Betriebliche Bonusregelung als Teil des Arbeitsentgelts

Gericht

ArbG Wiesbaden


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

19. 12. 2000


Aktenzeichen

8 Ca 1897/00


Leitsatz des Gerichts

  1. Eine betriebliche Bonusregelung, die nicht lediglich die Betriebstreue des Arbeitnehmers honorieren, sondern die Erreichung bestimmter Ziele seitens des Arbeitnehmers belohnen will, ist Teil des Arbeitsentgelts.

  2. Die Auszahlung des Bonus darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Stichtag (noch) besteht.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. war seit 1. 5. 1999 als „Head of Human Resources Management“, also als Personalleiter, bei der Rechtsvorgängerin der Bekl. nach Maßgabe des schriftlichen Arbeitsvertrages v. 9. 4. 1999 beschäftigt. Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien enthält unter anderem folgende Regelung:

§ 2. Bezüge. Sie erhalten für Ihre Tätigkeit ein Jahresfestgehalt in Höhe von 174000 DM brutto, welches in zwölf gleichen Raten jeweils zum Monatsende zur Auszahlung kommt. Mit diesem Jahresfestgehalt ist eine weitere Vergütung für etwaige geleistete Mehrarbeit abgegolten. Ihre Stelle wird mit Vorliegen der Stellenbeschreibung gemäß HR Vet-Hay-System bewertet. Außerdem nehmen Sie an der jeweils gültigen betrieblichen Bonusregelung teil. Für 1999 garantieren wir Ihnen eine Jahresbonuszahlung in Höhe von 28400 DM brutto pro rata.

Die Höhe Ihrer Bezüge bitten wir vertraulich zu behandeln.

§ 3. Firmenfahrzeug. HR Vet stellt Ihnen zur Erfüllung Ihrer Aufgaben ein Firmenfahrzeug zur Verfügung, das auch zu privaten Zwecken genutzt werden kann. Für die Fahrzeugüberlassung gelten die Unternehmensrichtlinien in ihrer jeweils gültigen Fassung, die als Anlage dem Anstellungsvertrag beigefügt sind.

Bei der Rechtsvorgängerin der Bekl. galt für Mitarbeiter der HR Vet Stufen 5 bis 2 ein HR Vet-Bonussystem. Dieses enthält unter anderem folgende Regelung:

1. Philosophie. Mit einem leistungsbezogenen Bonussystem wird die individuelle Leistung unserer Mitarbeiter stärker belohnt als bislang. Damit erzielen wir einen höheren Anreiz zur Verbesserung der persönlichen Leistung und damit auch des Unternehmenserfolges. Im Sinne der Unternehmensziele und der Unternehmensstrategie werden herausfordernde aber realistische, d.h. erreichbare Ziele gesetzt. Die Ziele werden im Dialog zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter gemeinsam vereinbart und auch gemeinsam die Zielerreichung am Jahresende überprüft. Im Gegensatz zum Festgehalt spiegelt die variable Vergütung Veränderungen der Bezugsgrößen (z.B. Unternehmensergebnis, individuelle Leistung) unmittelbar wieder.

2. Komponenten des Bonussystems. Das HR Vet Bonussystem besteht in erster Linie aus den drei Komponenten „Individualziele“, „Organisationsbereichsziel“ sowie „Unternehmensziel“ der H-GmbH (bzw. H-Vertriebs-GmbH)“, die für die Ermittlung der individuellen Bonushöhe herangezogen werden. …

6. Anspruchsvoraussetzung. Die Bonusregelung gilt für alle Mitarbeiter der H-GmbH Deutschland sowie der H-Vertriebs-GmbH Deutschland, die gemäß Arbeitsvertrag als Mitarbeiter der H-Stufen 5 bis 2 geführt werden und am 31. 12. des jeweiligen Jahres dem Unternehmen angehören.

