Entbindung von der Beiordnung als Rechtsanwalt

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

20. 11. 2003


Aktenzeichen

7 O 11763/03


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein Antrag auf Entbindung von der Beiordnung als Rechtsanwalt gem. § 121 ZPO kann nicht auf Gründe gestützt werden, die allein in der Person des Mandanten verwurzelt sind.

  2. Missverständnisse des Mandanten über den Ablauf von Fristen und darauf gründende unzutreffende Schlußfolgerungen begründen kein unüberwindliches Zerwürfnis im Mandatsverhältnis, wenn die Lektüre des die Ablehnung des Entbindungsantrages begründenden Beschlusses die Mißverständnisse des Mandanten ausräumt.

  3. Die selbstständige Einsicht des Mandanten in die Gerichtsakten rechtfertigt nicht die Aufhebung der Beiordnung.

  4. Die an einen vermeintlichen Sozius des Rechtsanwaltes gesandte Beschwerde mit dem Ziel, Druck auszuüben, ist zwar objektiv ungehörig, rechtfertigt aber nicht die Aufhebung der Beiordnung, wenn die Beschwerde auf einer falschen Annahme des Mandanten über einen drohenden Fristablauf beruht und der Mandant aufgrund der Adressenangaben annehmen kann, der Beschwerdeempfänger sei Sozius des Anwaltes.

Tenor

  1. Der Antrag von Rechtsanwalt ... vom 24.10.2003, seine Beordnung als Rechtsvertreter der Beklagten aufzuheben, wird zurückgewiesen.

  2. Der Antrag der Beklagten vom 27.10.2003, das Sitzungsprotokoll vom 24.9.2003 zu berichtigen, wird zurückgewiesen.

  3. Der Verkündungstermin vom 20.11.2003 wird auf Antrag des Beklagtenvertreters verlegt auf ...

  4. Die Fristen in Ziffern II und III des Beschlusses vom 24.9.2003 werden auf Antrag des Beklagtenvertreters letztmalig bis zum 4.12.2003 verlängert. Eine nochmalige Verlängerung kann nur im besonders zu begründenden und glaubhaft zu machenden Ausnahmefall beantragt werden.

Entscheidungsgründe


GRÜNDE:

I.

1.
Die Klägerinnen sind ausübende Künstler und nehmen die Beklagte wegen Verletzung ihrer Rechte aus § 75 Abs. 2 UrhG in Anspruch.

Mit Beschluss vom 14.8.2003 (Bl. 63) wurde der Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt und RA ... beigeordnet, nachdem sich dieser zuvor bereit erklärt hatte, die Beklagte, die er in dieser Sache bereits beraten hatte, zu vertreten.

Im Termin vom 24.9.2003 scheiterte eine einvernehmliche Lösung im Rahmen der Güteverhandlung am Widerstand der Beklagten. Die Klägerinnen erklärten beide Klageanträge für erledigt. Die Beklagte widersetzte sich diesen Erledigterklärungen.

Termin zur Verkündung einer Entscheidung wurde auf den 20.11.2003 festgesetzt. Die Beklagte erhielt zur Erwiderung auf den im Termin übergebenen Schriftsatz der Klägerinnen eine Schriftsatzfrist bis zum 24.9.2003, die auf Antrag bis 28.10.2003 (Bl. 90) verlängert wurde.


2.
Mit Schriftsatz vom 24.10.2003 (Bl. 103/107) beantragte Rechtsanwalt ..., seine Beiordnung und den Termin zur Verkündung einer Entscheidung aufzuheben sowie hilfsweise, die Schriftsatzfrist zu verlängern.

Das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der Beklagten sei zerstört, da die Beklagte am 15.10.2003 selbständig und ohne sein Wissen Akteneinsicht genommen und ihn davon per Email vom 16.10.2003 (Bl. Anlage zu Bl. 109) informiert habe. Eine Kopie dieser Email habe die Beklagte auch an den mit dieser Sache nicht befassten Rechtsanwalt ... geschickt, um so Druck auf ihn auszuüben.

Ferner habe die Beklagte die gemeinsamen Unterredungen in ihren Schriftsätzen (Bl. 101/102 und 110/113) falsch dargestellt.

Mit Schriftsatz vom 29.10.2003 beantragte die Beklagte, die Beiordnung nicht aufzuheben. Sie habe sich lediglich gesorgt, eine Frist könnte versäumt werden. Daher habe sie Einsicht in die Akten genommen. Daraufhin habe sie Rechtsanwalt ... auf den drohenden Fristablauf hinweisen müssen, weshalb das Vertrauensverhältnis tatsächlich gestört sei.


3.
Mit Schreiben vom 27.10.2003 (Bl. 101/102) beantragte die Beklagte persönlich die Berichtigung des Sitzungsprotokolls.

Zur Ergänzung wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 24.9.2003 (Bl. 79/87) Bezug genommen.


II.

1.
Der Antrag auf Aufhebung der Beiordnung war zurückzuweisen, da die Sache - bis auf die ausstehende Stellungnahme zum im Termin übergebenen Schriftsatz der Klägerinnen - entscheidungsreif ist (vgl. Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 121 Rdn. 34).

Im Übrigen rechtfertigt das dargestellte Missverständnis keine Aufhebung der Beiordnung.

Da Rechtsanwalt ... die Beklagten bereits zum Zeitpunkt der Befragung, ob er für eine Beiordnung zur Verfügung stünde, aus einem vorangegangenen Gespräch kannte (vgl. Aktenvermerk vom 12.8.2003 (Bl. 58)), kann der Entbindungsantrag, der nur im absoluten Ausnahmefall (vgl. Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 121 Rdn. 34) in Betracht kommen kann, nicht auf Gründe gestützt werden, die allein in der Person der Beklagten verwurzelt sind.

Die weiteren vorgetragenen Gründe, die nach Ansicht von Rechtsanwalt ... ein unüberwindliches Zerwürfnis, begründen, fußen erkennbar auf der unzutreffenden Schlussfolgerung der Beklagten, die am 24.9.2003 verkündete Schriftsatzfrist werde auch dann ablaufen, wenn das Protokoll aufgrund der großen Arbeitsbelastung des Gerichts verspätet an ihren Rechtsanwalt zugestellt wird. Die Beklagte rechnete ersichtlich nicht mit der Möglichkeit, dass diese Frist in diesem Fall, wie geschehen, verlängert werden kann.

Dieses Missverständnis sowie die sich daraus ergebenden Weiterrungen (der Verdacht, Rechtsanwalt kümmere sich nicht ausreichend um die Sache), können jedoch, jedenfalls nach Lektüre dieses Beschlusses, ausgeräumt werden.

Dass die Beklagte selbständig Akteneinsicht genommen hat, ist zwar ungewöhnlich, kann eine Aufhebung der Beiordnung aber ebenfalls nicht rechtfertigen. Denn dies ist das gute Recht einer jeden Partei (§ 259 Abs.1 ZPO). Eine Mitwirkung, Billigung oder vorherige Information des Rechtsanwalts ist nicht erforderlich.

Die Versendung eines Doppels der Email vom 16.10.2003 an Rechtsanwalt ... ist zwar objektiv ungehörig, beruht aber ersichtlich ebenfalls auf der falschen Annahme der Beklagten, es drohe eine Fristversäumung. Ferner nahm die Beklagte offensichtlich aufgrund der Anschrift von Rechtsanwalt ... an, Rechtsanwalt ... sei ein Sozius.


2.
Der Antrag auf Berichtigung des Sitzungsprotokolls war zurückzuweisen, da das Protokoll richtig ist.

Der Beschluss vom 24.9.2003 wurde erst nach Wiederaufruf der Sache verkündet, als keine der Parteien mehr anwesend war. In dem von der Beklagten beobachteten Gespräch zwischen dem Richter und Rechtsanwalt ... brachte letzterer lediglich seine Wünsche für eine angemessene Schriftsatzfrist vor.

Im Übrigen enthält das in den Akten befindliche Protokoll alle gesetzlich vorgeschriebenen Inhalte und gibt den Verhandlungsverlauf samt Anträgen zutreffen wieder.

Für das Gegenteil wäre im Übrigen die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig (vgl. Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 164 Rdn. 2). Im Schreiben vom 27.10.2003 sind jedoch keine Beweismittel aufgeführt.

Die Anfechtung des Vergleichs geht ins Leere, da kein rechtgültiger Vergleich protokolliert wurde. Vielmehr ergibt sich aus dem Protokoll eindeutig, dass die Beklagte dem Vergleich nicht zugestimmt hat.


3.
Um dem Beklagtenvertreter, der bislang von der eingeräumten Schriftsatzfrist zur Erwiderung auf den Schriftsatz der Klägerinnen vom 24.9.2003 im Hinblick auf seinen Entbindungsantrag keinen Gebrauch gemacht hat, die Gelegenheit zur Nachholung zu geben, war der Verkündungstermin aufzuheben und die Frist angemessen zu verlängern.


Dr. Zigann
Richter am Landgericht

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht