Verringerung des Trittschallschutzes durch Auswechseln des Bodenbelags

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

16. 12. 1993


Aktenzeichen

2Z BR 113/93


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Bodenbelag ist sondereigentumsfähig; dagegen gehört die darunterliegende Trittschalldämmung (Estrich) zum gemeinschaftlichen Eigentum.

  2. Verringert ein Wohnungseigentümer durch Auswechseln des Bodenbelags (Parkett statt Teppich) in seinem Sondereigentum den Trittschallschutz, so übersteigen die damit einhergehenden Beeinträchtigungen anderer Wohnungseigentümer das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß nicht, solange die Anforderungen der DIN 4109 an den Trittschallschutz eingehalten werden.

  3. Ein Wohnungseigentümer kann verlangen, daß das Trampeln auf den Boden durch Kinder in der darüberliegenden Wohnung unterlassen wird.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Ast., die Ag. und die weiteren Bet. sind die Wohnungseigentümer einer 1988 errichteten Wohnanlage. Die Wohnung der Ast. liegt unter der der Ag., in der diese mit ihren zwei kleinen Kindern wohnen. Nach der Baubeschreibung war die Verlegung eines Teppichbodens in den Wohnungen vorgesehen. Die Ag. ließen im Wohnzimmer einen Parkettboden und im Flur und in der Küche Fliesen verlegen. Die Ast. haben beantragt, die Ag. zu verpflichten, (1) durch bauliche Maßnahmen im Flur und im Wohnzimmer ihrer Wohnung die Schallübertragung auf die darunterliegende Wohnung auf das Trittschallschutzmaß von + 25dB zu verringern, (2) Trittschallimmissionen zu unterlassen, die durch Trampeln auf den Boden entstehen.

Die Anträge sind vor dem AG und dem LG erfolglos geblieben. Die sofortige weitere Beschwerde der Ast. führte hinsichtlich des Antrages zu (2) zur Aufhebung und Zurückverweisung; im übrigen wurde sie zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. 2. ... a) Der innerhalb des Sondereigentums auf dem Estrich verlegte Bodenbelag (z. B. Teppich, Fliesen, Parkett) ist nach der gesetzlichen Regelung des § 5 I , II WEG Sondereigentum des jeweiligen Wohnungseigentümers. Der Bodenbelag kann nämlich verändert oder beseitigt werden, ohne daß dadurch ein auf Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers beruhendes Recht über das nach § 14 WEG zulässige Maß hinaus beeinträchtigt wird (§ 5 I WEG; allg. M.; BayObLG, DWE 1980, 60; Weitnauer, WEG, 7. Aufl., § 5 Rdnr. 8; Palandt/Bassenge, BGB, 52. Aufl., § 5 WEG Rdnr. 3; Augustin, in: RGRK, § 5 RGRKRdnr. 21). Etwas anderes gilt für die über der Rohbaudecke liegende Trittschalldämmung in Form des Estrichs (BGH, NJW 1991, 2480 (2481); offengelassen von BayObLG, DWE 1980, 60). Aus der Gemeinschaftsordnung ergibt sich hier hinsichtlich der Zuordnung des Bodenbelags zum Sondereigentum nichts Abweichendes (vgl. § 5 III WEG).

Bei Veränderungen des Bodenbelags handelt es sich damit nicht um bauliche Veränderungen i. S. des § 22 I 2 WEG, weil Voraussetzung hierfür ein auf Dauer angelegter Eingriff in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums wäre (BayObLGZ 1990, 120 (122)). Nachteiligen Auswirkungen einer Veränderung des Bodenbelags auf andere Wohnungseigentümer ist nicht über § 22 I 2 WEG, sondern unmittelbar durch § 14 Nr. 1 WEG zu begegnen. Damit wird der von den Ast. angesprochenen „Gemeinschaftsbezogenheit“ von Eingriffen in den Bodenbelag Rechnung getragen. Es geht hier nicht darum, daß ein besonders guter Schallschutz durch Veränderungen des Bodenbelags gemindert wird; der besonders gute Schallschutz stellt sich vielmehr nur bei Wahl eines bestimmten Bodenbelags, hier eines Teppichbodens ein. Ein Anspruch darauf, daß dieser von einem Wohnungseigentümer gewählt wird, besteht aber nicht.

b) Jeder Wohnungseigentümer kann mit dem in seinem Sondereigentum stehenden Bodenbelag, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, nach Belieben verfahren (§ 13 I WEG), ihn insbesondere auch durch einen anderen ersetzen. Ohne Bedeutung ist daher, welche Art von Bodenbelag bei Errichtung einer Wohnanlage vorgesehen war oder eingebracht wurde. Eine Beschränkung bei der Wahl des Bodenbelags ergibt sich jedoch aus § 14 Nr. 1 WEG. Danach darf von dem Sondereigentum nur in einer Weise Gebrauch gemacht werden, daß dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Wird dieses Maß überschritten, kann jeder Wohnungseigentümer den Störer auf Beseitigung oder Unterlassung in Anspruch nehmen (§ 15 III WEG, § 1004 I BGB). Andernfalls muß die Beeinträchtigung hingenommen werden (§ 14 Nr. 3 WEG).

Bei einer Veränderung des Bodenbelags kann ein nicht hinzunehmender Nachteil insbesondere in der erhöhten Lärmbeeinträchtigung der in der darunterliegenden Wohnung lebenden Personen liegen. Die Feststellung, welche Nachteile bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidlich sind, also hingenommen werden müssen, kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten. Soweit jedoch DIN-Vorschriften vorhanden sind, können sie als brauchbarer Maßstab herangezogen werden. Für den Schallschutz zwischen Wohnungen enthält die DIN 4109 in der seit dem Jahr 1989 geltenden Fassung (Bek. des BayStMI vom 23. 4. 1991 über die Einführung technischer Baubestimmungen DIN 4109-Schallschutz im Hochbau; Anforderungen und Nachweise - Ausgabe Nov. 1989, AllMBl 1991, 218) die einzuhaltenden Anforderungen (s. hierzu BayObLG, WuM 1992, 497; vgl. BGH, NJW-RR 1986, 755 (756); BayObLG, Beschl. v. 2. 9. 1993 - 2Z BR 63/93).

Das LG hat, gestützt auf das vom AG erholte Sachverständigengutachten, in rechtsfehlerfreier Weise festgestellt, daß die danach zu stellenden Mindestanforderungen, nämlich Einhaltung eines Trittschallschutzmaßes von + 10dB, erfüllt werden, mit Ausnahme des vom Flur in der Wohnung der Ag. ausgehenden Trittschalls sogar der erhöhte Schallschutz von + 17dB gewährleistet ist. Einen Anspruch auf Einhaltung eines erhöhten Schallschutzes in diesem Sinne haben die Ast. gegen die Ag. nicht. Dieser ist nur im Verhältnis vom Hersteller zum Bauherrn geschuldet, sofern er von ihnen ausdrücklich vereinbart ist. Das LG hat somit zu Recht den Antrag abgewiesen, durch den die Ag. zur Vornahme von Veränderungen an den Bodenbelägen in ihrer Wohnung verpflichtet werden sollten.

c) Die Entscheidung des LG kann jedoch keinen Bestand haben, soweit der Antrag abgewiesen wurde, die Ag. zu verpflichten, die durch das Trampeln auf den Boden entstehende Lärmbeeinträchtigung der Ast. zu unterlassen. Ruhestörendes Lärmen kann über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehen (vgl. Bärmann/Pick, WEG, 6. Aufl., § 13 Rdnr. 55).

Die Ast. haben vorgetragen, sie würden durch lautestes Getrampel in der Wohnung der Ag. erheblich und über das zu ertragende Maß hinaus beeinträchtigt; es handle sich dabei hauptsächlich um das Trampeln der Kinder der Ag. zu unterschiedlichen Tageszeiten, aber auch bis in die Abendstunden hinein; die Trampelgeräusche seien so laut, daß sie bei einer normalen Unterhaltung oder beim Musikhören in Zimmerlautstärke deutlich störend vernehmbar seien. Zum Beweis für ihren Sachvortrag haben die Ast. Zeugen benannt.

Die geschilderten Beeinträchtigungen gehen über das nach § 14 Nr. 1, 3 WEG hinzunehmende Maß hinaus. Sie können den geltend gemachten Unterlassungsanspruch begründen (§ 15 III WEG, § 1004 I 2 BGB). Unter Trampeln ist ein Stampfen mit den Füßen auf den Boden, insbesondere durch Springen und Hüpfen, zu verstehen; dabei muß es sich allerdings um einen nicht nur einmaligen, sondern um einen wiederholten oder einen Vorgang von einiger Dauer handeln. Die von einem solchen Verhalten ausgehende Beeinträchtigung ist auch dann nicht hinzunehmen, wenn sie von Kindern ausgeht. Allerdings wird bei Kindern, was die Pflicht zur Unterlassung vermeidbarer Lärmbeeinträchtigungen angeht, ein weniger strenger Maßstab anzulegen sein als bei Erwachsenen; in diesem Fall besteht eine gesteigerte Duldungspflicht (vgl. § 14 Nr. 3 WEG). Jedoch vermag der Senat der Auffassung des LG nicht zu folgen, daß von Kindern in der darüberliegenden Wohnung verursachte Lärmbeeinträchtigungen immer hinzunehmen seien; den Eltern steht es nicht nur frei, wie das LG meint, in Extremsituationen beruhigend auf die Kinder einzuwirken; hierzu sind sie aufgrund des Rechts und der Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder gem. § 14 Nr. 2 WEG vielmehr verpflichtet, wenn das Maß des § 14 Nr. 1 WEG überschritten ist.

Die Entscheidung des LG kann daher keinen Bestand haben, soweit der Unterlassungsantrag abgewiesen wurde. Insoweit wird die Entscheidung aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen. Dieses wird im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht gem. § 12 FGG aufzuklären haben, ob, wie die Ast. behaupten, die von den Ag. ausgehende Lärmbeeinträchtigung das Maß des § 14 Nr. 1 WEG übersteigt und ob im übrigen die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs vorliegen.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

WEG §§ 5 I, II, 14 Nr. 1, 15 III; BGB § 1004 I