Verfassungsmäßige Nichtberücksichtigung der Kinderfreibeträge bei Bemessung des Arbeitslosengeldes
Gericht
BSG
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
27. 06. 1996
Aktenzeichen
11 RAr 77/95
Die Nichtberücksichtigung der Kinderfreibeträge des Steuerrechts (§ 32 VI EStG) bei der Bestimmung des für die Höhe des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe maßgeblichen Nettoarbeitsentgelts (§ 111 II AFG) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass für Arbeitslose mit mehreren Kindern keine höheren Leistungssätze vorgesehen sind als für Arbeitslose mit nur einem Kind.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. begehrt von der bekl. Bundesanstalt für Arbeit ab 23. 3. 1993 bis 14. 4. 1994 höheres Arbeitslosengeld bzw. höhere Arbeitslosenhilfe. Der 1953 geborene Kl. ist Vater von fünf Kindern. Er war zuletzt vom 15. 5. 1991 bis zum 22. 3. 1993 als Schlosser beschäftigt. Arbeitsentgelt hatte er bis zum 15. 11. 1992 erzielt. Vom 16. 11. 1992 bis 10. 3. 1993 bezog er Krankengeld. Danach meldete er sich arbeitslos. Das Arbeitsamt bewilligte mit Bescheid vom 5. 7. 1993 Arbeitslosengeld ab 23. 3. 1993 in Höhe von 339,60 DM wöchentlich nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 690 DM, der Leistungsgruppe C (Steuerklasse III) und einer Nettolohnersatzquote von 68 %. Wegen der Höhe des Arbeitslosengeldes legte der Kl. Widerspruch ein und machte geltend, er habe wegen seiner fünf Kinder 1992 keine Steuern zu zahlen gehabt. Es könne nicht richtig sein, dass bei Arbeitslosigkeit die Kinderlast nicht stärker berücksichtigt werde.
Die nach Zurückweisung des Widerspruchs erhobene Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
II. 3. ... Entgegen der Rechtsansicht des Kl. ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass für Arbeitslose mit mehreren Kindern keine höheren Leistungssätze vorgesehen sind. Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass für diesen Personenkreis weder in § 111 I, § 136 I AFG höhere Nettolohnersatzquoten noch in § 111 II 2 Nr. 1 AFG besondere Leistungsgruppen vorgesehen sind, bei deren Leistungssätzen die Lohnsteuer nur unter Einschluss von Kinderfreibeträgen zugrundezulegen sind.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG ist nicht verletzt.
aa) Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Art. 3 I GG enthält die allgemeine Weisung an den Gesetzgeber, "Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden" zu behandeln (BVerfGE 3, 58 (135)). Dabei liegt es grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich behandelt ansehen will. Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen. Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd und deshalb willkürlich ist, lässt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern nur stets in bezug auf die Eigenart des konkreten Sachverhalts, der geregelt werden soll (BVerfGE 75, 108 (157) st. Rspr.). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt daher seine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (BVerfGE 90, 226 (239). Grenzen gesetzlicher Individualisierung durch Typisierungen und Pauschalierungen können - insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität gerechtfertigt sein (BVerfGE 17, 1 (23); BVerfGE 63, 255 (262); BVerfGE 90, 226 (237, 239); st. Rspr.). Diese Grenzen liegen dort, wo ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung wesentlich gleicher oder die gesetzliche Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte fehlt (BVerfGE 90, 226 (239)).
Die hier einschlägigen Bemessungsvorschriften verletzen diese Maßstäbe nicht. Für die vom Kl. beanstandete unterschiedliche Behandlung der Vergleichsgruppe der Erwerbstätigen im Vergleich zu den Arbeitslosen einerseits und andererseits die Gleichbehandlung von Arbeitslosen mit (nur) einem Kind und mit mehreren Kindern gibt es sachliche Gründe. Sie findet ihre Rechtfertigung in dem vom Gesetzgeber geschaffenen typisierenden Bemessungssystem, wonach das Arbeitslosengeld bzw. die Arbeitslosenhilfe nicht an die individuelle steuerliche Situation des Arbeitslosen anknüpft und auch nicht an dessen individuellem Bedarf ausgerichtet ist. ...
