Erziehungsrecht der Eltern gegenüber Großeltern

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

23. 06. 2000


Aktenzeichen

11 UF 26/00


Leitsatz des Gerichts

  1. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eltern und den Großeltern über den Umgang des Kindes mit den Großeltern hat das Erziehungsrecht der personensorgeberechtigten Eltern grundsätzlich Vorrang.

  2. Großeltern haben nur dann ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Wohl des Kindes dient. Der diesbezügliche Nachweis muss von den Großeltern geführt werden.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Beschwerde der ASt. [Großeltern] ist nicht begründet.

1. Der Sohn der ASt. war mit der Mutter verheiratet. Nach der Geburt der gemeinsamen Tochter V. am 9. 2. 1997 kamen deren Eltern überein, dass die besserverdienende Mutter weiter erwerbstätig bleiben und der Vater des Kindes Erziehungsurlaub nehmen sollte, um das Kind zu betreuen und den Haushalt zu versorgen. Bei dieser Aufgabe wurde er von den ASt. unterstützt. V. war oft bei den Großeltern, ab 1998 an zwei Tagen in der Woche, nachdem der Vater eine Tätigkeit im Geringverdienerbereich aufgenommen hatte.

Am 29. 3. 1999 verstarb der Vater. Nach der Einschätzung der ASt. handelte es sich um Selbstmord, nach den Angaben der Mutter um einen Unfall.

In der Folgezeit wurde V. von Montag bis Freitag während der berufsbedingten Abwesenheit ihrer Mutter von den Großeltern betreut. Seit dem 2. 8. 1999 besucht V. auf Wunsch der Mutter eine Kindertagesstätte, und zwar zunächst von 8 bis 11 Uhr. Dann wurde das Kind von den Großeltern abgeholt und bis zur Rückkehr der Mutter von der Arbeit von diesen betreut. Die Großeltern waren mit dem Besuch der Kindertagesstätte durch V. nicht einverstanden. Wegen der Meinungsverschiedenheiten über die Erziehung des Kindes und weil der Mutter von den Großeltern vorgeworfen worden ist, sie trage Verantwortung am Tod ihres Mannes, kam es zu so schweren Spannungen zwischen den Großeltern und der Mutter, dass sich die Mutter entschloss, den Kontakt zu den Schwiegereltern abzubrechen und V. nicht mehr zu den Großeltern zu lassen. Seit dem 20. 8. 1999 finden Besuchskontakte nicht mehr statt.

Die ASt. haben daraufhin beim AmtsG beantragt, ihnen ein Besuchsrecht mit ihrem Enkelkind einzuräumen. Das AmtsG hat eine Stellungnahme des Jugendamtes [JA] eingeholt und die ASt. und die AGg. angehört. Sodann hat es das Begehren der ASt. zurückgewiesen und den Umgang der Großeltern mit ihrem Enkelkind für die Dauer eines Jahres ausgeschlossen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Besuchskontakte entsprächen nicht dem Wohl des Kindes, da das Verhältnis zwischen den Großeltern und der Mutter von V. schwerwiegend gestört sei. Die Durchführung der Besuchskontakte in einer ungestörten, das Kind nicht belastenden Atmosphäre sei daher nicht möglich.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die ASt. mit der Beschwerde, mit der sie erreichen möchten, dass ihnen ein Umgangsrecht mit dem Enkelkind an zwei Nachmittagen in der Woche eingeräumt wird. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

2. Die Voraussetzungen für Besuchskontakte der Großeltern mit ihrem Enkelkind V. sind nicht gegeben. Gemäß § 1685 I BGB haben Großeltern nur dann ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient. Das Umgangsrecht der Großeltern soll somit nach der gesetzlichen Regelung in verhältnismäßig engen Grenzen gehalten werden. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eltern und den Großeltern über den Umgang ist zu beachten, dass das Erziehungsrecht der personensorgeberechtigten Eltern grundsätzlich Vorrang hat (Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 3. Aufl., § 1685 BGB Rz. 5). Der Nachweis, dass die Besuchskontakte dem Kindeswohl dienen, muss von den Großeltern geführt werden (Palandt/Diederichsen, BGB, 59. Aufl., § 1685 Rz. 9).

Die Feststellung, dass im Interesse des Kindes V. Besuche bei den Großeltern stattfinden sollen, lässt sich hier nicht treffen. Zwar liegt es im Normalfall im Interesse des Kindes, zwischenmenschliche Beziehungen zu seinen Großeltern aufzubauen und durch Besuche weiter zu pflegen. Durch die häufigen Besuche des Kindes bei den Großeltern in der Vergangenheit und die Mithilfe der Großeltern bei der Betreuung und Versorgung des Kindes sind zweifellos auch Bindungen entstanden. Inzwischen ist es aber zu einer nachhaltigen und tiefgreifenden Störung in der Beziehung der Großeltern zur Mutter von V. gekommen. Es bestehen schwere Meinungsverschiedenheiten über die richtige Erziehung des Kindes. Die Entscheidung der Mutter, dass das Kind einen Kinderhort besucht, ist von den Großeltern nicht akzeptiert worden. Sie halten diesen Besuch nicht für richtig. Die Mutter ist auch der Meinung, dass sich die Großeltern in anderen Fragen in die Erziehung einmischen und ihre Erziehungsziele nicht akzeptieren. Schwere Meinungsverschiedenheiten bestehen auch bezüglich der Frage, wie mit dem Tod des Vaters von V. umgegangen werden soll. Während die Großeltern die Erinnerung von V. an den Vater wachhalten möchten, ist die Mutter der Meinung, das Kind solle zunächst mit dieser Erinnerung nicht konfrontiert werden. Der von den Großeltern erhobene Vorwurf, die Mutter von V. sei für den Tod ihres Mannes mitverantwortlich, hat in besonders schwerwiegender Weise zur Störung des Verhältnisses beigetragen. Der Großvater hält auch an diesem Vorwurf fest. Er hat noch bei der Anhörung durch das AmtsG geäußert, sein Sohn habe Selbstmord begangen. Er hat den Verdacht geäußert, dass die Mutter von V. dafür die Verantwortung trage. Diese Verdächtigung ist für die Mutter um so schwerer hinzunehmen, weil die Großmutter bei ihrem Gespräch mit den Mitarbeitern des JA erklärt hat, die Vermutung, dass es sich um Selbstmord handele, sei durch nichts belegt. ...

Zu Recht ist das AmtsG zu dem Ergebnis gelangt, dass bei einem derartig gespannten Verhältnis nicht angenommen werden kann, dass die Besuche von V. bei den Großeltern für das Kind konfliktfrei verlaufen. Vielmehr ist zu erwarten und zu befürchten, dass die Großeltern und die Mutter nicht in der Lage sind, die zwischen ihnen bestehenden schweren Differenzen von dem Kind fernzuhalten. Es spricht vieles dafür, dass das Kind die Meinungsverschiedenheiten merken und durch die Besuchskontakte in eine Konfliktsituation gelangen wird. Die Durchführung von Besuchskontakten in einer so spannungsgeladenen und für das Kind belastenden Situation ist für das Kindeswohl nicht förderlich.

Da sich somit nicht feststellen lässt, dass die von den Großeltern angestrebten Besuchskontakte dem Kindeswohl dienen, war die Beschwerde zurückzuweisen und die Entscheidung des AG zu bestätigen.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht