Sozialversicherungsrechtliche Einordnung von Einmalzahlungen

Gericht

BVerfG 1. Senat


Art der Entscheidung

Beschluss über Verfassungsbeschwerde


Datum

11. 01. 1995


Aktenzeichen

1 BvR 892/88


Leitsatz des Gerichts

Es ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG, unvereinbar, daß einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld usw.) zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, ohne daß es bei der Berechnung von kurzfristigen Lohnersatzleistungen (beispielsweise Arbeitslosengeld, Krankengeld und Übergangsgeld) berücksichtigt wird.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

A. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es verfassungsrechtl. zulässig ist, von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt Beiträge zur gesetzl. Krankenversicherung, zur Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit nach der im Auszahlungsmonat jeweils maßgebl. anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze zu erheben.

I. 1. a) Die Mittel für die gesetzl. Krankenversicherung und die Rentenversicherung werden in erster Linie durch Beiträge der Beschäftigten und ihrer Arbeitgeberin aufgebracht. Ebenso erhebt die Bundesanstalt für Arbeit zur Aufbringung der Mittel für die Durchführung ihrer Aufgaben von Arbeitnehmern und Arbeitgebern Beiträge, soweit die Mittel nicht durch Umlagen aufgebracht werden. Der Beitragsberechnung ist in allen drei Versicherungszweigen das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zugrundezulegen, jedoch nur bis zu der im jeweiligen Versicherungszweig geltenden Beitragsbemessungsgrenze. Die Beitragsbemessungsgrenzen der Renten- und der Arbeitslosenversicherung sind gleich hoch. Die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzl. Krankenversicherung beträgt 75 vom Hundert der in der Renten- und Arbeitslosenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenzen.

Die Beitragsbemessungsgrenzen werden durch Rechtsverordnung jeweils für ein Kalenderjahr festgesetzt. Zeitraum der Beitragserhebung (Beitragsbemessungszeitraum) ist aber nicht das Kalenderjahr, sondern der Kalendermonat. Deshalb ist zur Beitragsberechnung eine monatl. Beitragsbemessungsgrenze gebildet worden, die ein Zwölftel der Jahresbeitragsbemessungsgrenze beträgt.

b) Arbeitsentgelt versicherungspflichtig Beschäftigter sind alle laufenden und einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Dies gilt gleichermaßen für die Krankenversicherung, die Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung. Arbeitsentgelt sind damit auch Zuwendungen des Arbeitgebers, die dem Arbeitnehmer nicht als laufendes Entgelt, sondern in Form von Sonderzahlungen auf einmal zufließen, wie das Weihnachts- und Urlaubsgeld, Urlaubsabgeltungen, Tantiemen, Gratifikationen und zusätzl. Monatsgehälter.

2. Laufend gezahltes Arbeitsentgelt kann (selbst bei nachträgl. Abrechnung) nur demjenigen Entgeltabrechnungszeitraum zugeordnet werden, in dem die zugrundeliegende Arbeitsleistung erbracht wurde. Übersteigt das im Kalendermonat erzielte Arbeitsentgelt die monatl. Beitragsbemessungsgrenze, ist es insoweit beitragsfrei, als diese Grenze überschritten wird. Eine Verteilung des laufenden Arbeitsentgelts und seine beitragsrechtl. Zuordnung zu anderen Zeiträumen als denjenigen, in denen es tatsächl. erarbeitet wurde, findet nicht statt, und zwar auch dann nicht, wenn das gesamte Arbeitsentgelt eines Kalenderjahres die für das betrefffende Jahr geltende (Jahres-) Beitragsbemessungsgrenze nicht übersteigt.

3. a) Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt wurde vor dem Inkrafttreten des mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen § 385 Abs. 1a RVO am 1. 1. 1984 nur dem Lohnzahlungszeitraum zugerechnet, in dem es gewährt wurde. Dies führte dazu, daß bei Arbeitnehmern, deren Arbeitsentgelt die Hälfte der monatl. Beitragsbemessungsgrenze oder weniger betrug, eine Einmalzahlung in Höhe eines Monatsgehalts oder Monatslohnes in vollem Umfang der Beitragspflicht unterlag. Dagegen blieben bei Arbeitnehmern mit höheren Arbeitsentgelten (oder höheren Einmalzahlungen) Teile der Einmalzahlung beitragsfrei, wenn das laufende Arbeitsentgelt zusammen mit der einmaligen Zahlung im Monat der Auszahlung die monatl. Beitragsbemessungsgrenze überstieg. Eine Verteilung der im Monat ihrer Auszahlung wegen Überschreitens der monatl. Beitragsbemessungsgrenze beitragsfrei gebliebenen Einmalzahlung auf frühere oder spätere Entgeltabrechnungszeiträume fand nicht statt. Je höher das laufende Arbeitsentgelt oder die Einmalzahlung war, desto geringer war die auf die Einmalzahlung entfallende Beitragsbelastung. Diese entfiel ganz, sofern das regelmäßige monatl. Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze erreichte oder überschritt.

b) Das BSG hatte allerdings 1982 entschieden, daß jedenfalls Sonderzahlungen, auf die beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Laufe des Kalenderjahres ein anteiliger oder voller arbeitsrechtl. Anspruch besteht, keine einmaligen Einnahmen darstellten, sondern als Bestandteil eines festen Jahresarbeitsentgelts anzusehen seien mit der Folge, daß auf jeden Monat ein Zwölftel der Sonderzahlung entfalle (vgl. BSG, SozR 2100 § 17 Nr. 3; DAngVers 1982, 393). Von den Trägern der Sozialversicherung, insbesondere den Krankenkassen als Beitragseinzugsstellen, wurde diese Rechtspr., die abweichend von der bis dahin geübten Praxis eine Ausweitung der beitragspflichtigen Einnahmen bedeutet hätte, wegen verwaltungsmäßiger Schwierigkeiten in der Folge jedoch nicht umgesetzt (vgl. Tonscheidt, Wege zur Sozialversicherung 1984, S. 33; Hungenberg, Die Ortskrankenkasse 1984, S. 114 f.; Zipperer, Die Betriebskrankenkasse 1984, 6, 12; Mess, Die Ersatzkasse 1983, S. 372, 373). Sie hätte nämlich eine Korrektur für alle der Zahlung der Sonderzuwendung vorausgehenden Lohnabrechnungszeiträume des Kalenderjahres erfordert. Außerdem hätte bei einer früheren Auszahlung als im Dezember das laufende Arbeitsentgelt für die restl. Monate des Kalenderjahres geschätzt werden müssen, damit ein annähernd zutreffender Beitragsabzug von den Sonderzuwendungen ermittelt werden konnte.

4. a) Um den genannten Unzuträglichkeiten bei der beitragsrechtl. Behandlung einmalig gezahlten Arbeitsentgeltes zu begegnen und die Beitragseinnahmen der Versicherungsträger insgesamt zu erhöhen, hat der Gesetzgeber durch das Gesetz über Maßnahmen zur Entlastung der öffentl. Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) vom 22. 12. 1983 (BGBl. I, 1532) in § 385 RVO folgenden Abs. 1a eingefügt:

Bei der Feststellung des Grundlohns nach Abs. 1 sind dem Arbeitsentgelt zuzurechnende Zuwendungen, die nicht für die Arbeit in einem einzelnen Lohnabrechnungszeitraum gezahlt werden (einmalig gezahltes Arbeitsentgelt), dem Lohnabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem sie ausgezahlt werden. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das erst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses oder bei ruhendem Beschäftigungsverhältnis gezahlt wird, ist dem letzten Lohnabrechnungszeitraum im laufenden Kalenderjahr zuzuordnen, auch wenn dieser nicht mit Arbeitsentgelt belegt ist. Das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt ist soweit zu berücksichtigen,als die anteilige Jahresarbeitsverdienstgrenze noch nicht mit beitragspflichtigem Arbeitsentgelt erreicht ist. Die anteilige Jahresarbeitsverdienstgrenze ist der Teil der Jahresarbeitsverdienstgrenze, der der Dauer aller Beschäftigungsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber im laufenden Kalenderjahr bis zum Ablauf des Lohnabrechnungszeitraums entspricht, dem das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt zuzuordnen ist; Zeiten, die nicht mit Beiträgen aus laufenden (nicht einmalig gezahltem) Arbeitsentgelt belegt sind, sind auszunehmen.

In der Zeit vom 1. 1. bis zum 31. 3. einmalig gezahltes Arbeitsentgelt ist dem letzten Lohnabrechnungszeitraum des vergangenen Kalenderjahres zuzurechnen, wenn es von dem Arbeitgeber dieses Lohnabrechnungszeitraums gezahlt wird und der festgestellte Grundlohn den in Satz 4 genannten Teil der Jahresarbeitsverdienstgrenze übersteigt. Ist einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das nach dem 31. 3. gezahlt wird, nach Satz 2 einem Lohnabrechnungszeitraum in der Zeit vom 1. 1. bis 31. 3. zuzuordnen, findet Satz 5 keine Anwendung.

Die Sätze 1 bis 4 traten am 1. 1. 1984, die Sätze 5 und 6 am 1. 1. 1985 in Kraft (Art. 39 Abs. 1 und 9 Haushaltsbegleitgesetz 1984). Für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt wurde damit die auf den Lohnzahlungszeitraum bezogene Beitragsbemessungsgrenze zugunsten einer anteiligen Jahresarbeitsverdienstgrenze aufgegeben, Einmalzahlungen werden danach - anders als nach dem von BSG vorgezeichneten Weg - nicht gezwölftelt, sondern im Zeitpunkt ihrer Auszahlung unter Bildung einer auf die zurückliegenden Monate bezogenen anteiligen Jahresarbeitsverdienstgrenze der Beitragspflicht unterworfen. Damit wurde die Korrektur der Beitragsberechnung für abgelaufene Zeiträume vermieden, gleichwohl aber eine Nacherhebung der Beiträge ermöglicht.

b) § 385 Abs. 1a RVO galt unmittelbar nur für die gesetzl. Krankenversicherung. Mit dem Inkrafttreten des SGB V ist diese Vorschrift durch den inhaltsgleichen § 227 SGB V ersetzt worden. Mittelbar galt § 385 Abs. 1a RVO zunächst auch für die Rentenversicherung, weil § 1400 Abs. 2 RVO und § 122 Abs. 2 AVG auf diese Vorschrift, ab 1. 1. 1989 auf § 227 SGB V Bezug nahmen. Seit dem 1. 1. 1992 enthält § 164 SGB VI eine dem § 227 SGB V entsprechende Regelung für die Beiträge zur Rentenversicherung. Für die Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit wurde in § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG auf die Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung und damit über § 1400 Abs. 2 Satz 3 RVO in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 auf § 385 Abs. 1a RVO Bezug genommen. Seit dem 1. 1. 1989 wird in § 175 Abs. 1 Satz 2 AFG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. 12. 1988 (BGBl. I, 2343) auf § 227 SGB V verwiesen.

c) Zu den mit der Einfügung des § 385 Abs. 1a RVO verfolgten Zielen heißt es in der Gesetzesbegründung der Bundesreg. zum Haushaltsbegleitgesetz 1984 (BTDrucks 10/335, 70 f. zu Nr. 9 - § 385):

Künftig sollen beitragspflichtige Zuwendungen verstärkt zur Beitragsleistung herangezogen werden Mit der Vorschrift soll Arbeitsentgelt in Form von Zuwendungen erfaßt werden, das nicht nur in einem einzelnen Lohnabrechnungszeitraum erzielt worden ist. Hierunter sind insbesondere Weihnachts- und Urlaubsgeld, Tantiemen, Provisionen, Gratifikationen und ähnliche Leistungen zu verstehen, aber auch zusätzl. Gehalt und einmalige Leistungen ohne Bezug auf einen Lohnabrechnungszeitraum, etwa aus Anlaß von Jubiläen. Nicht zu solchen Zuwendungen gehört demnach zum Beispiel nachgezahltes Entgelt für Mehrarbeit. Ob die Zuwendung in einer Summe oder in Teilbeträgen gezahlt wird, ist ohne Bedeutung, ebenso, ob auf sie ein Rechtsanspruch besteht.

Zuwendungen kommen allerdings nur in Betracht, wenn und soweit sie nach geltendem Recht beitragspflichtiges Arbeitsentgelt sind. Die Einbeziehung dieser Zuwendungen wird in der Weise durchgeführt, daß sie jeweils dem Lohnabrechnungszeitraum zugerechnet werden, in dem sie dem Versicherten ausgezahlt werden. Sie werden jedoch bei der Feststellung des Grundlohns für diesen Lohnabrechnungszeitraum über die bislang in § 180 Abs. 1 Satz 3 RVO festgesetzte Höchstgrenze hinaus berücksichtigt, allerdings nur bis zur anteiligen Jahresarbeitsverdientsgrenze. Die Berechnung wird wie folgt durchgeführt: Es wird der Anteil der Jahresarbeitsverdienstgrenze ermittelt, der der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses bei dem die Zuwendung zahlenden Arbeitgeber zum laufenden Kalenderjahr entspricht. Dem wird das gesamte auf diese Beschäftigungszeit entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt gegenübergestellt. Unter beitragspfichtigem Arbeitsentgelt ist das Arbeitsentgelt zu verstehen, welches in den einzelnen Lohnabrechnungszeiträumen bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Beitragspflicht unterworfen wurde. Ergibt sich, daß die anteilige Jahresarbeitsverdienstgrenze nicht erreicht ist, wird die Zuwendung insoweit der Beitragspflicht unterworfen. Die genannte Beschränkung auf das Kalenderjahr und die Beschäftigungszeit bei dem die Zuwendung auszahlenden Arbeitgeber soll überzogenen Verwaltungsaufwand, insbesondere Korrekturen bereits durchgeführter Beitragsberechnungen grundsätzl. vermeiden. Aus demselben Grunde verbleibt es - wie bisher - bei der Zuständigkeit der Krankenkasse im Zeitpunkt der Auszahlung der Zuwendung; eine Aufteilung von Beiträgen auf vorher zuständige Krankenkassen unterbleibt. Ist einmalig gezahltes Arbeitsentgelt nach Satz 2 dem letzten Lohnabrechnungszeitraum des vergangenen Kalenderjahres zuzurechnen, ist allerdings die Krankenkasse dieses Lohnabrechnungszeitraumes zuständig.

Die Neuregelung könnte dadurch umgangen werden, daß einmal gezahltes Arbeitsentgelt erst im ersten Vierteljahr des folgenden Kalenderjahres ausgezahlt wird. Um dies zu verhindern, schreibt der Satz 2 eine Zuordnung dieser Zuwendungen zum letzten Lohnabrechnungszeitraum des vergangenen Kalenderjahres vor, sofern die Zuwendungen im Zeitpunkt der Zahlungen nicht ohnehin in voller Höhe zur Beitragsleistung herangezogen werden.

Die voraussichtl. Einnahmenverbesserungen aufgrund der stärkeren Einbeziehung von Einmalzahlungen in die Beitragspflicht wurden für den Zeitraum von 1984 bis 1987 auf 2660 Millionen DM für die Bundesanstalt für Arbeit, auf 5570 Millionen DM für die gesetzl. Krankenversicherung und auf 12020 Millionen DM für die Rentenversicherung geschätzt (vgl. BT-Drucks 10/335, 52, 54, 56).

5. a) Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen beitragspfichtigem Arbeitsentgelt einschließl. der beitragspfichtigen Einmalzahlungen und der Höhe von Sozialleistungen besteht derzeit nur bei den Renten der gesetzl. Rentenversicherung, deren Höhe sich maßgebl. danach richtet, wie hoch die Beitragszahlungen des Versicherten im Laufe seines Versicherungslebens waren. Diese bemessen sich nach dem Arbeitsentgelt, mit der der Versicherte zur Beitragszahlung herangezogen wurde (vgl. § 1255 RVO a. F., §§ 63 , 64 und 70 SGB VI). Die hinsichtlich der Einmalzahlungen geleisteten Beiträge zur Rentenversicherung führen demnach zu höheren Anwartschaften auf Renten und nach Eintritt des Versicherungsfalls auch zu höheren Renten.

b) In der gesetzl. Krankenversicherung werden einmalige Zuwendungen bei der Berechnung des Krankengeldes nicht berücksichtigt. Insoweit bestimmte § 182 Abs. 5 Satz 1 RVO in der Fassung des Rehabilitationsangleichungsgesetzes vom 7. 8. 1974 (BGBl. I, 1881), daß der für die Berechnung des Krankengeldes maßgebl. Regellohn das vom Versicherten im Bemessungszeitraum erzielte und "um einmalige Zuwendungen verminderte Entgelt", geteilt durch die Stunden, für die es gezahlt wurde, ist. Art. 1 Nr. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 (BGBl. I, 1532) änderte diese Vorschrift nur redaktionell, indem die Worte "einmalige Zuwendungen" durch den neuen Begriff "einmalig gezahltes Arbeitsentgelt" ersetzt wurden. Diese Formulierung verwendet nunmehr auch der am 1. 1. 1989 in Kraft getretene § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Auf diese Vorschrift wird für die Berechnung des Übergangsgeldes bei medizinischen Leistungen zur Rehabilitation der Träger der Rentenversicherung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) und für die Berechnung des Verletztengeldes in der gesetzl. Unfallversicherung Bezug genommen (vgl. § 561 Abs. 1 RVO).

c) Für die Berechnung des Arbeitslosengeldes bestimmt § 112 Abs. 2 Satz 3 AFG in der Fassung des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz - AFKG -) vom 22. 12. 1981 (BGBl. I, 1497) mit Wirkung ab 1. 1. 1982, daß "einmalige und wiederkehrende Zuwendungen" außer Betracht bleiben und daß dies auch für Zuwendungen gilt, die anteilig gezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Fälligkeitstermin endet.

II. 1. Der Beschwerdeführer (BF) war im Jahre 1984 als Angestellter bei der Stadt T. beschäftigt. Dabei unterlag er der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten und der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit. Wegen Überschreitens der in der gesetzl. Krankenversicherung geltenden Versicherungspflichtgrenze war er nicht krankenversicherungspflichtig. Bis einschl. des Kalendermonats Oktober waren für ihn aus seinem Arbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 49209,06 DM Beträge zur Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit entrichtet worden.

Die monatl. Beitragsbemessungsgrenze in der Renten- und Arbeitslosenversicherung betrug damals 5200 DM. Die anteilige jährl. Beitragsbemessungsgrenze betrug, bezogen auf den Kalendermonat November 1984, 57200 DM (11/12 der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 1984 in Höhe von insgesamt 62400 DM). Die Differenz zwischen den bis einschließl. Oktober 1984 bereits zur Beitragszahlung herangezogenen Arbeitsentgelten und der anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze für den Monat November 1984 betrug 57200 DM abzüglich 49209,06 DM = 7990,94 DM. Der Streit im Ausgangsverfahren betrifft die Frage, ob das im November 1984 ausgezahlte regelmäßige Gehalt zuzüglich Weihnachtsgeld nur bis zur monatl. Beitragsbemessungsrenze von 5200 DM oder bis zur Differenz zur anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze, also in Höhe von 7990,94 DM, beitragspflichtig ist.

Die Arbeitgeberin legte die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze zugrunde und führte entsprechende Beiträge ab. Ohne die Regelung in § 385 Abs. 1a RVO wären 369,19 DM weniger an Beiträgen abgeführt worden.

Die Erstattung dieses Betrages beantragt der BF bei der AOK. In dieser Höhe seien Beiträge unter Verletzung von Art. 3, Art. 14 und Art. 20 GG einbehalten worden. Die AOK lehnte die Erstattung ab. Klage, Berufung und Revision des BF hatten keinen Erfolg.

In dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urt. des BSG (vgl. im einzelnen SozR 2200 § 385 Nr. 18) wird im wesentl. ausgeführt, die Entscheidung der AOK sei nicht zu beanstanden. § 385 Abs. 1a RVO sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Die vom BF beanstandeten Unterschiede im Äquivalenzgefüge zwischen Beiträgen und Leistungen hätten ihren Ursprung in praktischen Schwierigkeiten der Beitrags- und Leistungsberechnung nach früherem Recht.

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der BF, § 385 Abs. 1a RVO verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG i. V. mit dem Sozialstaatsprinzip.

Die Vorschrift verstoße dadurch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, daß die Beiträge von Einmalzahlungen nicht entsprechend dem Lohnabrechnungszeitraum, sondern entsprechend der anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze des laufenden Kalenderjahres abgeführt würden. Hierdurch träte je nach Auszahlungszeitpunkt der Einmalzahlung eine ungleiche Beitragsbelastung von Arbeitnehmern mit gleich hohen Jahresarbeitsentgelten ein.

Eine weitere Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit gleich hohem Jahresarbeitsentgelt unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze entstehe auf der Leistungsseite, weil Sonderzuwendungen je nach ihrer Auszahlungsweise in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung bei der Gewährung von (Lohnersatz-) Leistungen entweder Berücksichtigung fänden oder nicht. Werde die Sonderzuwendung auf einmal ausbezahlt, finde sie - obgleich sie beitragspflichtig sei - bei der Leistungsberechnung keine Berücksichtigung; anders sei dies bei einer über das gesamte Kalenderjahr verteilten ratenweisen Zahlung.

Schließl. werde nur Versicherten mit einem regelmäßigen Verdienst unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze ein Beitrag auf Einmalzahlungen zugemutet, der sich bei den Lohnersatzleistungen für vorübergehenden Verdienstausfall (Krankengeld, Übergangsgeld und Arbeitslosengeld) nicht leistungssteigernd auswirke. Demgegenüber gelangten Arbeitnehmer mit einem laufenden Arbeitsentgelt auf oder über der monatl. Arbeitsentgeltgrenze uneingeschränkt in den Genuß äquivalenter Leistungen, weil das beitragsbelastete Einkommen vollständig bei der Berechnung der Lohnersatzleistung berücksichtigt werde. Der Nachteil sei um so größer, je geringer das laufende Arbeitsentgelt sei. Darin liege zugleich eine Verletzung des Sozialstaatsgebots, das gerade einen sozialen Ausgleich zugunsten der sozial Schwächeren, nicht aber zugunsten der Besserverdienenden bezwecke.

Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlungen gebe es nicht. Mit dem Erfordernis einer typisierenden Regelung könnten die aufgezeigten Beitragsunterschiede nicht gerechtfertigt werden, da sich bestimmte Regeln für die Auszahlungstermine der Einmalzahlungen, insbesondere für das Weihnachts- und Urlaubsgeld, nicht aufstellen ließen und es sich bei der stärkeren Beitragsbelastung auch nicht um derart seltene Ausnahmefälle handele, daß sie bei einer auf den Normalfall zugeschnittenen Regelung außer Betracht gelassen werden könnten.

III. Zur Verfassungsbeschwerde haben der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung namens der Bundesreg., der AOK-Bundesverband, die Bundesverbände der Innungskrankenkassen und der Betriebskrankenkassen, der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft Stellung genommen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

B. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

Der BF ist zwar hinsichtl. des unmittelbaren Anwendungsbereichs des mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen § 385 Abs. 1a RVO nicht beschwert, denn als Angestellter mit einem Arbeitsentgelt, das über der in der gesetzl. Krankenversicherung geltenden Versicherungspflichtgrenze lag, war er in der Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig. Da er nicht mit Krankenversicherungsbeiträgen belastet wurde, konnte sich die Regelung des § 385 Abs. 1a RVO insoweit von vornherein nicht nachteilig auswirken. Dies steht einer verfassungsrechtl. Prüfung des § 385 Abs. 1a RVO in seiner mittelbaren Anwendung auf Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht entgegen. Infolge der Verweisungen in § 1400 RVO, § 122 AVG und § 175 Abs. 1 Satz 2 AFG wirkte sich die angegriffene Vorschrift auf den BF belastend aus.

C. § 385 Abs. 1a RVO ist mit dem allgemeinen Geichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar, soweit danach einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, obwohl es bei der Berechnung kurzfristiger Lohnersatzleistungen unberücksichtigt bleibt.

I. 1. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedl. Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Die Abstufung der Anforderungen folgt aus Wortlaut und Sinn des Art. 3 Abs. 1 GG sowie aus seinem Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen.

Da der Grundsatz, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl. BVerfG 55, 72, 88; 89, 365, 375). Diese ist jedoch nicht auf personenbezogene Differenzierungen beschränkt. Sie gilt vielmehr auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind um so engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtl. geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfG 88, 87, 96 m. w. N.). Dieser Gesichtspunkt ist insbesondere im Hinblick auf die Zwangsmitgliedschaft der Versicherten in einem öffentlichrechtl. Verband, die deren allgemeine Handlungsfreiheit i. S. des Art. 2 Abs. 1 GG einschränkt, von Bedeutung (vgl. BVerfG 10, 89, 102; 32, 54, 64; 38, 281, 298; 78, 320, 329; 89, 365, 376).

Außerhalb des so umschriebenen Bereichs läßt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte je nach dem Regelungszusammenhang verschieden zu behandeln. Die Grenze bildet insoweit allein das Willkürverbot (BVerfG 9, 334, 337; 55, 72, 89 f.).

2. § 385 Abs. 1a RVO regelt die Beitragserhebung für Einmalzahlungen abweichend von den für laufendes Arbeitsentgelt geltenden Vorschriften. Zweck der Norm ist dabei die Angleichung verschiedenartiger Sachverhalte mit dem Ziel einer Beitragserhebung entsprechend der wirtschaftl. Leistungsfähigkeit. Insoweit beschränkt sich der Prüfungsmaßstab auf das Willkürverbot (unten II.).

Die Vorschrift führt jedoch insofern zu einer Ungleichbehandlung von Personengruppen mit gleich hoher Beitragsleistung, als sich bei den Lohnersatzleistungen für vorübergehenden Verdienstausfall (wie Krankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld) beitragsbelastete Einmalzahlungen nicht leistungssteigernd auswirken, während Versicherte mit laufenden Arbeitsentgelten auf oder über der monatl. Beitragsbemessungsgrenze voll in den Genuß äquivalenter Lohnersatzleistungen gelangen. Insoweit ist die Anwendung eines strengeren Prüfungsmaßstabs geboten (unten III.).

II. Als Teil des Arbeitsentgelts tragen auch Einmalzahlungen zur wirtschaftl. Leistungsfähigkeit des Versicherten bei, die als Anknüpfungspunkt der Beitragsbelastung anerkannt ist (vgl. BVerfG 79, 223, 237).

Verfassungsrechtl. ist nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber sein Ziel einer gleichmäßigen Behandlung der Versicherten nach Leistungsfähigkeit unter gleichzeitiger Erhöhung der Einnahmen dadurch verwirklicht hat, daß für Einmalzahlungen in § 385 Abs. 1a RVO nicht mehr nur die auf den Entgeltabrechnungszeitraum der Auszahlung bezogene Beitragsbemessungsgrenze, also regelmäßig die monatl. Bemessungsgrenze, sondern die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze maßgebend ist. Die Regelung ist verwaltungspraktikabel und beseitigt den nach altem Recht gegebenen Anreiz der Arbeitsvertragsparteien, der Beitragspflicht in größerem Umfang dadurch zu entgehen, daß neben dem monatl. regelmäßigen Entgelt möglichst große Einmalzahlungen, eventuell sogar mehrfache Sonderzahlungen erbracht werden, damit beim Überschreiten der monatl. Beitragsbemessungsgrenze erhebl. Teile des Arbeitsentgelts endgültig beitragsfrei bleiben. Das mit § 385 Abs. 1a RVO sozialpolitisch verfolgte Ziel stellt keine Verletzung, sondern vielmehr eine Maßnahme zur Erfüllung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dar (vgl. Bieback, BB 1986, S. 1007, 1010).

Dem BF ist zwar zuzugeben, daß das Ziel einer gleichmäßigen, der wirtschaftl. Leistungsfähigkeit des Versicherten entsprechende Heranziehung von Einmalzahlungen zur Beitragszahlung nur dann vollkommen verwirklicht wäre, wenn als Maßstab der Beitragsheranziehung nicht nur auf die im Auszahlungszeitpunkt der Einmalzahlung bereits erreichte anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze, sondern ausnahmslos auf die Jahresarbeitsentgeltgrenze oder Beitragsbemessungsgrenze für das gesamte Kalenderjahr abgestellt würde. Ein solches Vorgehen wäre jedoch für die Verwaltung gleichermaßen unpraktisch wie aufwendig. Das ist in den Stellungnahmen überzeugend dargelegt.

Angesichts dessen ist die unterschiedl. Beitragsbelastung, die je nach dem Auszahlungszeitpunkt der Einmalzahlung auftreten kann, verfassungsrechtl. hinzunehmen, weil eine andere Typisierung nicht verwaltungspraktikabel wäre und weil die Unterschiede nicht sehr erhebl. sind (vgl. BVerfG 44, 283, 288 f.). Zudem ist die Zahl der Betroffenen gering, weil in der betriebl. Praxis die denkbare Verlagerung von Einmalzahlungen in beitragsgünstigere Auszahlungszeiträume ab 1985 nicht in nennenswertem Umfang aufgetreten ist. Selbst 1984, als die sogenannte März-Regel des § 385 Abs. 1a RVO noch nicht galt, sind nur vereinzelt Vereinbarungen getroffen worden, Sonderzuwendungen bereits im ersten Jahresdrittel auszuzahlen.

III. Die angegriffene Vorschrift verstößt jedoch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil Versicherte, deren Einmalzahlungen ganz oder zum Teil der Beitragspflicht unterliegen, hinsichtl. kurzfristiger Lohnersatzleistungen aus diesen Beiträgen keine Leistungen erhalten, während Versicherte, die ledigl. aus laufendem Arbeitsentgelt Beiträge zahlen, voll in den Genuß äquivalenter Leistungen gelangen. Diese unterschiedl. Behandlung verschiedener Personengruppen hält der verfassungsrechtl. Beurteilung anhand des insoweit gebotenen strengeren Prüfungsmaßstabs (vgl. C. I. 1) nicht stand.

Von Verfassungs wegen ist es zwar nicht geboten, daß bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistungen erzielt wird (vgl. BVerfG 51, 115, 124; 53, 313, 328). Für Äquivalenzabweichungen bei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung ist indessen ein hinreichender sachl. Grund nicht ersichtl.

Im Sozialversicherungsrecht ist die wirtschaftl. Leistungsfähigkeit einerseits Maßstab für die Heranziehung zu Beiträgen; andererseits ist die durch den Versicherungsfall verursachte Einbuße an wirtschaftl. Leistungsfähigkeit Maßstab für die Berechnung von Lohnersatzleistungen. Rechtfertigende Gründe dafür, die wirtschaftl. Leistungsfähigkeit innerhalb ein und derselben Versichertengruppe im Beitrags- und im Leistungsbereich unterschiedl. zu definieren, sind nicht ersichtl.

Solche Gründe können insbesondere nicht darin gesehen werden, daß die kurzfristigen Lohnersatzleistungen nur einen bestimmten Anteil des ausgefallenen Arbeitsentgelts ersetzen sollen. Das gilt für alle Lohnersatzleistungen einschließl. der Rente. Allerdings darf durch die Berechnung der laufenden Lohnersatzleistungen nicht die wirtschaftl. Situation des Versicherten verzerrt oder dieser gar besser gestellt werden, als er ohne Eintritt des Versicherungsfalles stünde. Insoweit ist es verfassungsrechtl. nicht zu beanstanden, wenn bei der Ermittlung der für kurzfristige Lohnersatzleistungen maßgebl. Bemessungsrundlage Zufälligkeiten gerade in den der Bemessung zugrunde liegenden Lohnzahlungszeiträumen nicht leistungsbestimmend werden. Der Gesetzgeber ist jedoch nicht berechtigt, bei kurzfristigen Lohnersatzleistungen sämtl. beitragspflichtigen Entgeltbestandteile außer Betracht zu lassen, die dem Versicherten zwar nicht in jedem Entgeltabrechnungszeitraum zustehen, seine wirtschaftl. Leistungsfähigkeit - über einen längeren Zeitraum betrachtet - aber kaum weniger beeinflussen als das laufende Arbeitsentgelt. Denn auch die sogenannten kurzfristigen Leistungen werden für Zeiträume gezahlt, die eineinhalb Jahre (Krankengeld), zwei Jahre (Übergangsgeld) und bis zu drei Jahre (Arbeitslosengeld für ältere Arbeitnehmer) umfassen. Sie decken damit Bezugszeiträume ab, die auch die Anlässe und Zeitpunkte, zu denen die Sonderzuwendungen erbracht werden, umfassen.

Hält es der Gesetzgeber - wie bei der angegriffenen Regelung für die Erhebung von Beiträgen - für angezeigt, bei der Ermittlung der wirtschaftl. Leistungsfähigkeit der Versicherten auf einen größeren Zeitraum und nicht mehr ausschließl. auf die einzelnen Entgeltabrechnungszeiträume abzustellen, so gebietet es Art. 3 Abs. 1 GG, zur Vermeidung einer unterschiedl. Behandlung von Personengruppen bei der Bemessung von Lohnersatzleistungen ebenfalls in größeren Zeitabschnitten zu rechnen. Dem Gesetzgeber steht es dabei frei, wie er die wiederkehrenden, tarif- oder einzelvertragl. vereinbarten Sonderzahlungen berücksichtigen will. Er kann die Ungleichbehandlung entweder auf der Beitragsseite durch eine Änderung der Beitragsbemessung bei Einmalzahlungen beseitigen oder auf der Leistungsseite durch Einbeziehung von Einmalzahlungen in die Bemessungsgrundlage kurzfristiger Lohnersatzleistungen. Er darf jedoch nicht relativ komplizierte Methoden der Beitragsberechnung zu Lasten der mit der Beitragsabführung befaßten Arbeitgeber einführen und zugleich Leistungen im Hinblick auf ebenso schwierige Berechnungen auf seiten der Leistungsverwaltung gänzl. verweigern. Pauschalierungsverfahren zur Lösung dieser Probleme sind ihm von Verfassungs wegen nicht verwehrt.

IV. 1. Die Vorschrift des § 385 Abs. 1a RVO ist danach in dem aus der Entscheidungsformel ersichtl. Umfang für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären. Nach § 78 Satz 2 BVerfGG, der im Verfahren der Verfassungsbeschwerde entsprechend anwendbar ist, sind im Interesse der Rechtsklarheit auch die Nachfolgevorschriften des § 227 SGB V und des § 164 SGB VI, die keine inhaltl. Änderung aufweisen, in diesem Umfang für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären (vgl. BVerfG 61, 319, 356 m. w. N.).

2. Eine Unvereinbarkeitserklärung hat grundsätzl. zur Folge, daß die Normen in dem sich aus der Entscheidungsformel ergebenden Umfang nicht mehr angewendet werden dürfen (BVerfG 37, 217, 261; 55, 100, 110). Ausnahmsweise sind verfassungswidrige Vorschriften aber weiter anzuwenden, wenn die Besonderheit der für verfassungswidrig erklärten Norm es aus verfassungsrechtl. Gründen, insbesondere aus solchen der Rechtssicherheit, notwendig macht, die verfassungswidrige Vorschrift als Regelung für die Übergangszeit fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige (vgl. BVerfG 37, 217, 261; 61, 319, 356).

Im vorl. Fall ist es geboten, ausnahmsweise im Interesse der Rechtssicherheit die weitere Anwendung der betreffenden Normen bis zu einer gesetzl. Neuregelung, längstens bis zum 31. Dezember 1996, zuzulassen. Es muß verhindert werden, daß in der Zeit bis zur gesetzl. Neuregelung Unsicherheit über die beitragsrechtl. Behandlung von Einmalzahlungen sowohl bei den Beitragspflichtigen als auch bei den Sozialversicherungsträgern herrscht. Wenn bis zum 31. Dezember 1996 allerdings keine gesetzl. Neuregelung in Kraft getreten ist, können § 227 SGB V und § 164 SGB VI nicht länger als Grundlage für die Heranziehung von Einmalzahlungen zu Sozialversicherungsbeiträgen über die Beitragsbemessungsgrenze des Auszahlungsmonats hinaus dienen.

3. Da die vom BF angegriffene Regelung hiernach auch im Ausgangsverfahren angewendet werden durfte, ist seine Verfassungsbeschwerde zurückzuweisen. Die Verfassungsbeschwerde bleibt aber im Ereignis nur aus den unter 2. genannten Gründen ohne Erfolg. Daher ist es billig, die Erstattung der dem BF erwachsenen notwendigen Auslagen anzuordnen (§ 34a Abs. 3 BVerfGG).

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht; Sozialrecht