Verbot der Kreditvermittlung mit 0190-Nummern
Gericht
OLG Nürnberg
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
29. 07. 2003
Aktenzeichen
3 U 1225/03
Entstehen dem Kunden bereits für die Kontaktaufnahme mit einem Kreditvermittler Gebühren, da dieser dafür eine Telefonmehrwertdienstnummer (sog. "0190"-Nummer) verwendet, so verstößt der Kreditvermittler gegen die §§ 655c, 655d BGB, wonach eine Vergütung für Kreditvermittlung nur im Erfolgsfall geschuldet wird.
Ein Verstoß gegen diese gesetzliche Vorschriften ist dann auch wettbewerbswidrig, wenn die Übertretung bewusst und planmäßig zum Mittel des Wettbewerbs gemacht wird, um einen sachlich nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor Mitbewerbern zu erzielen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 13. März 2003 wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit der Werbung für eine Kreditvermittlung folgendes anzugeben:
"Tel.: 0190..."
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf
15.000,-- Euro festgesetzt.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten um einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch.
Der Beklagte bot im Internet die Vermittlung privater Ratenkredite an, wobei die Kontaktaufnahme unter anderem unter einer Telefonmehrwertdienstnummer mit der Vorwahl "0190" ermöglicht war. Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten dazu zu verurteilen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit der Werbung für seine Kreditvermittlung folgendes anzugeben: "Tel.: 0190..."
Der Beklagte, der sich darauf bezieht, dass die Kontaktaufnahme nicht zwingend über diese Nummer erfolgen muss, hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seinen Anspruch in vollem Umfang weiterfolgt. Er bezieht sich dabei auf den Verhaltenskodex "FST Freiwillige Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste e.V.", der die Verwendung einer Premium-Rate-Rufnummer zum Zwecke der Kreditvermittlung untersagt.
Der Beklagte, der sich auch in zweiter Instanz vor allem darauf bezieht, dass auch andere Formen der Kontaktaufnahme möglich seien, beantragt die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Auszüge aus den Gründen:
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt "Vorsprung durch Rechtsbruch" zu, § 1 UWG.
1. Der Kläger ist nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG klagebefugt.
2. Durch seine Werbung für Kreditvermittlung im Internet handelt der Beklagte im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs.
3. Das Verhalten des Beklagten ist auch sittenwidrig nach § 1 UWG.
a) Der Beklagte verstößt gegen §§ 655 c und 655 d BGB, Diese Vorschriften sehen vor, dass eine Vergütung für Kreditvermittlung nur im Erfolgsfalle geschuldet wird und dass außer dieser erfolgsabhängigen Vergütung keine weiteren Entgelte vereinbart werden dürfen. Eine Ausnahme ist nur insoweit vorgesehen, als vereinbart werden kann, dass dem Vermittler entstandene erforderliche Auslagen zu erstatten sind. Dies setzt voraus, dass die Kosten nach Abschluss des Kreditvermittlungsvertrages entstanden sein müssen, da vorher keine entsprechende Vereinbarung getroffen werden kann (vgl. OLG Stuttgart NJWE -WettbR 2000, 11, Urteil vom 18.06.1999 - 2 U 233/98). Hiergegen verstößt der Beklagte, da bereits durch die Kontaktaufnahme über die Telefonmehrwertdienstnummer Gebühren entstehen, unabhängig davon, ob später ein Kreditvermittlungsvertrag zustande kommt.
b) Der Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift außerhalb des UWG führt nicht zwangsläufig zu Sittenwidrigkeit im Sinne von § 1 UWG (vgl. Köhler/Piper, 3. Auflage, § 1 UWG Rn. 726). Die §§ 655 c und 655 d sind im Sinne des Wettbewerbsrechts wertneutrale Normen. Ein Verstoß hiergegen führt erst dann zur Sittenwidrigkeit, wenn Umstände hinzutreten, die den Gesetzesverstoß auch wettbewerbsrechtlich anstößig erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung z. B. BGH GRUR 95,427). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Übertretung der Norm bewusst und planmäßig zum Mittel des Wettbewerbs gemacht wird, um einen sachlich nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor Mitbewerbern zu erzielen. Gemessen an diesen Darlegungen ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes:
aa) Die Vorschriften der §§ 655 c und 655 d sind wettbewerbsbezogene Normen. Sie dienen ebenso wie das UWG dem Verbraucherschutz.
bb) Der Beklagte hat sich bewusst über die genannten Vorschriften hinweggesetzt. Vorsatz in diesem Zusammenhang bedeutet nur Kenntnis der Tatumstände, nicht Kenntnis der Rechtswidrigkeit. Unstreitig hat der Beklagte selbst die Werbung mit der Telefonmehrwertdienstnummer veranlasst.
cc) Er handelte auch planmäßig, das heißt zielbewusst auf die Begehung weiterer Gesetzesverstöße bezogen. Dies ergibt sich aus der Art der Werbung im Internet, die nicht einmalig, sondern auf Dauer angelegt ist.
dd) Der Beklagte handelte auch in der Absicht, einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Er selbst trägt vor, einen höheren Aufwand für den Service "Eilantrag", den er mit der Telefonmehrwertdienstnummer betrieb, zu haben. Er finanzierte diesen Aufwand ganz oder teilweise durch die erhöhten Telefongebühren. Mitbewerber, die sich an die gesetzlichen Regelungen halten, sind demgegenüber im Nachteil. Sie können den Service entweder nicht anbieten oder müssen ihn durch Gewinnminimierung finanzieren.
ee) Es besteht auch Wiederholungsgefahr: Zwar hat der Beklagte inzwischen die streitgegenständliche Werbung eingestellt, aber keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Hier durch wird die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt.
4. Für diese Entscheidung kann es dahin stehen, ob sich für ein Nichtmitglied des Vereins ''FST Freiwillige Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste e.V." wettbewerbsrechtliche Folgen aus dem Verhaltenkodex des Vereines ergeben. Anerkannt ist, dass von branchenkundiger Hand erarbeitete Bestimmungen Erkenntnisquelle dafür sein können, was in der betreffenden Branche lauter oder unlauter ist (BGH GRUR 77,257). Eine weitergehende Wirkung kommt den Wettbewerbsrichtlinien allerdings nicht zu. Auf den vorliegenden Fall bezogen ist nichts dazu vorgetragen, welche Mitgliederzahlen der Verein hat, welches Gewicht dem Kodex danach zukommt und inwieweit die dort niedergelegten Bestimmungen tatsächlich branchenüblich sind.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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