Mit Schreiben v. 27. 8. 1999 kündigte die Bekl. das mit dem Kl. bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. 11. 1999 und stellte ihn „ab spätestens 15. 9. 1999“ von der Verpflichtung der Arbeitsleistung unwiderruflich und unter Anrechnung eventuell noch bestehender Urlaubsansprüche frei. Mit Schreiben v. 13. 9. 1999 fordert die Bekl. den Kl. auf, den ihm überlassenen Mietwagen mit Beginn seiner Freistellung am 15. 9. 1999 ordnungsgemäß zu übergeben. Die Bekl. teilte ihm mit, dass er ab diesem Zeitpunkt den ihm zustehenden Cafeteria-Betrag in Höhe von 600 DM brutto monatlich bis zu seinem offiziellen Ausscheiden erhalte. Der Aufforderung zur Rückgabe des Mietwagens kam der Kl. nach. Er mietete jedoch bei der gleichen Mietwagenfirma, zu der die Bekl. in Rechtsbeziehung stand, ab 15. 9. 1999 ein entsprechendes Fahrzeug an. Für den Monat September 1999 entstanden dem Kl. hierfür Kosten in Höhe von insgesamt 1242,36 DM. Für die Monate Oktober und November 1999 kam die Bekl. bzw. ihr Partnerunternehmen I-GmbH für die Mietwagenkosten des Kl. auf. Gleichwohl zahlte die Bekl. an den Kl. für November 1999 600 DM als Cafeteria-Betrag. Mit Schreiben vom 17. 11. 1999 teilte die Rechtsvorgängerin der Bekl. dem Kl. mit, dass sie einen Betrag von 1314,99 DM für überzogene Mietwagenkosten mit der Novemberabrechnung einbehalte. Unter dem Datum des 30. 11. 1999 erteilte die Rechtsvorgängerin der Bekl. dem Kl. ein Zeugnis dessen erster Satz im letzten Absatz wie folgt lautet: „Das Arbeitsverhältnis mit Herrn N wurde auf Veranlassung des Arbeitgebers zum 30. 11. 1999 beendet.“ Mit seiner am 24. 7. 2000 beim ArbG eingegangenen Klage begehrt der Kl. Zahlung des anteiligen Bonus, Erstattung der von ihm verauslagten Mietwagenkosten für September 1999. Ferner begehrt der Kl. die Erteilung von ordnungsgemäßen Gehaltsabrechnungen für den Zeitraum Mai bis November 1999 sowie die Berichtigung des ihm erteilten Zeugnisses.

Die Klage hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Kl. kann Zahlung von 16566,67 DM brutto nebst Zinsen von der Bekl. verlangen. Dies ergibt sich aus § 2 IV 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien. Danach garantierte die Rechtsvorgängerin der Bekl. dem Kl. für 1999 eine Jahresbonuszahlung in Höhe von 28400 DM brutto pro rata. Bezogen auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses von 7 Monaten errechnet sich damit der zugesprochene Betrag. Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Bekl. treffen nicht zu. Insoweit kann dahinstehen, ob die betriebliche Bonusregelung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar ist. Jedenfalls ist die dort in Nr. 6 enthaltene Stichtagsklausel unwirksam. Zwar ist anerkannt, dass Sonderzuwendungen, die die Betriebstreue des Arbeitnehmers honorieren sollen, mit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen bestimmten Stichtag hinaus verknüpft werden können (s. hierzu: Schaub, ArbeitsR-Hdb., 9. Aufl., § 78 Rdnr. 39). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn es sich bei der zugesagten Leistung um Arbeitsentgelt handelt. Dies trifft auf eine Erfolgsbeteiligung zu, die sich an der Leistung und dem vom Mitarbeiter erreichten Ergebnis orientiert. Eine solche Beteiligung darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass das Arbeitsverhältnis eine bestimmte Zeit bestanden haben muss. Hierin liegt eine unzulässige Kündigungserschwerung i.S. des § 622 VI BGB (BAG [12. 1. 1973], AP Nr. 4 zu § 87a HGB; BAG [8. 9. 1998], AP Nr. 6 zu § 87a HGB; BAG [20. 8. 1996], AP Nr. 9 zu § 87 HGB).

Eine Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass es sich bei den Leistungen nach dem H-Bonussystem für Mitarbeiter der H-Stufen 5 bis 2 nicht um Zahlungen mit Gratifikationscharakter, die die (bloße) Betriebstreue honorieren wollen, sondern um Arbeitsentgelt handelt. Dies ergibt sich daraus, dass der Bonus nur dann gezahlt wird, wenn das Unternehmen sowie der einzelne Mitarbeiter im Voraus festgelegte Ziele auch tatsächlich erreicht. Je nach dem mit welchem Prozentsatz der Arbeitnehmer die Zielvereinbarung erfüllt, erhält er den Bonus entweder gar nicht, teilweise, in voller Höhe oder in den zugesagten Betrag übersteigender Höhe. Auch in Nr. 1 des Bonussystems kommt klar zum Ausdruck, dass diese Zahlung gerade die Leistungen des Mitarbeiters honorieren sollen. Dem entspricht es, wenn der Bonus dort auch als variable Vergütung bezeichnet wird. Im Gegensatz hierzu ergibt sich sowohl aus den Anspruchsvoraussetzungen als auch aus einer entsprechenden Äußerung eines Mitarbeiters der Bekl. im Termin, dass der Bonus für die bloße Betriebstreue eines Mitarbeiters nicht gezahlt wird. Handelt es sich damit bei dem Bonus um eine leistungsbezogene und erfolgsbedingte Entlohnungsform, war dieser Teil des dem jeweiligen Arbeitnehmer arbeitsvertraglich geschuldeten Entgelts, § 611 BGB. Mit der Beteiligung am Ergebnis soll die Arbeitsleistung der Mitarbeiter gesteigert und belohnt werden. Hat der Bonus damit Entgeltcharakter, darf er nicht vom Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig gemacht werden, da ansonsten eine nach § 622 VI BGB unzulässige Kündigungserschwerung vorliegt. Da dies auf Nr. 6 I des Bonussystems der Rechtsvorgängerin der Bekl. zutrifft, ist diese Regelung unwirksam, mit der Folge, dass der Kl. - auch wenn sein Arbeitsverhältnis zum 30. 11. 1999 endete - Zahlung des ihm zugesagten Bonus pro rata temporis verlangen kann.

Der Kl. kann von der Bekl. Zahlung von 1242,36 DM netto verlangen. Verpflichtet sich der Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen, handelt es sich hierbei um einen Naturalbezug mithin um Arbeitsvergütung i.S. von § 611 I BGB. Da der Arbeitsvertrag der Parteien nicht vorsah, dass der Dienstwagen bei Freistellung während des Laufs der Kündigungsfrist zurückzugeben ist, war die entsprechende Aufforderung der Bekl. an den Kl. rechtswidrig. Die Bekl. war verpflichtet, dem Kl. bis zum rechtlichen Ende seines Arbeitsverhältnisses (30. 11. 1999) einen Pkw zur Verfügung zu stellen. Da sie dies nicht tat, hat sie ihm einen Teil seines Arbeitsentgelts vorenthalten. Diese Leistung ist inzwischen unmöglich geworden, da die Möglichkeit, den Dienstwagen jederzeit nach Belieben zu privaten Zwecken nutzen zu können, auf der Zeitachse nur einmalig besteht. Ist die Zeit verstrichen, kann die Nutzung nicht nachgeholt werden. Nach § 249 S. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetragen wäre. Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige dem Gläubiger gem. § 251 I BGB mit Geld zu entschädigen. Der Schadensersatz wegen Nichterfüllung richtet sich auf das positive Interesse. Demgemäss ist der Kl. so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die Bekl. den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Im Gegensatz zu dem der Entscheidung BAG vom 27. 5. 1999 (NZA 1999, 1038 = NJW 1999, 3507 = AP Nr. 12 zu § 611 BGB) zu Grunde liegenden Sachverhalt verlangt der Kl. nicht Ersatz der abstrakt gemessenen Gebrauchsvorteile. Vielmehr hat er sich für den von vorne herein überschaubaren Zeitraum des Entzugs des Wagens einen entsprechenden Pkw angemietet. Hieraus sind der Bekl. keine weitergehenden Kosten entstanden, als wenn sie selbst dem Kl. das Fahrzeug vertragsgemäß zur Verfügung gestellt hätte. Dieser Betrag ist dem Kl. daher zu erstatten.

Der Kl. kann Erteilung von ordnungsgemäßen Gehaltsabrechnungen für den Zeitraum Mai bis November 1999 verlangen. Hierbei handelt es sich um eine Nebenverpflichtung der Bekl. aus dem geschlossenen Arbeitsvertrag. Der Kl. kann im Wege der Zeugnisberichtigung von der Bekl. schließlich verlangen, dass diese in dem von ihr erteilten Zeugnis im letzten Absatz den ersten Satz streicht. In der Literatur wird zu Recht die Auffassung vertreten, dass nicht nur der Kündigungsgrund, sondern auch die Frage, wer wie gekündigt hat, nicht in das Zeugnis gehört (Schleßmann, BB 1988, 1320 [1322, 1323]). Der Hinweis darauf, dass das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers beendet wurde, ist nämlich geeignet, den Kl. in seinem beruflichen Fortkommen zu beeinträchtigen.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht