Trennungsunterhalt bei überdurchschnittlich hohem Einkommen
Gericht
OLG Frankfurt/M
Datum
13. 08. 1996
Aktenzeichen
3 UF 8/96
Bei überdurchschnittlich hohen Einkommen (Nettoverdienst über 8000 DM monatlich) ist bei Berechnung des Trennungsunterhalts der konkrete Bedarf des Unterhaltsberechtigten festzustellen.
Ist eine Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse aufgrund einer Feststellung, welcher Teil des Gesamteinkommens verlebt wurde und welcher Teil der Re-Investition oder Vermögensbildung diente, nicht möglich, muss konkret festgestellt werden, wie sich die ehelichen Lebensverhältnisse gestaltet haben.
Werden weit überdurchschnittliche luxuriöse Lebensverhältnisse der Parteien festgestellt, so hat der Unterhaltsberechtigte Anspruch auf weitere Teilhabe an dem in der Ehe geübten Lebensstandard. Hierbei müssen nicht Bedürfnisse bezahlt werden, die sich aus der Sicht eines objektiven dritten Betrachters als zu luxuriös darstellen. Objektiviert soll der Lebenszuschnitt maßgebend sein, den entsprechend situierte Ehegatten im Regelfall wählen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien, die seit dem 26. 10. 1979 miteinander verheiratet sind, leben seit Ende Januar 1995 getrennt. Seither bewohnt die Kl. die dem Bekl. gehörende bisherige Ehewohnung allein. Der Bekl. zahlt weiterhin die Nebenkosten.
Die 52jährige Kl. ist französische Staatsangehörige. Bis Dezember 1995 bezog die Kl. ein Gehalt als angestellte Geschäftsführerin einer dem Bekl. gehörenden Firma. Ihr Antrag auf Arbeitslosengeld wurde durch rechtskräftigen Bescheid v. 22. 2. 1996 abgelehnt.
Die Kl. ist Eigentümerin einer Eigentumswohnung in F., die ab Oktober 1995 zu einem Mietzins von 1.800 DM vermietet ist. Zuvor stand sie mehrere Monate leer, nachdem sie vor dem Auszug des letzten Mieters zu einem Preis von 1.500 DM monatlich vermietet gewesen war. Die Finanzierungskosten der Wohnung mit monatlich 1.735 DM trägt der Bekl.
Ferner ist die Kl. Eigentümerin von drei Eigentumswohnungen in B., die jedoch hoch belastet sind.
Der Kl. stand ein Firmenwagen zur Verfügung, der im Bruttolohn mit 186 DM berücksichtigt wurde. In Paris befindet sich ein weiterer Pkw, den die Kl. nutzen kann. Inwieweit der Bekl. die Versicherung für diesen Pkw zahlt, ist streitig.
Der Bekl. ist persönlich haftender Gesellschafter der K.-KG und ist an mehreren Inkassogesellschaften im Ausland beteiligt.
Der Bekl. wurde mit anwaltlichem Schreiben v. 17. 5. 1995 zur Zahlung eines Trennungsunterhalts von 12.000 DM an die Kl. aufgefordert.
Mit der Klage verfolgt die Kl. eine Unterhaltsforderung von monatlich 21.000 DM ab Klageerhebung. Die Kl. hat behauptet, sie habe einen monatlichen Unterhaltsbedarf von 26.893 DM.
Das AmtsG hat durch Urteil v. 9. 11. 1995 die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil hat die Kl. Berufung eingelegt.
Auszüge aus den Gründen:
Die Berufung ist teilweise begründet.
Die Kl. hat einen Anspruch auf Trennungsunterhalt gemäß § 1361 BGB, da sie ihren Bedarf nicht aus eigenen Mitteln decken kann. Der Bedarf der Kl. ist unter Berücksichtigung der ehel. Lebensverhältnisse und der Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der Parteien festzustellen. Nach der std. Rspr. des BGH ist bei überdurchschnittlich hohen Einkommen (die jedenfalls bei einem Nettoverdienst von über 8.000 DM, der Obergrenze der Düsseldorfer Tabelle, beginnen) kein Quotenunterhalt zu berechnen, sondern der konkrete Bedarf festzustellen (BGH, FamRZ 1982, 151; 1987, 36; so auch OLG Koblenz, FamRZ 1995, 1577; OLG Hamm, FamRZ 1995, 1578).
Eine Möglichkeit der Beurteilung der ehel. Lebensverhältnisse ist die Feststellung, welcher Teil des Gesamteinkommens verlebt wurde und welcher Teil der Re-Investition oder Vermögensbildung diente (OLG Frankfurt/M., FamRZ 1981, 1061 f.).
Diese Berechnungsmöglichkeit scheidet im vorliegenden Fall aus, da nach dem Vortrag der Parteien keine entsprechenden Feststellungen getroffen werden können. Während die Kl. behauptet, es sei das gesamte Einkommen verlebt worden, bestreitet der Bekl. dies, ohne seinerseits Zahlen zu nennen.
