Umgang des Kindes mit seiner Großmutter
Gericht
KG
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
06. 07. 2000
Aktenzeichen
17 UF 4612/00
Gegen eine Entscheidung, die den Umgang des Kindes mit seiner Großmutter regelt, steht dem Ehemann der Mutter kein Beschwerderecht zu, wenn er auch durch die Umgangsregelung mittelbar berührt wird.
Der Umgang von Großeltern mit ihren Enkelkindern dient, wenn zwischen ihnen hinreichende Bindungen bestehen, regelmäßig dem Kindeswohl, es sei denn, dass schwerer wiegende Gründe entgegenstehen.
Auszüge aus den Gründen:
Die ASt. ist die Großmutter der [drei] Kinder. Die AGg. (und Beschwerdeführerin [Bf.]) ist die Tochter der ASt. und Mutter der Kinder. Vater [der beiden ältesten Kinder] ist der geschiedene Ehemann, Vater [des jüngsten Kindes] ist der AGg. (und Bf.), der jetzige Ehemann der AGg. Auf Antrag der Großmutter hat das AmtsG deren Umgangsrecht mit [den beiden ältesten Kindern] dahingehend geregelt, dass sie mit den Kindern einmal monatlich für vier Stunden zusammen sein darf, um die bestehenden Kontakte weiter zu pflegen. Den Antrag der Großmutter auf Umgang mit dem erst drei Jahre alten Kind hat das AmtsG zurückgewiesen, weil dieses ihre Großmutter kaum kenne, insoweit bislang keine Gelegenheit bestanden habe, Bindungen aufzubauen und im Hinblick auf die Vorbehalte der Mutter ein Umgang mit der Großmutter nicht zum Wohle des Kindes praktiziert werden könne.
Gegen den Beschluss haben die Mutter (AGg. zu 1) und ihr jetziger Ehemann (AGg. zu 2) Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerde ist nur teilweise zulässig, nämlich insoweit, als sie von der AGg. zu 1 erhoben worden ist. Diese ist - da durch die Umgangsregelung ihre Rechtssphäre als alleinige Sorgerechtsinhaberin betroffen ist - ohne weiteres beschwerdeberechtigt (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 20 Rz. 59, 63). Demgegenüber erfährt der AGg. zu 2 durch die vom AmtsG getroffene Umgangsregelung der Großmutter keine unmittelbare Beeinträchtigung eigener Rechte, insbesondere liegt darin kein Eingriff in sein grundgesetzlich geschütztes Recht auf Ehe und Familie. Selbst wenn als Familie auch die aus beiden AGg., ihrer gemeinsamen Tochter und den beiden aus der ersten Ehe der AGg. stammenden Kindern bestehende Hausgemeinschaft anzusehen wäre, so ist doch das Recht des AGg. zu 2 und der übrigen Mitglieder der Familie auf Freiheit von störenden und schädigenden Eingriffen in die Familie von vornherein durch das natürliche Elternrecht des leiblichen Vaters ebenso wie durch das verwandtschaftliche Umgangsrecht der Großmutter beschränkt. Ebenso wie das väterliche und großmütterliche Umgangsrecht das Sorgerecht des anderen Elternteils, hier der AGg. zu 1, einschränkt, schränkt es auch das Recht auf Familie i. S. des Art. 6 I GG ein. Soweit das AmtsG hier das verwandtschaftlich begründete Umgangsrecht der Großmutter geregelt hat, liegt somit darin kein Eingriff in ein Recht des AGg. zu 2, vielmehr hat es damit nur die Grenzen dieses Rechtes festgestellt (vgl. auch KG, FamRZ 1968, 666 = NJW 1968, 1679, 1680). Dass durch die Umgangsregelung die familiären Gegebenheiten zwar mittelbar berührt und/oder beeinflusst werden und insofern auch der AGg. zu 2 ein Interesse an Fortbestand bzw. Aufhebung der Regelung hat, genügt für seine Beschwerdeberechtigung nicht (Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 20 Rz. 12, ebenso Jansen, FGG, 2. Aufl., § 20 Rz. 10).
Auch das zulässige Rechtsmittel der AGg. zu 1 hat in der Sache keinen Erfolg. Denn das AmtsG hat in nicht zu beanstandender Weise den Umgang der Großmutter mit ihren Enkelinnen geregelt. Zutreffend geht der angefochtene Beschluss davon aus, dass den Großeltern ein eigener Anspruch auf Umgang mit ihren Enkeln (§ 1685 I BGB) nicht schon (allein) aufgrund ihrer Verwandtschaft zusteht, sondern nur dann und insoweit, als ein solcher Umgang mit dem Wohle des Kindes vereinbar ist. Trotz der verwandtschaftlichen Nähe ist daher nicht typisiert davon auszugehen, dass der Umgang regelmäßig dem Kindeswohl dient; vielmehr steht und fällt die Bedeutung anderer Personen (als die der Eltern) für die Entwicklung des Kindes mit den vorhandenen Bindungen. Entsprechend liegt der Schwerpunkt der Prüfung im Einzelfall regelmäßig in der Feststellung bereits vorhandener oder im Kindeswohlinteresse angestrebter Bindungen, wobei § 1626 III S. 2 BGB als Erfahrungssatz herangezogen werden kann. Danach ist - jedenfalls wo solche Bindungen bereits existieren - ihre Aufrechterhaltung regelmäßig dem Kindeswohl nützlich und förderlich, es sei denn, dass schwerer wiegende Gründe dagegen sprechen (vgl. Rauscher, FamRZ 1998, 329, 337; ferner die Begründung des Regierungsentwurfs zum KindRG, BT-Drucks. 13/4899, S. 106 f.).
Diesem Gesichtspunkt trägt die angegriffene Entscheidung ausreichend Rechnung, wenn sie einerseits im Hinblick auf den in der Vergangenheit, d. h. bis Ende 1997 - unstreitig - bestehenden engen Kontakt zwischen Großmutter und Enkelinnen, andererseits unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die nachfolgende Einschränkung bzw. der Abbruch des Kontaktes weder von der Großmutter noch von den Kindern ausging oder auch nur von ihnen gewollt war und schließlich unter Berücksichtigung des Ergebnisses der gemäß § 50b FGG erfolgten Anhörung die Beibehaltung (bzw. Wiederaufnahme) des Kontakts mit der Großmutter für die Enkelinnen für förderlich bzw. nützlich - und damit der Entwicklung beider Mädchen auch dienlich - hält.
Dass [die Kinder] erst acht und fünf Jahre alt sind, macht ihren in der Anhörung geäußerten Willen nicht unbeachtlich. Nach Auffassung des Senats ist auch der Wille jüngerer Kinder grundsätzlich angemessen zu berücksichtigen (vgl. auch OLG Frankfurt/M., FamRZ 1997, 571, m.w.N.); denn selbst wenn sich jüngere Kinder nur eingeschränkt artikulieren (können), kann die Begegnung und Fühlungnahme mit ihnen (und ihren Eltern) dennoch Aufschlüsse über ihre Bedürfnisse und Empfindungen geben. Dass die Kinder vorliegend - wie die AGg. mutmaßen - von ihrer Großmutter oder ihrem Vater angehalten wurden, in ihrer Anhörung gegenüber dem FamG bestimmte Angaben zu machen, oder dass sie sonstwie beeinflusst worden sind, ist nicht ersichtlich oder dargetan, zumal beide AGg. noch in ihrem Gespräch mit dem Jugendamt Anfang Januar 2000 die Situation selbst so eingeschätzt haben, dass beide Mädchen auf ausdrückliches Befragen hin möglicherweise den Wunsch auf Kontakt zur Großmutter äußern würden.
Nicht zu beanstanden ist es auch, wenn das AmtsG den - unstreitig - vorhandenen Spannungen zwischen der ASt. und ihrer Tochter bzw. der ASt. und beiden AGg. im Ergebnis keine verständigen Gründe gesehen hat, die eine Verweigerung des Umgangs rechtfertigen. Dabei kann dahinstehen, ob - wie die ASt. wohl meint - lediglich (behebbare und vorübergehende) Spannungen vorhanden sind oder - wie die AGg. geltend machen - das Verhältnis zwischen ihnen und der Großmutter inzwischen völlig zerrüttet, jedenfalls aber von allergrößtem Misstrauen gekennzeichnet ist, was ihrer Auffassung nach auf wiederholte - allerdings nicht im einzelnen dargelegte - Einmischungen der Großmutter in Erziehungsfragen zurückzuführen ist. Denn möglichen Auswirkungen der bestehenden Spannungen auf die Umgangsregelung - und umgekehrt - kann, wie das AmtsG ausgeführt hat, schon dadurch Rechnung getragen werden, dass der Kontakt auf nur einen monatlichen Umgangstermin beschränkt wird, womit sich zwangsläufig auch die von den AGg. befürchtete Beeinflussungsmöglichkeit reduziert. Zudem haben sich die familiären Verhältnisse der AGg. nach ihren eigenen Angaben in den letzten drei Jahren ganz erheblich stabilisiert, so dass - damit korrespondierend - die Gefahr einer möglichen Beeinflussung überhaupt nur noch in erheblich gemindertem Umfang bestehen dürfte. Schließlich kann aber auch erwartet werden, dass die ASt. im Wissen darum, dass jegliche Einmischung in den elterl. Erziehungsvorrang und jegliche Einflussnahme auf die Kleinfamilie zur Aufhebung der Umgangsregelung führen kann, und nicht zuletzt angesichts der für sie schmerzlichen Erfahrung in den letzten drei Jahren, in denen sie mit den Mädchen kaum Umgang hatte, dem in dem Beschluss ausdrücklich angesprochenen Erfordernis, sich jeglicher Einflussnahme auf die Erziehung der Mädchen zu enthalten, nachkommen und bestrebt sein wird, alles zu unterlassen, was eine Gefährdung des gerichtlich geregelten Umgangs mit sich bringen kann.
Der Senat teilt die Auffassung, dass es nunmehr zuvörderst den AGg., insbesondere der AGg. zu 1 als der wichtigsten Bezugsperson [der Kinder] obliegt, an der Lösung des für beide Mädchen bestehenden Loyalitätskonfliktes mitzuwirken, indem sie ihren Wunsch auf Umgang mit der Oma respektieren und ihrerseits auf die Verwirklichung der jetzt gerichtlich festgelegten Umgangsregelung hinwirken, zumindest aber diese nicht boykottieren.
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