Bestreiten eines Interviews
Gericht
LG Berlin
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
02. 12. 2003
Aktenzeichen
27 O 674/03
Die Einwilligung in die Veröffentlichung eines die Berichterstattung über persönliche Umstände umfassenden Interviews schließt anschließend wegen Verletzung der Privatsphäre geltend gemachte Unterlassungsansprüche aus.
Die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für die Einwilligung in die Veröffentlichung obliegt hierbei dem Anspruchsgegner.
Widersprüchliche Angaben des Anspruchstellers im Rahmen seiner Beweisführung gehen zu dessen Lasten. Sind diese Angaben nicht geeignet, die Beweismittel des Anspruchsgegners zu erschüttern, ist der Unterlassungsantrag zurückzuweisen.
Die einstweilige Verfügung vom 16. Oktober 2003 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.
Tatbestand:
Der Antragsteller war der Lebensgefährte von ... und hat mit ihr ein gemeinsames Kind. Er wehrt sich im einstweiligen Verfügungsverfahren mit einem Unterlassungsverlangen gegen eine von der Antragsgegnerin verfasste Berichterstattung in der Zeitschrift "BUNTE" vom 25. September 2003, die wie folgt über einen vermeintlichen Zwist zwischen ihm und der Kindesmutter um den Umgang mit der gemeinsamen Tochter berichtete: ...
Der Antragsteller hat unter Bezugnahme auf seine eidesstattliche Versicherung vom 7. Oktober 2003 vorgetragen, dass das von der Antragsgegnerin veröffentlichte Interview frei erfunden worden sei und dass es überhaupt keine Kontaktschwierigkeiten zwischen Vater und Tochter gegeben habe. Die Antragsgegnerin habe ihn zwar zu dem Verhältnis zwischen Frau ... und ihrem neuen Ehemann befragt. Er habe aber jede Auskunft dazu abgelehnt.
Auf seinen Antrag hin hat die Kammer der Antragsgegnerin am 16. Oktober 2003 im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,
1. 1. über den Antragsteller zu behaupten und/oder behaupten zu lassen:
"Nun erfuhr er letzte Woche aus BUNTE, dass seine kleine Tochter offenbar mit der Mutter umgezogen ist. Vier Monate lang hatte er sich Sorgen gemacht. Mit der Erlösung kommt jetzt aber auch der Ärger hoch. ...: 'Glauben Sie mir, es ist sehr hart, in der Zeitung zu lesen, dass meine Tochter offensichtlich jetzt woanders wohnt'"
2. das in der BUNTE ... veröffentlichte Interview mit dem Antragsteller zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.
Der Antragsteller hält unter Bezugnahme auf seine ergänzende eidesstattliche Versicherung vom 28. Oktober 2003 an seinem Vortrag fest und beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 16. Oktober 2003 zu bestätigen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
Sie meint, berechtigterweise über die Wehklagen des Antragstellers wegen des unzulänglichen Kontaktes zu seiner Tochter berichtet zu haben, weil er sich ihr gegenüber in einem Interview genau so geäußert habe, wie es die Zeitschrift "BUNTE" veröffentlicht habe.
Tatsächlich habe sie - wie sie an Eides statt versichert hat - am 16. September 2003 gegen 15.00 Uhr in ... ein Interview mit dem Antragsteller geführt, in dern über das Verhältnis zwischen ihm und seiner Tochter und zu Frau ... gesprochen worden sei. Man sei - nach Rücksprache mit dem Ressortleiter - überein gekommen, dass am folgenden Tag Fotos von seiner Familie aufgenommen werden sollten ... Am nächsten Morgen habe er aber - nachdem sich der Fotograf bereits auf den Weg gemacht habe - telefonisch mitgeteilt, dass er mit den Fotos nicht mehr einverstanden sei. Allerdings habe er sich auf ihren Vorschlag eingelassen, dass das Gespräch als sogenannte "Leute-Meldung" zusammengefasst werden und so ... veröffentlicht werden könne. Den daraufhin verfassten Text habe der Antragsteller in einem späteren Telefongespräch mit ihr, das ihre Sekretärin teilweise mit verfolgt habe, auch autorisiert. Zum Zwecke der Glaubhaftmachung beruft sich die Antragsgegnerin auf ihre eidesstattliche Versicherung sowie die eidesstattlichen Versicherungen ihrer Sekretärin ... des Fotografen ... und des Büroleiters ..., die als Anlagen AG 1 bis 4 zu den Akten gereicht worden sind.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die einstweilige Verfügung war gemäß §§ 925, 936 ZPO aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückzuweisen, weil sie in Ansehung der Widerspruchsbegründung zu Unrecht ergangen ist. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, analog 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG nicht zu, weil davon auszugehen ist, dass er in die Berichterstattung über seine persönlichen Umstände eingewilligt hat, so dass er den damit einhergehenden Eingriff in seine Privatsphäre hinnehmen muss.
Der Antragsgegnerin, der die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für die Einwilligung des Antragstellers in die Veröffentlichung des Interviews obliegt, ist es gelungen glaubhaft zu machen, dass der Antragsteller sich, nachdem er zunächst unstreitig einen "Rückzieher" gemacht hatte und von einem Interview nichts mehr wissen wollte, letztlich doch noch telefonisch seine Zustimmung zu der Veröffentlichung des Interviews erteilt hat. Zwar reichen die als Anlagen AG 2 bis 4 eingereichten eidesstattlichen Versicherungen für sich genommen nicht aus, da die Zeugen ... die Gespräche zwischen den Parteien nicht verfolgt haben, sondern lediglich das wiedergeben, was die Antragsgegnerin ihnen gesagt hat. Eine gewisse Indizwirkung ist ihnen allerdings nicht abzusprechen. Dass es diverse Gespräche zwischen den Parteien gegeben hat, steht zwischen ihnen ohnehin außer Streit. Die Antragsgegnerin hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 16. Oktober 2003 glaubhaft und detailreich geschildert, wie der Antragsteller letztlich doch noch in die Veröffentlichung der "Leute-Meldung" eingewilligt hat. ... Dass nach den Gepflogenheiten der Presse nur die Bereitstellung aktueller Fotos des Interviewten bzw. seiner Familie ein Honorar rechtfertigen soll, nicht hingegen seine in Text gefasste Selbstdarstellung ist lebensnah und nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin hat im Termin nochmals in sich widerspruchsfrei, flüssig und überzeugend die Einwilligung des Antragstellers in die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Beitrags bekundet. Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit sind hierbei gar nicht erst aufgekommen. Warum sie den Fotografen ... am Abend des 16. September 2003 veranlasst haben soll, am nächsten Tag zum Hause des Antragstellers zu fahren und ihn erst am Morgen des 17. September 2003 - schon auf der Fahrt - zurückbeordert haben soll, wenn der Antragsteller bereits am Vortag ein entsprechendes Interview abgesagt haben will, ist nicht im Entferntesten ersichtlich. Ebenso wenig ist ersichtlich, weshalb die Redakteurin ihren Büroleiter, den sie über den von ihr geschilderten Geschehensablauf laufend unterrichtet hatte, ständig belogen haben sollte. Es kann demnach als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden, dass der Antragsteller in die Veröffentlichung des Interviews eingewilligt hat. Dem an Gerichtsstelle anwesenden Antragsteller ist es nämlich nicht gelungen, ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der Antragsgegnerin zu wecken. Anders als die Antragsgegnerin sah er sich im Termin zu keinerlei Erklärung veranlasst. Insbesondere hat er sich nicht bemüßigt gefühlt aufzuklären, warum er in seiner im Parallelverfahren 27 O 633/03 eingereichten eidesstattlichen Versicherung vom 1. Oktober 2003 unerwähnt ließ, dass ihm ein Exemplar der BUNTEN übergeben wurde und ein Interview - wenn auch über ein anderes Thema - gegen Honorar geführt werden sollte. Er hat auch nicht darzulegen vermocht, warum er am 16. September 2003 die Redaktion der Zeitschrift "BUNTE" in München angerufen haben will, obwohl er die Telefonnummer der Antragsgegnerin hatte und sie doch noch am selben Abend angerufen haben will. Im Hinblick darauf, dass an die Substantiierungslast der Antragsgegnerin zur Einwilligung in die Veröffentlichung eines mit der Presse geführten Interviews keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen, hätte dem Antragsteller die Aufklärung jener Widersprüche durch ergänzende Angaben oblegen.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.
Mauck
Gollan
Becker
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