Daher muss konkret festgestellt werden, wie sich die ehel. Lebensverhältnisse gestaltet haben (BGH, FamRZ 1995, 346 f.). Für die Ermittlung des Lebensstandards kann an die Aufwendungen angeknüpft werden, mit denen die Parteien während des Zusammenlebens ihren allgemeinen Lebensstandard bestritten haben (BGH, FamRZ 1994, 1169 f.). Dabei liegen bei den Parteien schon die Wohnverhältnisse weit über dem Durchschnitt ... Von beiden Parteien wird der Wohnwert der ehemaligen Ehewohnung auf 5.000 DM monatlich geschätzt. ...
Aus dem Gesamteindruck ergibt sich, dass die Lebensverhältnisse der Parteien weit überdurchschnittlich und luxuriös waren.
Die Kl. hat grundsätzlich Anspruch auf weitere Teilhabe an dem in der Ehe geübten Lebensstandard (BGH, FamRZ 1994, 1169 f.). Allerdings wird in der Rspr. allgemein eine Objektivierung in der Form gefordert, dass auch bei Anerkennung eines überdurchschnittlichen Lebensstandards Bedürfnisse nicht zu bezahlen sind, die sich aus der Sicht eines objektiven dritten Betrachters als zu luxuriös darstellen (so u. a. OLG Frankfurt/M., FamRZ 1992, 823 f.; s. auch Eschenbruch/Loy, Die Sättigungsgrenze beim Ehegattenunterhalt, FamRZ 1994, 665 f.).
Schon in seiner Entscheidung v. 13. 12. 1968 (BGH, FamRZ 1969, 205 = NJW 1969, 919) führt der BGH aus, dass der Unterhalt nicht dazu bestimmt sei, dem Berechtigten ein Leben voller Luxus zu ermöglichen, jedenfalls nicht einen Luxus, der über den privaten Lebensstil des Verpflichteten hinausgehe. Es sei jedoch bei der gebotenen Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls kein Grund ersichtlich, warum der Umfang des Unterhalts nicht auch bei außergewöhnlich guten Verhältnissen des Verpflichteten in eine angemessene Beziehung zu dessen Stellung, wirtschaftlicher Lage und Lebensführung zu setzen wäre.
Als extravaganter Luxus, der nicht vom Unterhaltsverpflichteten zu finanzieren ist, wurde in der Rspr. z. B. ein eigenes Jagdschloss (OLG Koblenz, FamRZ 1985, 480) oder die dauerhafte Motorbootanmietung und Helikopter-Skiing (OLG Köln, FamRZ 1992, 322) angesehen.
Letztlich soll - objektiviert - der Lebenszuschnitt maßgebend sein, den entsprechend situierte Ehegatten im Regelfall wählen (BGH, FamRZ 1994, 1169 f.).
Die Kl. trägt glaubhaft vor, dass es in den Kreisen, in denen sich die Eheleute bewegt haben, dazugehörte, exklusiv gekleidet zu sein und in den teuersten Geschäften einzukaufen, den vorhandenen Reichtum somit darzustellen. Der Lebensstil entsprach dem Stil vergleichbar situierter Ehepaare. Die Kl. muss jedoch insoweit Abstriche machen, als sich die Aufwendungen auf die Partnerschaft oder auf die berufliche Tätigkeit des Bekl. bezogen. So entfallen hohe Repräsentationskosten für die Kl. durch die Trennung. Dies muss sich in der Reduzierung des Aufwands für Kleidung, Restaurantbesuche und -einladungen oder aufwendige Geschenke niederschlagen (OLG Köln, FamRZ 1992, 322). Auch die Kosten für teure Urlaubsreisen verringern sich dadurch, dass diese zum einen dem gemeinsamen Erleben der Eheleute dienten, der Erholung auch des berufstätigen Ehegatten (OLG Frankfurt/M., FamRZ 1981, 1062; OLG Köln, FamRZ 1994, 1323), sowie nach dem unbestrittenen Vortrag des Bekl. der Pflege geschäftlicher Kontakte.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte wird ein konkreter monatlicher Bedarf der Kl. von 11.500 DM für angemessen gehalten, wobei der Senat davon ausgeht, dass der Bekl. der Kl. während des Getrenntlebens die Ehewohnung weiterhin unter Übernahme der Nebenkosten kostenlos zur Verfügung stellt und die Belastungen der Eigentumswohnung in F. weiterzahlt.
Bei der Berechnung des Bedarfs der Kl. ist nicht auf jeden Einzelposten einzugehen, vielmehr sind nach dem konkreten Vortrag der Kl. die einzelnen Bereiche des Lebensbedarfs zu schätzen (§ 287 ZPO). Hierzu gehören u. a. Essen und Trinken, Kleidung, Hauspersonal, Wohnungseinrichtung, Aufwendungen für kulturelle Zwecke, Unterhaltung, gesellschaftlicher Verkehr, Reisen (s. BGH, FamRZ 1969, 205 = NJW 1969, 919 f.) ...
Als Haushaltsbedarf der Kl. wird ein Betrag von 3.000 DM als angemessen angesehen. Hierzu rechnet der Aufwand für die eigene Verpflegung der Kl. einschließlich Besuchen in teuren Restaurants mit Trinkgeldern, Bewirtung von Gästen, Ergänzung von Hausrat, Reinigung von Haushaltswäsche, Reparaturen, Putz- und Waschmittel, Putzhilfe ...
Der Bedarf der Kl. für Bekleidung ist mit 3.000 DM monatlich anzusetzen. ...
Für Körperpflege ist ein monatlicher Betrag von 1.000 DM angemessen.
Einen weiteren großen Berechnungsposten stellen in der Aufstellung der Kl. die Reisen dar. So flog die Kl. während der Ehe einmal monatlich nach Paris. Die Kosten hierfür werden der Höhe nach nicht bestritten und betragen für einen Flug einschließlich der Taxikosten 1.200 DM. Hinzu kommen Wochenend- und Urlaubsreisen. ... Insgesamt ist damit ein Bedarf für Reisen i. H. von 2.500 DM monatlich gerechtfertigt.
Zu den Ausgaben für Freizeitbeschäftigung, die mit 1.000 DM anzusetzen sind, werden solche für Zeitungen, Zeitschriften und Bücher sowie Tonträger gerechnet. Ferner sind die Kosten für Filme, Aufwendungen für Briefkorrespondenz, Geburtstagsgeschenke und Mitbringsel bei Einladungen enthalten. ...
Ferner ist hier ein Betrag von monatlich 300 DM für Zigaretten anzurechnen. ...
Da in den bisher aufgeführten Beträgen nicht alle Berechnungsposten lückenlos erfasst sein können, erscheint der Ansatz einer Pauschale für nicht berücksichtigte Positionen von 1.000 DM angesichts des Gesamtbetrages angemessen.
Soweit die Kl. mietfrei wohnt und der Bekl. die Nebenkosten der Wohnung zahlt und weitere Belastungen der Kl. übernimmt, sind diese Beträge nicht von ihrem oben berechneten Bedarf abzusetzen. Vielmehr sind diese Positionen als konkreter Bedarf der Kl. auch nicht berücksichtigt worden. Es bleibt somit bei einem Bedarf der Kl. von monatlich 11.500 DM.
Dieser Bedarf war und ist teilweise durch eigenes Einkommen der Kl. gedeckt. Die Kl. war bis Ende 1995 als Geschäftsführerin in einem Unternehmen des Bekl. angestellt und bezog ein regelmäßiges monatliches Gehalt. Die Kl. errechnet nach den vorgelegten Abrechnungen für die Monate Januar bis Juni 1995 ein monatliches Nettogehalt von durchschnittlich 3.170 DM. ...
Die Kl. hat sich ferner Mieteinnahmen aus der ihr gehörenden Eigentumswohnung in F. anrechnen zu lassen. Die Kl. hat ferner Einnahmen aus der Anlage von Festgeld. Sie muss sich außerdem fiktive Beträge anrechnen lassen, die sie aus Vermögensanlage erzielen könnte. ...
Die Kl. hatte somit eigenes Einkommen im Jahr 1995 von monatlich 5.620 DM und seit Januar 1996 von 2.675 DM monatlich. Bezogen auf den Bedarf der Kl. von 11.500 DM monatlich verbleibt somit ein Unterhaltsanspruch im Jahre 1995 von monatlich 5.880 DM = aufgerundet 6.000 DM und ab Januar 1996 von 8.825 DM = rund 9.000 DM.
Entgegen der Ansicht des AmtsG ist der Kl. ab Januar 1996 kein fiktives Einkommen anzurechnen. Während der Trennungszeit kann die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gemäß § 1361 II BGB nur unter engeren Voraussetzungen erwartet werden als nach der Scheidung der Ehe. Angesichts des Alters, der Dauer der Ehe und der mangelnden Berufserfahrung der Kl. kann sie zur Zeit jedenfalls nicht auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Kl. als Geschäftsführerin tatsächlich eine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat oder nur pro forma angestellt war. Konkrete Tätigkeiten, die zu einer Qualifikation der Kl. für eine Erwerbstätigkeit führen könnten, werden vom Bekl. nicht vorgetragen.
Die Kl. muss sich auch nicht fiktiv den Bezug von Arbeitslosengeld als Einkommen zurechnen lassen, da sie tatsächlich dem Arbeitsmarkt zur Zeit nicht zur Verfügung steht und schon aus diesem Grund kein Anrecht auf den Bezug von Arbeitslosengeld haben kann.
Die Leistungsfähigkeit des Bekl. i. H. des errechneten Unterhaltsanspruchs ist gegeben. Der Bekl. hat erstmals in zweiter Instanz das von der Kl. behauptete Jahreseinkommen von 700.000 DM netto bestritten. Selbst bei den von ihm genannten Zahlen hätte er im Durchschnitt der Jahre 1992 bis 1994 ein monatliches Nettoeinkommen von rund 20.000 DM gehabt. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass das Einkommen des Bekl. weit höher liegt. Wenn der Bekl. sich ernsthaft auf fehlende Leistungsfähigkeit hätte berufen wollen, so wäre hierfür konkreter Vortrag über sein Einkommen erforderlich gewesen.
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