Malerklausel in DDR-Mietvertrag
Gericht
KG Berlin
Art der Entscheidung
Berufungsbeschluss
Datum
16. 10. 2000
Aktenzeichen
8 RE-Miet 7674/00
Die Klausel:
„Für die malermäßige Instandhaltung während der Dauer des Mietverhältnisses ist der Mieter verantwortlich“
in einem zum Zeitpunkt der Geltung des ZGB geschlossenen Mietvertrag über eine im ehemaligen Ost-Berlin gelegene Wohnung verpflichtet den Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses nicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen. Hat der Mieter während der Mietzeit keine oder nur unzureichende Instandhaltungsarbeiten durchgeführt, so ist er bei Beendigung des Mietverhältnisses zum Schadensersatz nur insoweit verpflichtet, als hierdurch Mängel an der Substanz des Wohnraums verursacht worden sind oder ein erhöhter Aufwand an Arbeit, Anstrich und Kosten wegen übermäßiger Abnutzung bei der Renovierung erforderlich werden, wobei sich der Ersatzanspruch des Vermieters nur auf die insoweit notwendigen Mehrkosten erstreckt.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Bekl. waren auf Grund eines am 24. 1. 1982 geschlossenen Mietvertrags Mieter einer im ehemaligen Ost-Berlin gelegenen 2-Zimmer-Wohnung nebst Nebenräumen. § 6 des Mietvertrags lautet wie folgt:
1. Vermieter und Mieter arbeiten, ausgehend vom gemeinsamen Interesse an der bestmöglichen Erhaltung des Wohngrundstücks, bei der Durchführung der ihnen obliegenden Aufgaben vertrauensvoll zusammen.
2. Der Vermieter ist verpflichtet, Schäden aller Art mit Ausnahme derer, die schuldhaft von dem Mieter oder zu seinem Haushalt gehörenden Personen verursacht worden sind, zu beseitigen. Werden Schäden nicht beseitigt, kann eine Vereinbarung getroffen werden, dass der Mieter den Mangel selbst beseitigt oder beseitigen lässt und die zur Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes notwendigen Auslagen ersetzt bekommt.
3. Der Mieter verpflichtet sich zur pfleglichen Behandlung der Wohnung, zur sofortigen Anzeige auftretender Mängel und unternimmt alles, um die Vergrößerung des Schadens zu verhindern. Kommt der Mieter bzw. eine zu seinem Haushalt gehörende Person schuldhaft diesen Verpflichtungen nicht nach, hat er den daraus entstehenden Schaden auf seine Kosten beseitigen zu lassen.
4. Für die malermäßige Instandhaltung während der Dauer des Mietverhältnisses ist der Mieter verantwortlich.
Mit der Klage begehrte die Kl. von den Bekl. wegen bei Beendigung des Mietverhältnisses nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen Schadensersatz in Höhe von 6413,92 DM. Das AG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Kl. nicht Vermieterin der Wohnung sei. Mit der Berufung verfolgte die Kl. ihren Schadensersatzanspruch weiter. Die Bekl. leugnen weiterhin die Aktivlegitimation der Kl. und meinen, dass sie nach dem Mietvertrag nicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen, deren Umfang sie bestreiten, verpflichtet seien. Das LG hält die Kl. zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs für berechtigt, meint jedoch, dass sich aus § 6 Nr. 4 Mietvertrag unter Berücksichtigung des § 107 II ZGB keine Verpflichtung der Bekl. zur Durchführung von Schönheitsreparaturen und Schadensersatz ergebe. Es hat dem Senat deshalb mit Beschluss vom 15. 9. 2000 (NZM 2000, 1175 [in diesem Heft]) die dort im Wortlaut wiedergegebene (vgl. den Leitsatz daselbst) Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt. Der Senat hat wie aus der Leitsatz gewordenen Beschlussformel ersichtlich geantwortet.
Auszüge aus den Gründen:
II. Die Vorlage ist nach § 541 I 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässig. Sie ist auch für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, weil entsprechend den Darlegungen des LG, denen sich der Senat anschließt, davon auszugehen ist, dass die Kl. Vermieterin der Wohnung war. Die Vorlagefrage ist, wie aus dem Tenor ersichtlich, in Übereinstimmung mit der vom LG vertretenen Auffassung zu beantworten, wobei die gewählte Beschlussformulierung lediglich der Klarstellung dienen soll.
Auszugehen ist von Folgendem: Zwar gelten nach Art. 232 § 2 I EGBGB seit dem 3. 10. 1990 für vor diesem Zeitpunkt unter dem Geltungsbereich des ZGB abgeschlossene Mietverträge die Vorschriften des BGB. Dies bedeutet aber nicht, dass zuvor getroffene vertragliche Regelungen ersatzlos entfielen: diese bleiben vielmehr bestehen (Senat, GE 1988, 177 für Kündigungsfristen), wobei eine etwa notwendige Auslegung auf der Grundlage des bis dahin geltenden Rechts zu erfolgen hat. Dies bedeutet hier, dass die Regelungen in § 6 Mietvertrag unter Berücksichtigung der §§ 98ff. ZGB auszulegen sind. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass die Nrn. 1 bis 4 des § 6 in etwa die damaligen gesetzlichen Regelungen wiedergeben: Nr. 1 entspricht § 98 ZGB, Nr. 2 entspricht §§ 101 und 109 I ZGB, Nr. 3 entspricht § 107 I und III ZGB und Nr. 4 entspricht §§ 104 I, 107 II ZGB. Inhalt und Umfang der aus Nr. 4 folgenden „Verantwortlichkeit“ der Bekl. sind deshalb anhand der einschlägigen Bestimmungen der §§ 104 I und 107 II ZGB festzulegen. Danach waren die Bekl. zwar zur malermäßigen Instandhaltung der Räume während der Mietzeit verpflichtet, nicht jedoch zur Renovierung bei Beendigung des Mietverhältnisses (Komm.z. ZGB, Staatsverlag der DDR 1985, § 104 Anm. 1.3; „Fragen und Antworten“ in NJ 1976, 141; Nissel, NJ 1976, 301 [303]; Strasberg, NJ 1977, 65 [68]). Mit dieser Regelung sollte vermieden werden, dass derjenige Mieter, der seiner Verpflichtung zur malermäßigen Instandhaltung während des Mietverhältnisses nachgekommen war, die Wohnung bei Auszug gleichwohl noch einmal renovieren musste. Diese Verpflichtung traf nach § 104 I ZGB den Vermieter, der die Wohnung bei Neuvermietung in einen malermäßig beanstandungsfreien Zustand zu versetzen hatte, wobei diese Pflicht und die Instandhaltungspflicht des Mieters sich auf die Durchführung von Anstricharbeiten an Wänden, Decken, Fußböden, Türen, Innenfenstern, Heizkörpern und Rohren zu erstrecken hatte (Komm.z. ZGB, § 104 Anm. 1.2; Geldmacher, DWW 1991, 298 [299]; Müther, DtZ 1995, 116 [117]) und mit der Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen gleichzusetzen ist (LG Berlin [ZK 65], GE 1995, 565; LG Berlin [ZK 67], GE 1997, 807; LG Berlin [ZK 64], GE 1998, 247).
Dies bedeutet zugleich, dass ein Verstoß gegen die Instandhaltungspflicht als solche nicht zugleich geeignet war, einen Schadensersatzanspruch des Vermieters zu begründen. Ein solcher bestand nach § 104 I 3 i.V. mit § 107 II ZGB erst dann, wenn die Nichtdurchführung der Schönheitsreparaturen Mängel an der Substanz der Wohnräume wie z.B. Schäden an Putz, Holz oder Mauerwerk verursacht hatte oder wenn ein erhöhter Aufwand an Arbeit, Material und Kosten wegen übermäßiger Abwohnung bei der Renovierung erforderlich wurde („Fragen und Antworten“, NJ 1976, 141; Nissel, NJ 1976, 301 [303]; Strasberg, NJ 1977, 65 [68]; Komm.z. ZGB, § 104 Anm. 1.3). In diesen Fällen war der Mieter schadensersatzpflichtig, wobei sich die Kostenerstattung allerdings nur auf die zur Beseitigung der Mängel bzw. Herrichtung der Wohnung erforderlichen Mehrkosten richtete (Komm.z. ZGB, § 104 Anm. 1.3; AG Lichtenberg, GE 2000, 607).
Nach alledem kann ein Ersatzanspruch der Kl. nur bestehen, wenn durch die behauptete Unterlassung der malermäßigen Instandhaltung Schäden der oben beschriebenen Art verursacht worden bzw. entstanden sind.
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