Eingruppierung von Lehrern - Bewährungsaufstieg
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
15. 11. 1995
Aktenzeichen
4 AZR 658/94
In den Eingruppierungsrichtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder für die Eingruppierung von Lehrkräften ist in Abschnitt B Unterabschnitt V (Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen), soweit nicht Besonderheiten vorliegen, auf den Unterabschnitt IV (Lehrkräfte an Gymnasien) mit sämtlichen Fallgruppen verwiesen, so dass jeweils auch die subjektiven Ausbildungsvoraussetzungen vorliegen müssen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Kl., der zur Zeit als Lehrer an einer berufsbildenden Schule tätig ist. Die Parteien schlossen am 15. 12. 1975/5. 1. 1976 einen "Dienstvertrag", der bis zum 31. 1. 1976 befristet war und den Kl. verpflichtete, wöchentlich 11 Stunden Unterricht in den Fächern Sport und Erdkunde an dem Schulzentrum "I-Gymnasien" zu erteilen. Diesem Vertrag folgte der Arbeitsvertrag vom 17. 2. 1976, nach dem der Kl. für den Zeitraum vom 1. 2. 1976 bis zum 31. 1. 1977 unter Eingruppierung in die VergGr. IIb BAT als Diplomsportlehrer eingestellt wurde. In § 2 des Arbeitsvertrages legten die Parteien fest: "Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. 2. 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen mit der Maßgabe, dass für die Eingruppierung die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über die Einreihung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte vom 18. 5. 1971 und die diese ergänzenden oder ändernden Fassungen gelten." Aufgrund des Arbeitsvertrages vom 31. 1. 1977 beschäftigte das bekl. Land den Kl. über den 31. 1. 1977 hinaus unbefristet als Diplomsportlehrer unter Eingruppierung in die VergGr. IIb BAT weiter. Die Verweisung auf den BAT und die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) wurde aus dem vorangegangenen Arbeitsvertrag wortgleich übernommen. Einen weiteren Arbeitsvertrag schlossen die Parteien am 31. 10. 1979. In dem Schulzentrum I unterrichtete der Kl. in der Sekundarstufe I die Fächer Sport und Geografie. Zum 1. 8. 1986 wurde er auf seinen Antrag an eine berufsbildende Schule, Handels- und Höhere Handelsschule, versetzt. Zuvor hatte das bekl. Land die Gymnasiallehrer allgemein aufgefordert, entsprechende Anträge zu stellen, um die Schulsituation an den berufsbildenden Schulen zu verbessern. Der Kl. hat am 26. 7. 1965 an der Humboldt-Universität zu Berlin - Pädagogische Fakultät - das Staatsexamen für das Lehramt an der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule der Deutschen Demokratischen Republik in den Fächern Körpererziehung und Geografie abgelegt. Mit der am 31. 8. 1967 ausgestellten Urkunde bescheinigte der Rat des Kreises Berlin-Köpenick dem Kl. die erfolgreiche Beendigung des Vorbereitungsdienstes. Diese Prüfungen und nachgewiesenen Leistungen wurden von dem bekl. Land unter dem 5. 6. 1979 als gleichwertig lediglich mit einer Ersten Prüfung für das Lehramt an öffentlichen Schulen mit dem Schwerpunkt Sekundarstufe I in den Fächern Geografie und Sport anerkannt, jedoch nicht mit einer Zweiten Staatsprüfung. Den danach erforderlichen Vorbereitungsdienst für das Lehramt an öffentlichen Schulen leistete der Kl. nicht ab. Mit Schreiben vom 26. 10. 1992 forderte der Kl. das bekl. Land erfolglos auf, ihm rückwirkend ab 1. 1. 1990 Vergütung aus der VergGr. IIa BAT und aufgrund Bewährungsaufstiegs ab 1. 4. 1992 aus der VergGr. Ib BAT zu zahlen.
Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des bekl. Landes hat das LAG das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und zur Klarstellung neu gefasst. Es hat festgestellt, dass das bekl. Land verpflichtet ist, an den Kl. rückwirkend ab 1. 1. 1990 Vergütung nach der VergGr. IIa BAT zu zahlen und die jeweiligen Nettobeträge ab dem 18. 12. 1992 mit 4 % zu verzinsen. Im übrigen hat das LAG die Berufung zurückgewiesen und für den Kl. die Revision zugelassen. Die Revision des Kl. blieb erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
Zu Recht hat das LAG einen Anspruch des Kl. auf Vergütung aus der VergGr. Ib BAT im Ergebnis verneint.
I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des BAG keine Bedenken bestehen (z.B. Senat, AP Nr. 114 zu §§ 22 BAT1975). Der Feststellungsantrag ist auch insoweit zulässig, als er Zinsforderungen zum Gegenstand hat (z.B. BAGE 41, 358 = AP Nr. 1 zu § 21 MTLII).
II. Die Klage ist jedoch, soweit sie in der Revision noch anhängig ist, nicht begründet. Der Kl. hat nach den in den Arbeitsvertrag einbezogenen Lehrerrichtlinien der TdL keinen Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. Ib BAT.
1. Obwohl im Arbeitsvertrag Vergütung nach der VergGr. IIb BAT vereinbart ist, richtet sich der Vergütungsanspruch des Kl. nicht von vornherein nur nach dieser Vergütungsgruppe. Der Kl. kann vielmehr die Vergütung entsprechend den Tätigkeitsmerkmalen der TdL-Richtlinien verlangen, die er ausfüllt. Der Kl., auf dessen Lehrerarbeitsverhältnis nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen die Vergütungsordnung zum BAT keine Anwendung findet, hat mit dem bekl. Land die Geltung der TdL-Richtlinien in ihrer jeweiligen Fassung vereinbart. Eine solche dynamische Verweisung auf die TdL-Richtlinien ist dahin auszulegen, dass nicht nur die im Arbeitsvertrag vorgesehene, sondern auch eine höhere Eingruppierung zustehen soll, sofern der Arbeitnehmer die in den Eingruppierungsrichtlinien genannten Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Senat, AP Nr. 13 zu §§ 22 BAT Lehrer; Senat, NZA 1994, 702 = AP Nr. 32 zu §§ 22 BAT Lehrer). Der Senat ist nicht gehindert, den Arbeitsvertrag des Kl. selbständig auszulegen, da es sich um einen formularmäßigen Vertrag handelt (vgl. Senat, ZTR 1991, 296).
2. a) Die Eingruppierung des Kl. in dem streitgegenständlichen Zeitraum richtet sich nach den Lehrerrichtlinien der TdL in der Neufassung vom 1. 2. 1992 (BremABl 1992, S. 313). Diese haben, soweit sie für den Rechtsstreit von Bedeutung sind, den folgenden Wortlaut:
B. Sonstige Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis an allgemeinbildenden und an berufsbildenden Schulen. Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis, die nicht unter Abschnitt A fallen, können in die Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT wie folgt eingruppiert werden:
IV. Lehrkräfte an Gymnasien. 1. Lehrer in der Tätigkeit von Studienräten mit abgeschlossenem Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule, die aufgrund ihres Studiums die Fähigkeit zum Unterrichten in mindestens zwei Fächern haben und die überwiegend Unterricht in mindestens einem ihrem Studium entsprechenden Fach erteilen, in VergGr. IIa, nach mindestens fünfzehnjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe in VergGr. Ib.
2. Lehrer in der Tätigkeit von Studienräten mit abgeschlossenem Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule, die überwiegend Unterricht in einem ihrem Studium entsprechenden wissenschaftlichen Fach erteilen, in VergGr. III, nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe in VergGr. IIa.
V. Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen. Lehrer in der Tätigkeit von Fachlehrern, Fachoberlehrern, Fachschullehrern, Fachschuloberlehrern, technischen Lehrern, Werkstattlehrern oder Werkmeistern, wenn der entsprechende Beamte im Eingangsamt in die Besoldungsgruppe
A 13 eingestuft ist III
A 12 eingestuft ist IVa
A 11 eingestuft ist IVb
A 10 eingestuft ist Vb
A 9 eingestuft ist Vc
A 8 eingestuft ist VIb
Diese Lehrer können nach sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe um eine Vergütungsgruppe höhergruppiert werden. Die übrigen Lehrkräfte werden wie die entsprechenden Lehrkräfte an Gymnasien eingruppiert.
Protokollnotizen zu Abschnitt B
1. Für die Auslegung des Begriffs "abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule" gilt die Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil I der Anlage 1a zum BAT. Als abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule gilt auch ein abgeschlossenes Studium an einer ausländischen wissenschaftlichen Hochschule, das der zuständige Landesminister als gleichwertig anerkannt hat.
b) Lehrkräfte des Abschnitts B (sogenannte Nichterfüller) an berufsbildenden Schulen, die nicht die Tätigkeit von Fachlehrern, Fachoberlehrern, Fachschullehrern, Fachschuloberlehrern, technischen Lehrern, Werkstattlehrern oder Werkmeistern ausüben, werden nach Unterabschnitt V wie die entsprechenden Lehrkräfte an Gymnasien eingruppiert. Deren Eingruppierung ist in Unterabschnitt IV der Richtlinien geregelt. Nach Nr. 1 dieses Unterabschnitts erhalten Lehrer in der Tätigkeit von Studienräten mit abgeschlossenem Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule, die aufgrund ihres Studiums die Fähigkeit zum Unterrichten in mindestens zwei Fächern haben und die überwiegend Unterricht in mindestens einem ihrem Studium entsprechenden Fach erteilen, nach mindestens fünfzehnjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe Vergütung aus der VergGr. Ib BAT. Nach Nr. 2 dieses Unterabschnitts erhalten dagegen Lehrer in der Tätigkeit von Studienräten mit abgeschlossenem Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule, die überwiegend Unterricht in einem ihrem Studium entsprechenden wissenschaftlichen Fach erteilen, Vergütung aus der VergGr. III BAT und nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe Vergütung aus der VergGr. IIa BAT.
c) Das LAG hat die Auffassung vertreten, der Kl. falle zwar unter die Nr. 1 des Unterabschnitts B VI, habe jedoch die geforderte fünfzehnjährige Bewährungszeit nicht erfüllt, so dass er zur Zeit lediglich Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. IIa BAT habe. Die Tätigkeit in dem Schulzentrum I sei bei der Berechnung der Bewährungszeit nicht zu berücksichtigen. Das gelte auch dann, wenn damals der Einsatz in der gymnasialen Abteilung überwogen habe. Aufgrund der Besonderheiten des Bremer Schulsystems richte sich die Vergütung eines Lehrers an einem Sekundarstufen-I-Zentrum, der überwiegend in den Klassen 7 bis 10 unterrichte, nach den Eingruppierungsregelungen für Realschullehrer. Diese Bestimmungen seien trotz der entgegenstehenden Anmerkung der Bremer Senatskommission für das Personalwesen anwendbar. Diese Ausführungen des LAG begegnen rechtlichen Bedenken, insbesondere trifft es nicht zu, dass der Kl. unter die Nr. 1 des Unterabschnitts B IV der TdL-Richtlinien fällt.
d) Nach B V der RdL-Richtlinien werden Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen wie die entsprechenden Lehrkräfte an Gymnasien eingruppiert, soweit sie nicht eine der dort genannten Spezialtätigkeiten ausüben. Damit wird wegen der Vergütung der Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen nicht nur auf Nr. 1 des Abschnitts B IV "Lehrkräfte an Gymnasien" verwiesen, sondern auf alle Fallgruppen dieses Abschnitts. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch der Abschnitt B IV dem in den RdL-Richtlinien durchgängig niedergelegten Grundsatz folgt, dass zunächst nach Schulformen (B I-VII) und innerhalb der Schulformen nach Qualifikationen bzw. Lehrbefähigungen, die in einem bestimmten Studiengang erworben worden sein müssen, zu unterscheiden ist. Demzufolge erfasst die jeweilige Fallgruppe 1 der Unterabschnitte I, II und IV des Abschnitts B nur den angestellten Lehrer, der dem beamteten Lehrer derselben Schulform am nächsten steht, d.h. der denselben (für die Laufbahn des Beamten vorausgesetzten) Studiengang durchlaufen hat. Nur dieser Lehrer verfügt "aufgrund seines Studiums" über die Lehrbefähigung für eine bestimmte Schulform. Dem entspricht auch das Gesetz über die Ausbildung für das Lehramt an öffentlichen Schulen im Lande Bremen (Bremisches Lehrerausbildungsgesetz) vom 2. 7. 1974 (GBl, 279). Dort ist in § 1 festgelegt, dass die Ausbildung für das Lehramt an öffentlichen Schulen im Lande Bremen nach stufenbezogenen Schwerpunkten erfolgt. Nach § 2 wird die Befähigung zum Lehramt an öffentlichen Schulen durch das Bestehen der Ersten und Zweiten Staatsprüfung für dieses Lehramt erworben. Nach § 9 I erfolgt die Ausbildung der Lehrer zwar für ein einheitliches Lehramt an öffentlichen Schulen, jedoch stufenbezogen, wobei als Schwerpunkte stufenbezogene Schwerpunkte ausgebildet werden, nämlich:
1. Schwerpunkt Primarstufe
2. Schwerpunkt Sekundarstufe I
3. Schwerpunkt Sekundarstufe II
e) Nach Abs. 3 von § 9 wird erst mit der Zweiten Prüfung für das Lehramt an öffentlichen Schulen außer der Lehramtsbefähigung auch die Qualifikation für den gewählten stufenbezogenen Schwerpunkt festgestellt. Schließlich werden nach § 10 des Gesetzes die Lehrer vornehmlich in der Stufe oder in dem Bereich eingesetzt, die ihrer Fächerkombination, ihrem Ausbildungsgang und ihrer stufenbezogenen Qualifikation entsprechen. Daraus folgt, dass unter die ersten Fallgruppen der Unterabschnitte des Abschnitts B nur solche Lehrkräfte fallen können, die die entsprechende Lehrbefähigung aufgrund ihres Studiums nachweisen können. Entspricht dagegen der abgeschlossene Studiengang einer Lehrkraft, selbst wenn er an einer wissenschaftlichen Hochschule durchlaufen wurde, nicht demjenigen, der zur Befähigung zum Lehramt an einer bestimmten Schulform führt, so fällt diese Lehrkraft nicht unter die Fallgruppe 1 des Unterabschnitts B IV, sondern unter die jeweilige Fallgruppe 2. Dies gilt auch dann, wenn der Unterabschnitt B IV nur über eine Verweisung aus dem Unterabschnitt B V erreicht wird.
3. Zu dem gleichen Ergebnis führt der Umstand, dass die Anwendung der Fallgruppe 1 in Abschnitt B Unterabschnitt I, II, IV voraussetzt, dass die Lehrkraft im Falle der Erfüllung der beamtenrechtlichen Ernennungsvorschriften nach den Besoldungsgruppen A 12 = VergGr. III, Besoldungsgruppe A 13 = VergGr. IIa, Besoldungsgruppe A 13/A 14 (Studienrat/Oberstudienrat) = VergGr. IIa/Ib eingestuft wäre. Allein aus dieser Gleichstellung von beamtenrechtlicher Besoldung und Angestelltenvergütung ergibt sich auch zwanglos der Bewährungsaufstieg in den Fallgruppen 1, der eine Beförderung von einer Besoldungsgruppe in die andere entspricht. Dies ist noch einmal besonders deutlich gemacht durch die Anmerkung in Abschnitt B Unterabschnitt IV Fallgruppe 1, wo auf die längere Wartezeit eines entsprechenden Beamten nach Abschnitt A verwiesen worden und dementsprechend eine längere Bewährungszeit gefordert ist.
4. Da die vom Kl. durchlaufenen Studiengänge und Prüfungen unstreitig nur als gleichwertig mit einer Ersten Prüfung für das Lehramt an öffentlichen Schulen mit dem Schwerpunkt Sekundarstufe I anerkannt worden sind, fällt er somit nicht unter die Fallgruppe 1 des Abschnitts B Unterabschnitt IV, sondern allenfalls unter die Fallgruppe 2. Damit hat er aber nur Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. III und nach sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe nach VergGr. IIa BAT.
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