Rechtsschutzversicherung bei Klage auf Auszahlung einer Gewinnzusage

Gericht

LG Görlitz


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

17. 06. 2003


Aktenzeichen

2 T 37/03


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Versicherungsnehmer hat Anspruch gegen seine Rechtsschutzversicherung auf Deckungszusage für Klagen auf Auszahlung einer Gewinnzusage. Bei Ansprüchen aus § 661 a BGB (unverlangt zugegangene Gewinnzusage) handelt es sich nicht um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit Spiel- und Wettverträgen. Ein Ausschluss des Rechtsschutzes nach § 3 Nr. 2 f ARB 94 greift daher nicht.

  2. Die Deckungszusage kann auch nicht gemäß § 18 Nr. 1 b ARB 94 mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg verweigert werden. Einer hinreichenden Erfolgsaussicht steht nicht entgegen, dass der Versicherungsnehmer derzeit noch nicht die ladungsfähige Anschrift des Prozessgegners nennen kann. Deren Ermittlung zählt vielmehr zu den von der Deckungszusage für die I. Instanz umfassten Maßnahmen.

  3. Die Deckungszusage kann auch nicht aufgrund § 18 Nr. a ARB 94 wegen groben Missverhältnisses des zu erwartenden Kostenaufwands zum angestrebten Erfolg verweigert werden. Von der Vermögenslosigkeit des Prozessgegners kann nicht im Sinne eines Erfahrungssatzes ausgegangen werden. Die Versicherungsgesellschaft müsste vielmehr Vermögenslosigkeit und daher Nutzlosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung substantiiert darlegen und ggf. unter Beweis stellen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Ast., die bei der Ag. rechtsschutzversichert ist (ARB 94), begehrt im Rahmen einer angekündigten Feststellungsklage Versicherungsschutz für die 1. Instanz auf der Grundlage folgenden Sachvortrages: Die Kl. erhielt von der Firma X unter dem 20. 8. 2001 eine Gewinnzusage in Höhe von 15000 DM. Das Schreiben hatte auszugsweise folgenden Wortlaut: „Doch jetzt ist endlich Ihr großer Tag, Frau …! Wenn Sie heute die gültige Gewinn-Nummer zurückschicken, erhalten Sie garantiert 15000 DM!“ Auf dem Anschreiben selbst und auf den beigefügten „Überweisungsträgern“, auf denen die Ast. ihre Kontonummer angeben sollte, findet sich kein Hinweis darauf, dass die Auszahlung der 15000 DM von mehr als der Rücksendung der ordnungsgemäß ausgefüllten Unterlagen abhängig sein sollte. Die Ast. beabsichtigt, gegen die X klageweise aus § 661a BGB vorzugehen und beantragte bei der Ag. eine entsprechende Deckungszusage für die 1. Instanz.

Das AG Zittau hat den Prozesskostenhilfeantrag mit der Begründung zurückgewiesen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine ausreichende Aussicht auf Erfolg. Die Ast. sei auf Grund des § 3 Nr. 2 lit. f ARB 94 zur Gewährung von Rechtsschutz vertraglich nicht verpflichtet, da es sich bei dem Anspruch der Ast. aus § 661a BGB um einen solchen in ursächlichem Zusammenhang mit Spiel oder Wette handele. Die Beschwerde der Ast. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Ast. hat nach dem bisherigen Sachvortrag beider Parteien gegen die Ag. einen Anspruch auf Erteilung der Deckungszusage für die Prozessführung in erster Instanz bezüglich der beabsichtigten Klage aus § 661a BGB gegen die X. Dieser Anspruch resultiert aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag i.V. mit § 2 lit. d der Vertragsbestandteil gewordenen ARB 94.

1. Die Ast. begehrt von der Ag. Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus einem privatrechtlichen Schuldverhältnis i.S. des § 2 lit. d ARB 94. Ein Ausschluss des Rechtsschutzes gem. § 3 Nr. 2 lit. f ARB 94 liegt entgegen der Ansicht des AG Zittau und der Ag. nicht vor. § 3 Nr. 2 lit. f ARB 94 sieht einen Ausschluss vom Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, die in ursächlichem Zusammenhang mit Spiel- oder Wettverträgen stehen, vor. Der vorliegend seitens der Ast. verfolgte Anspruch gem. § 661a BGB fällt nicht in diese Kategorie, sondern ist ein gesetzlicher Anspruch eigener Art. Sinn und Zweck des § 3 Nr. 2 lit. f ARB 94 ist es, wie schon bei der restriktiveren entsprechenden Norm der ARB 75, mit den von der Risikogemeinschaft der Versicherten aufgebrachten Beiträgen keine Auseinandersetzungen aus aleatorischen Verträgen zu finanzieren, d.h. aus Vereinbarungen, deren Erfolg allein oder überwiegend vom Zufall abhängt und häufig gar nicht einklagbar ist (vgl. Harbauer, ARB, 6. Aufl., § 4 ARB 75 Rdnr. 53). Die Norm stellt nicht allein - wie ihr Vorgänger - auf direkte aleatorische Ansprüche ab, sondern umfasst auch damit in ursächlichem Zusammenhang stehende Ansprüche aus unerlaubter Handlung, ungerechtfertigter Bereicherung, pVV und c.i.c., mithin auch konkurrierende Ansprüche aus anderen Rechtsgebieten (vgl. Harbauer, § 3 ARB 94 Rdnr. 12). Der vorliegend umstrittene Anspruch aus § 661a BGB steht in diesem Sinne nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit Spiel oder Wette.

Die Ast. hat jedenfalls vor dem Erhalt der Gewinnmitteilung nicht an einem Spiel oder einer Wette i.S. der §§ 762 ff. BGB teilgenommen. Bei der Gewinnmitteilung handelt es sich um eine zufallsunabhängige, ein vorheriges Tätigwerden der Ast. jedenfalls nach übereinstimmendem Parteivortrag nicht erfordernde, mithin unaufgefordert erteilte unseriöse Werbemaßnahme, die zu verhindern Sinn und Zweck des § 661a BGB ist. Die tatsächliche Rechtsnatur des § 661a BGB kann dahingestellt bleiben, jedenfalls handelt es sich nach derzeit wohl herrschender Auffassung, der sich der Einzelrichter anschließt, nicht um einen Anspruch im unmittelbaren Zusammenhang mit solchen aus Verträgen nach §§ 762 ff. BGB (OLG Dresden, OLG-NL 2002, 97: Anspruch im Zusammenhang mit einem Vertrag, der die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand hat; Lorenz, NJW 2000, 3305: deliktischer oder quasideliktischer Anspruch; BGH, NJW 2003, 426: Anspruch im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag bzw. deliktischer Anspruch). Das Grundübel, dem der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 661a BGB begegnen wollte, waren gerade unlautere Werbemaßnahmen der exemplarisch am vorliegenden Beispiel zu ersehenden Art, die ein festes, zufallsunabhängiges und damit gerade nicht aleatorisches „Gewinnversprechen“ zum Gegenstand, zum Ziel aber den Abschluss von Verträgen über den Kauf beweglicher Sachen haben, durch die Sanktion der Einklagbarkeit des angeblichen „Gewinnes“ zurückzudrängen.

2. Die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Ast. gegenüber der X bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S. des § 18 Nr. 1 lit. b ARB 94, so dass ein Ausschluss der Einstandspflicht der Ag. auch aus dieser Norm nicht hergeleitet werden kann.

a) Die Voraussetzungen des Anspruches aus § 661a BGB sind vorliegend erfüllt, die X wird daher jedenfalls auf der Grundlage des vorliegend unstreitigen Sachverhaltes zur Zahlung der 15000 DM zu verurteilen sein. Gem. § 661a BGB hat ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, diesen Preis auch tatsächlich zu leisten. Die Ast. ist Verbraucherin, die X ist Unternehmerin i.S. des § 661a BGB. Die Mitteilung vom 20. 8. 2001 war geeignet, bei einem Verbraucher - abzustellen ist insofern im Sinne der üblichen Verbraucherschutzregeln auf den „denkbar dümmsten Verbraucher“, was rechtspolitisch bedenklich sein mag, aber anders nicht zu handhaben zu sein scheint - den Eindruck zu erwecken, er habe tatsächlich 15000 DM gewonnen. Dies kann nach dem Wortlaut der „Gewinnmitteilung“ nicht ernstlich bezweifelt werden. Mit der gesetzlichen Formulierung „den Eindruck erweckt“ sollte der Umfang des Anwendungsbereiches der Norm absichtlich weit gefasst werden. Versteckte Hinweise, etwa wie vorliegend in den „Vergabebedingungen“, vermögen daher die abstrakte Eignung derartiger Mitteilungen, den Eindruck eines bereits gewonnenen Preises im Sinne des Gesetzes zu erwecken, nicht zu mildern (OLG Dresden, OLG-NL 2002, 97). Die Rücksendung der „gültigen Gewinn-Nummer“ sollte nach diesem von der „Gewinnmitteilung“ erweckten Eindruck keinerlei Einfluss auf die „Gewinnchancen“ mehr haben, sondern nur noch der Erfüllung formaler Kriterien für die Auszahlung des bereits „gewonnenen“ Preises dienen.

b) Dass die Ast. derzeit die ladungsfähige Anschrift der X noch nicht zu benennen vermag, steht der hinreichenden Erfolgsaussicht nicht im Wege. Die Ermittlung dieser Anschrift ist, entsprechende Recherchen des Anwaltes der Ast., die auf Grund der ausstehenden Deckungszusage verständlicherweise ebenfalls noch ausstehen vorausgesetzt, nicht als unmöglich anzusehen. Die Ermittlung der Anschrift und des Vertretungsberechtigten zählt zu den von der Deckungszusage für die erste Instanz umfassten Maßnahmen. Wie der Antragstellerinvertreter zutreffend ausführt, wäre eine Klageerhebung seitens der Ast. schon unter dem Gesichtspunkt der Anwaltshaftung ohne vorherige - von der Ag. zu bezahlende - Ermittlung dieser Daten undenkbar, würde aber jedenfalls im Endeffekt nicht zu einer finanziellen Belastung der Ag. führen, da diese sich dadurch entstehende Kosten jedenfalls von der Berufshaftpflichtversicherung des Prozessbevollmächtigten der Ast. zurückholen könnte.

c) Selbst wenn man die Vermögenslosigkeit des beabsichtigten Prozessgegners unter den Gesichtspunkt der hinreichenden Erfolgsaussicht der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Rechtsschutzversicherten fassen wollte, würde dieser Gesichtspunkt vorliegend nicht zu einer berechtigten Ablehnung der Deckungszusage führen können. Es gibt keinen anerkannten Erfahrungssatz, demzufolge niederländische B.V. prinzipiell als vermögenslos anzusehen sind. Sollte dies im vorliegenden Einzelfall dennoch zutreffen, so wäre es an der Ag., die Vermögenslosigkeit und daher die Nutzlosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung darzulegen und gegebenenfalls unter Beweis zu stellen. Diese Möglichkeit bleibt der Ag. im weiteren Klageverfahren unbenommen.

3. Ein Ausschlussgrund i.S. des § 18 Nr. 1 lit. a ARB 94 liegt ebenfalls nicht vor. Dahingestellt bleiben kann insofern, ob die Ag. verpflichtet gewesen wäre, mit ihrer eine Deckungszusage ablehnenden Mitteilung an die Ast. gleichzeitig klarzustellen, dass diese auch in der genannten Norm der ARB 94 ihre Grundlage findet. Denn jedenfalls ist nicht ersichtlich, warum der zu erwartende Kostenaufwand in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg stehen sollte. Da, wie oben ausgeführt, von der Vermögenslosigkeit der X nicht im Sinne eines Erfahrungssatzes ausgegangen werden kann, steht der zu erwartende Aufwand an Prozesskosten bei der zu Grunde zu legenden Zuständigkeit deutscher Gerichte (OLG Dresden, OLG-NL 2002, 97) im von der BRAGO und dem GKG vorgesehenen „normalen“ Verhältnis zum angestrebten Erfolg, der Verurteilung der X zur Zahlung von 15000 DM. Dies selbst für den Fall, dass die Ast. in dem zu erwartenden Prozess aus derzeit nicht absehbaren Gründen unterliegen sollte.

Rechtsgebiete

Allgemeines Zivilrecht

Normen

ARB 94 § 18 Nr. 1 lit. b; BGB § 661a