Vorteilskarte auf Titelseite einer Zeitschrift zum Shopping in einem Kaufhaus

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

04. 11. 2003


Aktenzeichen

9HK O 8961/03


Leitsatz des Gerichts

  1. Auch nach Aufhebung des RabattG und der ZugabeVO gilt: Beigaben und Preisnachlässe können wegen „übertriebenen Anlockens“ oder „psychologischen Kaufzwangs“ wettbewerbswidrig i.S.d. § 1 UWG sein.

  2. Wettbewerbswidrig ist die der Hauptware beigegebene Zugabe, wenn die Anlockwirkung so stark ist, dass der Käufer sich nicht mehr in erster Linie an Preis und Qualität der Hauptware orientiert, sondern der Erhalt der ihm in Aussicht gestellten Zuwendung im Vordergrund der Kaufentscheidung steht.

  3. Zur Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit des Anlockeffektes von Zugaben ist maßgeblich auf das Verhältnis des Wertes der Zugabe zu dem der Hauptware abzustellen. Je höher der Wert der Zugabe ist, desto stärker ist deren Anlockwirkung.

  4. Wird einer Zeitschrift, deren Verkaufspreis 1,80 € beträgt, ein Einkaufsgutschein beigegeben, welcher zu einem 20%igen Preisnachlass auf mitunter hochwertige Waren einer Kaufhauskette berechtigt, so liegt ein i.S.v. § 1 UWG sittenwidriges Missverhältnis von Hauptware und Beigabe vor.

  5. Kann der Käufer zeitliche und inhaltliche Beschränkungen des beigegebenen Einkaufsgutscheins erst nach Erwerb der Zeitschrift zur Kenntnis nehmen, so liegt wegen Täuschung über den Wert der Zugabe zugleich ein Verstoß gegen § 3 UWG vor.

Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung vom 14.05.2003 wird gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) bestätigt.

  2. Die Verfügungsbeklagte zu 1) trägt die Kosten des Widerspruchsverfahrens.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin (im folgenden: Klägerin) macht gegen die Verfügungsbeklagte (im folgenden: Beklagte) im Wege eines Eilverfahrens gemäß §§ 935, 937, 922 ZPO einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.

Die Klägerin ist ein ... Verlagshaus, ... . Die Beklagte zu 1) (im folgenden: Beklagte) ist Verlegerin der ... Frauenzeitschrift ... .

Auf der Ausgabe ... dieser Zeitschrift war auf der Titelseite jedes Heftes eine "Vorteilskarte für ...-Leserinnen" aufgeklebt, mit der ein 20 %iger Nachlass bei "Shopping" bei der früheren Beklagten zu 2), der Firma ... versprochen wurde. Auf der vor dem Kauf der Zeitschrift nicht einsehbaren Rückseite dieser Karte ist ausgeführt, dass der Rabatt von 20 % auf alle Produkte bei einem einmaligen Einkauf "ausgenommen Musik, Bücher und Weine" gelten soll. Die Gültigkeit der Karte ist weder zeitlich noch hinsichtlich der Höhe des gewährten Rabatts begrenzt.

Nach Meinung der Klägerin liege in dieser Werbeaktion der Beklagten und der Firma ... ein Verstoß gegen § 1 UWG wegen übertriebenen Anlockens und gegen § 7 Abs. 1 UWG wegen unzulässiger Durchführung einer Sonderveranstaltung. Wegen der Einzelheiten der Begründung der Klägerin wird auf deren Antragsschrift vom 14.05.2003 nebst Anlagen hingewiesen.

Auf Antrag der Klägerin erließ das Landgericht München I daraufhin am 14.05.2003 gegen die Beklagte und gegen die Firma folgende einstweilige Verfügung:

  1. Den Antragsgegnern wird bei Meidung
    - eines Ordnungsgeldes von EUR 5,-- bis zu EUR 250.000,--, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt oder
    - einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,
    zu vollziehen am Geschäftsführer bei der Antragsgegnerin zu 1), Vorstandsvorsitzenden bei der Antragsgegnerin zu 2),
    für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gemäß §§ 935 ff, 890 ZPO verboten,

    1) Der Antragsgegnerin zu 1):
    im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zusammen mit der Zeitschrift ... eine Rabattkarte anzukündigen, zu bewerben und/oder zu verbreiten, mit der man in den Geschäften der Antragsgegnerin zu 2) in ... für einen einmaligen Einkauf einen Preisnachlass von 20 % erhält.

    2) Der Antragsgegnerin zu 2):
    bei Vorlage der "Vorteilskarte für ...-Leserinnen" der Antragsgegnerin zu 1) für einen einmaligen Einkauf einen Preisnachlass von 20 % zu gewähren.

  2. Die Antragsgegner haben samtverbindlich die Kosten des Verfahrens zu tragen.

  3. Der Streitwert wird auf EUR 100.000,-- festgesetzt.

Gegen diese einstweilige Verfügung ließ die Beklagte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.08.2003 Widerspruch einlegen. Zur Begründung trug sie vor, dass der Auftraggeber der Werbeaktion die Firma ... gewesen sei, die der Beklagten hierfür EUR 5.000,-- zzgl. Mehrwertsteuer an Insertionskosten für eine Auflage von 45.000 Exemplare der streitgegenständlichen Zeitschrift bezahlt habe.

Die Leistungen der Beklagten seien nicht wettbewerbswidrig. Es handle sich nicht um ein unlauteres Anlocken i.S.v. § 1 UWG. Es liege auch keine unzulässige Koppelung der angebotenen Leistungen vor.

Die Rabattaktion der Firma ... verstoße auch nicht gegen § 7 UWG.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beklagten wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen hingewiesen.

Die Beklagte beantragte deshalb,

die einstweilige Verfügung vom 14.05.2003 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Dagegen beantragte die Klägerin,

die einstweilige Verfügung vom 14.05.2003 zu bestätigen.

Zur Begründung vertiefte sie ihren oben bereits dargestellten Sachvortrag, wobei sie ergänzend ausführte, dass die Beklagte zumindest Mitstörerin der wettbewerbswidrigen Handlung der Firma ... sei. Wegen der Einzelheiten dieses ergänzenden Sachvortrages wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 27.10.2003 nebst Anlagen hingewiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erwies sich in vollem Umfang auch als begründet, so dass die einstweilige Verfügung vom 14.05.2003 zu bestätigen war. Im Einzelnen ist hierzu auszuführen:

1. Die streitgegenständliche Handlung der Beklagten verstößt zunächst gegen § 1 UWG wegen des Tatbestands eines übertriebenen Anlockens.

Auch wenn die rein formalen Grenzen der Zugabeverordnung und des Rabattgesetzes nicht mehr gelten, können Beigaben und Preisnachlässe wettbewerbswidrig sein, wenn sie übertriebenes Anlocken oder psychologischen Kaufzwang darstellen. Die Anlockwirkung der Zugabe muss dabei so stark sein, dass sich der Kunde bei seiner Kaufentscheidung maßgeblich von dem Gedanken leiten lässt, die in Aussicht stehende Zuwendung zu erhalten und deshalb nicht mehr hinreichend auf Preis und Qualität der Hauptsache und der Konkurrenzangebote achtet. Liegt es so, dann ist die Zugabe nicht mehr Mittel des Leistungswettbewerbs, weil die Rationalität der Nachfrageentscheidung - was das Sittenwidrigkeitsurteil rechtfertigt - nicht mehr gewährleistet ist. Wichtigstes Kriterium bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Zugaben ist deren Wert im Verhältnis zu dem der Hauptware. Je mehr dabei der Wert der Zugabe ins Gewicht fällt, je stärker ist deren Anlockwirkung (vgl. Köhler/Piper, 3. Aufl., Anm. 281, 282 zu § 1 UWG).

Im streitgegenständlichen Fall ist dieses Missverhältnis zwischen dem Wert der Hauptware und der gegebenen Zugabe in Form der Vorteilskarte der Firma ... festzustellen. Das Einzelheft der Beklagten kostet EUR 1,80.

Gerichtsbekannt handelt es sich bei der Firma ... nicht um einen "Ramschladen" mit minderwertigen Waren, sondern um ein Geschäft mit mittlerem bis hohem Preisniveau.

Wenn dem Käufer der Zeitschrift der Beklagten für einen Aufwand von EUR 1,80 aber ein Vorteil in unbegrenzter Höhe (nämlich in Höhe von 20 % eines einmaligen Einkaufes bei der Firma ...) in Aussicht gestellt wird, so ist dieser Anreiz so hoch, dass er zum Kauf der Zeitschrift der Beklagten verleitet, ohne dabei hinreichend auf den Preis und die Qualität derselben zu achten.

Durch das Aufkleben der Vorteilskarte auf das Heft der Beklagten begeht diese damit eine eigene wettbewerbswidrige Handlung gemäß § 1 UWG, sie fördert nicht nur als Mitstörerin eine wettbewerbswidrige Handlung der Firma ... .

2. Darüber hinaus liegt auch ein Vorstoß gegen § 3 UWG wegen irreführender Angaben vor.

Wie bereits ausgeführt, ist die streitgegenständliche Vorteilskarte auf der Titelseite der Zeitschrift der Beklagten aufgeklebt. Bei der ersten Sichtung dieser Karte kommt dabei der Verbraucher zu dem Schluss, er könne mit dieser Karte zeitlich und warenmäßig unbegrenzt bei der Firma ... mit 20 % Nachlass einkaufen.

Die Einschränkungen auf der Rückseite dieser Karte hinsichtlich der erfassten Waren und hinsichtlich des Umstandes, dass die Karte nur zu einem einmaligen Einkauf berechtigt, kann der Kunde erst nach Kauf der Zeitschrift der Beklagten zur Kenntnis nehmen. Damit wird er aber über den Umfang der Wertigkeit dieser Karte vor dem Kauf der Zeitschrift der Beklagten getäuscht. Es liegt ein Verstoß gegen § 3 UWG vor.

3. Im Hinblick auf die Ausführungen unter Nr. 1. und 2. kann es dahingestellt bleiben, ob auch seitens der Firma ... ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 UWG begangen wurde, an dem sich die Beklagte beteiligte. Nähere Ausführungen hierzu waren nicht mehr veranlasst.

4. Zusammengefasst ergibt sich deshalb, dass die einstweilige Verfügung vom 14.05.2003 gegen die Beklagte zu bestätigen war.

5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO. Eines Ausspruches über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, weil eine einstweilige Verfügung bestätigt wurde.


Schott
Vors. Richter am LG

Dr. Steinbeis
Handelsrichter

Schäfer
Handelsrichter

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht