Focus ./. FOCUS Money: Kein Verwechslungsgefahr-Anspruch für die prioritätsältere, aber nicht bekannte Marke „Focus” für Papier, Pappe, Schreibwaren

Gericht

Harmonisierungsamt


Art der Entscheidung

Entscheidung über Widerspruch


Datum

22. 12. 2003


Aktenzeichen

2974/2003


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Marken „Focus“ und „FOCUS MONEY“ sind nicht verwechslungsfähig.

  2. Innerhalb des Zeichens „FOCUS MONEY“ ist der Bestandteil „MONEY“ zumindest mitprägend, da dieser für die angegriffenen Waren „Papier, Pappe und Schreibwaren“ nicht beschreibend ist.

Tenor


ENTSCHEIDUNG DES AMTES:

  1. Der Widerspruch Nr. B 370 173 wird zurückgewiesen.

  2. Die Kosten trägt die Widersprechende.

Tatbestand


I. SACHVERHALT UND VERFAHRENSVERLAUF

Am 09/01/1997 hat die Anmelderin die Anmeldung Nr. 1 606 441 eingereicht, die die Wortmarke "FOCUS MONEY" für Waren und Dienstleistungen in den Klassen 1, 16, 35, 36, 38, 41, und 42 zum Gegenstand hat.

Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 05/2001 vom 08/01/2001 veröffentlicht.

Am 28/03/2001 hat die Widersprechende Widerspruch gegen die Eintragung dieser Marke erhoben.

Der Widerspruch beruht auf der deutschen Eintragung Nr. 1 063 539 der Wortmarke "Focus". Diese wurde für Waren in den Klasse 16 am 27/08/1983 angemeldet und am 18/05/1984 eingetragen.

Die Widersprechende stützt den Widerspruch auf alle Waren, welche von ihren Marken erfasst werden.

Der Widersprechende richtet den Widerspruch nicht gegen alle Waren und Dienstleistungen der Anmeldung, sondern lediglich gegen folgende Waren der Klasse 16: Papier, Pappe und Schreibwaren.

Der Widerspruch beruht auf Artikel 8 Absatz 1 b) der Gemeinschaftsmarkenverordnung (Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rats, im folgenden GMV).

Am 23/05/2001 wurde der Anmelderin der Widerspruch zugestellt.

Deutsch wurde als Verfahrenssprache bestimmt.

Am 23/07/2001 begann der kontradiktorische Teil des Verfahrens.

Beide Beteiligten haben innerhalb der ihnen vom Amt gesetzten Fristen Stellungnahmen abgegeben und Beweismittel eingereicht. Die Anmelderin verlangte, dass die Widersprechende den Benutzungsnachweis für die älteren Marken erbringt, auf welchen der Widerspruch beruht. Die Widersprechende hat Unterlagen eingereicht, um eine solche Benutzung nachzuweisen.


II. VORTRAG DER BETEILIGTEN

Die Widersprechende trägt vor, dass die Zeichen in ihrem unterscheidungskräftigen Teil, d.h. "Focus" identisch seien. Da auch bei den Waren Identität vorliege, bestehe insgsamt eine erhöhte Verwechslungsgefahr.

Die Anmelderin erwidert in ihrer Stellungnahme, dass keine Verwechslungsgefahr vorliege. Die Zeichen seien unähnlich, da der Markenbestandteil "Money" nicht, im Gegensatz zur Auffassung der Widersprechenden, beschreibend sei und insofern die Anmeldemarke als Ganzes zum Vergleich herangezogen worden müsse. Die Anmelderin besteht auch darauf, dass ihre Marke sehr bekannt sei und reicht diese Aussage bekräftigende Unterlagen ein. Des weiteren bestreitet sie die Benutzung der älteren Marke.

Entscheidungsgründe


III. ENTSCHEIDUNG

A. ZULÄSSIGKEIT DES WIDERSPRUCHS

Die Widerspruchsgebühr wurde ordnungsgemäß entrichtet.

Der Widerspruch wurde unter Beachtung der vorgeschriebenen Fristen, Formvorschriften und sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen erhoben.

Folglich ist der Widerspruch zulässig.


B. BEGRÜNDETHEIT DES WIDERSPRUCHS

1. Verwechslungsgefahr gemäß Artikel 8 (1) (b) GMV

Gemäß Artikel 8 Absatz 1 b) GMV ist auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen,

wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, daß die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

Eine Verwechslungsgefahr liegt darin vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. (siehe Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache C-39/97 Canon Kabushiki Kaisha gegen Metro-Goldwyn Mayer Inc (1998), HABM Nr. 12/1998, S. 1407ff., Absatz 29).

a) Vergleich der Zeichen

Zu vergleichen sind die folgenden Zeichen:

Focus
Widerspruchsmarke

FOCUS Money
Gemeinschaftsmarkenanmeldung

Der Vergleich der Zeichen hat anhand einer Gesamtbetrachtung der bildlichen und klanglichen Ähnlichkeiten und der Ähnlichkeit dem Sinn nach zu erfolgen. Hierbei ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese bei dem Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren hervorrufen, wobei insbesondere die konnzeichnungskräftigen und die dominierenden Bestandteile zu berücksichtigen sind, da der betreffende Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und hierbei nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (Entscheidung des Gerichtshofs vom 11. November 1997 in der Rechtssache C251/95, SABEL SV gegen Puma AG Rudolf Dassler Sport, ABI. HABM Nr. 1/1998, S. 78 ff., Absatz 23).

Da die ältere Marke in Deutschland geschützt ist, ist beim Zeichenvergleich auf die Sprachbesonderheiten und das Verständnis des Publikums in Deutschland abzustellen.

Beide Marken sind reine Wortmarken. Insofern ist die Schreibweise unerheblich.

In schriftbildlicher Hinsicht stimmen die Zeichen in dem Bestandteil "Focus" identisch überein. Im Gegensatz zu der älteren Marke, die nur aus dem Begriff "Focus" besteht, handelt es sich bei der Anmeldemarke um einen aus zwei Worten gebildeten Begriff, "FOCUS Money". Dadurch ist die Anmeldemarke doppelt so lang wie die ältere Marke und der durch den übereinstimmenden Bestandteil "Focus" hervorgerufene Eindruck der Ähnlichkeit wird erheblich abgeschwächt.

In klanglicher Hinsicht gilt festzuhalten, dass die ältere Marke zweisilbig FO-CUS und die Anmeldemarke viersilbig FO-CUS-MA-NI ausgesprochen wird. Die Anmeldemarke ist, wie schon weiter oben erwähnt, doppelt so lang und selbst wenn die Marken auch klanglich in dem Bestandteil "Focus" übereinstimmen, so sind die Marken doch im Gesamteindruck klanglich nicht ähnlich.

Bezüglich der Frage der begrifflichen Ähnlichkeit gilt festzuhalten, dass, im Gegensatz zu der von der Widersprechenden vertretenen Meinung, der Markenbestandteil "Money" über einen dem Bestandteil "Focus" gleichgestellte Kennzeichnungskraft verfügt. Der Begriff "Money" steht ein keinerlei Zusammenhang mit den hier betroffenen Waren, nämlich Papier, Pappe, Schreibwaren und ist somit nicht beschreibend. Die Anmeldemarke muss also als Gesamtbegriff beurteilt werden. Der Begriff "Focus" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet in der Optik Brennpunkt und im übertragenen Sinn Schwerpunkt, Mittelpunkt des Interesses. Der Bedeutungsinhalt von "Focus" wird jedoch von einem Grossteil des Verkehrs nicht verstanden werden, während der Markenbestandteil "Money", zu deutsch Geld, der Anmeldemarke von nahezu der Gesamtheit des Verkehrs in Deutschland verstanden wird. Dadurch wird sich gerade dieser Bestandteil einprägen. Die Zeichen sind begrifflich nicht ähnlich.

c) Ergebnis

Die Frage der Verwechslungsgefähr im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 b) GMV ist im Rahmen einer Gesamtabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei ist die bestehende Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren, zu berücksichtigen. So kann insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt. Außerdem ist die Verwechslungsgefahr um so größer, je höher sich die Kennzeichnungskraft der älteren Marke darstellt. Marken, die von Haus aus oder wegen ihrer Bekanntheit auf dem Markt eine hohe Kennzeichnungskraft besitzen, genießen einen umfassenderen Schutz als Marken, deren Kennzeichnungskraft geringer ist (Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Canon, Absatz 18). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart auszugehen.

Das ältere Zeichen ist für die hier betroffenen Waren nicht beschreibend. Somit kann von Natur aus eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft angenommen werden.

Im vorliegenden Fall sind die Waren identisch bzw. ähnlich.

Den angegriffenen Waren der Gemeinschaftsmarkenanmeldung, nämlich:

"Papier, Pappe, Schreibwaren" in Klasse 16

stehen folgende Waren der älteren Marke gegenüber:

"Papier, Pappe (Karton), Papier und Pappwaren (soweit in Klasse 16 enthalten)" in Klasse 16.

Die Waren Papier und Pappe der Anmeldemarke werden identisch von der älteren Marke geschützt. Die Schreibwaren der Anmeldemarke sind den Papier- und Pappwaren der älteren Marke sehr ähnlich, denn Schreibwaren werden grösstenteils aus Papier hergestellt, sowie z.B. Blöcke, Hefte. Die Waren werden in identischen oder ähnlichen Verkaufstellen angeboten, nämlich Papierhandlungen oder dementsprechende Abteilungen in den grossen Kaufhäusern und der Kreis der Abnehmer ist identisch oder ähnlich.

Ungeachtet der aufgrund der vorliegenden Warenidentität bzw. -ähnlichkeit grundsätzlich zu stellenden strengen Anforderungen an den Markenabstand besteht jedoch angesichts der klaren schriftbildlichen, klanglichen und begrifflichen Abweichungen der Vergleichsmarken keine unmittelbare Verwechslungsgefahr im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 b) GMV.

Im Hinblick auf die Frage einer denkbaren Assoziationsgefahr (oder mittelbaren Verwechslungsgefahr) weist die Widersprechende zwar darauf hin, dass die beteiligten Verkehrskreise in Deutschland annehmen würden, dass die Anmeldemarke zur Markenfamilie der Widersprechenden gehöre.

Die Widersprechende hat jedoch das Vorhandensein einer Zeichenserie mit dem Bestandteil "Focus" auf dem betreffenden Markt nicht dargelegt oder gar bewiesen. Schon aus diesem Grunde kann dem dahingehenden Vortrag der Widersprechenden kein Erfolg beschieden sein.

2. Benutzungsnachweis gemäss Artikel 43 Absatz 2 und 3 GMV

Gemäß Artikel 43 Absatz 2 und 3 GMV hat der Inhaber einer älteren nationalen Marke auf Verlangen des Anmelders den Nachweis zu erbringen, dass er innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke die ältere nationale Marke in dem Mitgliedstaat, in dem die ältere Marke geschützt ist, für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und auf die er sich zur Begründung seines Widerspruchs beruft, ernsthaft benutzt hat, oder dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen, sofern zu diesem Zeitpunkt die ältere nationale Marke seit mindestens fünf Jahren eingetragen ist.

Im vorliegenden Fall hat die Anmelderin die Widersprechende aufgefordert, den Benutzungsnachweis zu erbringen. Die Widersprechende hat entsprechende Unterlagen eingereicht.

Da jedoch der Widerspruch mangels Zeichenähnlichkeit als unbegründet zurückzuweisen war, ist eine Prüfung dieser Benutzungsunterlagen entbehrlich.


C. KOSTENVERTEILUNG

Gemäß Artikel 81 Absatz 1 GMV trägt der im Widerspruchsverfahren unterliegende Beteiligte die von dem anderen Beteiligten zu entrichtenden Gebühren sowie die Kosten.

Gemäß Regel 94 Absatz 1 der Durchführungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission) wird die Kostenverteilung in der Entscheidung über den Widerspruch angeordnet. Da die Widersprechende die im Widerspruchsverfahren unterliegende Beteiligte ist, trägt sie alle dem anderen Beteiligten in diesem Verfahren entstandenen Kosten.


Bernhard Müller
Dorothee Schliephake
Óscar Mondéjar

Rechtsgebiete

Markenrecht