Telefonverkauf durch Blindenwerkstätte

Gericht

AG München


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

18. 12. 2003


Aktenzeichen

213 C 32240/03


Leitsatz des Gerichts

  1. Eine bloße Belästigung oder sozialübliche Behinderung (hier: durch einen Telefonanruf ) stellt keinen ein Unterlassungsbegehren rechtfertigenden Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.

  2. Es ist Sache des Betriebsinhabers, seinen Gewerbebetrieb so zu organisieren, dass belästigende Anrufe nicht zu ihm durchgestellt werden.

  3. Soziale Einrichtungen wie eine Blindenwerkstätte, deren Produkte mit maschinell hergestellten nicht konkurrenzfähig sind, sind auf besondere Werbemethoden, z.B. Telefonanrufe, angewiesen.

Tenor


Endurteil:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann von der Klagepartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abgewandt werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Mit der Klage begehrt der Kläger Unterlassung von Telefonanrufen seitens der Beklagten in seiner Kanzlei.

Der Kläger trug vor, am 4.7. habe eine Frau ... in der klägerischen Kanzlei angerufen und verlangt unbedingt der Kläger zu sprechen. Sie erklärte, für eine Blindenwerkstatt anzurufen. Nachdem der Kläger nicht zu sprechen war und Frau ... sich nicht überreden ließ, das Telefongespräch zu beenden, wurde sie zum Zeugen ... verbunden. Diesen gegenüber bot sie zwei Badehandtücher zu EUR 99,80 an, worüber auch eine Spendenquittung ausgestellt würde. Der Zeuge ... bat sodann um Übersendung der entsprechenden Unterlagen, die am gleichen Tag per Telefax eingingen. Daraufhin forderte der Kläger die Beklagte auf, die strafbewehrte Unterlassungserklärung, Anlage K 3, zu unterzeichnen. Am 11.7. sei ein weiterer Telefonanruf einer anderen Mitarbeiterin der Beklagten eingegangen, die um eine genaue Adresse des Klägers bat. Auch diese Anruferin wurde zu Rechtsanwalt ... durchgestellt, der dann erklärte, ein solcher Auftrag sei nicht erteilt worden. Am 14.7. sei dann ein Schreiben der Beklagten eingegangen, in dem behauptet wurde, die Beklagte habe mit der Sache nichts zu tun, verantwortlich für den Anruf sei ein Handelsmakler in Hannover. Am 11.11.03 habe ein Herr ... für die Beklagte angerufen und erneut Handtücher angeboten.

Diese Anrufe würden einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers darstellen, den dieser nicht wünsche und der deshalb seitens der Beklagten zu unterlassen ist.

Der Kläger stellte den Antrag:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,--, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordungshaft bis zu sechs Monaten es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zum Absatz von Waren ihrer Behindertenwerkstätten außerhalb bestehender Geschäftsverbindungen unaufgefordert telefonisch Kontakt zu dem Kläger oder Mitarbeiterin seiner Kanzlei aufzunehmen.

Die Beklagte beantragte:

Klageabweisung.

Sie ließ vortragen, der Anruf sei von einer Frau ... gekommen, die für den selbstständigen Handelsmakler ... tätig sei. Sie sei nicht bei der Beklagten beschäftigt. Es sei durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt, dass der Kläger nicht mehr angerufen werden. Blindenwerkstätten seien aber darauf angewiesen, Telefonwerbung für die von Blinden hergestellten Waren betreiben zu können, da diese Waren im Preis sonst nicht konkurrenzfähig seien.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet und zurückzuweisen.

Nach Ansicht des Gerichts liegt ein ein Unterlassungsbegehren rechtfertigender Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hier nicht vor. Ein solcher betriebsbezogener Eingriff muss sich spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und darf nicht in einer blossen Belästigung oder sozialüblichen Behinderung bestehen. Ein Eingriff von solcher Intensität liegt hier aber nicht vor. Der Kläger trägt selbst vor, dass es sich hierbei um eine Belästigung handelt, zur Überzeugung ist diese Belästigung aber nicht sonderlich intensiv. Es wäre vielmehr Sache des Klägers gewesen, seinen Gewerbebetrieb so zu organisieren, dass solche belästigende Anrufe nicht zu ihm durchgeschaltet werden. Der erkennende Richter ist von Berufswegen gezwungen, des öfteren mit Anwaltskanzleien zu telefonieren, um Terminsverlegungen oder sonstige Absprachen zu organisieren. Dort wird er vom Kanzleipersonal immer zunächst nach seinem Begehr gefragt und dann mit dem Rechtsanwalt verbunden. Es wäre Sache des Klägers, dafür zu sorgen, dass solche Verkaufsgespräche, so er sich von ihren belästigt fühlt, nicht mehr zu ihm durchgeschaltet werden. Dass das Verkaufsgespräch vom 4.7. einen größeren Umfang angenommen hat, hängt offenbar damit zusammen, dass der Zeuge ... sich darauf eingelassen hat und um Übersendung der Unterlagen bat, statt dieses belästigende Gespräch in der gebotenen Kürze abzubrechen. Zudem ist bei der Beurteilung, ob ein Eingriff in den Gewerbebetrieb vorliegt auch darauf zu achten, dass eine mögliche Behinderung nicht über das sozial Übliche hinausgeht (Parlandt BGB 61. Aufl. § 823 Rdnr. 21). Bei der Entscheidung kann zur Überzeugung des Gerichts nicht völlig unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei der Beklagten um eine Blindenwerkstätte handelt deren Produkte unstreitig mit maschinell hergestellen Produkten nicht konkurrenzfähig ist. Dass solche sozialen Einrichtung auf besondere Werbemethoden, z.B. Telefonanrufe angewiesen sind, ist nach Ansicht des Gerichts nachvollziehbar. Eine mögliche Belästigung dadurch kann durch Abbruch des Telefongespräch auf das hinnehmbare reduziert werden. Insgesamt gesehen hält das Gericht deshalb die streitgegenständliche Anrufe für nicht so gravierend, dass sie als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb anzusehen sind, so dass schon deswegen Unterlassungsansprüche entfallen. Die Klage ist abzuweisen.

Kostenentscheidung: § 91 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Maier
Richter am Amtsgericht

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht