich ist, sie vor Eintritt in den Ruhestand zu einem anderen Zweck zu verwenden. So könnte er sich etwa den Rückkaufswert der Versicherung auszahlen lassen und den empfangenen Betrag verbrauchen. Es verbietet sich jedoch, einen solchen möglichen Missbrauch als ein beachtl. Argument dafür zu werten, dass die Übertragung der Versorgungsanwartschaft auf den ArbN der Konzeption dieses Urteils widerspreche. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der ArbN aus seiner Eigenverantwortung gegen sich und seine Familie den Versorgungszweck nicht vereitelt.
II. Der Anspruch des Kl. ist entgegen der Ansicht der Rev. nicht infolge Versäumung einer tarifl. Ausschlussfrist erloschen.
1. Die Bekl. hat geltend gemacht, beide Parteien seien kraft Organisationszugehörigkeit an den MTV für den Erwerbsgartenbau, die Friedhofsgärtnereien und die Forstpflanzenbetriebe in NRW vom 21. 4. 1969 gebunden. Das LAG habe dies verfahrenswidrig nicht festgestellt. § 13 Abs. 4 dieses TV bestimme, dass bei Auflösung des ArbVerh. die gegenseitigen Ansprüche verfallen, wenn sie nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Schlussabrechnung schriftl. geltend gemacht werden. Diese Frist habe der Kl. versäumt, weil er seinen Anspruch erst mit dem am 16. 10. 1969 bei der Bekl. eingegangenen Schreiben vom 15. 10. 1969 erhoben habe.
2. Es kann zugunsten der Bekl. unterstellt werden, dass der erwähnte TV für das ArbVerh. der Parteien galt. Auch dann steht dem Anspruch des Kl. nicht die Ausschlussfrist entgegen. Der Kl. hat das Erforderl. getan, um die Frist zu wahren. Er hat unstreitig seine Forderung, ihm die Lebensversicherung zu übertragen, unmittelbar vor seinem Ausscheiden mehrfach - allerdings nur mündlich - erhoben. Auf der ihm vorgelegten Ausgleichsquittung hat er den Passus gestrichen, dass ihm keine Ansprüche gegen die Bekl. mehr zuständen. Dies genügte im Zusammenhang mit seinem vorausgegangenen Verhalten als schriftl. Erheben des hier allein noch zwischen den Parteien streitig gewesenen Anspruchs auf Übertragung der Lebensversicherung.
Vorinstanzen
LAG Hamm
Rechtsgebiete
Arbeitsrecht
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