Ungewollte Einwahl über einen 0190-Dialer

Gericht

AG Freiburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

11. 06. 2002


Aktenzeichen

11 C 4381/01


Leitsatz des Gerichts

Ein Telefonnetzbetreiber scheiterte mit seiner Zahlungsklage auf Gebühren, die durch ungewolltes Anwählen einer 0190-Nummer mittels eines selbstinstallierenden Dialers entstanden waren. Da die in Rechnung gestellten Vergütungen für Mehrwertdienste nicht aufgrund eines bewussten und gewollten Einwählverhaltens durch den Kunden entstanden, sei es „offensichtlich“, dass es an übereinstimmenden Willenserklärungen als Voraussetzung eines wirksamen Vertragsschlusses fehlt.

Tenor


Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen

  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Klägerin macht restliche Telekommunikationsgebühren gegen den Beklagten geltend.

Die Klägerin hatte für den ISDN-Telefonanschluß des Beklagten am 14.05.2001 und am 12.06.2001 Rechnungen erstellt.

Der Beklagte bezahlte diese Rechnung nur teilweise.

Aus der Rechnung vom 14.05.2001 sind noch DM 1.458,07 und aus der Rechnung vom 12.06.2001 DM 1.108,15 offen.

Die offenen Beträge beziehen auf in Rechnung gestellte 0190-Verbindungen.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte sei verpflichtet auch diese Vergütungen zu bezahlen.

Auch wenn die Verbindungen über den PC und Internetverbindungen aufgebaut wurden, sei dies nicht unbewusst und bemerkt geschehen.

Ein unbemerktes Zustandekommen von 0190-Verbindungen sei auszuschließen.

Die Klägerin stellte den Antrag:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.566,22 DM nebst 5,5 v. H. Zinsen hieraus seit dem 11.07.2001 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt Klagabweisung. Wenn handle es sich um eine "Selbsteinwahl" dieser Dienste über unbemerkt heruntergeladene Selbstwählprogramme, von denen er nichts bemerkt habe.

Erst nach den Rechnungsstellungen sei er aufmerksam geworden und eine Überprüfung seines PCs habe ergeben, dass sich die T-Online Einwahlnummer 0191011 für den Internetzugang erst an dritter Stelle der aufgelisteten Verbindungen befunden habe und an der Stelle 1 und 2 sich zwei Sex-Programm-Anbieter mit 0190-Nummern eingetragen hatten (siehe B 3 As. 137).

Wie es zu diesen Eintragungen und zu dieser Reihenfolge der Verbindungen gekommen sei, sei ihm unerfindlich.

Aus den Abrechnungen ergäbe sich, dass über die 0190-Nummer des Anbieters Videobabe auch der ganz normale Internetverkehr einschließlich E-Mail abgewickelt wurde.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen über die Einwahlmöglichkeiten am PC.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitgegenstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Gründe:

Die Klage war nicht begründet.

Ausgehend von dem Urteil des BGH vom 22.11.2001 ist zwischen dem Netzbetreiber und dem Anbieter von "Premium Rate"-Diensten bzw. Telediensten bzw. Mehrwertdiensten zu unterscheiden.

Die rechtsgeschäftliche Grundlage für eine Vergütung ist in jedem Falle ein Vertrag, der durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande gekommen sein muss.

Diesen Kriterien entspricht der vorliegend festgestellte Ablauf nicht.

Zu Recht macht der Beklagte vorliegend geltend, dass die ihm in Rechnung gestellten Vergütungen für Mehrwertdienste über 0190-Nummern nicht aufgrund eines bewussten und gewollten Einwählverhalten durch ihn oder die Mitbenutzer seines Anschlusses/PCs entstanden sind.

Glaubhaft ließ er über seine Ehefrau im Termin vom 14.05.2002 vortragen, dass es sich um den Familien-PC handle und dieser mit einem Internetanschluss über die Einwahlsoftware von T-Online ausgerüstet sei.

Glaubhaft trug er weiter vor, dass es von ihr oder seinen Familienangehörigen/Mitbenutzern des Anschlusses keine bewusste Installation einer anderen automatisierten Selbsteinwahl gegeben hatte.

Dies war u.a. auch deswegen glaubhaft, da in der Tat in den Einzelverbindungsnachweisen die 0190-Nummern als Standard- Internetverbindung auftaucht mit Verbindungszeiten und - dauern, wie sie üblicherweise nur im E-Mail-Verkehr vorkommen.

Die bewusste Einrichtung einer Standard-Internet-Einwahlverbindung über eine 0190-Nummer eines Sex-Anbieters kann bei den geschilderten Nutzungsverhältnisses des PC ausgeschlossen werden.

Nach dem Sachvortrag und den getroffenen Feststellungen war davon auszugehen, dass der Beklagte bzw. die Mitbenutzer seines davon auszugehen, dass der Beklagte bzw. die Mitbenutzer seines Internetanschlusses über T-Online beim Surfen im Internet eine sogenannte "Dialer.Exe" heruntergeladen hatten, die als Anwendung dazuführte, dass sich die entsprechende 0190-Nummer als Windows-Betriebssystems eintrug mit der Folge, dass jede Einwahl ins Internet danach über diese 0190-Nummer erfolgte.

Im fraglich Zeitraum erfolgt keine Einwahl über die T-Online-Nummer.

Die Unterlagen, die die Klägerin im Termin vom 14.05.2002 eingereicht hat, weisen noch zum heutigen Zeitpunkt nach, dass der Anbieter viedeobabe.com in der Anpreisung mit "Kostenlos Mitglied werden", "Highspeed Zugang - keine Anmeldung" und "ohne Kreditkarte" wirbt.

Das herunterzuladende Programm heißt "cybergirl.exe" und hat keinen Hinweis darauf, dass in Wahrheit softwaremäßige Vorbereitungen getroffen werden, die bestehende Internetverbindung zu beenden und eine neue einzurichten, für die eine wesentlich höhere Vergütung durch die Einwahl mit einer 0190-Nummer entsteht.

Erst in der weiteren Ausführung nach dem Download, erfolgen zumindest nach dem von der Klägerin vorgelegten aktuellen Stand des genannten Anbieters "dezente" Hinweise auf erhöhte Minutenpreise.

Dieser Ablauf zeigte, dass von der Kostenfolge zunächst abgelenkt wird.

Diese Ablenkung verstärkt sich dadurch, dass im Internet auch viele Downloads ohne (auch spätere) Kostenfolgen angeboten werden.

Dies nutzt der Anbieter Videobabe, in dem er den Download seiner cybergirl.exe als "Gratis download" anpreist, obwohl dieses Programm in Wahrheit nach dem Herunterladen nur die kostenpflichtige 0190-Verbindung unter Beendigung der bestehenden Internetverbindung aufbaut und damit mit sogenannter "Freeware" nichts zu tun hat.

Soweit das Download-Angebot ein Vertragsangebot für eine kostenpflichtige Leistung im Bereich der genannten Mehrwertdienste beinhalten sollte, legte es die Kostenpflichtigkeit nicht von vornherein offen. Im Gegenteil - es wird zunächst davon abgelenkt und erst im Rahmen der Installationsroutine nach dem Download erfolgen Hinweise auf den erhöhten Minutenpreis. Von der Ausgestaltung her sind diese Hinweis wesentlich zurückhaltender als die oben genannten Anpreisungen vor dem Download. Ohne dass bereits bei dem Angebot des Download der Dialer.exe auf die bei Anwendung des Programms entstehenden erhöhten Verbindungskosten hingewiesen wird, stehen sich Angebot und Annahme im vertragsrechtlichen Sinne nicht mit einer solchen Übereinstimmung gegenüber, dass von einem wirksamen Vertragsabschluß auszugehen ist.

Dies gilt um so mehr dann, wenn das heruntergeladene Einwählprogramm zu den Mehrwertdiensten sich im DFÜ-Register des Betriebsprogramms so einträgt, dass es als Standardverbindung bei jeder neuen Einwahl ins Internet zur Einwahl über eine 0190-Nummer führt bzw. als Eintrag im DFÜ-Register so stehen bleibt, dass eine solche neue Einwahl ungewollt möglich ist.

In diesen Fällen ist es noch offensichtlicher, dass es an übereinstimmenden Willenserklärungen von Kundenseite fehlt.

Ein Anspruch aus § 812 BGB auf zumindest die T-Online-Gebühren für die Nutzung des Internetzugangs für den umstrittenen Zeitraum bestand nicht, da der Beklagte insoweit nicht mehr bereichert ist.

Auch ein Anspruch auf die Gebühren wegen Verletzung nebenvertraglicher Pflichten aus dem Telekommunikationsvertrag bestand nicht.

Eine Pflicht des Beklagten als Anschlussinhaber seine Software entsprechend vor solchen Vorgängen zu schützen bzw. regelmäßig zu überprüfen besteht nicht von vornherein.

Die Kostenentscheidung ergab sich aus § 91 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11 ZPO.

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht