Begrenzte Unterhaltspflicht der Eltern eines Studenten
Gericht
OLG Hamm
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
18. 08. 1993
Aktenzeichen
5 UF 82/93
Die Unterhaltspflicht der Eltern eines Studenten ist begrenzt auf den Zeitraum, in dem bei der gebotenen Leistungsbereitschaft der Regelabschluß des Studiums erreicht werden kann.
Auszüge aus den Gründen:
Die zulässige Berufung der Bekl. hat teilweise Erfolg, soweit sie die mit dem Hilfsantrag verfolgte Abänderungsklage betrifft.
1. Die Abänderungsklage ist die richtige Klageart. Im Hinblick auf § 323 III ZPO kann Abänderung auch nur für die Zeit ab Rechtshängigkeit dieses Verfahrens verlangt werden.
Als Verurteilung i. S. des § 323 ZPO ist zwar nicht die einstweilige [einstw.] Anordnung selbst zu werten. Diese aufgrund summarischer Prüfung ergangene Entscheidung stellt eine vorläufige Regelung dar, die jederzeit - auch für zurückliegende Zeiträume - durch ein im ordentlichen Rechtsstreit ergangenes Urteil ersetzt werden kann.
Ein im Verhältnis der Parteien zueinander wirkendes rechtskräftiges Urteil über den Kindesunterhalt stellt hinsichtlich der jetzt noch titulierten 344 DM monatlich jedoch das auf die frühere negative Feststellungsklage des Kl. gegen den Bekl. ergangene Urteil des erkennenden Senats v. 5. 12. 1988 dar.
Der Senat hat seinerzeit festgestellt, daß der Kl. der Bekl. für den Sohn H. aufgrund der einstw. Anordnung nur noch Unterhalt i. H. von monatlich 344 DM für die Zeit ab 1. 1. 1987 schuldet. Die weitergehende, auf Feststellung des vollständigen Wegfalls der sich aus der einstw. Anordnung ergebenden Unterhaltspflicht gerichtete Klage hat der Senat abgewiesen.
Diese rechtskräftige Entscheidung über den Kindesunterhalt ist einer Verurteilung zu künftig fällig werdenden Leistungen i. S. des § 323 I ZPO gleichzustellen, sie bewirkt damit auch die zeitliche Sperre des § 323 III ZPO.
Daß hinsichtlich der streitigen 344 DM nicht das Senatsurteil selbst, sondern weiterhin die einstw. Anordnung Vollstreckungstitel ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die aus der Existenz der einstw. Anordnung resultierende Besonderheit - die negative Feststellungsklage war danach für den in die Klägerrolle gedrängten Unterhaltsschuldner das einzig geeignete Mittel, um nach der rechtskräftigen Scheidung der Ehe der Parteien gegen den bereits titulierten Unterhaltsanspruch vorzugehen - änderte im Vergleich zur Leistungsklage am gebotenen Prüfungsumfang nichts. Der Senat hatte in dem vom Kl. als Unterhaltsschuldner seinerzeit eingeleiteten Rechtsstreit im selben Umfang wie auf eine Leistungsklage des Unterhaltsgläubigers hin die materiell-rechtliche Begründetheit der streitigen Unterhaltsforderung zu prüfen. Die auf der Bejahung eines Unterhaltsanspruchs i. H. von 244 DM monatlich beruhende teilweise Klageabweisung kann daher im Hinblick auf ihre Abänderbarkeit wegen veränderter Umstände nicht anders beurteilt werden als eine auf Leistungsklage des Unterhaltsgläubigers hin ergangene Verurteilung zu Unterhaltszahlungen.
In beiden Fällen kann daher nur unter den Voraussetzungen des § 323 I ZPO und wegen der Rechtskraftwirkung der abzuändernden Entscheidung auch nur unter Berücksichtigung der sich aus § 323 III ZPO ergebenden zeitlichen Sperre erneut ein Rechtsstreit über den Unterhaltsanspruch anhängig gemacht werden.
2. Das mit dem Hilfsantrag für die Zeit ab Rechtshängigkeit (5. 8. 1992) geltend gemachte Abänderungsverlangen ist begründet.
Ein Anspruch des gemeinsamen Sohnes der Parteien auf Ausbildungsunterhalt gemäß § 1610 II BGB bestand zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr.
Im August 1992 befand sich der Sohn der Parteien bereits am Ende des 13. Semesters des derzeit von ihm absolvierten Studiums der Betriebswirtschaftslehre. Die Regelstudienzeit von neun Semestern war ebenso wie die BAföG-Höchstförderungsdauer deutlich überschritten, ohne daß bis dahin die erforderlichen Prüfungsleistungen auch nur teilweise erbracht worden waren.
Bei dieser Sachlage war der Kl. zur Finanzierung des Studiums nicht länger verpflichtet.
Mit der Unterhaltsverpflichtung der Eltern korrespondiert die Pflicht des studierenden Kindes, sein Studium zügig und zielstrebig zu absolvieren. Die Unterhaltspflicht ist danach begrenzt auf den Zeitraum, in dem bei der gebotenen Leistungsbereitschaft der Regelabschluß des Studiums erreicht werden kann.
Ohne weiteres erstreckt sich daher die Unterhaltspflicht nur auf die Regelstudienzeit. Im Einzelfall mag eine mäßige Überschreitung in Betracht kommen. Diese ist aber in aller Regel begrenzt auf die Höchstförderungsdauer nach dem BAföG, die einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür bietet, innerhalb welcher Zeit auch ein durchschnittlicher Student bei gehöriger Anstrengung den Studienabschluß erreichen kann.
Sowohl die Regelstudienzeit als auch die Höchstförderungsdauer waren hier im Augsut 1992 bereits derart deutlich überschritten, daß eine weitere Unterhaltspflicht des Kl. zu verneinen ist.
Besonderheiten, die eine verlängerte Unterhaltspflicht rechtfertigen könnten, vermag der Senat nicht zu erkennen.
Die nach der Behauptung der Bekl. vom gemeinsamen Sohn absolvierten Praktika rechtfertigen eine Verlängerung nicht, so daß der Streit über die Echtheit der hierüber vorgelegten Bescheinigungen dahingestellt bleiben kann.
Die Praktika sind unstreitig in der Studienordnung nicht vorgeschrieben.
Daß praktische Erfahrungen bei der Arbeitsplatzsuche nach dem Examen von Nutzen sein können, ist der Bekl. zwar zuzugeben. Im Hinblick auf die Chancen, einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden, ist daneben und neben einer guten Examensnote erfahrungsgemäß aber auch eine auf Einsatz und Zielstrebigkeit hindeutende kurze Studiendauer von erheblichem Gewicht.
Daß bei Abwägung dieser Gesichtspunkte die hier mit einer Beurlaubung vom Studium für die Dauer von zwei Semestern verbundenen Praktika von so gewichtigem Nutzen sind, daß sie eine erhebliche Verlängerung der vom Kl. zu finanzierenden Gesamtausbildungsdauer rechtfertigen, ist nicht festzustellen. Der Sohn der Parteien hätte ohne wesentliche Beeinträchtigung seines Studiums auch Semesterferien dazu nutzen können, praktische Erfahrungen zu sammeln.
Auch die Nebentätigkeit des Sohnes als ungeprüfte wissenschaftliche Hilfskraft rechtfertigt keine Verlängerung des Unterhaltszeitraumes über August 1992 hinaus, so daß dahingestellt bleiben kann, ob die Aufnahme dieser Tätigkeit durch unzureichende Unterhaltszahlungen des Kl. veranlaßt worden ist.
Aufgenommen wurde die Nebentätigkeit erst mit Beginn des 11. Studiensemesters im April 1991, also nur wenige Monate vor Ablauf der BAföG-Höchstförderungsdauer.
Sie band bei einem Einsatz von 40 Monatsstunden auch nur einen geringen Teil der Arbeitskraft. Zudem handelte es sich um eine Tätigkeit in einem studienrelevanten Bereich. Eine damit verbundene nennenswerte Verzögerung des Studienabschlusses erscheint fernliegend.
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