cc) Wie das BVerfG in seiner Entscheidung vom 23. 3. 1994 (BVerfGE 90, 226 (236ff.)) ausgeführt hat, regelt § 111 II AFG die Bemessung des Arbeitslosengeldes, dessen Funktion es ist, dem Arbeitslosen Ersatz für den Ausfall zu leisten, den er dadurch erleidet, dass er keinen bezahlten Arbeitsplatz findet. Da das Arbeitslosengeld kein steuerpflichtiges Einkommen ist und von ihm auch keine Sozialabgaben abzuziehen sind, ist es - wie das BVerfG weiter ausführt - sachgerecht, für seine Bemessung grundsätzlich an den Nettolohn anzuknüpfen, den der Arbeitnehmer vor Eintritt der Arbeitslosigkeit zuletzt bezogen hat. Dabei kann der Gesetzgeber sich aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität für eine Pauschalierung entscheiden, die eine zügige Feststellung der Leistungshöhe ermöglicht. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die Lohnabzüge für die Berechnung des Nettolohns nicht individuell ermittelt werden, sondern der individuelle Bruttolohn um die durch Rechtsverordnung konkretisierten "gewöhnlich" anfallenden Abzüge zu vermindern ist (BVerfGE 90, 226 (237)). Das BVerfG hat sich hierbei auf seine frühere Rechtsprechung, insbesondere auf die Entscheidung vom 8. 3. 1983 (BVerfGE 63, 255 (262)) bezogen, wonach der Gesetzgeber grundsätzlich nicht verpflichtet ist, lohnsteuerrechtliche Begünstigungen im Rahmen der Bemessung des Arbeitslosengeldes wirksam werden zu lassen. Ähnlich wie das BVerfG in der letztgenannten Entscheidung, die § 111 II 2 Nr. 1 Buchst. a AFG i.d.F. des HStruktG-AFG vom 18. 12. 1975 (BGBl I, 3113) betraf, hat auch das BSG (BSGE 51, 10 = SozR 4100 § 111 Nr. 4) zu dieser Vorschrift ausgeführt, dass die Nichtberücksichtigung individueller Freibeträge verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.
dd) Entsprechendes gilt für die zur Prüfung gestellte Regelung des § 111 II 2 Nr. 1 AFG. Die grundsätzliche Anbindung der Leistungssätze an das Lohnsteuersystem ist keineswegs so zu verstehen, dass der Gesetzgeber bei der Gewährung sozialer Leistungen uneingeschränkt die Regelungen des Steuerrechts übernehmen wollte (vgl. BVerfGE 63, 255 (262); BVerfGE 90, 226 (237)). So sind lediglich gesetzliche Abzüge, die bei Arbeitnehmern "gewöhnlich" anfallen (§ 111 I AFG), zu berücksichtigen. Damit werden bei der Bildung der Leistungssätze nur diejenigen steuerlichen Freibeträge und Kostenpauschalen zugrundegelegt, die bereits in die der jeweiligen Lohnsteuerklasse zugeordneten Lohnsteuertabelle eingearbeitet sind und den laufenden Lohnsteuerabzug ohne weiteres vermindern (vgl. §§ 38b, 38c I Nrn. 1 bis 4, 6 EStG). Hingegen bleiben alle sonstigen - individuellen - Freibeträge, die kraft besonderer Eintragung auf der Lohnsteuerkarte vom Arbeitslosen abgezogen werden können (§ 39a EStG) sowie sonstige Steuervergünstigungen, die erst im Lohnsteuerjahresausgleich bzw. bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer zu einer Steuerentlastung führen, grundsätzlich unberücksichtigt (BSGE51, 10 = SozR 4100 § 111 Nr. 4). Für eine derartige pauschalierende bzw. typisierende Regelung bestehen auch sachlich einleuchtende Gründe. Entsprechend der Zweckbestimmung des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe, ausfallendes Arbeitseinkommen auszugleichen, müssen diese Leistungen schnell berechnet und ausgezahlt werden können. Für eine praktische Handhabung bieten sich daher von Bruttoentgelten abhängige Leistungssätze an, die in Anlehnung an die nach Lohnsteuerklassen aufgebauten Lohnsteuertabellen entwickelt werden können (BSGE 51, 10). Demgemäß hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 27. 7. 1989 (BSGE 65, 214) auch in der Nichtberücksichtigung des Steuerfreibetrags für Schwerbehinderte (§ 33b EStG) keinen Verstoß gegen Art. 3 I GG gesehen.
Dieser Argumentation lässt sich nicht entnehmen, dass auch der Rechtsprechung des BVerfG eine noch hinzunehmende Typisierung u.a. voraussetzt, dass durch sie eintretende Härten oder Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und dass der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfGE 26, 265 (275f.); BVerfGE 63, 119 (128); BVerfGE67, 231 (237)). Denn dieser Grundsatz kommt erst dann zum Tragen, wenn die Beeinträchtigungen durch die Typisierung an sich verfassungsrechtlich bedenklich sind. Das ist bei den hier zu prüfenden Regelungen jedoch nicht der Fall. Dem Kl. ist zwar zuzugestehen, dass bei ihm eine weit größere Differenz zwischen Nettoarbeitsentgelt und Arbeitslosengeld besteht als bei einem Arbeitslosen mit nur einem Kind und einem (bis zur Arbeitslosigkeit bezogenen) Bruttoarbeitsentgelt in gleicher Höhe. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Auswirkung nur eine kleine Zahl von Personen betrifft und im Einzelfall nicht sehr intensiv ist. Diese Bedenken haben jedoch ihre Berechtigung nur dann, wenn man davon ausgeht, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen zur strikten Ausrichtung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe am individuellen früheren Nettolohn verpflichtet ist. Dies ist jedoch zu verneinen. So hat es auch das BVerfG in der Entscheidung vom 23. 3. 1994 (BVerfGE 90, 226) als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen, dass ein Versicherter, der keiner steuererhebenden Kirche angehörte, in der Zeit vor seiner Arbeitslosigkeit über höhere Geldmittel verfügte als ein vergleichbarer Kirchensteuer zahlender Arbeitnehmer. Denn das Lebensstandardprinzip sei kein Verfassungsgebot. Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen nicht gehalten, dem Arbeitslosen durch die Bemessung des Arbeitslosengeldes die Aufrechterhaltung seines bisherigen Lebensstandards voll zu ermöglichen. Diese Rechtsprechung lässt sich zwar auf die vorliegende Fallgestaltung nicht ohne weiteres übertragen. Denn hier geht es auch um die andere Frage, inwieweit der Gesetzgeber gehalten ist, bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes bzw. der Arbeitslosenhilfe eine erhöhte Belastung des Arbeitslosen aufgrund familiärer Verpflichtungen zu berücksichtigen. Wie die dargestellte geschichtliche Entwicklung der Vorschrift des § 111 AFG zeigt, hat der Gesetzgeber im Recht der Arbeitslosenversicherung (wie auch sonst im Recht der Sozialversicherung) das Vorhandensein von Kindern und des Ehegatten durchaus berücksichtigt. Bei gleicher Beitragsleistung der Versicherten werden Arbeitslose mit Kind durch die im Vergleich zu den übrigen Arbeitslosen erhöhte Nettolohnersatzquote begünstigt. Dass diese Regelung - wie der Kl. geltend macht - keine rechnerische Beziehung zur tatsächlichen steuerlichen Begünstigung des einzelnen Arbeitnehmers mit Kindern hat, ergibt keine willkürliche Ungleichbehandlung. Denn eine noch stärker auf den Einzelfall abstellende Berechnung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe widerspräche dem System einer insgesamt von dem individuellen Bedarf und der individuellen (steuerlichen) Situation des Arbeitslosen losgelösten Berechnung des Arbeitslosengeldes, aber auch der Arbeitslosenhilfe, und damit der "Eigenart des zu regelnden Sachbereichs" (vgl. BVerfGE 90, 226 (239) ; BVerfGE 75, 108 (157f.)). Ob die getroffene gesetzliche Regelung die denkbar zweckmäßigste oder gerechteste Lösung ist, ist dabei nicht zu prüfen (BVerfGE 71, 255 (271) = NJW 1986, 369 m.w. Nachw.; BSGE51, 10; st. Rspr.).
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BVerfG zur steuerlichen Behandlung von Unterhaltsleistungen für Kinder (so jedoch ansatzweise Heuer, in: Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, § 111 Rdnr. 3). Durch die Beschlüsse des BVerfG vom 29. 5. und 12. 6. 1990 ist eine untere Grenze für die steuerliche Freistellung von Unterhaltsleistungen für Kinder zwingend vorgegeben worden (BVerfGE 82, 60 (85f.); BVerfGE 82, 198 (207)). Diese Rechtsprechung betrifft lediglich den Regelungszusammenhang von Steuern und Kindergeld in ihrer Funktion als Ausgleich für die Minderung der Leistungsfähigkeit von unterhaltspflichtigen Steuerpflichtigen. Sie ist schon im Ansatz auf die hier zu beurteilenden Leistungen nicht übertragbar. Denn beim Arbeitslosengeld handelt es sich nicht um eine aus Steuern, sondern aus Beiträgen der Versicherten finanzierte Leistung, und auch die aus Steuermitteln finanzierte Arbeitslosenhilfe (vgl. § 188 I AFG) ist eingeschränkt beitragsabhängig. Ferner ist zu beachten, dass das BVerfG ausdrücklich betont hat, dass die Höhe des Kindergeldes "in seiner Eigenschaft als Sozialleistung" verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfGE 82, 60 (79f., 84)). Die Verfassungswidrigkeit der beanstandeten Kindergeldkürzung wurde allein damit begründet, dass das gekürzte Kindergeld nicht mehr in verfassungsmäßiger Weise seiner Funktion gerecht geworden sei, der Minderung der Leistungsfähigkeit von Steuerpflichtigen, die durch den Unterhalt ihrer Kinder bedingt ist, Rechnung zu tragen (BVerfGE 82, 60 (83f.)). Hier hatte der Kl. nach seinem Vorbringen 1992 keine Einkommensteuer zu zahlen. Bei Nichtausschöpfung der Kinderfreibeträge konnte er in der streitigen Zeit neben dem Kindergeld einen Anspruch auf den Kindergeldzuschlag (maximal 65 DM pro Monat und Kind) nach § 11a BKGG i.d.F. des Gesetzes vom 25. 5. 1992 (BGBl I, 297) geltend machen. Durch diese Erhöhung des Kindergeldes wollte der Gesetzgeber denjenigen Kindergeldberechtigten helfen, denen auf steuerrechtliche Weise kein angemessener Beitrag zum Familienunterhalt zukommt (vgl. BSG, SozR 3-5870 § 11a Nr. 1).
Eine über die derzeitige Regelung des § 111 I Nr. 1 AFG (erhöhte Nettolohnersatzquote) hinausgehende Begünstigung der Personengruppe der Arbeitslosen mit mehreren Kindern ist von Verfassungs wegen nicht geboten. Die für die Bemessung des Arbeitslosengeldes bzw. der Arbeitslosenhilfe maßgebliche Vorschrift des § 111 II 2 Nr. 1 AFG ist nicht Teil einer Gesamtregelung des Familienlastenausgleichs, sondern das Arbeitslosengeld bzw. die Arbeitslosenhilfe haben primär die Funktion einer allgemeinen Sozialleistung. Diese muss auch keineswegs stets so gestaltet sein, dass in jedem Fall allein aus ihr das Existenzminimum des Versicherten gesichert ist (vgl. BSG, Urt. v. 8. 2. 1996 -11 RAr 63/95). Zwingend ist lediglich, dass der Staat die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger schafft (vgl. BVerfGE 82, 60 (80)). Dies ist bei dem Kl. - der schon vor seiner Arbeitslosigkeit ein unterdurchschnittliches Arbeitsentgelt erzielt hatte - durch die (hier auch erfolgte) Inanspruchnahme von Sozialhilfe, Kindergeld und Kindergeldzuschlag gewährleistet.
b) Mit der aus Art. 6 I GG folgenden Pflicht des Staates, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern, ist die Berechnung des Arbeitslosengeldes bzw. der Arbeitslosenhilfe - ohne Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen oder weiter erhöhte Nettolohnersatzquote - ebenfalls vereinbar. Wie das BVerfG wiederholt, zuletzt in seinen Entscheidungen zum Kindergeldrecht, ausgeführt hat, steht dem Gesetzgeber Gestaltungsfreiheit bei der Entscheidung darüber zu, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen Schutz verwirklichen will. Aus Art. 6 I GG i.V. mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I GG) lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich aus dem Förderungsgebot des Art. 6 I GG nicht herleiten (vgl. BVerfGE 82, 60 (81)). Dies muss um so mehr gelten, als es sich jedenfalls beim Arbeitslosengeld nicht um eine aus Steuermitteln, sondern aus Beitragsmitteln finanzierte Leistung handelt. Ein Anspruch des Kl. auf Berücksichtigung seiner konkreten Kinderzahl bzw. seiner daraus erwachsenden Unterhaltsverpflichtung bei der Bemessung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe lässt sich daher nicht auf Art. 1 GG stützen. Nichts anderes gilt für das in Art. 20 I GG genannte Sozialstaatsprinzip.
c) Der Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG wird durch § 111 II 2 Nr. 1 Buchst. e Doppelbuchst. aa AFG ebenfalls nicht berührt. Denn unabhängig von der Frage, ob nur der Anspruch auf Arbeitslosengeld (vgl. BVerfGE 90, 226 (236ff.)), nicht jedoch die aus Steuermitteln finanzierte Arbeitslosenhilfe unter den Schutzbereich der Eigentumsgarantie fällt, handelt es sich bei der gesetzlichen Regelung um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung sozialrechtlicher Positionen i.S. des Art. 14 I GG.
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