Verkehrssicherungspflicht für Eigentümer eines Teichgrundstücks

Gericht

OLG Koblenz


Art der Entscheidung

Berufungsbeschluss


Datum

21. 02. 1995


Aktenzeichen

5 U 39/95


Leitsatz des Gerichts

Sitzen die Eltern eines zwei Jahre und sieben Monate alten Kindes mit ihrem benachbarten Gastgeber an einem Gartentisch und spielen Karten und fällt das mit seiner zehnjährigen Schwester spielende Kind in den 6 m entfernten, ca. 8 qm großen Teich (Höchsttiefe 1 m), so stellt es keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers dar, wenn er auf die Beaufsichtigung des Kleinkindes durch dessen eigene Eltern vertraut.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die am 31. 10. 1988 geborene Kl. kam Anfang 1991 mit ihren Eltern und der zehnjährigen Schwester nach Deutschland, wo die Familie einen Asylantrag stellte. Sie wurde in die Wohnung eines Hauses eingewiesen. Eigentümer des Hausanwesens ist der Bekl., der auch selbst dort wohnt. An die vom Bekl. benutzten ebenerdigen Räume grenzt ein Garten, der eingefriedet ist und außer vom Wohnzimmer des Bekl. aus nur durch ein Gartentor betreten werden kann. Im Garten ist ein Teich mit einer Oberfläche von etwa 8,6 qm angelegt, der eine Höchsttiefe von 1 m aufweist. Am 30. 6. 1991 waren die Eltern der Kl. mit den beiden Kindern beim Bekl. und seiner Ehefrau eingeladen. Die vier Erwachsenen saßen rund um einen Tisch, der etwa 6 m vom Teich entfernt stand. Man spielte Karten. Gegen 18.00 Uhr wurde die Kl. vermißt. Sie war - von allen Anwesenden unbemerkt - in den Gartenteich gestürzt und hatte sich geraume Zeit unter der Wasseroberfläche befunden. Der Vater zog sie heraus, dem Bekl. und den hinzugezogenen Notärzten gelang es, die Kl. zu reanimieren. Sie ist infolge des Unfalls schwer geschädigt und bedarf ständiger Pflege und Betreuung.

Das LG hat die auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, der Bekl. habe seine Vekehrssicherungspflicht nicht verletzt. Dagegen richtete sich die Berufung der Kl., die zugleich um Prozeßkostenhilfe nachsucht. Das OLG hat den Antrag der Kl. auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Prozeßkostenhilfe kann nach § 114 S. 1 ZPO nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es. Nach Auffassung des Senats hat das LG die Klage zu Recht abgewiesen.

Richtig ist, daß Teiche auf Privatgrundstücken - gleich welcher Art und Größe - für Kleinkinder eine erhebliche Gefahrenquelle darstellen. Das zeigen schon die zahlreichen in der Rechtsprechung behandelten Fälle (vgl. BGH, NJW 1993, 1531 = VersR 1993, 585; OLG Karlsruhe, VersR 1989, 861; 1991, 785; OLG Oldenburg, Urt. v. 19. 11. 1993 - 6 U 155/93 - vom BGH(Beschl. v. 21. 6. 1994 - VI ZR 355/93 durch Nichtannahme der Revision bestätigt; AG Marbach, VersR 1988, 852). Indes muß - wie der BGH wiederholt (zuletzt im Urt. v. 20. 9. 1994, NJW 1994, 3348) entschieden hat - nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden. Eine absolute Sicherheit kann und muß nicht gewährleistet sein. Es bedarf vielmehr nur solcher Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die ihm den Umständen nach zumutbar sind (BGH, NJW 1994, 3348 m.w. Nachw.).

Das gilt grundsätzlich auch für den Schutz von Kindern. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß sie aufgrund ihrer Unerfahrenheit, ihres Leichtsinns und Spieltriebs bei zugleich nicht hinreichend ausgeprägtem Gefahrenbewußtsein besonders gefährdet sind. Ein Grundstückseigentümer muß daher wirksame und auf Dauer angelegte Schutzmaßnahmen ergreifen, um Kinder vor Unfällen als Folge ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit zu schützen, wenn ihm bekannt ist oder sein muß, daß sie sein Grundstück - befugt oder unbefugt - zum Spielen benutzen, und die Gefahr besteht, daß sie sich dort an gefährlichen Gegenständen zu schaffen machen und dabei oder in sonstiger Weise Schaden erleiden können (BGH, NJW 1994, 3348 m.w. Nachw.).

Dabei spricht hier vieles dafür, daß der Bekl. wegen der in seinem Asylbewerberheim untergebrachten Kindern verpflichtet war, das Gartentor zu verschließen und gegen unbefugte Öffnung, insbesondere durch Kinder, zu sichern. Das bedarf jedoch keiner abschließenden Erörterung, weil ein eventuelles Versäumnis des Bekl. in diesem Bereich hier nicht schadensursächlich war. Denn die Kl. bewegte sich am Unfalltag in Anwesenheit ihrer primär aufsichtspflichtigen Eltern auf dem Grundstück des Bekl., weil die ganze Familie dort eingeladen war. Das war wegen des Gartenteiches für die Kl. mit Gefahren verbunden, deren Ausmaß vor allen anderen die Kindeseltern bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen konnten und mußten. Das entnimmt der Senat den beigezogenen Strafakten, insbesondere den dort unmittelbar nach dem Unfall gefertigten Lichtbildern. Hiernach war der Teich am 30. 6. 1991 nicht bis zur Oberkante der Teichwände mit Wasser gefüllt. Dadurch sind die steil abfallenden Teichwände deutlich erkennbar, was die Mutmaßung der Eltern der Kl., es handele sich lediglich um einen flachen Zierteich, fernliegend erscheinen läßt. Die Lichtbilder vermitteln im Gegenteil auch wegen der relativ großen Teichfläche den Eindruck, daß es sich um ein tieferes Gewässer handelt. Der Kl. kann daher nicht darin gefolgt werden, ihre Eltern hätten den Eindruck gehabt, es handele sich um einen flachen Teich, in dem ein Kind nicht vollständig versinken könne. Dies gilt um so mehr, als der Vater der Kl. in der Hauptverhandlung am 21. 1. 1993 u.a. erklärt hat, er sei gemeinsam mit der Kl. am Teich gewesen, als diese mit einem Stöckchen auf die Wasseroberfläche geschlagen habe.

Bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt durften dem Vater daher weder das Ausmaß der Gefährdung noch das Interesse der Kl. an der Teichanlage entgehen. Es war daher seine ureigene Aufgabe als Vater des Kindes, dieses entweder ständig zu beaufsichtigen oder durch ein nachdrückliches Verbot und dessen anschließende Überwachung von der Teichanlage fernzuhalten. Wenn Gefahren für Kinder durch die gebotene Beaufsichtigung von dritter Seite gewissermaßen neutralisiert werden, reduzieren sich entsprechend auch die Sicherungserwartungen an den Grundstückseigentümer, der auf eine solche Beaufsichtigung vertrauen darf. Wird eine Beaufsichtigung von Kleinkindern im Alter der Kl. nicht lückenlos durchgeführt, dann handelt es sich grundsätzlich um ein Aufsichtsversagen der Eltern oder anderer mit der Beaufsichtigung betrauter Personen. Die bloße Möglichkeit eines solchen Versagens legt dem verkehrssicherungspflichtigen Grundstückseigentümer nicht schon die Pflicht auf, den Gefahren auch aus derartigen Aufsichtsversäumnissen zu begegnen (BGH, NJW 1994, 3348). Dazu hätte im vorliegenden Fall erst Anlaß bestanden, wenn der Bekl. gewußt hätte oder hätte wissen müssen, daß die aufsichtspflichtigen Kindeseltern ihren Pflichten nicht oder nicht in dem gebotenen Maße nachkamen und darüber hinaus eine konkrete Gefahr für die Kl. erwuchs. Dafür bestehen indes keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte.

Eine Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht ist dem Bekl. daher nicht vorzuwerfen. Da das angefochtene Urteil nach alledem den beabsichtigten Berufungsangriffen voraussichtlich standhalten wird, mußte der Prozeßkostenhilfeantrag mangels Erfolgsaussicht abgelehnt werden.

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht

Normen

BGB § 823 I