Umfang einer Einwilligung

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

14. 06. 2002


Aktenzeichen

21 U 3904/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Anspruch auf Geldentschädigung bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts besteht nur, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann.

  2. Ferner muss der Eingriff rechtswidrig sein. Daran fehlt es, wenn dieser durch die Einwilligung des Betroffenen gedeckt ist.

  3. Die Einwilligung kann auch konkludent erklärt werden und sich aus schlüssigem Verhalten ergeben, nämlich aus Handlungen, die mittelbar einen Schluss auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen zulassen.

  4. Zur Bestimmung der Reichweite der Einwilligung in den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht sind die Grundsätze der für das Urheberrecht entwickelten Zweckübertragungslehre entsprechend anzuwenden. Die Einwilligung reicht nur so weit, wie der mit ihrer Erteilung verfolgte Zweck.

  5. Wer sich von einem Pressefotografen willentlich fotografieren lässt, willigt ein in seine Ablichtung in einem Zeitungsartikel. Diese Einwilligung kann nach den Umständen des Einzelfalles auch die volle Aufdeckung der Anonymität enthalten.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu.

Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des landgerichtlichen Urteils und nimmt auf sie Bezug. Die vom Senat ergänzend durchgeführte Beweisaufnahme führt zu keinem anderen Ergebnis.

Die folgenden Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht (§ 313 Abs. 3 ZPO). Die Kürze der Darstellung erklärt sich auch daraus, dass der Streit im Termin zur mündlichen Verhandlung sachlich und rechtlich eingehend erörtert wurde (vgl. hierzu Thomas/Putzo/Reichhold, ZPO, 24. Aufl., § 313 Rz. 27). Auch ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein Berufungsurteil handelt, das mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht angefochten werden kann (vgl. BVerfG NJW 1996, 2785; NJW 1999, 1387 [1388]).

Jener Anspruch besteht nur, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Zutreffend hat das LG ausgeführt, dass es sich weder bei einem der Artikel noch bei der Berichterstattung in ihrer Gesamtheit um eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers handelte, welche die Zahlung einer Geldentschädigung erforderte.

I. Die Veröffentlichung der Artikels vom 2.1.1998 und die darin enthaltene Bezeichnung des Klägers mit „Nachbar H.G.” war schon nicht rechtswidrig.

Die Bezeichnung des Klägers ist durch dessen Einwilligung gedeckt. Die Einwilligung des Klägers hat sogar die Angabe des vollen Namens umfasst. Hiervon haben die Beklagten nicht einmal Gebrauch gemacht.

Die Einwilligung, die auch einseitig erklärt werden kann, konnte selbst konkludent erklärt werden. Hier gilt nichts anderes als im Bereich der allgemeinen Willenserklärungen; auch sie können sich aus schlüssigem Verhalten ergeben, nämlich aus Handlungen, die mittelbar einen Schluss auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen zulassen (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., Einf. 6 vor § 116).

Die Einwilligung des Klägers deckt die Aufhebung von dessen Anonymität.

Zur Bestimmung der Reichweite der Einwilligung in den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht sind die Grundsätze der für das Urheberrecht entwickelten Zweckübertragungslehre entspr. anzuwenden (Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rz. 19.46a). Die Einwilligung reicht nur so weit wie der mit ihrer Erteilung verfolgte Zweck.

Nach den Umständen des Streitfalls erstreckt sich die Einwilligung des Klägers auf dessen Abbildung und namentliche Nennung als betroffener Nachbar in der Berichterstattung der Beklagten über die Ausschreitungen von Gästen des „S.” in der Silvesternacht 1997/1998. Ein konkreter Inhalt dieser Berichterstattung unter Beschränkung der Pressefreiheit wird damit nicht vorgeschrieben.

Der Kläger hat bereits durch schlüssiges Verhalten in die Veröffentlichung seines Bildes eingewilligt. Der Kläger hat sich in der Silvesternacht im Zusammenhang mit den damaligen Ereignissen unstreitig von einem professionellen Pressefotografen, der in Begleitung eines Zeitungsreporters am Tatort war, willentlich fotografieren lassen. Das wird namentlich durch das vorgelegte Lichtbild bestätigt. Diese Einwilligung enthält nach den Gesamtumständen die Zustimmung zu der Aufdeckung der Anonymität und umfasst hier zumindest die Bezeichnung des Klägers mit „Nachbar H.G.”, eben weil durch eine – vom Kläger gewollte – Veröffentlichung einer solchen Abbildung des Klägers in der konkreten Situation dessen Identität in weitgehend gleichem Umfang aufgedeckt wird. Unter den konkreten Umständen und unter Berücksichtigung der äußerungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG bedarf es hier nicht zum Schutz der Person einer ausdrücklichen Erklärung des Betroffenen.

Darüber hinaus hat hier nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine ausdrückliche Einwilligungserklärung des Klägers in der Silvesternacht zur Nennung sogar von dessen vollem Namen vorgelegen.

Das folgt zunächst aus der glaubhaften Zeugenaussage des Bildjournalisten K., der bei seiner Vernehmung einen glaubwürdigen Eindruck gemacht hat. Danach wurde der Kläger wegen des Namens und der Erlaubnis zu fotografieren gefragt. Der Zeuge K. hat bestätigt, dass sich der Kläger gemäß Absprache mit den Vandalismusschäden postieren und mehrfach aufnehmen ließ, und ferner, dass der Beklagte zu 1) auf die Frage des Zeugen erklärt hat, er habe den Namen des Klägers. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte zu 1) in jener Nacht seinem Kollegen eine falsche Antwort gegeben habe.

Dies wird bestätigt durch das eigene Schreiben des Klägers („Leserbrief und Gegendarstellung”), das er unmittelbar nach dem Erscheinen des Artikels vom 2.1.1998 an die Beklagte zu 2) gerichtet hat. Darin beanstandet der Kläger nicht etwa seine Benennung mit „Nachbar H.G.”. Vielmehr beklagt er sich sogar darüber, dass ein Foto von ihm und den Schäden nicht veröffentlicht worden ist. Darin liegt ein weiteres Indiz für die bereits in der Silvesternacht erklärte Zustimmung des Klägers zur Aufdeckung seiner Anonymität. Ferner zeigt der Leserbrief, um dessen ungekürzte Veröffentlichung der Kläger – auch schon auf dem Briefumschlag – mit Nachdruck und deutlicher Begründung gebeten hat, im Einklang mit dem vom Zeugen K. gewonnenen Eindruck, dass der Kläger in dieser Angelegenheit geradezu an die öffentlichkeit gedrängt hat.

Demgegenüber reicht die Aussage der Zeugin R., der Mutter des Klägers, nämlich dass nach dem Namen ihres Sohnes nicht gefragt worden sei, für eine andere Würdigung nicht aus. Der Senat erachtet es als nicht ausgeschlossen, dass der Zeugin während des geraume Zeit dauernden Zusammentreffens des Klägers, des Beklagten zu 1) und des Zeugen K. das – kurze – Gespräch darüber in jenem Tumult entgangen ist, zumal da das Ereignis nach den eigenen Worten der 69 Jahre alten Zeugin eine der schlimmsten Situationen gewesen sei, die sie je erlebt habe, und ihr Sohn und sie selbst nervlich total fertig gewesen seien. Die weitere Angabe der Zeugin, dass in der Silvesternacht nach dem Beruf ihres Sohnes nicht gefragt worden sei, mag zutreffen. Auch der Zeuge K. gibt eine solche Frage nicht wieder. Der Beruf des Klägers wird in dem ersten Artikel vom 2.1.1998 nicht erwähnt, sondern erst im Bericht vom 8.1.1998 („der Jurist H.G.”). Zwischen die beiden Berichte fällt aber das Schreiben des Klägers an die Beklagte zu 2) („Leserbrief und Gegendarstellung”), in dem der Kläger außer der jeweils vollständigen Angabe seines Namens, seiner Adresse und seiner Telefonnummer auch seinen Beruf („Jurist”) mitteilt, verbunden mit der Bitte um ungekürzte Veröffentlichung. …

Vorinstanzen

LG München I, 9 O 23236/00

Rechtsgebiete

Presserecht

Normen

BGB §§ 823, 1004