Haftung für Sturmschäden durch Astabbruch

Gericht

OLG Schleswig


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

09. 11. 1994


Aktenzeichen

12 U 22/93


Leitsatz des Gerichts

Zur Haftung des Eigentümers eines Baumes für Schäden, die durch einen bei einem Sturm abgebrochen Ast auf dem Nachbargrundstück angerichtet werden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der Beklagten steht an der Grenze eine über 30 in hohe Buche mit einem Stammdurchmesser von ca. 1,50 m. Von diesem Baum brach bei einem Sturm ein großer Ast ab, der 7 Fichten auf dem Nachbargrundstück der Klägerin zerstörte.

Die Schadensersatzklage der Klägerin hatte in beiden Rechtszügen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Schadensersatzansprüche sind unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gem. § 823 I BGB wie auch gem. §§ 823 II i.V.m. 1004 BGB gegeben. Nach der Entscheidung des BGH vom 23.4.1993 (MDR 1993, 760) löst eine beeinträchtigende Einwirkung vom Nachbargrundstück eine Haftung des Eigentümers dann aus, wenn der Eigentümer sie durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder wenn sie erst durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden ist.

Ein solches pflichtwidriges Unterlassen muss hier angenommen werden. Zwar dürfte es richtig sein, dass die Eigentümer von an einer Grundstücksgrenze stehenden Bäumen nicht dieselben gesteigerten Sorgfaltspflichten haben wie Eigentümer, deren Bäume an eine öffentliche Straße grenzen. Denn eine Gefährdung anderer ist bei dieser Sachlage sehr viel größer als bei jener. Gleichwohl stellt ein Grenzbaum stets eine mögliche Gefahrenquelle für ein Nachbargrundstück dar, wobei der Umfang der Gefahr im Verhältnis zu Standort, Größe und Beschaffenheit des Baumes steht. je näher ein Baum an der Grundstücksgrenze steht, je größer und älter er ist und je stärker er durch Krankheiten, Umwelteinflüsse etc. geschädigt ist, desto höher ist die von ihm für das Nachbargrundstück ausgehende Gefahr. Dementsprechend erhöht sich die Pflicht eines Grundstückseigentümers, ausreichende Gefahrenvorsorge zu treffen, in dem Maße, wie sich durch Wachstum, Alterung und sonstige Faktoren Gefahrenmöglichkeiten und Schwere einer möglichen Schädigung steigern.

Vorliegend handelte es sich um einen bereits relativ mächtigen Baum, der unmittelbar an der Grundstücksgrenze stand. Da die von einem derartigen Baume im Falle eines Bruches ausgehende Gefahrenlage erheblich sein kann, muss ein solcher Baum vom Eigentümer wenigstens regelmäßig in Augenschein genommen werden, um möglichen Gefahren vorzubeugen. Dementsprechend erscheint ein Beobachten etwa im halbjährigen Rhythmus als ausreichend, aber auch notwendig, da die auf den Baum einwirkenden Faktoren zu einer gleichermaßen ständigen Veränderung des Baumes führen, deren Folgen sich über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr kaum werden sicher beurteilen lassen.

In welchen Intervallen eine Besichtigung des Baumes im vorliegenden Falle hätte vorgenommen werden müssen, kann indes dahingestellt bleiben; denn es ist unstreitig, dass eine Besichtigung durch die Beklagte über Jahre hinweg weder erfolgt noch veranlasst worden ist.

Fraglich kann daher allein sein, ob die mangelnde Beobachtung des Baumes eine für das Schadensereignis kausale Unterlassung war. Denn nur, wenn aufgrund regelmäßiger Besichtigungen der Schaden hätte vorausgesehen bzw. die Schädigung des Baumes hätte erkannt werden können, wäre das Unterlassen von Besichtigungen auch als kausal anzunehmen, da bei fehlender Erkennbarkeit des möglichen Schadens eine Besichtigung zu Konsequenzen nicht geführt hätte.

Eine derartige Kausalität bejaht der Senat indes.

Entscheidender Gesichtspunkt ist, dass bereits im Jahre 1990 zwei andere Äste vom Baume abgebrochen waren. Wie den eingereichten Lichtbildern zu entnehmen ist, handelte es sich hierbei zwar nicht um derart mächtige Äste wie bei dem im November 1992 abgebrochenen. Andererseits lässt der Durchmesser der Astansätze ohne weiteres darauf schließen, dass es sich um so große Äste gehandelt haben muss, dass ihr Herabfallen bzw. Herabbrechen bei regelmäßigen Besichtigungen nicht unbemerkt bleiben konnte. Gerade wegen des Abbrechens dieser Äste hätte die Beklagte aber dann auch in der folgenden Zeit ihr besonderes Augenmerk auf diese Buche richten müssen, um einem möglichen Abbrechen weiterer Äste vorzubeugen.

Der Senat geht davon aus, dass bei einer für die Folgezeit gebotenen intensiveren Beachtung des Baumes die vor dem Abbrechen des Astes vom Zeugen bekundete Rissbildung rechtzeitig hätte erkannt werden können. Denn seiner Aussage zu Folge war ein 30 bis 40 cm langer Riss vorhanden, der bei einer und regelmäßigen Augenscheinseinnahme nicht hätte unbemerkt bleiben können.

Wenn daher das Abbrechen des Astes auch durch den am 26.11.1992 herrschenden Sturm konkret ausgelöst worden ist, so ist der Schaden im Ergebnis gleichwohl auf ein pflichtwidriges und schuldhaftes Unterlassen der Beklagten zurückzuführen, so dass sie für den Schaden haftet.

Vorinstanzen

LG Lübeck

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht